Bundessozialgericht, Urteil vom 24.11.2010, Az. B 11 AL 35/09 R

11. Senat | REWIS RS 2010, 1113

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Unterhaltsgeld- bzw Arbeitslosenhilfeanspruch - Bedürftigkeitsprüfung - Vermögensverwertung - Sparguthaben auf dem einem Familienangehörigen zur Nutzung überlassenen Tagesgeldkonto - Untersuchungsgrundsatz - Beweiswürdigung - Vollbeweis - objektive Beweislast


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. November 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch im Revisionsverfahren seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind die Rücknahme der Bewilligung und die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe ([X.]) und von [X.] ([X.]) für die [X.] vom [X.] bis 31.5.2004.

2

Der Kläger bezog im [X.] an Arbeitslosengeld [X.]) und [X.] ab [X.] [X.] (Bescheid vom 12.8.2003). Im [X.] "Bedürftigkeitsprüfung" hatte er angegeben, einen [X.] erteilt zu haben und über ein Girokonto mit 2,00 Euro Guthaben zu verfügen. Im Übrigen verneinte er die Fragen nach vorhandenem Vermögen. Nach Wiederaufnahme seiner Umschulungsmaßnahme erhielt er ab 1.9.2003 erneut [X.] (Verfügung vom 7.10.2003).

3

Im Mai 2004 erfuhr die Beklagte, dass der [X.] der C. (nachfolgend [X.]) erteilt worden war. Auf Anfrage legte der Kläger einen Kontoauszug ("Finanzreport") per 2.6.2003 vor, der ein Guthaben von insgesamt 7108,55 Euro auswies, und teilte mit, es handele sich um ein Tagesgeldkonto mit [X.], das er vor Jahren eingerichtet habe, weil allein für die Einrichtung [X.] im Wert von 100,00 DM gutgeschrieben worden seien. Danach sei es nur von seinem Vater verwendet worden, dem er auch alle Online-Zugangsdaten überlassen habe. In der Folgezeit legte er eine eidesstattliche Versicherung seines [X.] vor, welcher die Angaben des [X.] bestätigte.

4

Die Beklagte hob die Bewilligung von [X.] für die [X.] vom 23.7. bis 31.8.2003 und von [X.] für die [X.] vom 1.9.2003 bis 31.5.2004 auf und forderte die Erstattung der gewährten Leistungen sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 7784,76 Euro (Bescheid vom 1.7.2004). Den Widerspruch, den der Kläger mit zwei größeren Einzahlungen seiner Großmutter und des Käufers einer Küchenzeile zugunsten seines [X.] begründete, wies die Beklagte zurück. Der Kläger habe mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Leistungen gehabt. Die Ausführungen, wonach es sich um Vermögen seines [X.] gehandelt habe, seien nicht überzeugend (Widerspruchsbescheid vom 28.10.2005).

5

Das Sozialgericht ([X.]) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 21.11.2006). Das [X.] (L[X.]) hat nach Anhörung des [X.] und erneuter Beweiserhebung die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei nach seiner Überzeugung nicht nachgewiesen, dass das auf dem Konto bei der [X.] vorhandene Vermögen dem Kläger zuzuordnen sei. Soweit letzte Zweifel an der Zuordnung des Geldes bestünden, gingen diese zu Lasten der Beklagten. Für eine Beweislastumkehr sei kein Raum (Urteil vom 4.11.2009).

6

Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und eine Verletzung materiellen Rechts, indem das L[X.] sie als beweisbelastet angesehen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B[X.]) gehe es zu Lasten des Arbeitslosen, wenn seiner Sphäre zuzuordnende Vorgänge nicht aufklärbar seien. Davon sei auch auszugehen, wenn nach Ausschöpfung aller Beweismittel Restzweifel an der Zuordnung von Vermögenswerten verblieben. Da beim L[X.] trotz der für die Darstellung des [X.] sprechenden Umstände letzte Zweifel verblieben seien, habe es eine Beweislast des [X.] annehmen müssen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]n ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>). Das angefochtene Urteil verletzt die [X.] nicht in ihren Rechten. Nach den für das Revisionsgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist das [X.] rechtsfehlerfrei im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger bei Bewilligung der [X.] über ein den Freibetrag übersteigendes Vermögen verfügt hat. Die Rücknahme der Bewilligung von [X.] (unter 1.) und [X.] (unter 2.) ist aus diesem Grund rechtswidrig.

