Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.10.2023, Az. II R 34/20

2. Senat | REWIS RS 2023, 10002

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Gegenstand

Jastrowsche Klausel im Berliner Testament - Besteuerung eines betagten Vermächtnisses


Leitsatz

1. Setzen Ehegatten in einem sogenannten Berliner Testament sich gegenseitig als Alleinerben ein und gewähren denjenigen Kindern ein betagtes Vermächtnis, die beim Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil nicht fordern (sogenannte Jastrowsche Klausel), kann der überlebende Ehegatte als Erbe des erstversterbenden Ehegatten die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist.

2. Das Kind hat den Erwerb des betagten Vermächtnisses bei dem Tod des überlebenden Ehegatten als von diesem stammend zu versteuern. Ist es zugleich Erbe des zuletzt verstorbenen Ehegatten, kann es das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 21.02.2020 - 3 K 191/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

[X.]ie Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte fünf Geschwister. [X.]ie [X.]ltern der Klägerin verfassten ein sogenanntes [X.]. Sie setzten sich gegenseitig zu [X.]lleinerben ein, wobei der überlebende [X.]hegatte über den Nachlass und sein eigenes Vermögen frei verfügen konnte. [X.]ls [X.]rben des Überlebenden (sogenannte Schlusserben) setzten die [X.]heleute die Klägerin und drei ihrer Schwestern ([X.], [X.] und [X.]) ein. [X.]er [X.]ruder ([X.]) und eine weitere Schwester ([X.]) wurden enterbt. Weiter enthielt das Testament eine sogenannte [X.]. [X.]iese regelte für den Fall, dass eines der Kinder auf den Tod des [X.] den Pflichtteil verlangen sollte, dieses Kind auch vom Nachlass des überlebenden [X.]hegatten nur den Pflichtteil erhalten sollte. [X.]ie zu [X.]rben des Überlebenden berufenen Geschwister, die den Pflichtteil bei Tod des [X.] nicht verlangten, sollten in diesem Fall aus dem Nachlass des [X.] ein Vermächtnis erhalten, das so hoch sein sollte, wie ihr [X.]rbanteil bei gesetzlicher [X.]rbfolge auf [X.]bleben des [X.] und Übernahme der [X.] für die den Pflichtteil fordernden Geschwister. [X.]ie Vermächtnisse sollten beim Tod des [X.] anfallen, aber erst beim Tod des Letztversterbenden ausgezahlt werden.

2

Nach dem Tod des [X.] machten [X.] und [X.] gegenüber der Mutter Pflichtteilsansprüche geltend. Nach dem Tod von [X.], die keine [X.]bkömmlinge hinterließ, errichtete die Mutter ein Testament, mit dem sie die Klägerin, [X.] und [X.] als [X.]rben einsetzte und [X.] und [X.] von der [X.]rbschaft ausschloss.

3

Nach dem Tod der Mutter, die im Jahr 2012 verstarb, erklärten die Klägerin, [X.] und [X.] in der [X.]rbschaftsteuererklärung unter anderem Nachlassverbindlichkeiten aus betagten Vermächtnissen nach dem Tod des [X.] in Höhe von insgesamt 3.329.593 €.

4

[X.]er [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --F[X.]--) setzte gegenüber der Klägerin für den [X.]rbfall nach der verstorbenen Mutter zuletzt mit Änderungsbescheid vom 09.07.2018 [X.]rbschaftsteuer in Höhe von 383.531 € fest. [X.]abei erkannte das F[X.] die erklärten anteiligen Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 1.109.864,33 € (= ein [X.]rittel von 3.329.593 €) aus betagten Vermächtnissen nicht mehr an. [X.]ine [X.]esteuerung des von der Klägerin erworbenen betagten Vermächtnisses --welches beim Tod des [X.] angefallen, jedoch erst mit dem Tod der Mutter fällig geworden war-- unterblieb.

