Bundespatentgericht, Urteil vom 29.03.2023, Az. 4 Ni 3/23 (EP)

4. Senat | REWIS RS 2023, 4966

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Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 485 852

([X.] 2010 005 222)

hat der 4. Senat ([X.]) des [X.] am 29. März 2023 durch [X.], [X.] und [X.]. [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dipl.-Ing. Maierbacher

für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in [X.] erteilten Europäischen Patents 2 485 852 (Streitpatent), das unter Inanspruchnahme einer Priorität, der EP 09 405 177 vom 6. Oktober 2009, am 29. Juni 2010 angemeldet worden ist. Die Erteilung des [X.]n Patents ist am 30. Oktober 2013 veröffentlicht worden.

2

Das Streitpatent ist in [X.] und wird beim [X.] unter dem Aktenzeichen 50 2010 005 222.4 geführt. Es trägt in der [X.] [X.] die Bezeichnung

3

„[X.] MIT EINER VERBINDUNGSVORRICHTUNG ZWISCHEN EINER MEHRKOMPONENTEN-KART[X.]CHE UND EINEM ZUBEHÖRTEIL“.

4

Es umfasst in der erteilten Fassung sechzehn Patentansprüche, die die Klägerin mit ihrer Nichtigkeitsklage vom 2. Mai 2022 in Umfang der Patentansprüche 1, 11, 12 und 13 angegriffen hat.

5

Der Patentanspruch 1 lautet gemäß Streitpatentschrift:

6

1. Austraganordnung aufweisend:

7

ein Zubehörteil (3; 37; 50; 64) mit mindestens zwei [X.] (15, 16; 55, 56; 65, 66);

8

eine Kartusche (2; 36) für mindestens zwei Komponenten, wobei die Kartusche (2; 36) mindestens zwei Kammern (13, 14; 44, 45) für jeweils eine der Komponenten und mindestens zwei zu den [X.] komplementäre Auslässe (18, 19) für die Komponenten aufweist, wobei jeweils einer der Auslässe (18, 19) in einen der Einlässe steckbar ist oder umgekehrt; und

9

eine Verbindungsvorrichtung mit einer ersten Verbindungskomponente (11), die am Zubehörteil (3; 37; 50; 64) angeordnet ist, und einer zur ersten Verbindungskomponente komplementären zweiten Verbindungskomponente (12), die an der Kartusche (2; 36) angeordnet ist,

wobei eine der [X.] (11, 12) eine [X.] (20, 21; 20A, [X.]) aufweist und die andere Verbindungskomponente (12, 11) einen in Längsrichtung darin einsteckbaren [X.] (5; 48) aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass außenumfänglich an dem [X.] (5; 48) erste Eingriffsteile (6, 7; 40, 41) und innenumfänglich in der [X.] (20, 21; 20A, [X.]) entsprechende zweite Eingriffsteile (25, 26; 46, 47) einer in Längsrichtung schräg gestellten Drehführung vorgesehen sind, entlang welcher die [X.] (11, 12) nach dem Einstecken des [X.]s (5; 48) in die [X.] (20, 21; 20A; [X.]) über einen wirksamen Verbindungsabschnitt ineinander verdrehbar und dabei in axialer Richtung geführt zunehmend miteinander in Eingriff und über einen wirksamen Verbindungsabschnitt in axialer Richtung geführt voneinander außer Eingriff bringbar sind, so dass während des Herstellens der Verbindung ein zwangsläufiges Heranführen des Zubehörteils (3; 37; 50; 64) an die Kartusche (2; 36) erfolgt und dass während des Lösens der Verbindung ein zwangsläufiges Abheben des Zubehörteils (3; 37; 50; 64) von der Kartusche (2; 36) erfolgt.