1. Rechtsgrundlage der zutreffend mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) angegriffenen Rücknahme der [X.]-Bewilligung durch den Bescheid vom 1.7.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2005 ist § 45 Abs 1 und [X.] ([X.]) iVm § 330 Abs [X.] ([X.]). Rechtsgrundlage der daran anknüpfenden Rückforderung ist im Hinblick auf zu Unrecht erbrachte Leistungen § 50 Abs 1 Satz 1 [X.] und bezogen auf die gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge § 335 Abs 1 Satz 1 und Abs 5 [X.] idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, [X.] 2848 (zum insoweit geltenden Recht, wenn der Widerspruchsbescheid aus der [X.] nach dem 1.1.2005 datiert und der Ersatzanspruch vor dem 1.1.2005 entstanden ist: vgl [X.]-4300 § 335 [X.]).

Für die vorrangige Frage der Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung kommt es in erster Linie darauf an, ob der Bescheid über die Bewilligung der [X.] vom 12.8.2003 als den Kläger begünstigender Verwaltungsakt von Anfang an rechtswidrig ist. Die anfängliche Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung wiederum hängt nach den Umständen des Falles davon ab, ob bei der Bewilligung von [X.] ab [X.] die Voraussetzungen eines [X.]-Anspruchs gegeben waren. Das richtet sich nach § 190 Abs 1 [X.] bis 5 [X.] idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes ([X.]) vom [X.] ([X.] 594); fraglich ist hier insbesondere, ob der Kläger bedürftig war (Abs 1 [X.]). Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Gewährung von [X.] nicht gerechtfertigt ist ( § 193 Abs 2 [X.] idF des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften; Lebenspartnerschaften vom [X.], [X.] 266).

Nähere Bestimmungen zur Berücksichtigung von Vermögen trifft die insoweit auf der Verordnungsermächtigung nach § 206 [X.] [X.] idF des [X.] beruhende Arbeitslosenhilfe-Verordnung ([X.]V 2002) vom [X.] ([X.] 3734). Danach ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt (§ 1 Abs 1 [X.] [X.]V 2002). Freibetrag ist, soweit hier von Bedeutung, ein Betrag von 200,00 Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen, der jedoch 13 000,00 Euro nicht übersteigen darf (§ 1 Abs 2 Satz 1 [X.]V 2002 idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.] 4607, mit Wirkung vom 1.1.2003). Für den am 23.12.1975 geborenen Kläger ergab sich demnach zu Beginn des streitigen [X.]raums ([X.]-Bezug ab [X.]) ein Freibetrag von 5400,00 Euro (200,00 [X.]), weil er am [X.] das 27. Lebensjahr vollendet hatte.

Das zu Beginn des streitigen [X.]raums vorhandene Guthaben auf dem Konto bei der [X.] überstieg damit zwar den persönlichen Freibetrag. Die Vorinstanzen sind aber zu Recht davon ausgegangen, dass nicht allein deswegen eigenes Vermögen vorhanden war und die Bedürftigkeit des [X.] fehlte. Durch die Einrichtung und Unterhaltung des Kontos im eigenen Namen hat zwar der Kläger den vor allem für seine Rechtsbeziehungen zur Bank bedeutsamen Eindruck hervorgerufen, dass er als Kontoinhaber Vertragspartner der Bank ist und damit auch Gläubiger von Kontoguthaben (vgl [X.] in [X.]/Bunte/[X.], [X.], 3. Aufl 2007, § 29 Rd[X.] 9 ff). Der dadurch gesetzte Rechtsschein allein genügt aber nach der Rechtsprechung des Senats nicht, um das Kontoguthaben zu Lasten des [X.] als ein die Bedürftigkeit ausschließendes Vermögen zu behandeln. Denn bei der Bedürftigkeitsprüfung ist nur Vermögen zu berücksichtigen, das dem Arbeitslosen nicht nur dem äußeren Schein nach, sondern auch nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts als ihm gehörend zuzuordnen ist.