5

[X.]en hiergegen erhobenen [X.]inspruch wies das F[X.] mit [X.]inspruchsentscheidung vom 26.09.2018 zurück. [X.]s führte in der [X.]egründung aus, dass in dem Änderungsbescheid vom 09.07.2018 bei der Festsetzung der [X.]rbschaftsteuer die betagten Vermächtnisse zwar nicht anteilig als Nachlassverbindlichkeit in [X.]bzug gebracht worden seien, jedoch der von der Klägerin erworbene [X.] dem [X.]rwerb auch nicht hinzugerechnet worden sei, sodass sich die beiden Posten im [X.]rgebnis ausgeglichen hätten. [X.]a sowohl die Steuerklasse als auch der Steuersatz bei dem [X.]rwerb von Vater und Mutter identisch gewesen seien, habe keine [X.]ufteilung gemäß § 6 [X.]bs. 2 Satz 3 und 5 des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ([X.]rbStG) vorgenommen werden müssen. Gemäß § 6 [X.]bs. 2 Satz 4 [X.]rbStG könne der Freibetrag gemäß § 16 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]rbStG in der Summe nur einmal berücksichtigt werden.

6

[X.]ie Klage vor dem [X.] ([X.]), mit der die Klägerin weiterhin begehrte, dass zum einen das betagte Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit bei der [X.]erechnung der [X.]rbschaftsteuer nach dem Tod der Mutter in [X.]bzug gebracht und zum anderen, dass ihr zusätzlich der Freibetrag nach dem Vater gewährt wird, hatte keinen [X.]rfolg.

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 10 [X.]bs. 5 Nr. 1 [X.]rbStG und eine Verletzung ihres [X.]nspruchs auf rechtliches Gehör ([X.]rt. 103 [X.]bs. 1 des Grundgesetzes --GG-- i.V.m. § 119 Nr. 3, § 96 [X.]bs. 2 der [X.]sordnung --[X.]O--).

8

[X.]s käme zu einer doppelten [X.]esteuerung des Vermächtnisses, wenn das Vermächtnis nach dem Tod der Mutter bei ihr --der [X.] der [X.]esteuerung unterliege, aber nicht als Nachlassverbindlichkeit in [X.]bzug zu bringen sei. [X.]ine solche Vorgehensweise wäre nur zulässig, wenn das betagte Vermächtnis wie eine Vor- und Nacherbschaft zu behandeln sei. [X.]ine solche [X.]ehandlung sei aber unrichtig, sodass das F[X.] eine unzutreffende Hinzurechnung des Vermächtnisses bei dem [X.]rbfall nach dem Tod der Mutter fiktiv nach § 6 [X.]bs. 4 [X.]rbStG vorgenommen habe.

9

[X.]as [X.] stütze seine [X.]rgumentation darauf, dass die Vermächtnisverbindlichkeit nicht in [X.]bzug gebracht werden könne, weil in gleicher Höhe ansonsten wieder eine Hinzurechnung des betagten Vermächtnisses erfolgen müsse. [X.]ieses [X.]rgument sei zwischen den [X.]eteiligten nicht diskutiert worden, sodass die [X.]-[X.]ntscheidung überraschend sei. Schließlich seien das zugerechnete betagte Vermächtnis und die abzuziehende Verbindlichkeit nicht identisch. [X.]as betagte Vermächtnis entspreche dem gesetzlichen [X.]rbteil nach dem Tod des [X.], die Vermächtnisverbindlichkeit sei diejenige, die die nachverstorbene Mutter getroffen habe. Letztere sei höher --auch pro einzelnem [X.]rben, weil damals noch vier [X.]rben gelebt [X.] als das erfüllte betagte Vermächtnis an die drei noch lebenden [X.]rben. [X.]eshalb könnten sich Hinzurechnung und [X.]bzug nicht kompensieren.

[X.]ie Klägerin beantragt,
den Änderungsbescheid vom 09.07.2018 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 26.09.2018 dahingehend zu ändern, dass eine auf die Klägerin entfallende Verbindlichkeit aus Vermächtnissen in Höhe von 1.109.864,33 € zum [X.]bzug zugelassen wird.

[X.]as F[X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

[X.]ie Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen. [X.]as [X.] hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene [X.]rbschaftsteuerbescheid rechtmäßig und die Bemessungsgrundlage für die [X.]rbschaftsteuer nicht um den Betrag der Vermächtnisverbindlichkeit zu mindern ist, da in gleicher Höhe kein Ansatz des erlangten betagten Vermächtnisses bei der Berechnung der [X.]rbschaftsteuer erfolgt ist. [X.]s liegt auch kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Sinne einer Überraschungsentscheidung vor.