Die Patentansprüche 11, 12 und 13 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Streitpatent sei im angegriffenen Umfang wegen des [X.] der mangelnden Patentfähigkeit, sowohl mangelnder Neuheit als auch mangelnder erfinderischer Tätigkeit, für nichtig zu erklären. Der Gegenstand nach Anspruch 1 sei gegenüber dem Stand der Technik der [X.] bis [X.] jeweils nicht neu. Zudem beruhe das Verfahren gemäß einer Zusammenschau der Druckschrift [X.] mit der [X.] sowie alternativ nach einer Zusammenschau verschiedener Ausführungsbeispiele der [X.] oder auch gemäß der Zusammenschau der [X.] mit der Druckschrift [X.] jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Den Einwand der fehlenden Patentfähigkeit stützt die Klägerin auf die Dokumente (Nummerierung und Kurzzeichen nach Klägerin):

[X.]: EP 0 730 913 A1

[X.]: WO 2006/095179 A1

[X.]: [X.] 2001/0013523 A1

[X.]: [X.] A1

[X.]: [X.] 737 A1

[X.]: [X.] 5 033 650 A

D7: WO 2008/113196 A1

Die Klägerin beantragt

das [X.] Patent 2 485 852 im Umfang der Patentansprüche 1, 11 (soweit auf Patentanspruch 1 rückbezogen), 12 (soweit auf die Patentansprüche 1 oder 11 rückbezogen) und 13 (soweit auf die Patentansprüche 1, 11 oder 12 rückbezogen) mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung für schutzfähig.

Der Senat hat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 30. November 2022 zugeleitet und hierin Fristen zur Stellungnahme auf den Hinweis und auf etwaiges Vorbringen der jeweiligen Gegenpartei gesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2023 sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die zulässige Klage ist nicht begründet und war daher abzuweisen. Der Gegenstand des Patents, soweit angegriffen, erweist sich als schutzfähig; der geltend gemachte [X.] der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.], Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 54, 56 EPÜ liegt nicht vor.

I. Zum Gegenstand des Streitpatents, zur Aufgabe, zum Fachmann und zur Auslegung

1. Das Streitpatent betrifft gemäß seinem Absatz [0001] eine Austraganordnung mit einer Kartusche oder Spritze für mindestens zwei Komponenten und einem Zubehörteil, an welchen jeweils eine Verbindungskomponente einer [X.] angeordnet sind. Hierzu führt das Streitpatent aus, dass zwar eine Reihe unterschiedlicher Verbindungssysteme bereits bekannt seien – beispielsweise [X.], Kartuschen mit Gewinde und Überwurfmuttern oder auch Rastverbindungen zwischen Kartusche und Zubehörteil – diese wiesen jedoch einige Nachteile auf. So sei ein axiales Führen beispielsweise nicht während des Abziehens des Zubehörteiles wirksam oder beim Lösen der Verbindung zwischen dem Zubehörteil und der Kartusche wirke [X.] in Öffnungsrichtung, um das Abheben des Zubehörteils zu erleichtern (Absätze [0002] bis [0005]).

Das Streitpatent nennt deshalb als ein Ziel der Erfindung, eine zuverlässige und schnelle Verbindung zwischen der Kartusche und dem Zubehörteil herzustellen derart, dass mit geringem Kraftaufwand das Zubehörteil sowohl dichtend an der Kartusche befestigt als auch von der Kartusche abgehoben werden kann (Absatz [0006]).

2. Patentanspruch 1 lautet in einer gegliederten Form (entsprechend der seitens der Parteien bereits im parallelen Verletzungsverfahren übereinstimmend verwendeten Gliederung):

1. Austraganordnung aufweisend:

2. ein Zubehörteil (3; 37; 50; 64) mit mindestens zwei [X.] (15, 16; 55, 56; 65, 66);

3. eine Kartusche (2; 36) für mindestens zwei Komponenten, wobei die Kartusche (2; 36) mindestens zwei Kammern (13, 14; 44, 45) für jeweils eine der Komponenten und mindestens zwei zu den [X.] komplementäre Auslässe (18, 19) für die Komponenten aufweist, wobei jeweils einer der Auslässe (18, 19) in einen der Einlässe steckbar ist oder umgekehrt; und

4. eine [X.] mit einer ersten Verbindungskomponente (11), die am Zubehörteil (3; 37; 50; 64) angeordnet ist, und einer zur ersten Verbindungskomponente komplementären zweiten Verbindungskomponente (12), die an der Kartusche (2; 36) angeordnet ist, wobei

