Bundessozialgericht, Urteil vom 23.04.2015, Az. B 5 RE 23/14 R

5. Senat | REWIS RS 2015, 12163

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Rentenversicherung - Versicherungspflicht - selbstständiger Ernährungsberater - Vorsorgefreiheit - sozialgerichtliches Verfahren - Verstoß gegen § 123 SGG - keine Heilung durch Antrag auf Zurückweisung der Berufung - Klageänderung - Pflicht zur Prüfung sämtlicher Sachurteilsvoraussetzungen)


Leitsatz

Beratertätigkeiten unterscheiden sich rechtlich wesentlich von der Tätigkeit als Lehrer und sind deshalb von der Versicherungspflicht nicht erfasst.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des [X.] vom 21. August 2014 und das Urteil des [X.] vom 30. April 2013 aufgehoben, soweit die Bescheide der Beklagten vom 28. Juli 2009, 26. Februar 2010 und 3. August 2012, sämtlich in der Fassung des [X.] vom 30. April 2013, und die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht betroffen sind. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisions-verfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Versicherungspflicht des [X.] als selbständiger Lehrer in der [X.] vom 1.11.2004 bis 31.3.2008.

2

Der 1961 geborene Kläger war als staatlich geprüfter Diätassistent bei der m. S.-Klinik versicherungspflichtig beschäftigt. Diese Beschäftigung reduzierte er ab dem 1.11.2004 auf 10 Wochenstunden und übte daneben an dieser Klinik bis zum 31.3.2008 eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter (Schulungen, Konzeptentwicklungen, Vortragstätigkeiten) aus. Ferner war er unter der Firmierung "[X.] und Wohlbefinden" ([X.] Diätassistent, Lauftherapeut, Ernährungsberater) als selbständiger Ernährungsberater mehr als geringfügig tätig, ohne einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer zu beschäftigen. Zu seinen Klienten zählten vor allem Personen mit [X.] ([X.] bei Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus), die ihn aus eigenem Antrieb, auf ärztliche Empfehlung oder vermittelt durch die gesetzlichen Krankenkassen aufsuchten. Die Beratung erfolgte auf Basis eines "sokratischen Lehrgesprächs", in dessen Verlauf der Klient von sich aus zu individuellen Lösungen und Verhaltensänderungen in seiner Ernährung und in seinem Essverhalten kommen sollte. Hierfür ermittelte der Kläger die individuellen Essgewohnheiten seiner Klienten (stellte also fest, was, wann, wo, wie und in welchem Mengen gegessen wird) und erstellte einen Ernährungsplan, um Einfluss auf das Essverhalten zu nehmen und Verhaltensänderungen in konkreten Alltagssituationen zu bewirken. Solche Verhaltensänderungen betrafen vor allem das Kochen, das Essverhalten und die Auswahl kalorienärmerer Lebensmittel ([X.] in [X.], Lokalen oder Restaurants). Dabei vermittelte der Kläger auch theoretisches Wissen über gesundheitsgerechte Ernährung sowie geeignete/ungeeignete Lebensmittel und händigte auf Wunsch Nährwerttabellen aus, um seine Klienten in die Lage zu versetzen, selbständig den ernährungsphysiologischen Wert von Lebensmitteln zu erkennen. Allerdings verfügten die Klienten häufig schon über derartige Kenntnisse, weil sie vielfach bereits auf anderen Wegen (Diäten, [X.]) versucht hatten abzunehmen und hierbei - oftmals umfassendes - Wissen über gesunde Ernährung erworben hatten. Daher war das Vermitteln von theoretischem Wissen zum Thema gesundheitsgerechte Ernährung nicht der zentrale Inhalt der Berufstätigkeit, die weniger konkrete "Belehrungen" über Ernährungsphysiologie (also Nahrungsbestandteile wie Fette, Eiweiß, Kohlenhydrate, Nährstoffe und was sich davon in Lebensmitteln wiederfindet) beinhaltete, sondern eher als therapeutisch im weiteren Sinne zu bewerten war. Den Schwerpunkt bildete die individuelle Beratung mit dem Ziel, Verhaltensänderungen gerade durch eine Änderung von Motivation, Einstellung und Denken zu bewirken.

