Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.09.2023, Az. X ZR 65/21

10. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7441

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Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats ([X.]) des [X.] vom 6. Juli 2021 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 529 450 (Streitpatents), das am 28. Oktober 2004 unter Inanspruchnahme der Priorität einer [X.] Patentanmeldung vom 7. November 2003 angemeldet wurde und das Herstellen von [X.]n betrifft. Patentanspruch 1, auf den sich sechs weitere Ansprüche zurückbeziehen, lautet in der [X.]:

Vorrichtung zur im Wesentlichen gleichzeitigen Herstellung von mindestens zwei [X.]n (8) der tabakverarbeitenden Industrie, insbesondere von Tabaksträngen zur Zigarettenherstellung, mit einer [X.] (12) zum Schneiden der [X.] (8) und einer [X.] (6) zur gleichzeitigen Führung der [X.] (8) in einem Abstand voneinander zur [X.] (12), wobei die [X.] (6) mehrere Förderstrecken (I, ll), von denen jeweils eine Förderstrecke einem Faserstrang zugeordnet ist, und Fördermittel (6a) zum Transport der [X.] (8) entlang der voneinander beabstandeten Förderstrecken (I, II) zur [X.] (12) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Abstand zwischen den Förderstrecken (I, II) in Richtung auf die [X.] (12) auf einen vorbestimmten Minimalwert vor der [X.] (12) abnimmt.

2

Patentanspruch 8, auf den sich ein weiterer Anspruch zurückbezieht, schützt ein Verfahren mit entsprechenden Merkmalen.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit elf Hilfsanträgen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über die mit Hilfsantrag 0 verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unverändert die vollumfängliche Nichtigerklärung des Streitpatents begehrt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Schutzrecht ergänzend mit ihren weiteren Hilfsanträgen aus erster Instanz.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

6

I. Das Streitpatent betrifft die im Wesentlichen gleichzeitige Herstellung von mindestens zwei [X.]n der tabakverarbeitenden Industrie, insbesondere die Herstellung von [X.]n bei der Zigarettenproduktion.

7

1. Nach der Beschreibung sind hierfür geeignete Vorrichtungen unter anderem aus der [X.] [X.] 1 293 136 ([X.]) bekannt. Jedoch träten mit zunehmender Stranggeschwindigkeit aus dynamischen Gründen Probleme hinsichtlich der [X.], der Materialermüdung und der Geräuschentwicklung auf (Abs. 1 f.).

8

2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine Vorrichtung bereitzustellen, welche die genannten Probleme verringert (Abs. 3, 6).

9

3. Zur Lösung schlagen die Patentansprüche 1 und 7 in ihrer im zweiten Rechtszug noch verteidigten Fassung eine Vorrichtung bzw. ein Verfahren vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):

1a          

Vorrichtung zur im Wesentlichen gleichzeitigen Herstellung von mindestens zwei Fasersträngen (8) der tabakverarbeitenden Industrie, insbesondere von Tabaksträngen zur Zigarettenherstellung,

7a          

Verfahren zur im Wesentlichen gleichzeitigen Herstellung von mindestens zwei Fasersträngen (8) der tabakverarbeitenden Industrie, insbesondere von Tabaksträngen zur Zigarettenherstellung

1b

mit einer [X.] (12) zum Schneiden der Faserstränge (8)

7b2

Die Faserstränge (8) werden in der [X.] (12) geschnitten.

1c

und einer Führungseinrichtung (6) zur gleichzeitigen Führung der Faserstränge (8) in einem Abstand voneinander zur [X.] (12).

7b1

Die Faserstränge (8) werden entlang entsprechender Förderstrecken (I, II) in einem Abstand voneinander gleichzeitig zu einer [X.] (12) geführt.

