Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.11.2013, Az. II R 64/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 970

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Gegenstand

Erlass eines Grundurteils; Inhaltliche Bestimmtheit eines Schenkungsteuerbescheids bei Zusammenfassung mehrerer Erwerbe


Leitsatz

1. NV: Ein Zwischenurteil i.S. des § 99 Abs. 1 FGO (sog. Grundurteil) darf nur über den Grund eines Anspruchs und nicht über dessen Höhe ergehen. Entscheidet das FG in einem Grundurteil über die Höhe der bei der Schenkungsteuer anzusetzenden Bereicherung, ist das Grundurteil unzulässig.

2. NV: Werden mehrere Erwerbe (Steuerfälle) in einem Bescheid besteuert, bedarf es neben der genauen Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände, Besteuerungszeiträume) besteuert werden sollen, für jeden Steuerfall einer gesonderten Festsetzung der Steuer. Erforderlich ist eine Aufgliederung der Steuerschuld insbesondere dann, wenn das rechtliche Schicksal der verschiedenen Steueransprüche nach Anspruchsgrund bzw. dessen Wegfall, hinsichtlich möglicher Befreiungstatbestände und des Eintritts der Verjährung einen unterschiedlichen Verlauf nehmen sowie der für den Einzelfall festgesetzten Steuer eine weitere rechtliche Bedeutung für weitere Steuerfälle (z.B. im Rahmen des § 14 ErbStG) zukommen kann.

3. NV: Die Zusammenfassung mehrerer Erwerbe in einem Schenkungsteuerbescheid ohne Aufgliederung der verschiedenen Steuerschulden führt zur Nichtigkeit eines solchen Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO, wenn nicht ausnahmsweise eine differenzierte Festsetzung der Schenkungsteuer für jeden einzelnen Schenkungsvorgang verzichtbar ist.

Tatbestand

1

I. Die verheiratete Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) lebt mit ihrem [X.]hemann ([X.]) im Güterstand der Gütertrennung. Beide [X.]hegatten waren Gesellschafter der [X.].

2

Nach einer Außenprüfung bei der [X.] teilte das Betriebsfinanzamt im März 1998 dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) mit, [X.] habe der Klägerin einen Anteil an der [X.] freigebig zugewendet. Daneben erhielt das [X.] am 11. Mai 1999 eine Kontrollmitteilung des Wohnsitzfinanzamts über die Feststellungen einer Außenprüfung bei den [X.]heleuten. Danach hat [X.] der Klägerin ohne gesonderte Vereinbarungen zur Laufzeit und Tilgung mehrere zinslose Darlehen gewährt, und zwar am 9. Januar 1987  2.500.000 DM, am 23. August 1992  2.700.000 DM und am 14. September 1992  992.000 DM. Zudem wurden in der [X.] vom 9. April 1991 bis 21. April 1997 die Guthaben aus den Zusammenveranlagungen der [X.]heleute zur [X.]inkommensteuer und zur Vermögensteuer sowie aus der Festsetzung der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags auf ein Konto der Klägerin überwiesen und Umsatzsteuerschulden der Klägerin durch Umbuchungen von [X.] des [X.] getilgt.

3

Aufgrund dieser Kontrollmitteilungen setzte das [X.] mit Bescheid vom 2. November 2000 gegenüber der Klägerin aus der Schenkung von "1985 – 1991" Schenkungsteuer in Höhe von 10.385.688 DM fest, wobei es einen Wert des [X.]rwerbs von insgesamt 37.543.640 DM und Vorschenkungen von 14.437.296 DM zugrunde legte. Die Schenkungsteuer berechnete das [X.] ausgehend von einem steuerpflichtigen [X.]rwerb von 51.730.900 DM gemäß § 19 Abs. 3 des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für [X.]rwerbe in den Jahren 1987 bis 1994 maßgebenden Fassung ([X.]rbStG) nach einem Steuersatz von 25 % auf 50.000.000 DM, also 12.500.000 DM, zuzüglich 865.000 DM (= 50 % von 1.730.000 DM) und abzüglich des Anrechnungsbetrags für die Vorschenkungen von 2.979.312 DM. Dem Schenkungsteuerbescheid fügte das [X.] als Anlage folgende Übersicht über die erfassten Schenkungen bei:

4

9. Januar 1987

  1.237.500 DM

Zinsvorteil

1. Dezember 1990

  7.778.741 DM

Anteil [X.]