3

Die Beklagte stellte fest, dass der Kläger wegen seiner selbständigen Tätigkeit ab dem 1.11.2004 nach "§ 2 S 1 [X.] bis 3 [X.]" versicherungspflichtig sei und setzte einkommensgerechte Beiträge fest (Bescheid vom [X.]). Während des Widerspruchsverfahrens setzte sie die Beiträge ab dem [X.] herab sowie ab dem 1.1.2009 neu fest (Teilabhilfebescheid vom [X.]) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück, weil Versicherungspflicht als selbständiger Lehrer gemäß "§ 2 S 1 [X.] [X.]" bestehe (Widerspruchsbescheid vom 10.12.2009).

4

Nachdem die Beklagte den Beitrag während des Klageverfahrens ab dem 1.12.2009 und 1.1.2010 zunächst neu festgesetzt hatte (Bescheid vom [X.]), stellte sie mit Bescheid vom 3.8.2012 ab dem 1.1.2009 Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit fest und erkannte mit (angenommenem) [X.] vom 30.4.2013 an, dass der Kläger bereits ab dem [X.] versicherungsfrei sei. Unter Klageabweisung im Übrigen hat das [X.] den Bescheid vom [X.], geändert durch den Bescheid vom [X.], in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2009 sowie die Bescheide vom [X.] und 3.8.2012, sämtliche in der Fassung des [X.]ses vom 30.4.2013, abgeändert und festgestellt, dass die selbständige Tätigkeit des [X.] im Bereich Einzelberatung von Patienten und der Betreuung von Messeständen in dem [X.]raum vom 1.11.2004 bis 31.3.2008 nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 S 1 [X.] [X.] unterliegt (Urteil vom 30.4.2013).