1d

Die Führungseinrichtung (6) weist auf:

1d1

mehrere Förderstrecken (I, ll), von denen jeweils eine einem Faserstrang zugeordnet ist,

1d2

Fördermittel (6a) zum Transport der Faserstränge (8) entlang der voneinander beabstandeten Förderstrecken (I, II) zur [X.] (12),

1f

eine formbildende Einrichtung (6), die so ausgebildet ist, dass während der Bewegung der Faserstränge (8) in Richtung auf die [X.] (12) der Abstand zwischen diesen auf den vorbestimmten Minimalwert vor der [X.] (12) reduziert wird.

7f

Die Führungseinrichtung (6) weist eine formbildende Einrichtung (6) auf, mittels derer während der Bewegung der Faserstränge·(8) in Richtung auf die [X.] (12) der Abstand zwischen diesen auf den vorbestimmten Minimalwert vor der [X.] (12) reduziert wird,

7g

Der Abstand bleibt nach Erreichen des vorbestimmten Mindestwerts konstant.

7h

Der Abstand bleibt, in Bewegungsrichtung der Faserstränge (8) betrachtet, hinter der formbildenden Einrichtung (6) konstant

1e

Der Abstand zwischen den Förderstrecken (I, II) nimmt in Richtung auf die [X.] (12) auf einen vorbestimmten Minimalwert vor der [X.] (12) ab.

7c

Der Abstand zwischen den Förderstrecken (I, II) nimmt in Richtung auf die [X.] (12) auf einen vorbestimmten Minimalwert vor der [X.] (12) ab.

4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung.

a) [X.] im Sinne von Merkmal 1a bzw. 7a kann grundsätzlich aus jedem Material bestehen, das für den Einsatz in der tabakverarbeitenden Industrie geeignet ist. Neben den beispielhaft angeführten [X.]n kommen insbesondere auch Filterstränge in Betracht.

Nur Patentanspruch 8 sieht eine Eignung der Vorrichtung für [X.] zwingend vor. Auch danach ist es nicht ausgeschlossen, die Vorrichtung auch für andere Stränge einzusetzen.

b) Welche Beschaffenheit der Faserstrang vor oder nach der Bearbeitung mit der geschützten Vorrichtung bzw. nach Anwendung des geschützten Verfahrens aufweist, ist in den Patentansprüchen 1, 7 und 8 nicht näher festgelegt.

Danach ist insbesondere nicht erforderlich, dass der Strang erst in der geschützten Vorrichtung bzw. durch das geschützte Verfahren gebildet wird. Umfasst ist vielmehr auch die Weiterbearbeitung eines bereits als Strang vorliegenden Ausgangsmaterials.

Bei dem im Streitpatent geschilderten Ausführungsbeispiel werden die Tabakfasern zwar erst in der Vorrichtung durch formgebende Finger (4) zu einem Strang geformt (Abs. 13). Wie bereits dargelegt wurde, sind die Patentansprüche 1, 7 und 8 aber nicht auf die Verarbeitung von [X.]n beschränkt.

Eine entsprechende Einschränkung ergibt sich auch nicht aus Merkmal 1f bzw. 7f. Diese sehen zwar vor, dass der Strang geformt wird. Eine solche Bearbeitung kann aber auch an Ausgangsmaterial vorgenommen werden, das bereits als Strang vorliegt. Eine bestimmte Art der Formung sehen die Patentansprüche ohnehin nicht vor.

c) Die in Merkmal 1c bzw. 7f vorgesehene [X.] muss nach Merkmal 1d1 bzw. 7b1 für jeden Faserstrang eine gesonderte [X.] aufweisen.

Diese [X.]n müssen nach Merkmal 7b1 so angeordnet sein, dass die [X.] in einem Abstand voneinander geführt werden können. Entsprechendes ergibt sich für den Vorrichtungsanspruch aus Merkmal 1d2, wonach die [X.]n voneinander beabstandet sind, und aus Merkmal 1c, wonach die [X.] - die nach [X.] 1d die [X.]n umfasst - geeignet sein muss, die [X.] in einem Abstand voneinander zu führen.