Diesen Grundsatz hat der Senat mit Urteil vom 24.5.2006 ( [X.] [X.] 7/05 R , [X.], 238 = [X.]-4220 § 6 [X.]) anhand der behaupteten stillen Zession des Anspruchs auf ein Sparguthaben herausgearbeitet sowie in einer Parallelentscheidung vom selben Tag für den Fall einer verdeckten Treuhand hinsichtlich eines [X.] ( [X.] [X.] 49/05 R ). In weiteren Entscheidungen zu angeblich verdeckten Treuhandverhältnissen vom 13.9.2006 ( [X.] [X.] 13/06 R und [X.] [X.] 19/06 R ), vom 21.3.2007 ([X.] [X.] 21/06 R) und vom [X.] ([X.]/7a [X.] 10/06 R) haben die in Angelegenheiten der Arbeitsförderung zuständigen Senate diese Rechtsprechung fortgeführt und bestätigt. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung, auch wenn der vom [X.] festgestellte Sachverhalt einer verdeckten Überlassung der Verfügung über ein Bankkonto ("Kontenüberlassung") teilweise anders gelagert ist als die Tatbestände, mit denen sich das BSG bereits befasst hat. Denn entscheidend ist, dass der durch die Vorinstanz festgestellte Sachverhalt eine mit dem äußeren Anschein übereinstimmende rechtliche Zuordnung des Vermögens ausschließt.

a) Hiernach hat der Kläger das Konto zwar ursprünglich zur Erlangung einer Werbeprämie (Gutschrift von Aktien) eigennützig eingerichtet, aber dann nicht mehr selbst verwendet, sondern intern seinem Vater für Bankgeschäfte auf dessen eigene Rechnung überlassen. Für das Innenverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Vater ist insoweit auf eine Rechtsbeziehung zu schließen, die im Hinblick auf die Frage der [X.] nicht anders zu behandeln ist als eine verdeckte Treuhand. Da es keinen gesetzlich typisierten Treuhandvertrag gibt, richten sich die Rechtsbeziehungen innerhalb eines als Treuhand bezeichneten Vertragsverhältnisses nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach den jeweiligen Absprachen (vgl [X.] WM 1969, 935). Gemeinsames Merkmal rechtsgeschäftlicher Treuhandverhältnisse ist aber jedenfalls, dass dem Treuhänder nach außen hin eine Rechtsmacht eingeräumt ist, in deren Ausübung er im Innenverhältnis zum Treugeber als dem wirtschaftlichen Eigentümer durch eine schuldrechtliche Treuhandabrede beschränkt ist (vgl [X.]Z 157, 178; [X.]/[X.], [X.], 69. Aufl 2010, § 903 Rd[X.] 33; [X.]/[X.], aaO, Überblick vor § 104 Rd[X.] 25).

Von einer damit wenigstens vergleichbaren rechtlichen Konstellation ist auch nach den insoweit von der [X.]n nicht angegriffenen und demgemäß bindenden (§ 163 [X.]) Feststellungen des [X.] auszugehen. Danach sind sich der Kläger und sein Vater stillschweigend darüber einig gewesen, dass der Kläger ungeachtet der Rechtsmacht, die er im Verhältnis zur Bank aufgrund seiner Stellung als deren Vertragspartner sowie formaler Kontoinhaber und Gläubiger von Guthaben inne hatte, nicht zu eigennützigen Verfügungen über das auf Rechnung des [X.] angelegte Geld befugt war. Das gilt insbesondere für die Zahlungen der Großmutter des [X.] und des Käufers einer Küchenzeile, ohne die sich gar kein den Freibetrag übersteigendes Guthaben ergeben hätte. Denn dabei handelte es sich um Leistungen, mit denen diese Personen bewusst und zielgerichtet das Vermögen des [X.] mehren wollten, so dass sich der außerhalb dieser Leistungsbeziehungen stehende Kläger ohne rechtlichen Grund bereichert hätte (§ 812 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch <[X.]>), falls er unter Ausnutzung der ihm als Kontoinhaber im Außenverhältnis zur Bank zukommenden Rechtsstellung auf eigene Rechnung über die seinem Vater zugedachten Geldbeträge verfügt hätte.

