Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.02.2015, Az. 4 StR 516/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 14939

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Konkurrenzverhältnis beim Zusammentreffen von täterschaftlichem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. August 2014

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen schuldig ist;

b) hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen II.4 und 5 der Urteilsgründe sowie im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen unter Einbeziehung der Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

[X.]

2

Nach den zu den Fällen I[X.]4 und 5 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen bewahrte der Angeklagte am 15. Januar 2014 in seinem am Bahnhof in S.    abgestellten Pkw einen Vorrat von 85,6 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 14,9 Gramm THC auf, der - nach den weiteren Ausführungen in den Urteilsgründen - unwiderlegt zum Eigenkonsum bestimmt war (Fall I[X.]4 der Urteilsgründe). Am gleichen Tag erwarb der Angeklagte in [X.]von einem unbekannt gebliebenen Lieferanten 28,6 Gramm Kokainzubereitung mit 15,2 Gramm [X.] zum Preis von 1.500 Euro, 61,5 Gramm Amphetamin (4,8 Gramm Amphetaminbase) für 300 Euro sowie 195,9 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 22,6 Gramm THC für [X.] 000 Euro. Der Angeklagte beabsichtigte, die erworbenen Betäubungsmittel gewinnbringend weiterzuveräußern. Hierzu kam es nicht mehr, da der Angeklagte unmittelbar nach seiner Rückkehr nach S.     im Bereich des Bahnhofs festgenommen und die Betäubungsmittel sichergestellt werden konnten (Fall I[X.]5 der Urteilsgründe).

I[X.]

3

Der Revisionsangriff erfasst neben der Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall I[X.]5 der Urteilsgründe auch die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall I[X.]4 der Urteilsgründe. Zwar hat der Angeklagte sein Rechtsmittel ausdrücklich auf die Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge beschränkt. Diese Beschränkung ist aber insofern unwirksam, als es sich bei dem deliktischen Verhalten des Angeklagten in den Fällen I[X.]4 und 5 der Urteilsgründe bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung (unten um eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne handelt. Hat der Tatrichter die von ihm festgestellten Geschehnisse als mehrere rechtlich selbständige Handlungen bewertet, obwohl tatsächlich nur eine Tat vorliegt, kann die Revision nicht auf die rechtliche Bewertung einzelner dieser Geschehnisse beschränkt werden (vgl. [X.], Urteile vom 21. November 2002 - 3 StR 296/02, [X.], 264, 265; vom 17. Oktober 1995 - 1 [X.], [X.], 203).

II[X.]

4

Soweit das [X.] bei den Taten I[X.]4 und 5 der Urteilsgründe von jeweils rechtlich selbständigen, real konkurrierenden Taten ausgegangen ist, hält das angefochtene Urteil einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Ferner beruht der von der [X.] angenommene Schuldumfang des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf einer unvollständigen Beweiswürdigung.

5

1. Nach der Rechtsprechung des [X.] verwirklicht der gleichzeitige Besitz unterschiedlicher Betäubungsmittelmengen den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 4 StR 144/13, [X.], 163; vom 17. März 2010 - 2 StR 67/10 Rn. 2; vom 12. Oktober 2004 - 4 StR 358/04, [X.], 228; Urteile vom 11. Dezember 2003 - 3 [X.], [X.], 146, 148; vom 1. August 1978 - 1 [X.]). Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln dem Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurück (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. Oktober 2008 - 3 [X.], [X.], 58; vom 17. Mai 1996 - 3 [X.], [X.]St 42, 162, 165 f.). Besitzt der Täter Betäubungsmittel teils zum Eigenkonsum und teils zu Handelszwecken, geht lediglich der Besitz an der zum Handel bestimmten Betäubungsmittelmenge im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf, während es für die Eigenbedarfsmenge bei der Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verbleibt. Zwischen dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und dem gleichzeitigen Besitz der davon nicht betroffenen Betäubungsmittelmenge besteht Tateinheit (vgl. [X.], Beschlüsse vom 30. Juni 1998 - 1 StR 293/98, [X.], 593; vom 30. November 1995 - 1 StR 578/95; vom 12. Oktober 1990 - 1 StR 539/90; vom 29. August 1984 - 2 [X.], bei [X.], NStZ 1985, 58; [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 7. Aufl., § 29 Rn. 108; [X.] in MüKoStGB, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1209). Danach hat sich der Angeklagte im vorliegenden Fall durch den gleichzeitigen Besitz des im Pkw aufbewahrten, zum Eigenkonsum dienenden Marihuanas und der in [X.]zu Handelszwecken erworbenen Betäubungsmittel des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.