Wie groß dieser Abstand ist und wie er gemessen wird, ist in den Patentansprüchen 1, 7 und 8 nicht näher festgelegt. Aus dem Umstand, dass die geführten [X.] einen Abstand aufweisen müssen, ergibt sich allerdings, dass der Abstand der [X.]en ausreichend groß sein muss, um diesen Abstand wahren und die [X.] störungsfrei fördern zu können.

d) Wesentliche Bedeutung kommt der Reduzierung des Abstands auf dem Weg zur [X.] zu. Diese ermöglicht nach der Beschreibung eine besonders effektive Nutzung der [X.] auch bei verhältnismäßig großer Stranggeschwindigkeit, ohne dass die [X.] leidet (Abs. 19).

aa) In der im Berufungsverfahren noch zu beurteilenden Fassung ist die Reduzierung des Abstands sowohl im Hinblick auf die [X.] als auch im Hinblick auf die [X.]n definiert.

Nach dem bereits in der erteilten Fassung vorgesehenen Merkmal 1e bzw. 7c muss der Abstand zwischen den [X.]n in Richtung auf die [X.] auf einen vorbestimmten Minimalwert abnehmen.

Nach dem in erster Instanz hinzugefügten Merkmal 1f bzw. 7f muss der Abstand zwischen den [X.]n auf den vorbestimmten Minimalwert reduziert werden. Diese Einrichtung bildet einen Teil der [X.], die nach Merkmal 1d2 bzw. 7b1 bis zur [X.] reicht.

Diese Ergänzung enthält eine sprachliche Ungenauigkeit, weil der Abstand zwischen den [X.]n nicht zwingend identisch ist mit dem Abstand zwischen den [X.]n, die genannten Merkmale dennoch nur einen vorbestimmten Minimalwert erwähnen. Aus der genannten Funktion des Merkmals - das Ermöglichen eines qualitativ hochwertigen Schneidevorgangs bei hoher Stranggeschwindigkeit - ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass es vorrangig um den Abstand der zu schneidenden Stränge geht und dass der Abstand zwischen den [X.]n so bemessen sein muss, dass der vordefinierte [X.] zwischen den [X.]n eingehalten werden kann.

Dieser [X.] muss, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, größer als 0 sein, d.h. die beiden Stränge dürfen sich nicht berühren und erst recht nicht miteinander verbunden werden.

bb) Nach Merkmal 1f muss die Reduzierung des Abstands auf den vorgegebenen Minimalwert innerhalb der formbildenden Einrichtung erfolgen.

Eine solche Ausgestaltung ist beispielhaft in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 dargestellt.

Abbildung

Die [X.] werden aus [X.] (4) auf die auch als Format bezeichnete formbildende Einrichtung (6) abgegeben. Dort wird im Verlauf der weiteren Bewegung ein Papierstreifen (5) um den [X.] gelegt (Abs. 14). Ferner ist im Format (6) eine [X.] (7) vorgesehen, die Leimspuren zur Verklebung des Papierstreifens trocknet (Abs. 15). Während der [X.] und Trocknungsphase laufen beide [X.] symmetrisch unparallel durch das Format (6), indem der Abstand zwischen den [X.]n (I, II) mit zunehmender Entfernung von den [X.] (4) abnimmt (Abs. 17).

Anders als die Beschreibung (Abs. 8) sieht Patentanspruch 1 zwar nicht ausdrücklich vor, dass der Abstand innerhalb der formbildenden Einrichtung auf den Minimalwert reduziert wird. Der Vorgabe in Merkmal 1f, wonach diese Einrichtung so ausgebildet sein muss, dass der Abstand während der Bewegung der [X.] auf den vorbestimmten Minimalwert reduziert wird, ist jedoch zu entnehmen, dass die formbildende Einrichtung dasjenige Element ist, in dem die Reduzierung des Abstands stattfinden muss.

cc) Merkmal 7f ist trotz des im Detail abweichenden Wortlauts in gleichem Sinne auszulegen wie Merkmal 1f.