5

Das [X.] hat die Berufung der Beklagten, die sie auf die Beurteilung der selbständigen Tätigkeit im Bereich der individuellen Ernährungsberatung beschränkt hatte, zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom [X.]): Der Kläger sei als selbständiger Ernährungsberater kein "Lehrer" und deshalb auch nicht rentenversicherungspflichtig gewesen. Lehrer vermittelten im Rahmen einer Aus- oder Fortbildung durch theoretischen oder praktischen Unterricht Kenntnisse, Fähigkeiten oder Erfahrungen, wobei die Lehrtätigkeit nicht auf das Unterrichten an Schulen, Universitäten oder sonstigen Bildungseinrichtungen beschränkt sei. Der weite [X.] enthalte keine Vorgaben zu den Lehrinhalten, der Form des Unterrichts ([X.] Ort, [X.] und Anzahl der Teilnehmer), der Qualifikation des Lehrers oder einer Leistungskontrolle der Teilnehmer. Auch sei unerheblich, welches Niveau die ausgeübte Tätigkeit habe und ob sich der Unterricht nur an Laien wende, so dass [X.] auch eine Aerobic-Trainerin Lehrerin sei. Etwas anderes gelte aber, wenn die Tätigkeit überwiegend als Beratung zu qualifizieren sei, wenn also neben der Vermittlung von Kenntnissen oder Fähigkeiten zur Lösung eines Problems zusätzlich Entscheidungshilfen bzw -vorschläge angeboten würden, die der [X.] annehmen oder ablehnen könne. Dessen Interesse sei nicht vorrangig auf den generellen Erwerb von Wissen und Fertigkeiten, sondern auf die Vorbereitung einer Entscheidung gerichtet. Die Wissensvermittlung dürfe nicht nur ein rein untergeordneter Teil der selbständigen Tätigkeit sein, wie dies [X.] bei therapeutischen Tätigkeiten der Fall sei. Zur Abgrenzung der Lehrtätigkeit von einer Beratung sei zu ermitteln, welche Tätigkeit inhaltlich und zeitlich überwiegend ausgeübt werde. Zur inhaltlichen Konkretisierung einer Beratung sei auf das Berufsbild von Berufsgruppen ([X.] Rechtsanwälte, Steuerberater) abzustellen, die Beratungsleistungen erbrächten. Soweit die Beklagte demgegenüber meine, auch bei Anerkennung beratender Elemente in der Arbeit des [X.] sei es für die Begründung der Versicherungspflicht als selbständiger Lehrer ausreichend, dass die Tätigkeit als Ernährungsberater notwendig auch Wissensvermittlung hinsichtlich gesunder Ernährung beinhalte, überzeuge dies nicht. Auch wenn der Begriff des Lehrers weit verstanden werden müsse, so definiere sich seine Tätigkeit doch zunächst durch die Gegenüberstellung eines Lehrenden und eines Lernenden, wobei Ersterer eine - wenn auch möglicherweise flüchtige - spezielle Fähigkeit durch praktischen Unterricht vermittele. Die Vorstellung, jede Tätigkeit, die zu irgendeinem [X.]punkt "belehrend" sei, sei als Lehrtätigkeit anzusehen, auch wenn die Wissensvermittlung nur ein kleiner Ausschnitt aus der Gesamttätigkeit sei, dehne den Begriff des Lehrers auf praktisch jede Dienstleistung aus, bei der über Beratung hinaus auch - und sei es nur gelegentlich - zugrunde liegendes theoretisches Wissen mitgeteilt werde. Zu Recht weise der Kläger darauf hin, dass unter Zugrundelegung dieses Maßstabs auch Rechtsanwälte, Steuerberater usw regelhaft als Lehrer anzusehen wären, weil die Beratung im Rahmen eines Mandats typischerweise mit der Vermittlung von Wissen über das zugrunde liegende Recht und sich hieraus ergebende Verhaltensanforderungen in der täglichen Arbeit verbunden sei. Auch das BSG weise aber darauf hin, dass der Schwerpunkt der Berufstätigkeit für die Bewertung von Bedeutung sei.

6

Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 2 S 1 [X.] [X.]: Der dort verwendete sozialversicherungsrechtliche Begriff des "Lehrers" [X.] einen Typus ohne genau festgelegte Merkmale, sei weit auszulegen und erfasse jegliches Vermitteln von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Wesentliche Elemente einer Lehrtätigkeit seien die individuelle Arbeit mit den Kunden, deren Einstufung nach dem Ist-Zustand, das Entwerfen individueller Pläne/Konzepte/Programme, um den Soll-Zustand zu erreichen, die Überwachung des Ablaufs/Projektes, die Anleitungen/Korrekturen, um Rückschläge/Verschlechterungen zu vermeiden, die Nachbesprechungen und die Kontrolle des Erfolgs. Nach den Feststellungen des [X.] vermittele der Kläger theoretisches Wissen zum Thema gesundheitsgerechte Ernährung, kläre die Essgewohnheiten des Klienten individuell (Ist-Zustand), lege mit ihm das Ziel (Verhaltensänderung als Soll-Zustand) fest, erarbeite einen Ernährungsplan, führe Nachbesprechungen durch und kontrolliere den Erfolg. Dagegen erteilten "Berater", wie Rechtsanwälte und Steuerberater, Ratschläge und zeigten ggf Handlungsoptionen auf, ohne den Mandanten einzustufen und zu überwachen oder die Umsetzung des Ratschlags und den Erfolg zu kontrollieren. Soweit das [X.] die Tätigkeit des [X.] als im weiteren Sinne therapeutisch bewertet habe, sei darauf hinzuweisen, dass er vorbeugend tätig werde; seine Klienten seien (noch) nicht krank und damit auch nicht therapiebedürftig. Dass durch die Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Rahmen von Ernährungsberatungen ggf auch therapeutische Effekte erzielt würden, spreche im Übrigen auch nicht gegen die Ausübung einer Lehrtätigkeit.