4.1 eine der [X.] (11, 12) eine [X.] (20, 21; 20A, [X.]) aufweist und

4.2 die andere Verbindungskomponente (12, 11) einen in Längsrichtung darin einsteckbaren [X.] (5; 48) aufweist, wobei

4.3 außenumfänglich an dem [X.] (5; 48) erste Eingriffsteile (6, 7; 40, 41) und [X.] in der [X.] (20, 21; 20A, [X.]) entsprechende zweite Eingriffsteile (25, 26; 46, 47) einer in Längsrichtung schräg gestellten Drehführung vorgesehen sind,

4.3.1 entlang welcher die [X.] (11, 12) nach dem Einstecken des [X.]s (5; 48) in die [X.] (20, 21; 20A; [X.]) über einen wirksamen Verbindungsabschnitt ineinander verdrehbar und dabei in axialer Richtung geführt zunehmend miteinander in Eingriff und über einen wirksamen Verbindungsabschnitt in axialer Richtung geführt voneinander außer Eingriff bringbar sind,

4.3.2 so dass während des Herstellens der Verbindung ein zwangsläufiges Heranführen des Zubehörteils (3; 37; 50; 64) an die Kartusche (2; 36) erfolgt und

4.3.3 dass während des [X.] der Verbindung ein zwangsläufiges Abheben des Zubehörteils (3; 37; 50; 64) von der Kartusche (2; 36) erfolgt.

3. Als maßgeblichen Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnik mit Fachhochschul-Abscluss oder einem vergleichbaren Abschluss an, der mehrere Jahre Berufserfahrung mit der Konstruktion von [X.] aufweist.

4. Folgende Aspekte bedürfen – insbesondere im Hinblick auf den Einsteckvorgang des [X.]s in die [X.] – näherer Erläuterung:

Abbildung

Die beanspruchte Austraganordnung besteht zumindest aus den drei Bauteilelementen Zubehörteil, Kartusche und [X.]. Die [X.] nach Merkmal 4 zum Verbinden von Kartusche (2; 36) und Zubehörteil (3; 37; 50, 64; auch 4 bis 4B gemäß [X.]. 1) weist dabei zwei komplementäre [X.] (11, 12) auf, die den beiden zu verbindenden Bauteilen zugeordnet und dort auch entsprechend angeordnet sind. Gemäß den Merkmalen 4.1 und 4.2 weist eine der [X.] eine [X.] (20, 21; 20A, [X.]) auf, in die ein [X.] (5; 48) der anderen Verbindungskomponente in Längsrichtung – und somit axial – einsteckbar ist.

Hinsichtlich dieser „Steckverbindungselemente“ der Merkmalsgruppe 4 – die gegengegenseitige Steckverbindung der [X.] und der Einlässe des Zubehörteils gemäß Merkmal 3 sind hiervon getrennt zu betrachten – ist in der allgemeinen Beschreibung der Streitpatentschrift ([0008]) sowie in Merkmal 4.3 gesagt, dass an dem [X.] „außenumfänglich“ noch erste Eingriffsteile vorgesehen sind, die in „[X.]“ zweite Eingriffsteile der [X.] für eine in Längsrichtung schräg gestellte „Drehführung“ des Zubehörteils eingreifen. An gleicher [X.] sowie in Merkmal 4.3.1 ist ferner formuliert, dass diese Drehführung erst „nach dem Einstecken des [X.]s in die [X.]“ erfolgt, so dass der grundsätzliche Einsteckvorgang vor der sich daran anschließenden Drehführung erfolgt. Die in die Drehführung eingreifenden ersten Eingriffsteile bedingen durch die Verdrehung der beiden [X.], dass diese in axialer Richtung geführt werden und zunehmend miteinander in Eingriff kommen.

Bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels gemäß den [X.]uren 5 und 6 ist eine „…förmliche Angleichung der Aufnahmebacken (20, 21) an die Mantelfläche des [X.]s (5) …“ formuliert ([0033]), wodurch eine „…längsaxiale Steckführungsfläche für das Einstecken der Verbindungskomponente (11) gewährleistet…“ sei. In Verbindung mit den in Merkmal 4.3 beschriebenen außen- bzw. [X.] definierten Elementen [X.] und [X.] entnimmt der Fachmann daraus, dass das [X.] – radial geführt – axial in die [X.] einführbar ist.