Die in Merkmal 7f enthaltene Vorgabe, dass der Abstand mittels der formbildenden Einrichtung auf den vorbestimmten Minimalwert reduziert wird, mag bei isolierter Betrachtung zwar auch das Verständnis zulassen, dass es genügt, wenn die Abstandsreduzierung durch die formbildende Einrichtung eingeleitet wird, der Minimalwert aber erst an anderer Stelle erreicht wird. Aus der Zusammenschau mit der zusätzlich in Merkmal 7f definierten Anforderung, dass die Reduzierung auf den Minimalwert während der Bewegung der [X.] erfolgen muss, ergibt sich aber, dass die maßgeblichen Vorgänge innerhalb der formbildenden Einrichtung stattfinden müssen, der Minimalwert des Abstands also in diesem Bereich erreicht werden muss.

dd) Als formbildende Einrichtung im Sinne von Merkmal 1f bzw. 7f ist eine Vorrichtung anzusehen, bei der das vorhandene Material in eine andere Form gebracht wird. Nicht ausreichend sind Einrichtungen, bei denen die Form des Strangs allein durch Hinzufügen oder Entfernen von Material verändert wird.

Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beschreibung den formbildenden [X.] (6) abgrenzt von vorgelagerten Elementen, in denen der [X.] durch Zusammenfügen von Fasern erst gebildet wird (Abs. 13 f.). Die Merkmale 1f und 7f greifen diesen [X.]rachgebrauch auf und beziehen sich ausschließlich auf formbildende Einrichtungen. Damit sind vorgelagerte Elemente, bei denen die Form durch Hinzufügen oder Entfernen von Fasern verändert wird, ausgeschlossen.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 0 verteidigte Gegenstand gehe nicht über den Inhalt der Anmeldung hinaus. Diese offenbare eine Reduzierung des Abstands auf einen vorbestimmten Minimalwert sowohl für die [X.] als auch für die [X.]n.

Dieser Gegenstand sei auch patentfähig. Die [X.] 4 507 107 ([X.]) und 3 994 306 ([X.]) offenbarten Vorrichtungen, bei der eine Abstandsreduzierung erst nach Durchlaufen der formbildenden Einrichtung erfolge. Bei der in [X.] offenbarten Vorrichtung werde das Material zudem vor dem Schneiden zu einem einzigen Faserstrang verbunden. Die [X.] [X.] 43 08 093 ([X.]) offenbare die Verarbeitung von [X.]streifen, die erst in einem nachfolgenden Schritt zu [X.] verarbeitet würden. Außerdem werde nur der Abstand zwischen den [X.]n reduziert. Der Abstand zwischen den Streifen nehme demgegenüber sogar geringfügig zu.

Merkmal 1f bzw. 7f ergebe sich für den Fachmann, einen Diplom-Ingenieur oder Master des Maschinenbaus mit Fachhochschul-Abschluss und mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Vorrichtungen zur Herstellung von [X.]n der tabakverarbeitenden Industrie, auch nicht in naheliegender Weise aus einer Zusammenschau von [X.] mit der [X.] [X.] 1 108 367 ([X.]). Selbst wenn Veranlassung bestanden habe, die in der Vorrichtung aus [X.] hergestellten Filterstränge zu einer gemeinsamen [X.] zu führen, wie sie in den Figuren 1 und 2 der [X.] gezeigt werde, und hierbei den Abstand der Stränge zu reduzieren, habe sich daraus nicht in naheliegender Weise ergeben, diese Reduzierung durch eine entsprechende Ausbildung der Filterstrangeinheit als formbildender Einrichtung herbeizuführen. Im Stand der Technik sei eine Abstandsreduzierung nach Verlassen der Filterstrangeinheit bekannt gewesen, etwa aus [X.] und [X.].