15. April 1991

  4.984.693 DM

[X.]inkommensteuer 1989

15. Mai 1991

     10.007 DM

Vermögensteuer 1985

4. Juli 1991

  1.792.246 DM

[X.]inkommensteuer 1987 und 1988

8. Juli 1991

     16.800 DM

Vermögensteuer 1988

6. September 1991

      1.000 DM

Vermögensteuer 1987

28. April 1992

  4.746.430 DM

[X.]inkommensteuer 1990

20. Mai 1992

      7.289 DM

Vermögensteuer und Zinsen 1989

25. Mai 1992

     92.176 DM

Vermögensteuer 1991

29. Mai 1992

     21.925 DM

Kirchensteuer 1988 und 1990

23. August 1992

  1.336.500 DM

Zinsvorteil

14. September 1992

    491.040 DM

Zinsvorteil

17. Februar 1994

  6.561.655 DM

[X.]inkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer 1991

22. Februar 1994

     30.288 DM

[X.]inkommensteuer 1991

1. März 1994

    356.803 DM

Vermögensteuer 1992

17. Mai 1994

  4.113.986 DM

[X.]inkommensteuer, Kirchensteuer und Zinsen 1990

24. Oktober 1994

     52.830 DM

Umsatzsteuer 1991, Zinsen 1991 und 1992

5. Dezember 1994

     42.675 DM

Umsatzsteuer 1992

19. Dezember 1994

 10.340.804 DM

[X.]inkommensteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag 1992

6. Januar bis 26. September 1995

 528.252,98 DM

[X.]rstattungen Umsatzsteuer

5

Als Summe der erfassten Schenkungen war ein Betrag von 37.543.640 DM angegeben, obwohl in der Übersicht Zuwendungen in Höhe von insgesamt 44.543.640,98 DM aufgelistet waren.

6

Im Rahmen des [X.]inspruchsverfahrens trug die Klägerin u.a. vor, dass das Darlehen über 2.700.000 DM bereits am 23. August 1990 ausgezahlt worden sei. Der [X.]inspruch hatte insoweit [X.]rfolg, als das [X.] nicht mehr davon ausging, [X.] habe der Klägerin den Anteil an der [X.] freigebig zugewendet. Gleichzeitig berichtigte das [X.] in der [X.]inspruchsentscheidung vom 4. August 2003 die Festsetzung der Schenkungsteuer wegen eines Additionsfehlers bei der [X.]rmittlung der Summe der Schenkungen nach § 129 der Abgabenordnung [X.]) wie folgt:

7

berichtigter [X.]rwerb

44.543.640 DM

abzüglich Anteil an der [X.]

 7.778.741 DM

zuzüglich Vorschenkungen

14.437.296 DM

abzüglich Freibetrag

   250.000 DM

steuerpflichtiger [X.]rwerb

50.952.195 DM

Steuer

13.214.075 DM

abzüglich Anrechnungsbetrag für Vorschenkungen

 2.979.312 DM

Schenkungsteuer

10.234.763 DM
(= 5.232.951,23 €)

8

Im Rahmen des Klageverfahrens wurde die Klage wegen Schenkungsteuer betreffend Umsatzsteuer 1991, Zinsen 1991 und 1992, Umsatzsteuer 1992 und [X.]rstattungen Umsatzsteuer vom Verfahren abgetrennt, weil das [X.] insoweit die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids zusicherte. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit insoweit für erledigt.

9

Mit dem angefochtenen Zwischenurteil hat das Finanzgericht ([X.]) entschieden, die Verzichte des [X.] auf seine Ausgleichsansprüche hinsichtlich der Guthaben aus den Zusammenveranlagungen zur [X.]inkommensteuer und Kirchensteuer 1987 bis 1990, zur [X.]inkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag 1991 und 1992 sowie zur Vermögensteuer 1985, 1987 bis 1989, 1991 und 1992 gegenüber der Klägerin im Innenverhältnis seien freigebige Zuwendungen. Hierdurch sei die Klägerin im [X.]punkt der erstmaligen Auszahlung der Guthaben für das jeweilige Veranlagungsjahr in Höhe der bei Durchführung einer getrennten Veranlagung auf [X.] insgesamt entfallenden [X.]rstattungsbeträge einschließlich etwaiger [X.]rstattungszinsen bereichert. Die zinslosen Darlehensgewährungen am 9. Januar 1987, 23. August 1990 (lt. [X.] 23. August 1992) und 14. September 1992 stellten Schenkungen in Höhe des Neunfachen eines Jahreswerts von 5,5 % des Nennbetrags dar.