7

Die Beklagte, die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, beantragt schriftsätzlich,

        

das Urteil des [X.] ([X.]) vom 21. August 2014, [X.].: [X.] 154/13 aufzuheben. Des Weiteren wird beantragt, das Urteil des Sozialgerichts (SG) [X.] vom 30. April 2013, [X.].: S [X.] 27/10 insoweit aufzuheben, als der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2008, geändert durch den Bescheid vom 28. Juli 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2009 sowie die Bescheide vom 26. Februar 2010 und 3. August 2012, sämtliche in der Fassung des [X.]ses der Beklagten vom 30. April 2013 abgeändert und festgestellt wurde, dass die in der [X.] vom 1. November 2004 bis 31. März 2008 ausgeübte selbständige Tätigkeit des Klägers im Bereich der Einzelberatung von Patienten nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 S 1 [X.] Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ([X.]) unterliegt.

8

Der Kläger, der dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Der Senat konnte trotz fehlender Vertretung der [X.]n im Termin (einseitig) mündlich verhandeln und entscheiden, weil die [X.] in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 110 Abs 1 S 2 [X.]G).

Die zulässige Revision der [X.]n ist teilweise begründet (1.) und der Senat hat unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile in der Sache selbst zu entscheiden (§ 170 Abs 2 S 1 [X.]G), soweit die Bescheide der [X.]n vom [X.], [X.] und 3.8.2012, sämtlich in der Fassung des [X.] vom 30.4.2013, geändert worden sind und gleichzeitig festgestellt worden ist, dass die selbständige Tätigkeit des [X.] im Bereich der Einzelberatung von Patienten im Zeitraum vom 1.11.2004 bis 31.3.2008 nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 S 1 [X.] unterliegt. Im Übrigen ist die Revision unbegründet (2.) und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 [X.]G), weil der Kläger als selbständiger Ernährungsberater im Bereich der "Einzelberatung von Patienten" kein "Lehrer" und damit nicht versicherungspflichtig war.

1. Zu Unrecht hat das [X.] die Berufung der [X.]n gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen, soweit das [X.] darin die Bescheide vom [X.], [X.] und 3.8.2012, sämtlich in der Fassung des [X.] vom 30.4.2013, "abgeändert" (dh teilweise aufgehoben, vgl dazu B[X.] Urteil vom 13.11.1985 - 6 [X.] 19/84 - B[X.]E 59, 148, 152 = [X.] 2200 § 368a [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 54 Rd[X.]) hat. Denn sie trafen keine Regelungen für den zuletzt noch streitbefangenen Zeitraum vom 1.11.2004 bis 31.3.2008. Die Höhe der monatlichen Beiträge für diesen Zeitraum hatte die [X.] bereits in der Anlage zum Ausgangsbescheid vom [X.] festgesetzt, so dass es sich bei der iterativen Auflistung der Beiträge in der Anlage der Bescheide vom [X.], [X.] und 3.8.2012 um keine erneute Festsetzung der Beitragshöhe, sondern lediglich um eine wiederholende Verfügung handelt, die sich zwar auf die bereits erfolgte Festsetzung im Ausgangsbescheid vom [X.] bezieht, insofern aber keine neue Regelung trifft und deshalb keinen Verwaltungsakt iS des § 31 [X.]B X darstellt. Dies gilt auch für den Bescheid vom [X.], der im Tenor fälschlicherweise eine Änderung "ab dem 1.1.2008" ankündigt, aber ausweislich seiner Anlage erst ab dem [X.] verfügt. Ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger vor dem [X.] ausdrücklich beantragt hatte, auch die Bescheide vom [X.], [X.] und 3.8.2012 aufzuheben, hat das [X.] das Klagebegehren insofern verkannt und damit § 123 [X.]G verletzt (ne ultra petita). Da der Senat einen Verstoß gegen diese bundesrechtliche Norm von Amts wegen beachten muss (Senatsurteil vom 27.5.2014 - B 5 RE 6/14 R - [X.] 4-2600 § 106 [X.] Rd[X.]0), ist unerheblich, dass die [X.] eine Verletzung dieser Vorschrift nicht gerügt hat. Die Überprüfung ist dem Belieben der Beteiligten entzogen (vgl allgemein B[X.]E 99, 189 = [X.] 4-1500 § 155 [X.], Rd[X.]3), weil der Verfahrensmangel im Revisionsverfahren fortwirkt, so dass er bei Nichtbeachtung auch das Verfahren des Revisionsgerichts fehlerhaft machen würde (vgl allgemein B[X.] [X.] 4-1500 § 155 [X.] RdNr 31).

