Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.10.2012, Az. 8 B 18/12

8. Senat | REWIS RS 2012, 2181

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Gegenstand

Beweiskraft eines schriftlichen Urteils umfasst die Angabe darüber, wer die Entscheidung getroffen hat


Leitsatz

Zu dem von § 417 ZPO erfassten Inhalt eines schriftlichen gerichtlichen Urteils gehört nicht nur die Urteilsformel, sondern auch die Angabe darüber, wer die Entscheidung getroffen hat. Der Beweis der Unrichtigkeit ist auch insoweit unzulässig.

Gründe

I.

1

Die Kläger wenden sich gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2011 ergangenen Urteil des [X.], mit dem ihre Nichtigkeitsklage gegen das im Verfahren 3 K 862/99 am 23. November 2005 verkündete Urteil des [X.] Frankfurt (Oder) abgewiesen worden war. In jenem Verfahren, in dem sie erfolglos die Feststellung ihrer [X.]erechtigung nach dem [X.] hinsichtlich eines in S. belegenen und in der [X.] enteigneten [X.] begehrt hatten, war ihnen ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9. November 2005 nachgelassen worden, bis zum [X.] am 23. November 2005 ergänzend schriftsätzlich zu im Termin kurzfristig überreichten Unterlagen Stellung zu nehmen. Mit am 22. November 2005 um 12.08 Uhr beim Verwaltungsgericht eingegangenem [X.] vom 21. November 2005 hatten die Kläger hiervon Gebrauch gemacht; ausweislich eines angebrachten Vermerks ging der [X.] am 23. November 2005 um 10.00 Uhr in der Geschäftsstelle ein. Das Urteil wurde am 23. November 2005 um 10.00 Uhr durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Kammer, [X.] am [X.], in Abwesenheit der übrigen Kammermitglieder verkündet. Der von den drei [X.]erufsrichtern unterschriebene [X.] trägt den Eingangsstempel der Geschäftsstelle vom 23. November 2005. [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision legten die Kläger nicht ein, so dass das am 23. November 2005 verkündete Urteil rechtskräftig wurde.

2

Zur [X.]egründung ihrer am 12. August 2009 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Nichtigkeitsklage mit dem Antrag, das Urteil vom 23. November 2005 aufzuheben und das Verfahren in die Lage zurückzuversetzen, in der es sich zur mündlichen Verhandlung am 9. November 2005 befand, haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, das Urteil beruhe auf einem schweren Verfahrensmangel. Es sei in Wahrheit nicht von der vollbesetzten Kammer, sondern von dem [X.] am [X.] allein beschlossen und verkündet worden, ohne dass zuvor alle berufs- und ehrenamtlichen [X.] der Kammer den am 22. November 2005 beim Verwaltungsgericht eingegangenen nachgelassenen Schriftsatz zur Kenntnis genommen und hierüber beraten hätten.

3

Das Verwaltungsgericht hat zunächst mit Gerichtsbescheid vom 10. August 2011 und dann auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2011 mit Urteil vom 9. November 2011 die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. In der [X.]egründung wird ausgeführt, die Nichtigkeitsklage sei unzulässig, soweit der Kläger zu 3 Klage nicht nur in Vollmacht für den Kläger zu 2 und für sich, sondern auch im Namen der Kläger zu 1 und 4 erhoben, jedoch insoweit nur Zustellungsvollmachten, jedoch keine Prozessvollmachten vorgelegt habe. Im Übrigen sei sie mangels Vorliegens eines [X.]es (§ 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) unbegründet. Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten unter Vorlage entsprechender Vollmachtserklärungen fristgerecht [X.]eschwerde eingelegt.

II.

4

Die ausschließlich auf Verfahrens[X.] gestützte [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Der [X.]eschwerdebegründung sind keine Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu entnehmen, auf denen das angegriffene Urteil beruhen kann.

5

1. Soweit die Kläger geltend machen, das Verwaltungsgericht habe den prozessrechtlich gebotenen rechtzeitigen Hinweis auf die fehlenden Prozessvollmachten der Kläger zu 1 und 4 unterlassen und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, erfüllt ihr [X.]eschwerdevorbringen bereits nicht die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Danach muss der als Zulassungsgrund gerügte Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan werden (stRspr, siehe etwa [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 1. Dezember 2000 - [X.]VerwG 9 [X.] 549.00 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 60 S. 18 f.).

