Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2020, Az. XII ZB 318/20

12. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 862

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Gegenstand

Verfahren der Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Umgangsrechtsentscheidung: Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde und Darlegungslast des Rechtsbeschwerdeführers


Leitsatz

Eine nach § 28 IntFamRVG im Verfahren der Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Umgangsrechtsentscheidung statthafte Rechtsbeschwerde ist nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der Beschwerdeführer muss den Zulassungsgrund bzw. die Zulassungsvoraussetzungen nicht nur benennen, sondern auch zu den jeweiligen Voraussetzungen substantiiert vortragen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012 - XII ZB 170/11, FamRZ 2012, 1561).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des [X.] vom 28. Mai 2020 wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.

Wert: 3.000 €

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Vollstreckbarerklärung einer [X.] Umgangsrechtsentscheidung.

2

Der Antragsteller ist der Vater des im Januar 2006 geborenen Kindes N. und des im August 2008 geborenen [X.], die aus seiner in der [X.] geführten und im Jahre 2011 geschiedenen Ehe mit der Antragsgegnerin hervorgegangen sind. Nach der Trennung der Eltern lebten die beiden Kinder bei der Mutter. Am 6. Mai 2013 erließ das [X.] Bezirksgericht [X.] in [X.] eine Entscheidung, mit der Umgang des Antragstellers an seinem Wohnort mit den beiden Kindern wöchentlich jeweils von Samstag, 17.00 Uhr, bis Sonntag, 19.00 Uhr, bestimmt wurde. Im Juli 2015 zog die Antragsgegnerin mit den beiden Kindern nach [X.] um, wo sie nach wie vor wohnt.

3

Der Antragsteller hat im Jahre 2016 beim Amtsgericht die Vollstreckbarerklärung der Umgangsentscheidung vom 6. Mai 2013 beantragt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts [X.] in [X.] vom 14. Juni 2018 wurde der Umgang des Antragstellers dahingehend abgeändert, dass er am Wohnort der Kinder in [X.] sowie bei deren Ferienbesuchen auch auf dem Gebiet der [X.] an bestimmten Orten und mit einer Mindestdauer von zwei Stunden zur Tageszeit zu erfolgen habe. Hiergegen legte der Antragsteller Rechtsmittel ein. Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2019 hat die Antragsgegnerin dem Amtsgericht die Kopie einer [X.] Gerichtsentscheidung übersandt und mitgeteilt, das Rechtsmittel des Antragstellers sei damit wie folgt beschieden worden: „Die Entscheidung des Bezirksgerichts [X.] der Stadt [X.] vom 14 Juni 2018 wird ohne Änderung belassen und die Gegenklage (Rechtsmittel) [des Antragstellers] wird abgewiesen.“

4

Daraufhin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 12. Februar 2019 den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen, weil die Umgangsrechtsentscheidung vom 6. Mai 2013 durch die in der [X.] zwischenzeitlich ergangenen neuen Entscheidungen erster und zweiter Instanz zum Umgang ihre Wirksamkeit verloren habe.

5

Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist ohne Erfolg geblieben. Das [X.] hat den Antragsteller mit einem ihm im Wege der Auslandszustellung bekannt gegebenem, mit Gründen versehenem Hinweisbeschluss vom 2. April 2019 auf seine Absicht hingewiesen, die Beschwerde ohne mündliche Erörterung zurückzuweisen, und - nachdem der Antragsteller hierzu nicht mehr Stellung genommen hat - mit Beschluss vom 28. Mai 2020 wie angekündigt entschieden. Die Vollstreckbarkeit sei nicht anzuordnen, da mit dem Beschluss des Bezirksgerichts vom 14. Juni 2018 eine abändernde und neuere Umgangsrechtsentscheidung vorliege.

6

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Rechtsbeschwerde, mit der er seinen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Beschlusses vom 6. Mai 2013 weiterverfolgt.

II.

7

[X.] ist zwar gemäß §§ 1 Nr. 2, 28 IntFamRVG, Art. 26 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ohne Zulassung statthaft, da die [X.] und [X.] Vertragsstaaten des [X.] über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (Kinderschutzübereinkommen - [X.]; BGBl. [X.], 603) sind. [X.] ist aber unzulässig, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

8

1. Gemäß § 28 IntFamRVG findet gegen den Beschluss des [X.]s die Rechtsbeschwerde zum [X.] nach Maßgabe des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO statt. Nach § 29 Satz 1 IntFamRVG ist § 575 Abs. 1 bis 4 ZPO entsprechend anzuwenden. Gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Begründung der Rechtsbeschwerde in den Fällen des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, also wenn die Rechtsbeschwerde - wie hier - aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung statthaft ist, eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Nach dieser Bestimmung ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (Nr. 2). Der Beschwerdeführer muss den [X.] bzw. die Zulassungsvoraussetzungen nicht nur benennen, sondern auch zu den jeweiligen Voraussetzungen substantiiert vortragen (Senatsbeschluss vom 25. Juli 2012 - [X.] 170/11 - FamRZ 2012, 1561 Rn. 8 f. mwN).