1. Mit dem Tod der Mutter ist die Klägerin nicht nur [X.] (§ 1922 [X.]. § 2269 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --[X.]--) geworden (siehe hierzu unter 2.), sondern hat als Vermächtnisnehmerin (§§ 2147 ff. [X.]) das mit dem Tod der Mutter fällig gewordene Vermächtnis erworben und dieses als von der Mutter stammend nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]rbStG zu versteuern.

a) Zivilrechtliche Grundlage hierfür ist das gemeinschaftliche Testament der [X.]ltern der Klägerin. Sie hatten sich in diesem gegenseitig zu Alleinerben und beim Tod des Überlebenden vier ihrer sechs Kinder als [X.]rben eingesetzt (sogenanntes [X.] nach § 2269 Abs. 1 [X.]). [X.]ie nach dem Tod des überlebenden [X.]hegatten für den beiderseitigen Nachlass als [X.]rben eingesetzten Kinder sind sogenannte Schlusserben, auf die erbschaftsteuerrechtlich § 15 Abs. 3 [X.]rbStG Anwendung findet (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 09.07.2009 - II R 42/07, [X.], 1994, unter II.1.a).

Zudem hatten die [X.]ltern der Klägerin in dem [X.] eine [X.] angeordnet. [X.]urch diese sollte verhindert werden, dass sich die enterbten Kinder, die ihren Pflichtteil verlangen, zulasten der [X.]rben einen höheren Wertanteil am Nachlass des [X.]rstversterbenden verschaffen.

b) [X.]anach hatte die Klägerin zwar beim Tod des [X.] aufgrund der [X.] einen [X.] erworben, da die enterbten Kinder [X.] und [X.] ihren Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatten. [X.]ieser [X.] entstand bereits mit dem Tod des [X.] (entgegen der Vermutung des § 2269 Abs. 2 [X.]), wurde als betagtes Vermächtnis aber erst mit dem Tod der Mutter fällig (vgl. BFH-Urteil vom [X.], BFH[X.] 273, 572, [X.] 2022, 387, Rz 17).

c) [X.]rbschaftsteuerrechtlich werden nach § 6 Abs. 4 [X.]rbStG Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten fällig sind, über eine Gleichstellung mit den Nacherbschaften im Wesentlichen so behandelt wie Vermächtnisse, die beim Tod des Beschwerten anfallen (BFH-Urteil vom [X.], BFH[X.] 273, 572, [X.] 2022, 387, Rz 12). [X.]anach hat die Klägerin das Vermächtnis, das aufgrund der [X.] mit dem Tod des zuerst verstorbenen [X.] angefallen ist, welches aber erst bei der zuletzt verstorbenen Mutter fällig geworden ist, aufgrund der Fiktion des § 6 Abs. 4, Abs. 2 Satz 1 [X.]rbStG gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]rbStG als von der Mutter stammend zu versteuern.

2. [X.]es Weiteren ist die Klägerin aufgrund der Anordnung des [X.]s neben den weiteren [X.]nen [X.] des Nachlasses ihrer Mutter geworden, den sie nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.]rbStG zu versteuern hatte. Bei der [X.]rmittlung des steuerpflichtigen [X.]rwerbs war die mit dem Tod der Mutter fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.]rbStG in Abzug zu bringen.

a) Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.]rbStG sind die vom [X.]rblasser herrührenden Schulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. [X.]arunter fallen alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des [X.]rblassers begründet worden und mit seinem Tod nicht erloschen sind (vgl. BFH-Urteil vom 01.09.2021 - II R 8/20, BFH[X.] 275, 253, [X.] 2022, 475, Rz 10).