In der Begründung führte das [X.] u.a. aus, dass ein Grundurteil nach § 99 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) sachdienlich sei, bevor eine weitere Sachaufklärung zur Höhe der festgesetzten Steuer durchgeführt werde. Diese [X.]rmittlung sei wegen der erlassenen [X.] und der vielen Verrechnungen der Finanzkasse schwierig. Der Schenkungsteuerbescheid sei hinreichend bestimmt; eine Aufgliederung der auf jeden einzelnen [X.]rwerb entfallenden Steuer sei wegen der ausgeschöpften Freibeträge, der gleichbleibenden gesetzlichen Regelung der Steuersätze sowie der unveränderten Steuerklasse nicht notwendig gewesen. Beim [X.]rlass des Bescheids sei die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen gewesen. Das Urteil des [X.] ist veröffentlicht in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2012, 432.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 [X.]O), einen Verstoß gegen § 99 Abs. 1 [X.]O wegen des [X.]rgehens eines nicht zulässigen Grundurteils sowie die Verletzung der §§ 119 Abs. 1, 157 Abs. 1 Satz 2 AO und des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.]rbStG.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Schenkungsteuerbescheid vom 2. November 2000 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 4. August 2003 aufzuheben.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 12. November 2013 hat das [X.] mitgeteilt, dass die in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] zugesagte Änderung des Schenkungsteuerbescheids noch nicht erfolgt sei.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Zwischenurteils (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O).

1. Das Zwischenurteil ist unzulässig, weil es sich nicht auf eine [X.]ntscheidung über den Grund des Anspruchs beschränkt und deshalb gegen die Grundordnung des Verfahrens verstößt.

a) Ist bei einer Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, kann das Gericht nach § 99 Abs. 1 [X.]O durch Zwischenurteil über den Grund vorab entscheiden (sog. Grundurteil). [X.]in Grundurteil darf nur über den Grund eines Anspruchs ergehen; ein Grundurteil, mit dem (auch) über die Höhe des Anspruchs oder einzelne -die Höhe des Steueranspruchs beeinflussende- Besteuerungsgrundlagen entschieden wird, ist dagegen nicht zulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 17. Dezember 2008 III R 22/06, [X.], 1087, m.w.N.).

Anspruch i.S. des § 99 Abs. 1 [X.]O ist nicht der prozessuale Anspruch des Anfechtungsklägers, mit dem sich dieser gegen den von der Finanzbehörde geltend gemachten Steueranspruch zur Wehr setzt, sondern der materielle Steueranspruch selbst (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 V R 93/76, [X.] 1987, 781, m.w.N.). Demzufolge ist die Frage, was zum [X.] einerseits und was zur Anspruchshöhe andererseits gehört, nach den entsprechenden Bestimmungen des materiellen Steuerrechts zu beantworten.

Ob das [X.] ein Grundurteil nach § 99 Abs. 1 [X.]O erlassen hat, bestimmt sich nach dem Tenor. Ist dieser nicht eindeutig, sind die [X.]ntscheidungsgründe heranzuziehen (vgl. BFH-Urteil in [X.], 1087, m.w.N.).

b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist das Grundurteil unzulässig, denn das [X.] hat darin nicht nur Feststellungen zum Grund, sondern auch zur Höhe des materiellen Steueranspruchs getroffen.