9

2. Diesen Anforderungen wird die Rechtsbeschwerdebegründung des Antragstellers nicht gerecht.

[X.] trägt zwar vor, dass das [X.] gegen seine Amtsermittlungspflicht aus § 26 FamFG verstoßen habe, weil es ohne [X.] Übersetzung der von der Antragsgegnerin am 2. Januar 2019 vorgelegten [X.] Rechtsmittelentscheidung entschieden habe. Sie macht geltend, darin liege eine Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sowie des [X.], was den [X.] der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) begründe.

Damit ist aber ein [X.] nicht in der erforderlichen Art und Weise dargelegt. Zum einen ergibt sich eine Verletzung von [X.] nicht aus dem Vorbringen des Antragstellers in der Rechtsbeschwerdebegründung, da er selbst ausführt, vom [X.] auf die beabsichtigte Zurückweisung und deren Begründung hingewiesen worden zu sein. Daher hatte er auch nach seiner Darstellung ausreichend Gelegenheit, sich zu äußern und einer unrichtigen Feststellung des [X.]s zum Inhalt der [X.] Rechtsmittelentscheidung entgegenzutreten. Zum anderen teilt der Antragsteller - der schon nicht geltend macht, es sei Vortrag von ihm übergangen worden - auch nicht mit, an welchem Vortrag er aufgrund eines seine Verfahrensgrundrechte verletzenden gerichtlichen Vorgehens gehindert worden sein soll (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 - [X.] 445/19 - NJW-RR 2020, 573 Rn. 14 und [X.] Beschluss vom 11. Februar 2003 - [X.] - FamRZ 2003, 1005 mwN). Vielmehr stellt er nach wie vor nicht in Abrede, dass die Entscheidung des [X.] Rechtsmittelgerichts den von der Antragsgegnerin dargestellten Inhalt - nämlich die Zurückweisung seines Rechtsmittels - hatte, obwohl ihm als [X.] Sprechendem der Inhalt dieser Entscheidung bekannt ist.

3. Ein [X.] ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Vielmehr lässt die angefochtene Entscheidung schon keinen Rechtsfehler erkennen und verstößt insbesondere nicht gegen § 26 FamFG iVm §§ 14 Nr. 2, 10 IntFamRVG.

Gemäß § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Über Art und Umfang seiner Ermittlungen entscheidet grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 29. April 2020 - [X.] 242/19 - FamRZ 2020, 1300 Rn. 16 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 - [X.] 337/15 - FamRZ 2017, 1209 Rn. 14). Auch wenn im Rahmen des [X.] - anders als bei Geltung des § 138 Abs. 3 ZPO - das Fehlen eines Bestreitens nicht dazu führt, dass eine Tatsache als zugestanden anzusehen ist (vgl. auch § 29 Abs. 1 Satz 2 FamFG), kann der Tatrichter im Einzelfall von einer weiteren Beweisaufnahme absehen, wenn ersichtlich ist, dass der schweigende Beteiligte die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung einräumen wollte und sich hiergegen auch seitens des Gerichts keine Bedenken ergeben (vgl. etwa [X.]/Sternal FamFG 20. Aufl. § 26 Rn. 14; [X.]/Feskorn ZPO 33. Aufl. § 26 FamFG Rn. 2).

Nach diesen rechtlichen Maßgaben war das [X.] im vorliegenden Einzelfall nicht verpflichtet, die [X.] Rechtsmittelentscheidung ins [X.] übersetzen zu lassen. Die Antragsgegnerin hatte sie dem Amtsgericht in Kopie vorgelegt und als Tenor die vollständige Bestätigung der das Umgangsrecht neu regelnden erstinstanzlichen Entscheidung vom 14. Juni 2018 mitgeteilt. Dem hat der - vor dem Amtsgericht anwaltlich vertretene - [X.] sprechende Antragsteller weder in erster Instanz noch mit seiner Beschwerde oder auf den Hinweisbeschluss des [X.]s hin widersprochen, was aber in dieser streitig geführten Sache bei einem hiervon aus Sicht des Antragstellers abweichenden Inhalt der [X.] Rechtsmittelentscheidung in jedem Fall zu erwarten gewesen wäre. Bei dieser Sachlage durfte das [X.] ohne weiteres davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin den Inhalt der Entscheidung zutreffend dargestellt hatte.

Soweit die Rechtsbeschwerde Verletzungen der durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Art. 8 [X.] garantierten Rechte des Antragstellers mit der Begründung geltend macht, das Amtsgericht habe nicht binnen angemessener Frist über seinen Antrag auf Vollstreckbarerklärung entschieden, ist dies für die vorliegende Entscheidung ohne Belang. Daher bedarf keiner näheren Erörterung, dass allein aus der Verfahrensdauer nicht auf eine Rechtsverletzung geschlossen werden kann und die Rechtsbeschwerde keine dem Amtsgericht zuzurechnende Verfahrensverzögerung darlegt.

Dose     

      

Schilling     

      

Günter

      

Nedden-Boeger     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 318/20

11.11.2020

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 28. Mai 2020, Az: 12 UF 39/19

§ 1 Nr 2 IntFamRVG, § 28 IntFamRVG, § 29 S 1 IntFamRVG, § 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO, § 574 Abs 2 ZPO, § 575 Abs 3 Nr 2 ZPO, Art 26 KSÜ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2020, Az. XII ZB 318/20 (REWIS RS 2020, 862)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 862

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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