Ebenfalls zu Unrecht hat das [X.] das Urteil des [X.] auch insofern bestätigt, als es darin ausdrücklich festgestellt hat, dass die selbständige Tätigkeit des [X.] im Bereich der Einzelberatung von Patienten im Zeitraum vom 1.11.2004 bis 31.3.2008 nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 S 1 [X.] unterlag. Damit hat das [X.] dem Kläger gleichfalls unter Verstoß gegen § 123 [X.]G mehr zugesprochen als er verlangt hatte. Denn eine derartige Feststellung hatte der rechtskundig vertretene Kläger weder beantragt noch begehrt. Als Adressat belastender Verwaltungsakte im Bescheid vom [X.] konnte er sich vielmehr auf deren Anfechtung beschränken und war keinesfalls gezwungen, im Wege der negativen Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 [X.] [X.]G) das Nichtbestehen von Versicherungspflicht noch einmal ausdrücklich feststellen zu lassen. Der Verstoß gegen § 123 [X.]G ist nicht dadurch geheilt worden, dass der Kläger im Berufungsverfahren beantragt hat, die Berufung zurückzuweisen, sich den (antragsüberschreitenden) Urteilsausspruch des [X.] damit zu eigen gemacht und sein Klagebegehren entsprechend erweitert hat (so aber vgl [X.] Urteile vom 24.6.1981 - [X.] - Juris RdNr 9, vom 19.3.1986 - [X.] - Juris RdNr 7, vom [X.] - [X.]Z 111, 158, 161, vom [X.] - [X.]Z 124, 351, 370, vom 6.10.1998 - [X.] - NJW 1999, 61, 62 jeweils zu § 308 Abs 1 ZPO; vgl bereits [X.] vom [X.]/37 - [X.]Z 157, 23, 24). Hierin findet entgegen dem äußeren Anschein kein eigenständiges Berufungsbegehren Ausdruck. Sollte der Kläger im [X.] mit seinem Antrag auf Zurückweisung der Berufung erstmals eine (negative) Feststellungsklage erhoben haben, so hätte er damit den (ursprünglichen) Klageantrag in der Hauptsache nicht lediglich erweitert (§ 99 Abs 3 [X.] [X.]G), sondern neben die bereits rechtshängige isolierte (Teil-)Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Fall 2 [X.]G) nachträglich einen weiteren selbständigen prozess[X.]len Anspruch gestellt. Eine solche nachträgliche Klagehäufung iS von § 56 [X.]G (iVm § 153 Abs 1 [X.]G) ist wie eine Klageänderung iS von § 99 Abs 1 [X.]G zu behandeln (zur entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Klageänderung in Fällen der nachträglichen Klagehäufung s [X.] Urteile vom 14.6.1978 - [X.] - [X.]Z 72, 107 und vom 10.1.1985 - [X.] - NJW 1985, 1841, 1842 sowie [X.] Beschluss vom [X.] - [X.]E 117, 370). Selbst wenn diese Klageänderung prozess[X.]l zulässig gewesen wäre, weil sich die [X.] auf die neue Klage [X.] eingelassen hätte (§ 99 Abs 2 [X.]G), wäre das [X.] nicht befugt gewesen, entgegen § 29 [X.]G in der Sache zu entscheiden. Denn eine zulässige Klageänderung entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen. Infolgedessen müssen für die geänderte Klage sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen (B[X.] Urteil vom [X.] - B 4 RA 113/00 R - Juris Rd[X.]7), mithin auch die Zuständigkeit des [X.] gegeben sein. Da ein Ausnahmetatbestand für eine erstinstanzliche Zuständigkeit des [X.] hier nicht vorliegt, wäre die geänderte Klage unzulässig. Sie hätte im Übrigen auch nicht mit der ursprünglichen (Teil-)Anfechtungsklage kombiniert werden können, weil nach § 56 [X.]G (iVm § 153 Abs 1 [X.]G) mehrere Klagebegehren vom Kläger in einer Klage zusammen [X.] nur verfolgt werden (dürfen), wenn "dasselbe Gericht zuständig ist".