Das [X.] hat zu den auf dem Konto der Klägerin verbuchten Steuerguthaben nicht nur entschieden, dass die Verzichte des [X.] auf seine Ausgleichsansprüche freigebige Zuwendungen an die Klägerin seien. Vielmehr hat es zugleich eine [X.]ntscheidung zur Höhe der damit verbundenen jeweiligen Bereicherung der Klägerin getroffen. Im Tenor wird festgestellt, die Klägerin sei im Zeitpunkt der erstmaligen Auszahlung der Guthaben für das jeweilige Veranlagungsjahr in Höhe der bei Durchführung einer getrennten Veranlagung auf [X.] insgesamt entfallenden [X.]rstattungsbeträge einschließlich etwaiger [X.]rstattungszinsen bereichert. Da die Bereicherung des [X.]rwerbers maßgeblich den steuerpflichtigen [X.]rwerb bestimmt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]rbStG), wird durch die [X.]ntscheidung des [X.] festgelegt, in welcher Höhe die steuerpflichtigen [X.]rwerbe der Klägerin anzusetzen sind. Die [X.]ntscheidung des [X.] betrifft damit unmittelbar die Höhe des Steueranspruchs, auch wenn die Höhe der Bereicherung nicht dem Betrag nach festgestellt wird, sondern lediglich die Grundlagen zur [X.]rmittlung der Bereicherung bestimmt werden.

Hinsichtlich der zinslosen Darlehen, die [X.] der Klägerin gewährt hat, hat das [X.] ebenfalls eine [X.]ntscheidung zur Höhe der insoweit anzusetzenden Zuwendungen des [X.] getroffen. Denn die Höhe der Schenkung wird ausdrücklich auf das Neunfache eines Jahreswerts von 5,5 % des Nennbetrags festgelegt.

c) Das Grundurteil des [X.] kann nicht in ein zulässiges Zwischenurteil i.S. des § 99 Abs. 2 [X.]O umgedeutet werden.

Nach § 99 Abs. 2 [X.]O kann das [X.] durch Zwischenurteil über eine oder mehrere (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1994 VIII R 48/93, [X.] 1995, 84) entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfragen vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und weder der Kläger noch der Beklagte widerspricht. Beim [X.]rgehen eines Zwischenurteils in diesem Sinne steht den Beteiligten ein Widerspruchsrecht zu, auf das sie unter Umständen vom Gericht zuvor hinzuweisen sind (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 1998 I R 67/97, [X.] 1998, 1197).

Der Umdeutung der vom [X.] eindeutig als Grundurteil i.S. des § 99 Abs. 1 [X.]O erlassenen [X.]ntscheidung steht im Streitfall entgegen, dass Feststellungen des [X.] zu einem Hinweis auf ein mögliches Widerspruchsrecht der Beteiligten gegen den [X.]rlass eines Zwischenurteils nach § 99 Abs. 2 [X.]O oder zu einem [X.]inverständnis der Beteiligten mit einem solchen Zwischenurteil fehlen.

d) Da die Vorentscheidung nicht ergehen durfte, wird sie ersatzlos aufgehoben. Mit der Aufhebung des angefochtenen Grundurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in dem Stadium, das vor [X.]rlass des Grundurteils bestanden hat, ohne dass es einer förmlichen Zurückverweisung bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 2012 III R 43/11, [X.] 2013, 86). Aus diesem Grund ist eine [X.]ntscheidung über den weitergehenden Antrag der Klägerin, den [X.] vom 2. November 2000 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 4. August 2003 aufzuheben, nicht möglich. Auf die von der Klägerin erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 [X.]O) braucht ebenfalls nicht eingegangen zu werden.

2. Rein vorsorglich und allein aus prozesswirtschaftlichen Gründen ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der vom [X.] erlassene [X.] in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung wegen der nicht aufgegliederten Steuerfestsetzung für mehrere [X.]rwerbe der Klägerin nicht den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1 [X.]) genügt und deshalb nach § 125 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. [X.] unwirksam ist.

a) Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 [X.]) und die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen (§ 157 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Werden mehrere [X.]rwerbe (Steuerfälle) in einem Bescheid besteuert, bedarf es neben der genauen Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände, [X.]) besteuert werden sollen, für jeden Steuerfall einer gesonderten Festsetzung der Steuer (vgl. BFH-Urteile vom 9. Dezember 1998 II R 6/97, [X.] 1999, 1091; vom 22. September 2004 II R 50/03, [X.] 2005, 993; vom 15. März 2007 II R 5/04, BFH[X.] 215, 540, [X.], 472; vom 6. Juni 2007 II R 17/06, BFH[X.] 217, 398, [X.], 46). [X.]rforderlich ist eine Aufgliederung der Steuerschuld insbesondere dann, wenn das rechtliche Schicksal der verschiedenen [X.] nach [X.] bzw. dessen Wegfall, hinsichtlich möglicher Befreiungstatbestände und des [X.]intritts der Verjährung einen unterschiedlichen Verlauf nehmen sowie der für den [X.]inzelfall festgesetzten Steuer eine weitere rechtliche Bedeutung für weitere Steuerfälle (z.B. im Rahmen des § 14 [X.]rbStG) zukommen kann (vgl. BFH-Urteil in [X.] 2005, 993, m.w.N.).