Die [X.] [X.] 28 04 458 ([X.]) zeige formbildende Einrichtungen, die einen konstanten Abstand der [X.] zur Folge hätten. Die für [X.] vorgesehenen Bahnen liefen ebenfalls parallel. Die [X.] [X.] 195 41 464 ([X.]) offenbare nur kontinuierlich parallel verlaufende [X.]. Die Veröffentlichung von [X.] (Technique du tabac, [X.] 1959, [X.], [X.]0) zeige lediglich ein damals neues Verfahren der [X.]bildung. Die [X.] [X.] 36 27 057 ([X.]1) offenbare eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Herstellen eines Tabakfaserstrangs unter Abgrenzung von [X.]. Auch in der Zusammenschau von [X.] und [X.]1 ergebe sich keine konvergierende Anordnung.

III. Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

1. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der verteidigte Gegenstand nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht.

a) Wie auch die Berufung im Ansatz nicht verkennt, ist bereits in den in der Anmeldung formulierten Ansprüchen 1 und 2 eine Reduzierung des Abstands auf einen vorbestimmten Minimalwert sowohl für die Stränge als auch für die [X.]n vorgesehen.

b) Entgegen der Auffassung der Berufung führt der Umstand, dass der unbestimmte Artikel ("auf einen vorbestimmten Minimalwert") in der Anmeldung für den Abstand zwischen den Strängen und in der verteidigten Fassung für den Abstand zwischen den [X.]n verwendet wird, und der bestimmte Artikel ("auf den vorbestimmten Minimalwert") für den jeweils anderen Abstand, nicht zu einer inhaltlichen Abweichung.

Wie bereits oben dargelegt wurde, ergibt sich aus den Funktionsangaben in der Beschreibung, dass die Abstände der [X.] und der [X.]n aufeinander abgestimmt sein müssen. Vor diesem Hintergrund kommt der Frage, welcher Abstand als Ausgangspunkt gewählt wird, keine Bedeutung zu, zumal die Patentansprüche 1, 7 und 8 ohnehin keine näheren Festlegungen bezüglich der Größe des Abstands treffen.

c) Entgegen der Auffassung der Berufung geht der Gegenstand von Patentanspruch 7 nicht deshalb über den Inhalt der Anmeldung hinaus, weil die Definition der [X.] nicht denselben Detaillierungsgrad aufweist wie in Patentanspruch 1.

aa) Auch Patentanspruch 7 sieht ausdrücklich vor, dass die [X.] mehrere getrennte [X.]n aufweist.

Dies ergibt sich schon aus Merkmal 7b1, wonach die [X.] entlang entsprechender [X.]n in einem Abstand voneinander geführt werden, und zusätzlich aus Merkmal 7c, wonach der Abstand zwischen den [X.]n in Richtung auf die [X.] abnimmt.

bb) Der verteidigte Gegenstand geht auch nicht deshalb über den Inhalt der Anmeldung hinaus, weil Patentanspruch 7 nicht ausdrücklich vorsieht, dass die [X.] über Fördermittel verfügt.

Dass die Stränge bei dem von Patentanspruch 7 geschützten Verfahren zur [X.] hin gefördert werden müssen, ergibt sich aus Merkmal 7b1, wonach [X.]n vorhanden sein müssen. Die Mittel, mit denen diese Bewegung erzielt wird, sind weder im Streitpatent noch in der Anmeldung näher beschrieben. Daraus geht hinreichend deutlich hervor, dass der Ausgestaltung der Fördermittel keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt.

2. Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht den verteidigten Gegenstand von Patentanspruch 1 als neu angesehen.

a) [X.] offenbart eine Vorrichtung zur gleichzeitigen Herstellung mehrerer Filterfaserstränge zwecks Produktion von Zigaretten.

aa) Die Vorrichtung umfasst eine Einrichtung zum gemeinsamen Schneiden der [X.]. Die Abstände der [X.] werden vor dem Schneiden auf ein Minimum reduziert. In den Ausführungsbeispielen nach den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 6 und 7 wird der Abstand zwischen den [X.]n aber nicht schon innerhalb einer formbildenden Einrichtung reduziert, sondern erst danach, unmittelbar vor der [X.].

Abbildung

bb) Entgegen der Auffassung der Berufung besteht die formbildende Einrichtung nur aus den auch vom Patentgericht als maßgeblich angesehenen Bauteilen mit den Bezugszeichen 45a bis 45f. Das Bauteil mit dem Bezugszeichen 50 ist demgegenüber eine [X.] ([X.]. 8 Z. 54-62).

In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die Zugvorrichtung (48), die sich anschließende Strecke, auf der sich der Abstand zwischen den einzelnen Strängen verringert, und der vor der [X.] gelegene Teil der [X.] (50) als Teile der [X.]n im Sinne der Merkmale 1d1 und 1e angesehen werden können. Diese Bereiche gehören jedenfalls nicht zur formbildenden Einrichtung im Sinne von Merkmal 1f. Dies gilt auch dann, wenn die [X.] nach Verlassen der Bauteile 45a bis 45f noch nicht die Form aufweisen, die sie im Endzustand haben sollen. Entscheidend ist, dass [X.] nicht zu entnehmen ist, dass die Stränge im nachfolgenden Bereich bis hin zur [X.] noch eine Formung erhalten. Nach dem Vorbringen der Berufung sollen zwar kreisrunde Durchgänge in der Führung (50) eine zusätzliche Formung der Stränge bewirken. Eine solche Wirkung lässt sich aber weder den Figuren 6 und 7 noch dem sonstigen Inhalt der [X.] unmittelbar und eindeutig entnehmen. Dass sie sich von selbst einstellt, ist nicht ersichtlich. Unabhängig davon wird der [X.] bereits vor dem Eintritt in die genannten Durchgänge erreicht und nicht erst innerhalb der Führung (50).

b) [X.] offenbart eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Herstellen zusammengesetzter Zigarettenfilter.

aa) Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 dargestellt.

Abbildung

Zwei Stränge (60, 62) werden je einzeln durch eine Zuführdüse (64, 66), eine mit Dampf beaufschlagte Kammer (68, 70), eine Umformeinrichtung ([X.], 80) und einen [X.] (94, 96) geführt [X.]. 4 Z. 46 bis [X.]. 5 Z. 41). Anschließend werden beide Stränge gemeinsam durch ein Führungselement (100), eine weitere [X.] (102) und einen weiteren [X.] (104) geführt, um eine im Wesentlichen zylindrisch geformte Struktur (30) zu erhalten ([X.]. 5 Z. 41-47). Details zur Ausgestaltung der [X.] (102) sind in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 9 dargestellt, die damit erzeugte Struktur in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 4.

AbbildungAbbildung

bb) Damit ist Merkmal 1f nicht offenbart.

Der Abstand zwischen den einzelnen Strängen wird erst nach Verlassen der [X.] (94) verringert.

Das Bauteil (102) ist zwar ebenfalls eine [X.]. In und vor dieser werden die beiden Stränge aber nicht nur bis auf einen vorgegebenen Minimalwert einander angenähert, sondern zusammengeführt und miteinander verbunden.

c) [X.] betrifft ein Verfahren zum Aufbereiten von [X.]material für eine Zigarettenherstellung im Strangverfahren sowie die zugehörige Vorrichtung.

aa) Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 dargestellt.