6

Auch wenn man unterstellt, dass es das Verwaltungsgericht [X.] unterlassen hat, die Kläger zu 1 und 4 bereits vor der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2011 rechtzeitig auf das Fehlen der erforderlichen Prozessvollmachten hinzuweisen und ihnen Gelegenheit zu deren Vorlage zu geben, wird in der [X.]eschwerde jedenfalls nicht dargelegt, dass und aus welchen Gründen die angegriffene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann. Dazu wäre erforderlich gewesen aufzuzeigen, dass das Gericht bei rechtzeitigem Hinweis auf die fehlenden Prozessvollmachten möglicherweise zu einer für die Kläger günstigen Sachentscheidung, also zu einem in der Sache für sie günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl. u.a. [X.]eschluss vom 14. August 1962 - [X.]VerwG 5 [X.] 83.61 - [X.]VerwGE 14, 342 <346 f.> m.w.N.; [X.], in: [X.], VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 56). Daran fehlt es. Dem Vortrag der Kläger lässt sich nicht entnehmen, inwiefern das Verwaltungsgericht im Falle des vermissten Hinweises eine für sie günstigere Sachentscheidung getroffen haben könnte, zumal das Verwaltungsgericht die - hinsichtlich der Kläger zu 2 und 3 zulässige - Nichtigkeitsklage mit der [X.]egründung abgewiesen hat, ein [X.] gemäß § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liege nicht vor.

7

Allein durch die Abweisung ihrer Klage als unzulässig statt als unbegründet werden die Kläger zu 1 und 4 nicht beschwert. Eine [X.]eschwer ergibt sich auch nicht aus ihrem Vortrag, der geltend gemachte Verfahrensfehler habe sich "insbesondere ... auf die Kostenregelung des Urteils" ausgewirkt. Abgesehen davon, dass diese beiden Kläger durch die Kostenentscheidung nicht beschwert, sondern im Gegenteil begünstigt wurden, könnte ein Rechtsmittel nicht allein mit dem Ziel eingelegt werden, eine Abänderung der Kostenentscheidung zu erreichen (§ 158 Abs. 1 VwGO). Eine auf mehrere [X.] gestützte Nichtzulassungsbeschwerde könnte deshalb nicht allein wegen einer die Kostenentscheidung betreffenden Rüge Erfolg haben, wenn alle anderen [X.] erfolglos bleiben (vgl. [X.], in: [X.], VwGO, 13. Aufl. 2010 § 158 VwGO Rn. 4 m.w.N.).

8

2. Soweit die Kläger mit der [X.]eschwerde geltend machen, das Verwaltungsgericht habe den von ihnen in der mündlichen Verhandlung am 9. November 2011 gestellten Antrag auf Vernehmung der (zwischenzeitlich im Ruhestand befindlichen) Vorsitzenden [X.]in am Verwaltungsgericht [X.] sowie der [X.] am [X.] und [X.] zu Unrecht abgelehnt und zudem diese Ablehnungsentscheidung entgegen § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung nicht begründet, rechtfertigt auch dies nicht die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers.

9

a) Der gestellte [X.]eweisantrag war teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