[X.]s ist deshalb unzulässig, bei mehreren Lebenssachverhalten die verschiedenen Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag ohne Aufgliederung zusammenzufassen (BFH-Urteile vom 28. Januar 1983 VI R 35/78, BFH[X.] 138, 188, [X.] 1983, 472, und in [X.] 1999, 1091).

b) Die Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid ohne Aufgliederung der verschiedenen Steuerschulden führt bei der Schenkungsteuer zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 [X.], wenn nicht ausnahmsweise eine differenzierte Festsetzung der Schenkungsteuer für jeden einzelnen Schenkungsvorgang verzichtbar ist (vgl. BFH-Urteil in [X.] 2005, 993, m.w.N.).

c) Der von der Klägerin angefochtene [X.] in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung ist wegen inhaltlicher Unbestimmtheit unwirksam.

Das [X.] hat die Schenkungsteuer für mehrere schenkungsteuerrechtlich relevante Sachverhalte, bei denen es sich um jeweils getrennt zu beurteilende Steuerfälle handelt, unaufgegliedert zusammengefasst. Aus der Anlage zum [X.] ist zwar erkennbar, welche Zuwendungen des [X.] im [X.]inzelnen als [X.]rwerbe der Klägerin erfasst werden sollten. Das [X.] hat aber im [X.] und in der [X.]inspruchsentscheidung nicht angegeben, welche Schenkungsteuer für die aufgeführten Zuwendungen jeweils festgesetzt wurde.

aa) Der gesonderte Ausweis der Schenkungsteuer für jeden einzelnen [X.]rwerb der Klägerin wäre im Steuerbescheid schon deshalb erforderlich gewesen, weil die jeweiligen [X.]rwerbe der Klägerin unterschiedlichen Steuersätzen nach § 19 Abs. 1 [X.]rbStG unterlagen. Der vom [X.] bei der Festsetzung im Steuerbescheid vom 2. November 2000 angewendete, nach § 19 Abs. 3 [X.]rbStG für alle [X.]rwerbe ermittelte einheitliche Steuersatz von ca. 25,835 % (vor Abzug des [X.] nach § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.]rbStG) ist unzutreffend, weil er von einem steuerpflichtigen [X.]rwerb von 51.730.900 DM und Schenkungsteuer von 13.365.000 DM (= ca. 25,835 % von 51.730.900 DM) ausgeht und dabei nicht berücksichtigt, dass die Steuersätze für die einzelnen [X.]rwerbe unterschiedlich sind. So wäre z.B. für den zeitlich ersten [X.]rwerb der Klägerin (Zinsvorteil in Höhe von 1.237.500 DM am 9. Januar 1987) die Schenkungsteuer wie folgt zu berechnen gewesen:

Wert des [X.]rwerbs

 1.237.500 DM

zuzüglich Vorschenkungen

14.437.296 DM

abzüglich Freibetrag

   250.000 DM

steuerpflichtiger [X.]rwerb

15.424.796 DM

abgerundet

15.424.700 DM

Schenkungsteuer 21 %

 3.239.187 DM

abzüglich Anrechnungsbetrag für Vorschenkungen

 2.979.312 DM

Schenkungsteuer

   259.875 DM

Auf diese Weise wäre auch jeweils die Schenkungsteuer für die nachfolgenden [X.]rwerbe zu berechnen gewesen, wobei wegen der früheren [X.]rwerbe jeweils die Vorschenkungen und die Anrechnungsbeträge nach § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.]rbStG zu erhöhen gewesen wären. [X.]in für alle [X.]rwerbe einheitlicher Steuersatz, der vom Gesamtwert der [X.]rwerbe ausgeht, führt jedenfalls nicht zu richtigen [X.]rgebnissen.