b) Das [X.] durfte sich auf der Grundlage erschöpfender Ermittlungen rechtsfehlerfrei auch davon überzeugen, es sei nicht nachgewiesen, das am [X.] und in der Folgezeit auf dem Konto bei der [X.] vorhandene Vermögen sei dem Kläger zuzuordnen. Im Rahmen der Amtsermittlung (§ 103 [X.]) hat es - was von der [X.]n nicht beanstandet wird - alle verfügbaren Erkenntnisquellen durch Einholung von Auskünften und Befragung von Zeugen ausgeschöpft, um die nötigen Feststellungen treffen zu können, und entsprechend dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]) alle Besonderheiten des konkreten Falles in tatsächlicher Hinsicht erfasst und gewürdigt. Die [X.] rügt (zu Recht) weder die Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 117 [X.] ) durch die ergänzende Übernahme von Ergebnissen der erstinstanzlichen Ermittlungen (zu den Grenzen vgl [X.]-1500 § 128 [X.]; BSG Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 4/09 R) noch die Überschreitung der Grenzen der freien Beweiswürdigung durch einen Verstoß gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze (hierzu [X.]-2200 § 581 [X.] 8; [X.], 244, 254 = [X.]-3100 § 1a [X.], jeweils Rd[X.]3 f).

Soweit die [X.] demgegenüber eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ausdrücklich damit rügt, dass nach Ausschöpfung aller Beweismittel beim [X.] Restzweifel verblieben seien, die nicht zu ihren Lasten gehen könnten, macht sie inhaltlich keinen Verfahrensmangel geltend. Denn die Revision beanstandet der Sache nach gar nicht, dass sich das [X.] keine tatsächliche Überzeugung vom Vorhandensein eines die Bedürftigkeit ausschließenden Vermögens des [X.] bilden konnte. Die Rüge der [X.]n beschränkt sich im [X.] vielmehr darauf, dass "letzte Zweifel an der Zuordnung des Geldes" das [X.] nicht zu einer Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen zu ihren Gunsten veranlasst haben. Dieser Angriff betrifft indessen keinen Fehler bei der Beweiswürdigung, sondern die Beurteilung der Voraussetzungen für eine Entscheidung aufgrund der objektiven Beweislast (Feststellungslast).

Die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast) greifen ein, wenn der Tatrichter keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann ("non liquet"), und sie bestimmen, zu wessen Lasten diese Unaufklärbarkeit geht (vgl zB [X.], 256 = [X.]-4100 § 119 [X.]). Die objektive Beweislast kennzeichnet mit anderen Worten das Risiko, wegen der Nichterweislichkeit rechtlich erheblicher Tatsachen im Prozess zu unterliegen. Welchen Beteiligten dieses Risiko trifft, ist grundsätzlich eine Frage des materiellen Rechts, weil sich die Beweislastverteilung nach dem Regelungsgefüge der jeweils maßgebenden Norm richtet (vgl zB [X.], 256 = [X.]-4100 § 119 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], GG, Art 19 Abs 4 Rd[X.] 228, Stand 2003; Meyer-Ladewig/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 103 Rd[X.]9a jeweils [X.]). Eine Entscheidung nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast darf allerdings - wie ausgeführt - erst getroffen werden, wenn alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und sich das Gericht dennoch keine Überzeugung in der einen oder anderen Richtung bilden konnte. Im sozialgerichtlichen Verfahren stellt sich die Frage der Beweislastverteilung daher nur, wenn es dem Tatrichter trotz Erfüllung seiner insbesondere durch § 103 [X.] und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise nicht gelungen ist, eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit zu beseitigen (stRspr, vgl zB [X.], 256 = [X.]-4100 § 119 [X.] [X.]; [X.], 238, 245 = [X.]-4220 § 6 [X.]; zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom [X.], [X.] [X.] 4/09 R).

Beweismaßstab ist im sozialgerichtlichen Verfahren insoweit grundsätzlich der [X.]. Das Gericht muss sich die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Die Maßstäbe der Wahrscheinlichkeit und Glaubhaftmachung reichen nicht aus (vgl [X.]-3900 § 15 [X.]). Allerdings verlangt auch der [X.] keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl Meyer-Ladewig/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 128 Rd[X.] 3b [X.]). Daraus folgt, dass auch dem [X.] gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten. Übertragen auf den vorliegenden Fall hindern deshalb auch die vom [X.] parallel zur Überzeugung des fehlenden Nachweises der mangelnden Bedürftigkeit des [X.] geäußerten letzten Zweifel an der Zuordnung des Geldes den [X.] nicht. Es steht daher mit der nötigen wie auch ausreichenden Gewissheit fest, dass die maßgeblichen aus Überweisungen zugunsten des [X.] stammenden Gelder auf dem Konto der [X.] nicht dem Vermögen des [X.] zuzurechnen sind. Ist somit bereits nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts der [X.] erbracht, lösen die erwähnten Restzweifel entgegen der Auffassung der Revision keine Entscheidung nach der objektiven Beweislast und erst recht keine Beweislastumkehr aus.