Ein Gericht muss einem [X.]eweisangebot nachgehen, wenn die unter [X.]eweis gestellte Tatsachenbehauptung nach seinem Rechtsstandpunkt erheblich ist und die Nichtberücksichtigung des [X.]eweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. u.a. [X.]eschlüsse vom 14. Juni 2005 - [X.]VerwG 2 [X.] 108.04 - [X.] 235.1 § 58 [X.]DG Nr. 1 und vom 15. September 2011 - [X.]VerwG 5 [X.] 23.11 - juris; [X.]VerfG, [X.] vom 22. Januar 2001 - 1 [X.]vR 2075/98 - NJW-RR 2001, 1006). Ein [X.]eweisantrag muss bestimmte [X.]eweistatsachen bezeichnen. Wird ein Zeuge als [X.]eweismittel benannt, müssen diese [X.]eweistatsachen dem Zeugenbeweis zugänglich sein. Ein Zeuge kann grundsätzlich nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden. Gegenstand des [X.] können nur solche Umstände oder Geschehnisse sein, die mit dem benannten [X.]eweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen. Soll aus den Wahrnehmungen des Zeugen auf ein bestimmtes weiteres Geschehen geschlossen werden, ist nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des [X.]. Die Schlüsse aus den Wahrnehmungen des Zeugen hat das Gericht zu ziehen (vgl. [X.]GH, Urteile vom 8. November 1983 - 5 [X.] - [X.] 1984, 61, vom 20. April 1993 - 1 StR 886/92 - NStZ 1993, 447 = juris Rn. 12 und vom 6. Juli 1993 - 5 StR 279/93 - [X.]GHSt 39, 251 = juris Rn. 10 ff. m.w.N.). [X.]ei einfachen Sachverhalten, etwa wenn ein Zeuge Wahrnehmungen über ein unmittelbar tatbestandserhebliches Geschehen machen soll, kann es genügen, wenn als [X.]eweisthema das Geschehen selbst genannt wird, obwohl Gegenstand des [X.] nur sein kann, was der Zeuge wahrgenommen hat. Geht es indes um Sachverhalte, die eine Folgerung voraussetzen, die nicht auf der Hand liegt, so kann nicht das Ergebnis der Folgerung Gegenstand der [X.]eweisbehauptung sein, sondern nur die der Folgerung zugrunde liegende Wahrnehmung. Deshalb ist für einen [X.]eweisantrag die Angabe dessen unverzichtbar, was der Zeuge im [X.] bekunden soll ([X.]GH, Urteil vom 6. Juli 1993 a.a.[X.] juris Rn. 11).

Die [X.]eweistatsache ist von dem weiteren [X.]eweisgewinn zu unterscheiden, den der Antragsteller von dem begehrten Zeugenbeweis erhofft. Dies ist des Antragstellers [X.]eweisziel, zu dem der Tatrichter aufgrund von Schlüssen aus der [X.]eweistatsache möglicherweise gelangen kann. Die Notwendigkeit einer solchen Trennung von [X.]eweistatsache und [X.]eweisziel wird besonders deutlich angesichts dessen, dass die [X.]eweisbehauptung einer exakten und sinnvollen Anwendung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zugänglich sein muss ([X.]GH, Urteil vom 6. Juli 1993 a.a.[X.] juris Rn. 12 m.w.N.).

aa) Nach diesen Maßstäben hat es bereits an der [X.]ehauptung von Tatsachen, die die von den benannten Zeugen unmittelbar wahrgenommen haben (sollen), gefehlt, soweit der Kläger zu 3 in seinem [X.]eweisantrag ausgeführt hat, es sei das "Ziel dieser Zeugeneinvernahme", "entscheidungsrelevante Aufklärung über die tatsächlichen Geschehensabläufe im [X.] an die mündliche Verhandlung des Verfahrens 3 K 862/99 zu erzielen und den [X.]eweis zu erbringen, dass am [X.] aus [X.] Gründen kein Urteil beraten, abgestimmt und beschlossen werden durfte". Damit wird nicht hinreichend bezeichnet, was Gegenstand der Wahrnehmung und der [X.]ekundung der benannten Zeugen sein soll. Die Frage, ob am 9. November 2005 aus [X.] Gründen kein Urteil beraten, abgestimmt und beschlossen werden "durfte", zielt auf eine rechtliche [X.]eurteilung der richterlichen Entscheidungsfindung und ist einer Klärung im Wege des [X.] nicht zugänglich. Gleiches gilt für das in dem gestellten Antrag angegebene [X.]eweisziel, die [X.]efragung des Zeugen [X.] werde "entscheidungserheblichen [X.]eweis erbringen, dass das von ihm am 23.11.2005 verkündete Urteil kein Kammerurteil im Sinne des § 112 VwGO i.Verb. mit § 108 VwGO ist." Die damit angestrebte [X.]eantwortung der bezeichneten Rechtsfrage, ob es sich um ein Urteil eines ordnungsgemäß besetzten Gerichts gehandelt habe, kann nicht Gegenstand eines [X.] sein.

bb) Soweit der [X.]eweisantrag dahin zu verstehen sein sollte, dass die Kläger die [X.]eweistatsache behaupten wollten, jedenfalls nicht alle der in dem am 23. November 2005 verkündeten Urteil namentlich aufgeführten [X.]erufs- und ehrenamtlichen [X.] hätten den nachgelassenen Schriftsatz vom 21. November 2005 zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt, [X.] sie der Sache nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör in jenem Verfahren (3 K 862/99). Einen solchen Verfahrensfehler hätten sie (nur) mit einer [X.]eschwerde gegen die in jenem Verfahren erfolgte Ablehnung der Zulassung der Revision innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils (§ 133 Abs. 2 VwGO), die am 13. April 2006 erfolgte, [X.] können. Dies haben sie indes nicht getan, so dass das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2005 ergangene Urteil rechtskräftig wurde. Mit ihrer Jahre danach erhobenen Nichtigkeitsklage können sie diesen Umstand nicht geltend machen (§ 579 Abs. 2 ZPO), so dass ihr [X.]eweisantrag jedenfalls deshalb abzulehnen war, weil die Tatsache, die bewiesen werden sollte, für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage ohne [X.]edeutung war (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO analog).