Der Begriff der Steckverbindung ist im Streitpatent nicht explizit genannt, die Elemente „[X.]“ sowie ein „…in Längsrichtung darin einsteckbares [X.]…“ implizieren jedoch zumindest ein nennenswertes axiales Eintauchen ineinander sowie eine gewisse radiale Führung und Stabilität dieser (Steck-) Verbindung. Ein Ansetzen einer Schraubverbindung ist entgegen der Annahme der Klägerin jedenfalls kein „Einstecken“ im Sinne des Streitpatents. Eine [X.] gemäß Streitpatent ist beispielsweise eine sich entsprechende Zylinderform von [X.] und [X.] ([0029]) oder/und weist eine längsaxiale Steckführungsfläche für das Einstecken der einen Verbindungskomponente in die andere ([0033]) auf.

Da gemäß Streitpatent als Zubehörteil neben einem Mischer alternativ auch ausdrücklich ein [X.] herangezogen werden kann (Absätze [0025], [0027]), ergibt sich für Merkmal 3, dass als „Einlass“ nicht nur eine Einlassöffnung, sondern gleichermaßen ein in den jeweiligen Auslass eingeführter [X.] anzusehen ist. Das in den Auslass der Kartuschenkammer „eingelassene“ bzw. eingesteckte Verschlusselement ([X.]) – oder umgekehrt – entspricht dabei in Bezug auf die Abdichtung gegenüber der Umgebung dem Einlasselement eines Mischers. Anders als die Einspruchsabteilung sowie die Beschwerdekammer des [X.] es sehen, ist gemäß der Beschreibung dieses Element explizit als mit umfasst definiert (entspr. [X.], Urteil vom 2. März 1999 – [X.], [X.], 909 - Spannschraube).

Während Merkmal 4.3.1 lediglich fordert, dass die [X.] über einen wirksamen Verbindungsabschnitt in axialer Richtung geführt zunehmend miteinander in Eingriff und auch voneinander außer Eingriff bringbar sind, fordert Merkmal 4.3.3, dass während des [X.] der Verbindung ein zwangsweises Abheben des Zubehörteils von der Kartusche erfolgt. Die Verwendung des Begriffs [X.] – insbesondere unter Heranziehung der Explosionszeichnung gemäß [X.]ur 1 – erscheint auf den ersten Blick missverständlich, da eine axiale Fixierung der Hülse gegenüber dem Mischerrohr (4) sowie insbesondere dem Mischereingangsteil (4B) mit den [X.] (15, 16) in den [X.]uren nicht erkennbar ist. Eine solche axiale Fixierung ist jedoch im allgemeinen Teil der Beschreibung explizit formuliert (Absätze [0019] und [0020]) und für die Funktion von Merkmal 4.3.3 zwingend erforderlich.

II. Zur Patentfähigkeit

Dem Streitpatent in der erteilten Fassung und im angegriffenen Umfang steht der [X.] der fehlenden Patentfähigkeit nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1, 2 und 3 [X.], Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), b) und c) EPÜ i. V. m. Art. 52, 54, 56 EPÜ nicht entgegen. Denn die hiermit unter Schutz gestellte Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 erweist sich gegenüber dem im Verfahren entgegengehaltenen Stand der Technik als neu und auf erfinderischer Tätigkeit beruhend.

1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu gegenüber den von der Klägerin insoweit angeführten Entgegenhaltungen [X.], [X.] und [X.].

1.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem aus der [X.] (EP 0 730 913 [X.]) bekannten Gegenstand neu. Zwar sind die Merkmale 1. bis 4.3 aus der [X.] bekannt; es fehlt jedoch an einer Offenbarung der Merkmale 4.3.1 bis 4.3.3.