Selbst wenn indes mit der [X.]n in tatsächlicher Hinsicht von einem "non liquet" ausgegangen würde, ergäbe sich hieraus keine Entscheidung zu ihren Gunsten. Im Rahmen der Rücknahme einer Leistungsbewilligung obliegt grundsätzlich der [X.]n die objektive Beweislast für das Vorhandensein der [X.], hier mithin für die Rechtswidrigkeit der Bewilligung, konkret für das Fehlen der Bedürftigkeit als Voraussetzung des [X.]-Anspruchs (vgl zur Beweislast bei Aufhebung von [X.] zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom [X.], [X.] [X.] 4/09 R). Die [X.] einer Tatsache geht grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten will. Die in arbeitsförderungsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Senate haben allerdings ausgesprochen, dass unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Beweisnähe des Arbeitslosen eine Umkehr der Beweislast gerechtfertigt sein kann, wenn in seiner Sphäre wurzelnde Vorgänge nicht mehr aufklärbar sind ([X.], 238, 245 f = [X.]-4220 § 6 [X.]; BSG Urteil vom 24.5.2006, [X.] [X.] 49/05 R; BSG Urteile vom 13.9.2006, [X.] [X.] 13/06 R und [X.] [X.] 19/06 R; BSG Urteil vom 21.3.2007, [X.] [X.] 21/06 R; BSG Urteil vom [X.], [X.]a [X.] 10/06 R). Das bedeutet aber keineswegs eine Beweislastumkehr stets und in allen Fällen, in denen nicht zweifelsfrei geklärte Tatsachen die persönliche Sphäre des Arbeitslosen betreffen. Die Grundsätze der Beweislastumkehr können jedoch dann eingreifen, wenn es um in der Sphäre des Arbeitslosen liegende Tatsachen geht, die die [X.] in Ermangelung entsprechender Angaben des Arbeitslosen nicht kennt und nicht kennen muss (vgl [X.]-1500 § 128 [X.] Rd[X.]7 unter Hinweis auf [X.], 256, 263 = [X.]-4100 § 119 [X.]). Auf dieser Linie liegt es, dass das BSG im Urteil vom 24.5.2006 und in den nachfolgenden Entscheidungen (aaO) als Beispiele für eine dem Arbeitslosen anzulastende Beweisnähe, die eine Umkehr der Beweislast rechtfertigen kann, Verhaltensweisen des Arbeitslosen genannt hat, welche zu einer Erschwerung oder Verhinderung der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen führen. Anhaltspunkte für ein solches Verhalten des [X.] sind nicht ersichtlich und von der [X.]n nicht behauptet. Insoweit bedarf hier keiner näheren Vertiefung, dass - wie bereits vom [X.] ausgeführt - der Kläger selbst beim Antrag auf [X.] angegeben hat, einen [X.] erteilt zu haben.

2. Sind damit die Voraussetzungen für eine Rücknahme der [X.] nicht gegeben, ist zugleich die Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Bewilligung des [X.] hinfällig. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Bewilligung des [X.] nach Maßgabe der §§ 153 ff [X.] idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] ([X.] 4607) überhaupt von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängig war (vgl § 158 Abs 1 Satz 2 [X.]) oder nach Wiederaufnahme der Umschulung zum 1.9.2003 wegen der Klammerwirkung der zum 21.7.2003 abgebrochenen Weiterbildung und des dann entscheidenden Vorbezugs von [X.] das [X.] nach dieser Leistung (vgl § 158 Abs 1 Satz 1 [X.]) zu bemessen war (hierzu [X.]-4300 § 158 [X.] 3, [X.]-4300 § 158 [X.]).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 [X.].

Meta

B 11 AL 35/09 R

24.11.2010

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Karlsruhe, 21. November 2006, Az: S 14 AL 4810/05, Urteil

§ 158 Abs 1 S 2 SGB 3 vom 23.12.2002, § 193 Abs 2 SGB 3 vom 16.02.2001, § 103 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.11.2010, Az. B 11 AL 35/09 R (REWIS RS 2010, 1113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1113

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