Abbildung

Die [X.] (4, 6) werden durch [X.] (27) geleitet und durch Schlitze (34) mittels einer Bürste (32) mit Weichmacher versehen. Anschließend werden sie in eine Filterstrangeinheit (44) abgegeben, wo sie zu [X.] verarbeitet und dann in Abschnitte passender Länge zerschnitten werden ([X.]. 3 Z. 38 bis [X.]. 4 Z. 3).

bb) Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ist damit nicht offenbart, dass der Abstand zwischen den einzelnen Strängen in einer Formeinheit auf einen vorgegebenen Minimalwert verringert wird, der bis hin zur [X.] beibehalten wird.

Der Aufbau der Strangeinheit (44), in der die Filterstränge ihre endgültige Form erhalten, ist in [X.] nicht offenbart.

Ob die [X.] (27) als formbildende Einheit im Sinne von Merkmal 1f angesehen werden können und ob an dieser Stelle der Abstand zwischen den [X.]n oder den [X.]en verringert wird, bedarf keiner Entscheidung. Aus [X.] ergibt sich jedenfalls nicht, dass der Abstand an dieser Stelle einen vorbestimmten, bis hin zur [X.] beibehaltenen Minimalwert erreicht, sich also im weiteren Verlauf bis zur [X.] nicht mehr weiter verringert.

d) [X.] betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Herstellung zusammengesetzter Filter.

aa) Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 offenbart.

Abbildung

Zwei aus [X.] bestehende Bahnen (29, 30) werden durch eine Weichmachereinrichtung (26) geführt. Anschließend gelangen sie jeweils in eine Faltvorrichtung (31, 32), zur Erzeugung von [X.] (12, 14, S. 17 Abs. 2). Mit Hilfe von Förderern (41, 42) werden die beiden Stränge einer Schneideinrichtung (15) zugeführt (S. 19 Abs. 2).

bb) Damit ist, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, eine Verringerung des Abstands zwischen den beiden Strängen innerhalb einer formbildenden Einrichtung nicht offenbart.

Ob die [X.] (26) ebenfalls als formbildende Einrichtungen im Sinne von Merkmal 1f anzusehen sind und ob die beiden Bahnen (29, 30) übereinander oder nebeneinander durch diese Einrichtung geführt werden, bedarf keiner Entscheidung. Unabhängig von der Beantwortung dieser Fragen offenbart [X.] nicht, dass der Abstand zwischen den Bahnen innerhalb einer formbildenden Einrichtung reduziert wird. Denn eine Abstandsverringerung lässt sich allenfalls in dem freien Bereich vor den mit den [X.] 31 und 32 bezeichneten Einrichtungen erkennen.

e) [X.] betrifft eine Doppelstrang-Zigarettenherstellungsmaschine.

aa) Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.

Abbildung

Aus zwei Schauerkanälen (310, 312) wird Tabak jeweils an ein Saugband (316, 318) geführt. Die beiden Bänder laufen aufeinander zu. Je ein weiteres Saugband (320, 322) empfängt die [X.] von den Bändern (316, 318) und trägt sie in zwei herkömmliche (nicht gezeigte) Formateinrichtungen, in denen sie in [X.] gehüllt werden, um zwei parallel verlaufende kontinuierliche [X.] zu bilden ([X.]. 2 Z. 55 bis [X.]. 3 Z. 20). Vor der Übertragung auf die Bänder (320, 322) werden die [X.] von Trimmern (324) getrimmt ([X.]. 3 Z. 21-25).

bb) Eine Hälfte eines abgewandelten Ausführungsbeispiels ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 6 dargestellt.

Abbildung

Diese Ausführungsform weist einen Verteilbereich (208) auf, in dem durch Unterdruck induzierte Luftströme bewirken, dass Tabak aus relativ hohen Bereichen in niedrigere Bereiche verteilt wird ([X.]. 6 Z. 52-59).

cc) Damit ist, wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, Merkmal 1f ebenfalls nicht offenbart.

Dabei kann offenbleiben, ob die in [X.] als [X.] bezeichneten Tabakansammlungen auf den Bändern (316, 318) in Figur 1 als Stränge im Sinne von Patentanspruch 1 anzusehen sind. [X.] lässt jedenfalls nicht erkennen, dass der Tabak bereits auf den Bändern (316, 318) einem Formprozess unterzogen wird. Nach der Beschreibung findet die Formung erst auf den parallel verlaufenden Bändern (320, 322) statt.