Sowohl die Bajonettfassung (-buchse) wie auch die Bajonettlaschen (-nasen) können dabei an ihren zugehörigen Flächen schräg ausgebildet sein, so dass sich bei der Montage ein axialer Anpressdruck zwischen Kartusche und Mischer ergibt („[X.] so as to enforce the locking ability by an axial load. [X.] parts may also be located on the corresponding surface of the cartridge sector shaped bayonet sockets“, Spalte 12, Zeilen 6 – 11). Damit sind die Merkmale 1. bis 4.3 aus der [X.] bekannt.

Nicht offenbart sind jedoch die Merkmale 4.3.1 bis 4.3.3. Durch das axiale Verspannen der beiden Komponenten ergibt sich lediglich eine minimale axiale, elastische Kompression (Verformung) der bereits aneinander liegenden Verbindungselemente, ein zwangsläufiges Heranführen des Mischers an die Kartusche im Sinne des Streitpatents gemäß Merkmal 4.3.2 ist damit – entgegen der Auffassung der Klägerin – jedoch nicht verbunden. Ein gezieltes, zwangsläufiges Abheben gemäß den Merkmalen 4.3.1 und 4.3.3 ist zudem nicht offenbart.

1.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist auch gegenüber dem aus der [X.] ([X.] 2006/095179 [X.]) bekannten Gegenstand neu. Aus der [X.] sind die Merkmale 1 bis 4 sowie 4.3.2 bekannt, es fehlt jedoch an einer Offenbarung der Merkmale 4.1, 4.2, 4.3, 4.3.1 und 4.3.3.

Eine [X.] und ein in Längsrichtung darin einsteckbares [X.] weisen die entsprechenden [X.] nicht auf (Merkmale 4.1 und 4.2). Die Gewindeverbindung stellt beim Ansetzen des Gewindes der Überwurfmutter auf das Außengewinde des Anschlusselements zweifellos keine [X.] dar. Die in Längsrichtung schräg gestellte Drehführung ist mit der Gewindeverbindung hingegen gegeben, allerdings ist diese nicht in einer [X.] integriert (Merkmale 4.3 und 4.3.1.). Zwar findet während des Festschraubens der [X.] ein zwangsläufiges Heranführen des Zubehörteils an die Kartusche statt (Merkmal 4.3.2), das Lösen der Überwurfmutter führt jedoch nicht zu einem zwangsläufigen Abheben des Zubehörteils von der Kartusche (Merkmal 4.3.3).

Die seitens der Klägerin formulierte „axiale Sicherung“ zwischen der Adapterplatte (adaptor plate 56) und dem [X.] (skirt end 52) ist nach Ansicht des Senats im Übrigen nicht gegeben. Bereits die von der Klägerin im [X.] (52) gesehene „Kerbe“ ist als solche nicht erkennbar, hier sieht der Fachmann eher eine Abstufung in Form eines Absatzes, wie auch die Beklagte argumentiert hat. Eine axiale Sicherung zur Gewährleistung eines zwangsläufigen Abhebens des Zubehörteils von der Kartusche (Merkmal 4.3.3) ist jedenfalls aus der [X.] nicht offenbart.

1.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist auch gegenüber dem aus der [X.] ([X.] 2001/0013523 [X.]) bekannten Gegenstand neu.

Die weiteren Merkmale sind jedoch – unter Betrachtung der Überwurfmutter als dem Zubehörteil zugehöriges Verbindungselement – nicht bekannt. Insbesondere ein Einstecken in eine [X.] ist mit diesen Verbindungselementen nicht gegeben.

Alternativ ließe sich zwar prinzipiell auch das Zubehörteil (fitment 50, [X.]) selbst als Verbindungselement ansehen, bei dem die beiden Schürzen (skirts 70) auf die flachen Seiten (flat portions 30) der [X.] der beiden Speicherkammern (finishes 22) auf- bzw. eingesteckt werden (Merkmale 4.1 und 4.2). Doch dann sind alle weiteren Merkmale 4.3 bis 4.3.3 nicht bekannt, da keine Eingriffsteile [X.] in der [X.] vorhanden sind, die mit den außenumfänglichen, komplementären Eingriffsteilen der [X.] der Speicherkammern in Wechselwirkung treten.

2. Auch eine Zusammenschau der [X.] insbesondere mit [X.] sowie alternativ mit [X.] oder auch gemäß der Zusammenschau der [X.] mit der Druckschrift [X.] legt den patentgemäßen Gegenstand nicht nahe.