cc) Soweit dem in der mündlichen Verhandlung am 9. November 2011 gestellten Antrag auf Vernehmung der benannten richterlichen Zeugen die behauptete [X.]eweistatsache entnommen werden kann, die im Urteil angegebenen [X.]erufs- und ehrenamtlichen [X.] hätten am 9. November 2005 oder danach (überhaupt) "kein Urteil beraten, abgestimmt und beschlossen", konnte der [X.]eweisantrag ebenfalls keinen Erfolg haben. Denn die insoweit von den Klägern behauptete [X.]eweistatsache, die erwiesen werden sollte, war schon - gegenteilig - erwiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO analog). Der Nachweis, dass die in dem am 23. November 2005 verkündeten Urteil genannten [X.]erufs- und ehrenamtlichen [X.] tatsächlich diese gerichtliche Entscheidung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2005 getroffen haben, war bereits durch [X.] in Gestalt der bei den Gerichtsakten befindlichen beglaubigten Abschrift des Urteils sowie die Niederschrift über dessen Verkündung geführt.

Das Urteil stellt eine öffentliche Urkunde dar. Da das Urteil eine amtliche Entscheidung enthält, begründet es nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 417 ZPO den vollen [X.]eweis ihres Inhalts. Die Regelung gilt für alle Urkunden, die eine von einer [X.]ehörde selbst abgegebene Erklärung (amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung) enthalten. [X.]ehörde im Sinne der Vorschrift ist auch ein Gericht. Eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 417 ZPO beweist danach, dass die Anordnung, Verfügung oder Entscheidung der [X.]ehörde oder des Gerichts in der Form und mit dem Inhalt abgegeben ist, die der Urkunde zu entnehmen ist (vgl. dazu u.a. Urteil vom 29. Januar 1970 - [X.]VerwG 2 [X.] 101.65 - [X.] 310 § 98 VwGO Nr. 8 m.w.N.). Von der [X.]eweiskraft erfasst wird bei einem gerichtlichen Urteil, wie sich insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang sowie aus dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung ergibt, allerdings nicht der gesamte Inhalt der Urkunde, sondern lediglich der Inhalt der vom Gericht abgegebenen Willenserklärung in Gestalt der von ihm getroffenen Entscheidung (insoweit zu Recht u.a. [X.]ritz, [X.] 1997, S. 61 <72>). Dies zeigt u.a. § 314 ZPO, wonach der Tatbestand eines Urteils zwar [X.]eweis für das mündliche Parteivorbringen liefert (Satz 1), dieser aber durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden kann (Satz 2). Auch nach dem erkennbaren Zweck des § 417 ZPO begründet ein Urteil nur insoweit vollen [X.]eweis seines Inhalts, als es um die darin enthaltene amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung geht. Nur in diesem Umfang soll der Gegenbeweis ausgeschlossen sein. Damit will das Gesetz die jeweilige Anordnung, Verfügung oder Entscheidung gegen [X.] besonders absichern, zumal die Ausstellung einer unechten oder unrichtigen öffentlichen Urkunde strafbewehrt ist und für den beteiligten Amtsträger auch schwerwiegende disziplinarrechtliche Folgen nach sich ziehen kann.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass zu dem von § 417 ZPO erfassten Inhalt eines schriftlichen gerichtlichen Urteils nicht nur die Urteilsformel, also das "Was" der Entscheidung, sondern auch die Angabe darüber gehört, wer diese Entscheidung getroffen hat. Der Zweck der Regelung setzt voraus, dass eine identifizierbare amtlich erlassene Anordnung, Verfügung oder Entscheidung eines Gerichts vorliegt und dass sich dies aus der öffentlichen Urkunde ergibt.