2. Im Übrigen erweist sich das Urteil des Berufungsgerichts als zutreffend. Der Kläger hat sich mit der "Beratung von Patienten" nicht als Lehrer iS von § 2 S 1 [X.] betätigt. Insofern kommt daher weder die Feststellung von Versicherungspflicht in Betracht, noch ist die [X.] zur Beitragserhebung befugt.

Hinsichtlich der Versicherungspflicht von Lehrern in der gesetzlichen Rentenversicherung ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt, dass Lehrer durch Erteilung von theoretischem oder praktischem Unterricht anderen Allgemeinbildung oder spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fertigkeiten vermitteln (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] RA 2/99 R - [X.] 3-2600 § 2 [X.]), gleich auf welchem Gebiet ([X.], [X.] Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2013, § 2 RdNr 8). Dabei kann sozialversicherungsrechtlich bereits jede Anleitung zu [X.] genügen (vgl insofern zur Rentenversicherungspflicht von [X.]: B[X.] Urteile vom 22.6.2005 - [X.] RA 6/04 R - [X.] 4-2600 § 2 [X.] und [X.] RA 14/04 R - Juris sowie vom 27.9.2007 - [X.] R 12/06 R - USK 2007-66), selbst wenn sie keinerlei Gedächtnisspuren hinterlässt und [X.] deshalb außerhalb des Unterrichts nicht reproduziert werden kann (B[X.] [X.] 4-2600 § 2 [X.] Rd[X.]2). Die erstrebte "Gemeinsamkeit" entsteht dabei aus der Vermittlung von Wissen und Kompetenzen des Lehrenden an einen Lernenden unabhängig von einem konkreten Anwendungsbezug. Im Übrigen hängt der weite [X.] nicht von einer bestimmten Geisteshaltung oder Weltanschauung ab (B[X.] [X.] 3-5425 § 2 [X.] S 9) und enthält weder Vorgaben zu den Lehrinhalten und Lernzielen, zum Niveau (B[X.] [X.] 3-5425 § 1 [X.] S 17 mwN), zur Q[X.]lität, Methode und Form des Unterrichts (zB Ort, Zeit und Anzahl der Teilnehmer) noch zur Q[X.]lifikation des Lehrers oder zur Vorbildung seiner Schüler und erfordert keine Teilnahmepflicht oder Leistungskontrolle der Teilnehmer und kein Ausstellen von Zeugnissen oder Bescheinigungen (zum Ganzen: B[X.] Urteile vom 22.6.2005 - [X.] RA 14/04 R - Juris Rd[X.]1 und vom 12.12.2007 - [X.] KR 8/07 R - B[X.]E 99, 277 = [X.] 4-2600 § 2 [X.]1, Rd[X.]3; Segebrecht in [X.], [X.]B VI, 4. Aufl 2013, § 2 RdNr 3; von [X.], [X.] [X.]B VI, Stand: [X.], § 2 Rd[X.]).