Abbildung2.1 Die seitens der Klägerin noch zur [X.] (EP 0 730 913 [X.]) herangezogene [X.] ([X.] 5 033 650 A) offenbart eine Abgabevorrichtung in Form einer Kartusche zum Vermischen von mindestens zwei viskosen Materialien (Patentanspruch 1 sowie [X.]uren; Merkmal 1). Die Merkmale 2 und 3 sind hingegen aus der [X.] nicht bekannt, weil separate Kartuschen-Auslässe und korrespondierende Einlässe in das Zubehörteil der unterschiedlichen Materialien hier nicht vorhanden sind. Insofern ergibt sich bei der [X.] ein Verbindungssystem mit jeweils zentrisch gelegenem Aus- und Einlass („…common discharge end of said head…“, Spalte 2, Zeilen 15 f.), wie es bei [X.] bekanntermaßen vorhanden ist. Die Problematik der Befestigung eines Zubehörteils mit zwei (separaten) Einlässen ist somit hier gar nicht vorhanden. Damit ist bereits fraglich, ob der Fachmann die Druckschrift [X.] zur Lösung einer [X.] mit zwei separaten Ein- und Auslässen heranzieht.

Die [X.] der [X.] weist eine Verbindungskomponente am Kopf (head 30) des Zubehörteils bzw. statischen Mischers (static mixer 36) auf, die in Wechselwirkung mit der Verbindungskomponente am Kopf der Kartusche (head 20) steht. Es handelt sich dabei um eine [X.] (Kopf der Kartusche) und ein darin einsteckbares [X.] (Kopf des Mischers; Merkmale 4 bis 4.2), wobei allerdings [X.] an dem [X.] erste Eingriffsteile ([X.]) und außenumfänglich in der [X.] entsprechende zweite Eingriffsteile (lugs 50) einer in Längsrichtung schräg gestellten Drehführung vorgesehen sind. Die Eingriffselemente sind somit lediglich reziprok zu denen im Streitpatent ausgebildet, so dass das Merkmal 4.3 nicht bekannt ist.

Durch die Anlage eines Wulstes (bead 60) als Dichtelement an einer ebenen Fläche (62) oder in eine Nut (groove 65) in Form einer Nut-und-Feder-Verbindung ("tongue and groove" coupling) – alternativ durch Auflage eines separaten [X.] ([X.] gasket 64) – mag sich gemäß den (Teil-) Merkmalen 4.3.1 und 4.3.2 auch ein minimales zwangsläufiges Heranführen des Zubehörteils an die Kartusche ergeben. Diese axiale Bewegung durch die Elastizität der Verbindung ist zwar gegebenenfalls sehr klein, sie erscheint aber für die Funktion der [X.] notwendig und ist zudem in der [X.] auch ausdrücklich formuliert („to move the tong-like projections (54) further along axially“, Spalte 4, Zeilen 28 ff.).

Ein zwangsläufiges Abheben des Zubehörteils gemäß Merkmal 4.3.3 erfolgt allerdings auch bei der bekannten [X.] nach der [X.] nicht. Bei der radialen Öffnungsbewegung der Düsenanordnung (nozzle assembly 14) und potentiell (teil-) ausgehärteten Komponenten innerhalb der Düse bzw. des Mischers (static mixer 36) ergibt sich kein kinematisch bedingtes Abheben der Düsenanordnung von der Abgabevorrichtung (dispensing device) gemäß Merkmal 4.3.3. Insofern kann die [X.] dieses Merkmal auch in Zusammenschau mit der Druckschrift [X.] nicht nahelegen.

Daher kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die [X.] überhaupt für eine fachmännische Zusammenschau mit der [X.] geeignet ist. Wie vorstehend erwähnt ergibt sich durch die fehlenden zugeordneten separaten Ein- und Auslässe von Kartuschen und Zubehörteil (Mischer) bei der Anordnung in der [X.] bereits eine andere Kinematik hinsichtlich der [X.] von Anschluss- und Zubehörteil.