Demgemäß beweist das in beglaubigter Abschrift bei den Gerichtsakten ([X.]A II 270 - 280) befindliche vollständige schriftliche Urteil (mit Rubrum, Tatbestand und Entscheidungsgründen), dass es aufgrund der mündlichen Verhandlung des [X.] Frankfurt (Oder) vom 9. November 2005 mit der in der Urteilsformel zum Ausdruck gebrachten Entscheidung ergangen ist und dass an der Urteilsentscheidung die in ihm namentlich aufgeführten [X.]erufs- und ehrenamtlichen [X.] mitgewirkt haben. Gleiches ergibt sich aus dem ebenfalls bei den Gerichtsakten befindlichen Original des lediglich aus Rubrum und Urteilsformel (ohne Tatbestand und Entscheidungsgründen) bestehenden und von den drei [X.]erufsrichtern [X.], [X.] und [X.] unterschriebenen Urteils, das ausweislich des darauf angebrachten amtlichen Vermerks am 23. November 2005 in der Geschäftsstelle einging. Auch in dieser öffentlichen Urkunde wird amtlich beurkundet, dass die darin aufgeführten [X.]erufsrichter [X.], [X.] und [X.] sowie die ehrenamtlichen [X.] [X.] und [X.] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2005 das in Rede stehende Urteil mit der angegebenen Urteilsformel gefällt ("... für Recht erkannt") haben.

Die für die Wirksamkeit erforderliche Verkündung des Urteils wird ebenfalls durch eine öffentliche Urkunde, nämlich durch die vorliegende gerichtliche Niederschrift vom 23. November 2005 bewiesen.

dd) Sofern mit dem in der mündlichen Verhandlung am 9. November 2011 gestellten [X.]eweisantrag schließlich die [X.]eweistatsache behauptet werden sollte, die in dem am 23. November 2005 im früheren Verfahren 3 K 862/99 verkündeten Urteil bezeichneten [X.]erufs- und ehrenamtlichen [X.] hätten nicht (unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung) am 9. November 2005 das Urteil "beraten, abgestimmt und beschlossen", ist diese für das Vorliegen des von den Klägern geltend gemachten [X.]es einer fehlerhaften [X.]esetzung des Gerichts (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) ohne [X.]edeutung. Entscheidend ist, dass die in dem Urteil bezeichneten [X.]erufs- und ehrenamtlichen [X.] an der Urteilsfindung tatsächlich mitgewirkt haben.

b) Soweit die Kläger [X.], die ihren - in der mündlichen Verhandlung am 9. November 2011 gestellten - [X.]eweisantrag ablehnende Entscheidung des [X.] sei entgegen § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung nicht begründet worden, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Auch insoweit wäre nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO jedenfalls erforderlich gewesen, in der [X.]eschwerde aufzuzeigen, dass das Gericht bei Vermeidung des gerügten [X.] möglicherweise zu einer für die Kläger günstigen Sachentscheidung, also zu einem in der Sache für diese günstigeren Urteil über ihre Nichtigkeitsklage hätte gelangen können. Es ist auf der Grundlage des [X.]eschwerdevorbringens jedoch nicht erkennbar, inwiefern das Verwaltungsgericht im Falle einer [X.]eachtung des § 86 Abs. 2 VwGO der Nichtigkeitsklage in der Sache stattgegeben haben könnte. Denn das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil ausdrücklich das Vorliegen eines [X.]es (§ 173 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) verneint. Die Kläger haben nicht dargetan, was sie vorgebracht hätten, wenn das Verwaltungsgericht ihnen die Gründe für die erfolgte Ablehnung des vom Kläger zu 3 gestellten [X.]eweisantrages bereits in der mündlichen Verhandlung und nicht erst in den schriftlichen Urteilsgründen mitgeteilt hätte. Sie haben sich auf die insoweit unergiebige Äußerung beschränkt, in diesem Falle hätte der Kläger zu 3 seinen [X.]eweisantrag "entsprechend präzisieren können". Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die Nichtigkeitsklage auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Rechtsauffassung im Falle einer rechtzeitigen [X.]ekanntgabe der Gründe für die erfolgte Ablehnung des [X.]eweisantrages hätte Erfolg haben können.

Meta

8 B 18/12

18.10.2012

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Frankfurt (Oder), 9. November 2011, Az: 8 K 800/09, Urteil

§ 415 ZPO, § 417 ZPO, § 418 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.10.2012, Az. 8 B 18/12 (REWIS RS 2012, 2181)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2181

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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