Ungeachtet dieses weiten Verständnisses des konkreten [X.]es unterwirft das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht etwa alle Erwerbstätigkeiten der Versicherungspflicht. Während dies in den Fällen der abhängigen Beschäftigung gegen Entgelt wie auch in den anderen Zweigen der Sozialversicherung grundsätzlich der Fall ist, beschränkt sich bei Selbständigen der zwangsweise Eingriff in ihre Vorsorgefreiheit (Art 2 Abs 1 GG) auf wenige, im Gesetz enumerativ aufgeführte Gruppen. Schon deshalb bedarf es auch unter Berücksichtigung der [X.] zur bestimmungsgemäßen Anwendung der öffentlich-rechtlichen Eingriffsnormen in § 2 [X.]B VI jeweils deren Abgrenzung von nicht mit der Rechtsfolge Versicherungspflicht verbundenen Tatbeständen und in jedem Einzelfall einer konkreten Feststellung eines nach der selektiven Vorgehensweise des [X.] begründenden Sachverhalts. Insofern kann die [X.] von vornherein nicht mit dem Einwand gehört werden, bei ihr handele es sich um eine "Massenverwaltung" mit der Folge, dass die Tätigkeit als Lehrer jede Vermittlung von Kenntnissen und Kompetenzen umfasse.

Vor diesem Hintergrund bedarf auch die vorliegend in Frage stehende Beratungstätigkeit der Abgrenzung. Zwar basiert letztlich auch sie auf einer vorhandenen Wissens- und Kompetenzdifferenz. Anders als die Lehrtätigkeit, die wesentlich auf eine Wissensvermittlung für eine unbestimmte Vielzahl unbestimmter Anwendungssit[X.]tionen geprägt ist, liegt ihr Schwerpunkt nach den bindenden Feststellungen des [X.] gerade auf der Eröffnung konkreter Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Anwendungszweck. Ein derartiges Verständnis, das Beratung und Lehre rechtlich wesentlich unterscheidet, liegt etwa auch § 2 Abs 1 des [X.] ([X.]) vom 12.12.2007 ([X.] 2840) zugrunde. Wo sich die Bereiche der Lehr- und Beratertätigkeit überlagern, müssen sie nach ihrem sachlichen Schwerpunkt getrennt werden: Während Lehrer eher generelles Wissen vermitteln, das die Lernenden aufnehmen und rezipieren sollen, gehen Berater regelmäßig auf individuelle Probleme des jeweils Ratsuchenden konkret helfend ein. Dafür analysieren Berater aufgrund ihrer fachspezifischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen typischerweise ein fachliches (Einzel-)Problem des Klienten, dem sie ihr Wissen zur Verfügung stellen und dem sie in helfender Absicht spezifische und eher individ[X.]lisierte Ratschläge erteilen. Sie erarbeiten nach den Standards ihres jeweiligen Fachgebiets oftmals eine konkrete Lösung oder zeigen Handlungsoptionen auf, deren Vor- und Nachteile sie in aller Regel erläutern. Dabei ist normalerweise unerheblich, ob die Beratenen den Lösungsweg und die Gründe für die Handlungsempfehlung im Einzelnen nachvollziehen können. Ein begleitender Wissenstransfer ist daher von eher untergeordneter Bedeutung, während er bei der Lehrertätigkeit im Fokus steht und gerade intendiert ist. Denn Lehrer übertragen (im Idealfall) ihre Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen auf ihre "Schüler", wobei sie den Unterrichtsstoff grundsätzlich (Ausnahmen: Einzelunterricht/Schulung von Kleinstgruppen) nicht spezifisch auf die Person und den Kontext des Lernenden zuschneiden. Dagegen sind Beratungssit[X.]tionen eher durch eine Nähe zur Lebenssit[X.]tion des Klienten und dessen konkreten Problemen gekennzeichnet. Wird Wissen an eine Gruppe von Teilnehmern vermittelt, so spricht dies eher für eine Lehrertätigkeit, während sich Berater eher mit den spezifischen Problemen von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen befassen. Hauptmotiv für die Teilnahme an einer Beratung (und für die Befolgung eines etwaigen Ratschlags) ist daher die Aussicht auf eine erfolgreiche und gelingende Problemlösung, während der Antrieb zur Schulungsteilnahme primär im erhofften Wissens- und Erkenntnisgewinn liegt und eher auf den Erwerb eigener Problemlösungskompetenzen ausgerichtet ist.