b) Zwar konnte die Mutter als [X.]rbin des [X.] die aufgrund der [X.] bereits mit dem Tod des [X.] angefallenen betagten Vermächtnisse nicht als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.]rbStG in Abzug bringen, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig waren. [X.]ie Vermächtnisse stellten erst im Zeitpunkt des Todes des überlebenden [X.]hegatten --vorliegend der [X.] die für den Abzug notwendige wirtschaftliche Belastung dar, da sie erst zu diesem Zeitpunkt fällig wurden (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 - II R 30/19, BFH[X.] 272, 93, [X.] 2022, 216, Rz 11). [X.]ies hat zur Folge, dass der Nachlass des [X.] ungeschmälert durch die betagten Vermächtnisse auf die Mutter überging.

c) [X.]er Nachlass der Mutter ging danach auf die Klägerin als [X.]rbin und die [X.]nen ungeschmälert durch die betagten Vermächtnisse über. Jedoch konnte die Klägerin als (Mit-)[X.]rbin die zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen [X.] nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.]rbStG anteilig als Nachlassverbindlichkeit vom Nachlass der Mutter abziehen.

3. [X.]ie zweifache [X.]ntstehung von [X.]rbschaftsteuer in Bezug auf das durch die [X.] begründete Vermächtnis zum einen mit dem Tod des zuerst verstorbenen [X.], bei dem die Mutter als [X.]rbin das betagte Vermächtnis mangels Fälligkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehen konnte, und zum anderen mit dem Tod der zuletzt verstorbenen Mutter, bei dem die Klägerin das zu diesem Zeitpunkt fällig gewordene betagte Vermächtnis als Vermächtnisnehmerin nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]rbStG zu versteuern hat, ist systemimmanent und nicht zu beanstanden (vgl. [X.] vom [X.], [X.] 2007, 342).

a) [X.]ine [X.]oppelbesteuerung im engeren Sinn liegt nicht vor, da es sich bei dem [X.]rwerb des überlebenden [X.]hegatten, der Mutter, von dem zuerst verstorbenen [X.]hegatten, dem Vater, einerseits und dem späteren [X.]rwerb des Kindes, der Klägerin, als Vermächtnisnehmer von dem zuletzt verstorbenen [X.]hegatten, der Mutter, andererseits nicht um denselben Lebenssachverhalt handelt. [X.]s liegen zwei zeitlich nacheinander erfolgende [X.]rwerbsvorgänge von unterschiedlichen [X.]rblassern mit unterschiedlichen Begünstigten vor.

b) Zudem konnte die Klägerin nach dem Tod der zuletzt verstorbenen Mutter als [X.] die [X.] als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.]rbStG vom Nachlass abziehen. Hierdurch neutralisiert sich, dass sie selbst das Vermächtnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]rbStG versteuern muss.

4. In dem angefochtenen Bescheid erfolgte --entgegen der klägerischen [X.] keine zweifache "Hinzurechnung" und dadurch bedingte doppelte Besteuerung des betagten Vermächtnisses. [X.]as [X.] hatte --wie in der [X.]inspruchsentscheidung [X.] in dem Änderungsbescheid vom 09.07.2018 bei der Berechnung der [X.]rbschaftsteuer für den [X.]rwerb von Todes wegen nach der Mutter weder das betagte Vermächtnis gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]rbStG der Besteuerung unterworfen noch die anteiligen Vermächtnisverbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeit im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 [X.]rbStG in Abzug gebracht. [X.]a sich beide Positionen im [X.]rgebnis ausgleichen, erfolgte keine doppelte Besteuerung des betagten Vermächtnisses bei der Klägerin.

5. [X.]er anteilige [X.]rwerb der Klägerin als [X.] und der weitere [X.]rwerb als Vermächtnisnehmerin nach dem Tod der Mutter konnten im Streitfall in einem Bescheid, dem [X.]rbschaftsteuerbescheid vom 09.07.2018 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 26.09.2018, erfasst werden.