2.2 Auch die Zusammenschau der [X.] mit der seitens der Klägerin noch herangezogenen [X.] ([X.] 1 238 023 [X.]) führt den Fachmann nicht zum Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents. Die [X.] betrifft eine einzelne Kartusche, auf der eine Düse mit einem Abgabehohlraum (nozzle 12) auf einen Abgabenippel über einen bajonettartigen Verschluss befestigt wird. Die dort angewandte Kinematik, bei der die Düse axial aufgesteckt und anschließend über eine Drehführung axial der Kartusche angenähert wird, ist nicht auf ein Zubehörteil übertragbar, das zumindest zwei separate Einlässe aufweist, die zu entsprechenden Auslässen korrespondieren. Der Fachmann wird – ausgehend von einem Kartuschensystem mit zumindest zwei separaten Ausgängen wie bei der [X.] – die [X.] bereits nicht für potentielle Weiterentwicklungen hinsichtlich des [X.] heranziehen.

Abbildung

2.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist auch in einer Zusammenschau verschiedener Ausführungsbeispiele der [X.] (EP 1 440 737 [X.]) nicht nahegelegt, da jedenfalls das Merkmal 4.3 aus der [X.] nicht vollständig bekannt ist und der Fachmann auch keine Anregung hierzu erhält.

Die Druckschrift [X.] offenbart eine Austraganordnung mit einer Kartusche für mindestens zwei Komponenten und einem Mischer oder Zubehörteil, wobei Kartusche und Zubehörteil korrespondierende Aus- bzw. Einlässe oder entsprechende Stopfen aufweisen (Patentanspruch 1, [X.]uren 1 – 6; Merkmale 1 bis 3). Eine [X.] mit zwei kompatiblen [X.] in Form einer [X.] und einem einsteckbaren [X.] gemäß den Merkmalen 4 bis 4.2 ist durch die Einschnitte bzw. Ausnehmungen (16, 17) sowie die [X.] (8, 9) gleichfalls vorhanden.

Abbildung

Merkmal 4.3 ist jedoch nicht vollständig bekannt. Zwar weist das als [X.] anzusehende Kopfende der Kartusche mit seinem Außengewinde erste Eingriffsteile für eine schräg gestellte Drehführung auf, der entsprechende Gegenpart – an den [X.] – besitzt jedoch keine [X.] entsprechenden zweiten Eingriffsteile; die Schraubverbindung wird bei der [X.] hingegen durch die Überwurfmutter (18) bewirkt. Die Merkmale 4.3.1 und 4.3.2 sind nachfolgend – unter der Prämisse einer separaten Verbindungskomponente – ebenfalls bekannt.

Das Merkmal 4.3.3 ist prinzipiell in der Beschreibung in Absatz [0017] offenbart, in Bezug auf die zeichnerische Offenbarung der [X.] jedoch nicht ohne Weiteres technisch nachvollziehbar. Dies bemängelt auch die Beklagte in ihrer Eingabe vom 5. August 2022, allerdings ist ihre verkleinerte Darstellung der [X.]ur 9 in der [X.] auf Seite 22 nicht korrekt, da die [X.]ur 9 lediglich die Aufsicht auf den [X.] gemäß [X.]ur 8 darstellt und insofern beide [X.]uren gleiche Abmessungen („größter Durchmesser“) aufweisen müssen. Zwar weisen einige [X.]uren unterschiedliche Maßstäbe auf, nicht aber diese beiden [X.]uren. Offen bleibt allerdings, wie die [X.] (26) wirken kann, wenn sie mit ihrem Außendurchmesser eine gleiche „Längenabmessung“ wie der [X.] aufweist. Das Prinzip der [X.] in Kombination mit einem [X.] wird dem Fachmann allerdings grundsätzlich offenbart, so dass das Merkmal 4.3.3 durch die [X.] zumindest nahegelegt sein dürfte.