bb) Hinzu kommt, dass das [X.] den Gesamtwert der [X.]rwerbe fehlerhaft ermittelt hat. Nach der Übersicht über die erfassten Schenkungen hätte sich für die Schenkungen insgesamt ein Wert in Höhe von 44.543.640,98 DM ergeben. Das [X.] hat der Besteuerung aber nur einen Gesamtwert von 37.543.640 DM zugrunde gelegt. [X.]s ist nicht ersichtlich, ob die Differenz auf einer fehlerhaften [X.]rfassung oder auf einer Nichterfassung einzelner Zuwendungen beruht. Deshalb kann nicht festgestellt werden, ob die Schenkungsteuer für alle oder einzelne Zuwendungen nur fehlerhaft zu niedrig oder für bestimmte Zuwendungen überhaupt nicht festgesetzt wurde. Die in einem Betrag festgesetzte Schenkungsteuer lässt sich damit nicht auf die einzelnen Zuwendungen aufteilen. [X.]ine Aufteilung der festgesetzten Schenkungsteuer auf die erfassten [X.]rwerbe entsprechend dem Verhältnis des jeweiligen [X.]rwerbs zum Gesamterwerb reicht nicht aus, um insoweit von einer wirksamen Steuerfestsetzung ausgehen zu können. Das [X.] hat zudem verkannt, dass die in § 10 Abs. 1 Satz 4 [X.]rbStG vorgeschriebene Abrundung für jeden [X.]rwerb gesondert vorzunehmen ist und die nach Abrundung für jeden [X.]rwerb festzusetzende Steuer zugleich von Bedeutung für die Berechnung der bei der Steuerfestsetzung für spätere [X.]rwerbe gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.]rbStG abziehbaren Steuer für frühere [X.]rwerbe ist.

cc) [X.]s kann offen bleiben, ob die Unbestimmtheit des Bescheids durch die [X.]inspruchsentscheidung geheilt oder der unbestimmte Bescheid durch die [X.]inspruchsentscheidung ersetzt werden konnte, denn das [X.] setzte sowohl den fehlenden Ausweis der auf den einzelnen [X.]rwerb entfallenden Schenkungsteuer als auch die fehlerhafte Berechnung der Schenkungsteuer in der [X.]inspruchsentscheidung fort.

Die Steuerfestsetzung wurde zwar nach § 129 [X.] berichtigt, weil im ursprünglichen Steuerbescheid ein Additionsfehler unterlaufen sei und die Summe der Schenkungen 44.543.640 DM betrage. [X.]s wurde aber nicht angegeben, für welchen [X.]rwerb die Schenkungsteuer berichtigt wurde und welche Schenkungsteuer nunmehr nach der Berichtigung für den jeweiligen [X.]rwerb festgesetzt wird. Das [X.] wendete wiederum einen einheitlichen Steuersatz für alle [X.]rwerbe an, ohne nach der zeitlichen Abfolge der [X.]rwerbe zu differenzieren. Damit ist nicht hinreichend bestimmt, wie sich die in der [X.]inspruchsentscheidung festgesetzte Schenkungsteuer auf die einzelnen [X.]rwerbe aufteilt.

Auch die Berechnung der Schenkungsteuer nach § 19 Abs. 3 [X.]rbStG lässt sich nicht nachvollziehen. Das [X.] hat für den Gesamtwert der steuerpflichtigen [X.]rwerbe von abgerundet 50.952.100 DM eine Schenkungsteuer von 13.214.075 DM (vor Abzug des [X.] für die Vorschenkungen) ermittelt. Wäre tatsächlich ein einheitlicher Steuersatz zutreffend gewesen, hätte die Schenkungsteuer nach § 19 Abs. 3 [X.]rbStG nur 12.976.050 DM (25 % von 50.000.000 DM = 12.500.000 DM zuzüglich 50 % von 952.100 DM = 476.050 DM) betragen.

3. [X.] bleibt dem [X.]ndurteil vorbehalten (vgl. BFH-Urteil in [X.] 2013, 86).

Meta

II R 64/11

20.11.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 29. August 2011, Az: 1 K 3381/03, Zwischenurteil

§ 99 FGO, § 119 Abs 1 AO, § 124 Abs 3 AO, § 125 Abs 1 AO, § 129 AO, § 157 Abs 1 S 2 AO, § 10 Abs 1 S 4 ErbStG 1991, § 14 ErbStG 1991, § 19 ErbStG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.11.2013, Az. II R 64/11 (REWIS RS 2013, 970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 970

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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