a) [X.]ie Klägerin war gleichzeitig [X.] (§ 2269 [X.] [X.]. § 15 Abs. 3, § 6 Abs. 2 Satz 3 bis 5, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.]rbStG) und Vermächtnisnehmerin des betagten Vermächtnisses (§ 6 Abs. 4 [X.]. Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 [X.]rbStG), jeweils mit dem Tod der Mutter. [X.]as [X.] hat zwar im [X.]rbschaftsteuerbescheid vom 09.07.2018 den [X.] und die hieraus entstandene Nachlassverbindlichkeit beim [X.]rbanfall nicht getrennt ausgewiesen. [X.]s hat aber in der [X.]inspruchsentscheidung vom 26.09.2018 klargestellt, dass es diese Besteuerungsgrundlagen bei der Berechnung der [X.]rbschaftsteuer berücksichtigt hat und zutreffend begründet, dass aufgrund derselben Höhe von [X.] und Nachlassverbindlichkeit dies keine Auswirkung auf die Höhe der festgesetzten [X.]rbschaftsteuer hatte. [X.]ie Klägerin konnte den Betrag in derselben Höhe, wie er ihr aus dem betagten Vermächtnis zugewandt wurde, als Nachlassverbindlichkeit bei ihrem [X.]rwerb von Todes wegen nach dem Tod der Mutter in Abzug bringen, da im Streitfall die Anzahl der [X.]nen und Vermächtnisnehmerinnen identisch war.

b) Wie das [X.] in der [X.]inspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt hat, waren beide [X.] hinsichtlich der Steuerklasse nicht getrennt zu behandeln. Zwar sieht § 15 Abs. 3 [X.]. § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.]rbStG vor, dass beim [X.] bei der Besteuerung des Schlusserben und [X.] unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen auf Antrag das Verhältnis des Schlusserben oder [X.] zum zuerst verstorbenen [X.]hegatten zugrunde zu legen ist und dass beide [X.] hinsichtlich der Steuerklasse getrennt zu behandeln sind. Im Streitfall war aber aufgrund des [X.] der Klägerin als Kind sowohl für den [X.]rwerb nach dem Vater als auch nach der Mutter jeweils die Steuerklasse I gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 [X.]rbStG anzuwenden, sodass § 15 Abs. 3 Satz 2 [X.]. § 6 Abs. 2 Satz 3 [X.]rbStG keine Auswirkung hatte. Zudem war --in der Revision nunmehr unter den Beteiligten unstreitig-- der Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 [X.]rbStG nach § 15 Abs. 3 Satz 2 [X.]. § 6 Abs. 2 Satz 4, Abs. 4 [X.]rbStG nur einmal zu gewähren.

6. [X.]as [X.] hat nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG [X.]. § 119 Nr. 3, § 96 Abs. 2 [X.]O verletzt.

a) Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. [X.]ie Verfahrensbeteiligten haben einen Anspruch darauf, dass das Gericht sie auch in rechtlicher Hinsicht auf entscheidungserhebliche [X.]rwägungen und Gesichtspunkte hinweist, mit denen sie erkennbar nicht gerechnet haben und auch nicht rechnen mussten. [X.]ine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das [X.] sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten Gesichtspunkt stützt und dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretener Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen nicht rechnen musste. [X.]ies kann unter anderem der Fall sein, wenn ein entscheidungserheblicher Umstand vom [X.] erst mit dem [X.]ndurteil in das Verfahren eingebracht wird (BFH-Urteil vom 12.01.2022 - II R 11/20, [X.] 2022, 812, Rz 13).

b) Im Streitfall hat das [X.] bereits in der [X.]inspruchsentscheidung vom 26.09.2018 darauf hingewiesen, dass das Vermächtnis bei der Festsetzung der [X.]rbschaftsteuer der Klägerin weder der Besteuerung unterworfen noch als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht worden sei. [X.]ie Hinzurechnung des Vermächtnisses und dessen Abzug als Nachlassverbindlichkeit waren mithin schon Verfahrensgegenstand im Besteuerungsverfahren. [X.]ie Klägerin konnte deshalb nicht dadurch überrascht worden sein, dass das [X.] diese Thematik in den [X.]ntscheidungsgründen seines Urteils berücksichtigt hat.

7. [X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 34/20

11.10.2023

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 21. Februar 2020, Az: 3 K 191/18, Urteil

§ 1922 BGB, § 2147 BGB, § 2269 BGB, § 3 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 6 Abs 2 ErbStG 1997, § 6 Abs 4 ErbStG 1997, § 10 Abs 5 Nr 1 ErbStG 1997, § 15 Abs 3 ErbStG 1997, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.10.2023, Az. II R 34/20 (REWIS RS 2023, 10002)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10002

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