Entgegen der Auffassung der Berufung findet auf den aufeinander zulaufenden Bändern (316, 318) demgegenüber keine Formung im Sinne von Merkmal 1f statt. Dabei kann zugunsten der Berufung unterstellt werden, dass sich die Form der [X.] durch hinzukommendes Material oder durch das Trimmen verändert. Denn in dem bloßen Hinzufügen oder Wegnehmen von Material liegt - wie oben ausgeführt - keine Formbildung im Sinne des Streitpatents.

Darüber hinaus zeigt [X.] nicht den Verlauf der bearbeiteten [X.] bis hin zur [X.] und offenbart deshalb nicht, dass der nach Durchlaufen der aufeinander zulaufenden Bänder (316, 318) erreichte Abstand der bis hin zu der [X.] beibehaltene [X.] ist.

dd) Für das in Figur 6 dargestellte Ausführungsbeispiel ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Verteilbereich (208) als formbildende Einrichtung im Sinne des Streitpatents angesehen werden kann. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, offenbart [X.] jedenfalls auch nicht zu diesem Ausführungsbeispiel, dass der nach Durchlaufen der aufeinander zulaufenden Bänder (202) erreichte Abstand ein [X.] ist, der im weiteren, in [X.] nicht gezeigten Verlauf bis zur [X.] beibehalten wird.

3. Der verteidigte Gegenstand von Patentanspruch 1 ergibt sich auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

a) Eine Kombination von [X.] mit [X.] oder mit [X.], die in den Figuren 1 und 2 eine gemeinsame [X.] offenbart, führt nicht zum Streitpatent.

Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus keiner dieser Entgegenhaltungen die Anregung, den Abstand zwischen zwei Strängen innerhalb der formbildenden Einrichtung zu verringern. Die abweichende Argumentation der Berufung beruht auf einem abweichenden und unzutreffenden Verständnis des Begriffs "formbildende Einrichtung".

b) Entgegen der Auffassung der Berufung war der verteidigte Gegenstand auch durch eine Kombination von [X.] und [X.]1 nicht nahegelegt.

Wie das Patentgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, offenbart [X.]1 eine Vorrichtung, bei der Tabakfasern bereits beim Aufschauern so weit wie möglich in die Form des fertigen [X.]s gebracht werden.

Wie das Patentgericht ebenfalls zutreffend aufgezeigt hat, verläuft das Band, auf dem diese Formung erfolgt, nicht schräg, sondern horizontal. Eine Anregung, stattdessen auch bei der in [X.]1 gezeigten Konstruktion die Anordnung aus [X.] zu wählen, ist weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Eine Übertragung des in [X.]1 offenbarten Bandes auf die Vorrichtung nach [X.] lag schon deshalb nicht nahe, weil es dann der in [X.] vorgesehenen nachfolgenden Formateinrichtungen, die parallel zueinander angeordnet sind, nicht mehr bedurft hätte.

4. Der Gegenstand der Patentansprüche 7 und 8 unterliegt vor diesem Hintergrund keiner abweichenden Beurteilung.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

  

Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Kober-Dehm
kann wegen Krankheit
nicht unterschreiben

[X.]

  

Marx

  

Rombach     

  

     Rensen     

  

Meta

X ZR 65/21

12.09.2023

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 6. Juli 2021, Az: 4 Ni 11/18 (EP), Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.09.2023, Az. X ZR 65/21 (REWIS RS 2023, 7441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7441


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 4 Ni 11/18 (EP)

Bundespatentgericht, 4 Ni 11/18 (EP), 06.07.2021.


Az. X ZR 65/21

Bundesgerichtshof, X ZR 65/21, 12.09.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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