Im Blick hierauf haben [X.] und [X.] die vom Kläger durchgeführte "Einzelberatung von Patienten" zutreffend nicht als Lehrtätigkeit beurteilt. Nach den [X.] und damit für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) stand hier nicht der Ausgleich von Wissens- und Kompetenzdifferenzen für sich im Vordergrund, sondern die Vorbereitung individueller Entscheidungen und Verhaltensänderungen in ernährungsbezogenen Alltagssit[X.]tionen. Soweit der Kläger abstraktes Wissen über gesunde Ernährung vermittelte (zB über geeignete/ungeeignete Lebensmittel; Erkennen von Nahrungsbestandteilen und deren physiologischem Wert), geschah dies begleitend zu einem anwendungsbezogenen Zweck (Lösung individueller [X.]e). Dabei zielte der Kläger vor dem Hintergrund der Gesamtheit seines Wissens und seiner Erfahrungskompetenz auf die Veränderung der Denkstrukturen und die Handlungsweise des jeweils konkreten Klienten als Einzelperson ab, dessen spezifische [X.] durch eine Änderung der inneren Haltung korrigiert werden sollten. Dafür analysierte er ungeachtet einer dem klassischen platonischen Verständnis erkennbar entfremdeten Verwendung des "sokratischen Gesprächs" die jeweiligen [X.]e und erarbeitete mit dem Klienten im Dialog eine Lösung in Form eines individuellen Ernährungsplans, der auf die spezifischen Probleme des jeweiligen Klienten zugeschnitten war, aber gleichzeitig dessen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit wahrte. Auf der Hand liegendes Hauptmotiv der Klienten für die Teilnahme an der Beratung war damit weniger die Aussicht auf abstrakten Wissens- oder Erkenntnisgewinn, zumal sie oftmals bereits umfassendes Wissen über gesunde Ernährung erworben hatten, sondern in erster Linie die Aussicht auf eine erfolgreiche und gelingende Lösung der jeweiligen eigenen [X.]e. Damit übte der Kläger keine versicherungspflichtige und nach der Wertung des Gesetzes allein typisierend [X.] Schutzbedürftigkeit begründende Lehrtätigkeit aus. Unerheblich ist insofern, ob das jeweils zu lösende [X.] (bereits) Krankheitswert hatte und die Beratertätigkeit des [X.] deshalb als therapeutisch im weiteren Sinne zu bewerten war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 [X.]G.

Meta

B 5 RE 23/14 R

23.04.2015

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: RE

vorgehend SG Frankfurt, 30. April 2013, Az: S 25 KR 27/10, Urteil

§ 2 S 1 Nr 1 SGB 6, § 31 SGB 10, § 29 SGG, § 54 Abs 1 S 1 Alt 2 SGG, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, § 56 SGG, § 99 Abs 1 SGG, § 99 Abs 3 Nr 2 SGG, § 123 SGG, § 153 Abs 1 SGG, § 2 Abs 1 RDG, Art 2 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.04.2015, Az. B 5 RE 23/14 R (REWIS RS 2015, 12163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12163

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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