Es verbleibt jedoch das nicht bekannte Merkmal 4.3, dessen Realisierung dem Fachmann durch die [X.] nicht nahegelegt wird. Hierzu liefert auch das Ausführungsbeispiel der Verschlusskappe (21) als alternatives Zubehörteil ([X.]uren 7 bis 9) keinen weiteren Beitrag. Die als [X.] anzusehenden [X.] (8, 9) unterscheiden sich nicht von denen des Mischeraufsatzes gemäß den [X.]uren 1 bis 6 („…dieselben [X.] 8 und 9…“, Spalte 3, Zeile 28), so dass auch bei der Verschlusskappe keine in der [X.] [X.] entsprechenden zweiten Eingriffsteile einer in Längsrichtung schräg gestellten Drehführung vorhanden sind.

2.4 Auch eine Zusammenschau der Druckschriften [X.] ([X.] 2006/095179 [X.]) und [X.] ([X.] 1 238 023 [X.]) legt den patentgemäßen Gegenstand nicht nahe.

Die [X.] geht dabei von einem Mischaufsatz mit zwei gleich groß dimensionierten Eingängen aus, der universell auf verschiedene Kartuschensätze für unterschiedliche Mischungsverhältnisse anzuwenden ist. Die Durchflussbeschränkung erfolgt dabei in den beiden getrennten Auslässen der Kartuschen.

Die Druckschrift [X.] hingegen betrifft eine einzelne Kartusche mit einem zentrischen Auslass, auf der eine Düse über einen bajonettartigen Verschluss befestigt wird. Hier gilt das Gleiche wie zur Zusammenschau der Druckschriften [X.] und [X.] Gesagte (s. Abschnitt 2.2).

2.5 Auch die weiteren zur [X.] als Ausgangsdokument herangezogenen Druckschriften [X.] ([X.] 2006/095179 [X.]), [X.] (EP 1 440 737 [X.]) und [X.] ([X.] 2008/113196 [X.]) – wie ebenso die [X.] unter Hinzuziehung seines Fachwissens allein – auf die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung jeweils nicht weiter eingegangen ist, führen den Fachmann nicht zum Gegenstand des Streitpatents gemäß Anspruch 1. Die [X.] der [X.] ist nicht auf die der [X.] übertragbar, da die entsprechenden Komponenten in der [X.] bereits keine [X.] mit einem darin einsteckbaren [X.] aufweisen und somit beide Systeme nur bedingt vergleichbar sind. Darüber hinaus ist aus beiden Druckschriften das Merkmal 4.3.3 nicht offenbart, so dass ein zwangsläufiges Abheben des Zubehörteils während des Lösens der Verbindung auch nicht nahegelegt werden kann. Die Druckschrift [X.] offenbart eine [X.] mit einer Überwurfmutter und einer Schraubverbindung sowie einem feststehenden Zubehörteil, das nicht ohne Weiteres auf das Bajonettsystem der [X.] übertragbar ist, bei dem das Zubehörteil selbst aufgesteckt und radial gedreht wird. Die [X.] offenbart ein gegenüber der [X.] andersartiges Verbindungssystem in Form einer Schnappverbindung, bei dem beim Zusammenfügen der Komponenten bereits keine Drehbewegung stattfindet („…ohne eine Verdrehbewegung…“, Patentanspruch 1), wodurch zumindest die beiden Merkmale 4.3.1 und 4.3.2 nicht bekannt sind. Somit sind zum einen beide [X.]en nicht kompatibel, zum anderen sind die beiden Merkmale bei beiden Dokumenten nicht offenbart. Aus der [X.] heraus gelangt der Fachmann ebenfalls nicht zum Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1. Es gibt weder eine Anregung in der [X.], noch hat der Fachmann eine Veranlassung, das System der sicheren Klemmwirkung bei der Bajonettverbindung zu verlassen und zu einer Drehführung gemäß der [X.] des Patentanspruchs 1 abzuwandeln.

3. Die ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 11 bis 13, die vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung nach Patentanspruch 1 beinhalten, werden bereits durch ihren Rückbezug vom rechtsbeständigen Patentanspruch 1 getragen. Gegenteiliges hat auch die Klägerin weder behauptet noch dargelegt.

B.

Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

4 Ni 3/23 (EP)

29.03.2023

Bundespatentgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 29.03.2023, Az. 4 Ni 3/23 (EP) (REWIS RS 2023, 4966)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4966

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