6

2. Soweit das [X.] davon ausgegangen ist, dass auch das in [X.] erworbene Kokain und Amphetamin vollständig zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmt waren, beruhen die Feststellungen auf einer unvollständigen Beweiswürdigung. Die [X.] hat ihre Überzeugung von der umfassenden Veräußerungsabsicht des Angeklagten unter anderem darauf gestützt, dass die Geldzuwendungen, die der Angeklagte im Tatzeitraum von Verwandten erhielt, bei weitem nicht ausreichten, um den täglichen Drogenkonsum des Angeklagten von 3 bis 4 Gramm Marihuana und je 1 Gramm Kokain und Amphetamin zu finanzieren, und der Angeklagte am Tattag eine größere Menge Marihuana erwarb, obwohl er noch über einen beachtlichen [X.] verfügte. Angesichts des ihren Erwägungen zugrunde gelegten Eigenbedarfs des Angeklagten an Kokain und Amphetamin sowie des Umstands, dass anders als bei Marihuana das Vorhandensein eines Vorrats an Kokain und Am-phetamin nicht festgestellt werden konnte, hätte sich die [X.] näher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das in [X.]erworbene Kokain und Amphetamin jedenfalls teilweise zum Eigenkonsum verwendet werden sollte. Da diese Möglichkeit nach den Umständen nicht fernliegt, erweist sich die Beweiswürdigung des [X.]s insoweit als lückenhaft.

7

Der Rechtsfehler betrifft indes lediglich den Schuldumfang der Tat. Denn der Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wird durch den Erwerb der nicht geringen Menge Marihuana getragen, deren Beschaffung zum Zwecke der gewinnbringenden Weiterveräußerung das [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Auch im Übrigen wird der Schuldspruch durch einen eventuellen Erwerb von Kokain und Amphetamin zum Eigenverbrauch nicht berührt, weil der sich auf eine mögliche Erwerbsmenge zum Eigenkonsum beziehende Besitz in dem bereits ohnehin durch den Marihuanavorrat im Pkw verwirklichten unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aufginge, der in Tateinheit mit dem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht und hinter dem eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG hinsichtlich der möglicherweise in [X.]erworbenen Eigenbedarfsmengen zurückträte (vgl. [X.], Beschluss vom 19. September 2001 - 3 [X.], [X.]R BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5; Urteil vom 8. April 1997 - 1 StR 65/97, [X.], 227).

8

3. Der Senat kann daher den Schuldspruch entsprechend ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Bereits die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der [X.] in den Fällen I[X.]4 und 5 der Urteilsgründe und des [X.]s zur Folge. Die Aufhebung der zugehörigen Feststellungen erfasst insbesondere auch die Feststellungen zu der vom Angeklagten beabsichtigten Verwendung des in [X.]erworbenen Kokains und Amphetamins.

9

Wegen des Sachzusammenhangs zwischen [X.] und Maßregelanordnung, der sich hier aus der einer Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung ausschließenden Vorschrift des § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB ergibt, kann auch der an sich rechtsfehlerfrei getroffene [X.] nicht bestehen bleiben.

4. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass die im Ermessen des Tatrichters stehende Entscheidung, von der Möglichkeit des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB keinen Gebrauch zu machen, einer näheren Begründung im Urteil bedarf, wenn die Gesamtstrafe - etwa wegen ihrer nicht mehr aussetzungsfähigen Höhe - das schwerere Strafübel darstellt (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 53 Rn. 5 mwN). Nach § 55 Abs. 2 StGB aufrechtzuerhalten sind schließlich nur solche Maßnahmen, die noch nicht erledigt sind (vgl. Fischer aaO, § 55 Rn. 29 mwN).

Sost-Scheible                            Roggenbuck                       Cierniak

                         [X.][X.]

Meta

4 StR 516/14

25.02.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stendal, 19. August 2014, Az: 502 KLs 390 Js 117/12 - 2/12

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.02.2015, Az. 4 StR 516/14 (REWIS RS 2015, 14939)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14939

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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