Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.02.2015, Az. II R 21/13

2. Senat | REWIS RS 2015, 15351

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Gegenstand

(Beitrittsaufforderung an das BMF: Kürzung der abziehbaren Vermächtnislast nach § 10 Abs. 6 ErbStG?)


Leitsatz

NV: Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten und zu der Frage Stellung zu nehmen, ob ein Geldvermächtnis, das einen Erben oder Vermächtnisnehmer beschwert, ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des ererbten oder durch das Vermächtnis zugewendeten Vermögens in voller Höhe abziehbar ist .

Tenor

Das [X.] wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt aufgrund eines Vermächtnisses ihres im Juli 2007 verstorbenen [X.] (V) 9/16 seines Anteils am Gesellschaftsvermögen einer GmbH & Co. [X.] ([X.]). Den restlichen Anteil erhielt ebenfalls vermächtnisweise der [X.]ruder der Klägerin ([X.]). Mit den Vermächtnissen war die [X.]hefrau des V ([X.]) als Alleinerbin beschwert. Die Klägerin und [X.] waren ihrerseits mit dem Untervermächtnis beschwert, an [X.] eine lebenslange Versorgungsrente von anfangs monatlich 5.000 € zu zahlen. Die Höhe der Rente als dauernde Last ist nach den erbvertraglichen [X.]estimmungen veränderlich. Sie wurde nach dem Wortlaut des [X.]rbvertrags nach dem Wert der Vermächtnisse zugunsten von [X.] und der Klägerin und dem standesgemäßen Unterhaltsbedarf von [X.] bemessen. [X.]ei einer wesentlichen Veränderung dieser Verhältnisse ist die dauernde Last (Versorgungsrente) in entsprechender Anwendung des § 323 der Zivilprozessordnung anzupassen. [X.]ei einer wesentlichen Änderung der Kaufkraft des Geldes ist gleichfalls eine angemessene Anpassung vorzunehmen.

2

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) besteuerte den [X.]rwerb der Klägerin auf deren Antrag gemäß Art. 3 des [X.]rbschaftsteuerreformgesetzes ([X.]rbStRG) vom 24. Dezember 2008 ([X.]G[X.]l I 2008, 3018) nach den Vorschriften des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Art. 1 [X.]rbStRG ([X.]rbStG), soweit diese neuen Vorschriften nach Art. 3 Abs. 1 [X.]rbStRG anwendbar sind. Dementsprechend setzte das [X.] mit [X.]escheid vom 6. August 2010 die [X.]rbschaftsteuer gegen die Klägerin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 60.796 € fest. Dabei gewährte das [X.] für den [X.]rwerb der Klägerin antragsgemäß die Steuervergünstigungen der §§ 13a, 13b [X.]rbStG. Die von der Klägerin an [X.] zu zahlende Versorgungsrente bewertete das [X.] mit 320.190 € (Jahreswert 30.000 €, Vervielfältiger: 10,673), beschränkte den Abzug der Rentenverpflichtung aber gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.]rbStG. Der [X.]inspruch blieb ohne [X.]rfolg.

3

Mit dem während des Klageverfahrens erlassenen [X.]escheid vom 18. März 2013 erhöhte das [X.] die [X.]rbschaftsteuer unter [X.]erücksichtigung von Vorerwerben (§ 14 [X.]rbStG) auf 66.811 € und erklärte die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung für vorläufig hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des [X.]rbStG. Dabei gewährte das [X.] für den Anteilserwerb im Wert von 2.714.640 € die Steuervergünstigungen nach §§ 13a, 13b [X.]rbStG in Höhe von 2.272.364 €. Den Abzugsbetrag für die Rentenverpflichtung von 320.190 € kürzte es um 268.023 €.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die auf den ungekürzten Abzug der Rentenverpflichtung gerichtete Klage mit der [X.]egründung ab, die Rentenverpflichtung stehe in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem nach § 13a [X.]rbStG begünstigten Vermögenserwerb der Klägerin und sei daher gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.]rbStG nur anteilig als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Das Urteil des [X.] ist in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte ([X.][X.]) 2013, 1246 veröffentlicht.

5

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.]rbStG. Die Rentenverpflichtung müsse ungekürzt in Höhe von 320.190 € als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt werden.

6

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den [X.]escheid vom 18. März 2013 dahingehend zu ändern, dass die [X.]rbschaftsteuer auf 24.936 € herabgesetzt wird.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Aufforderung zum Beitritt beruht auf § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, weil das vorliegende Revisionsverfahren eine auf Bundesrecht beruhende Abgabe und eine Rechtsstreitigkeit über Bundesrecht, nämlich Vorschriften des [X.], betrifft. Die Frage nach der richtigen Auslegung des § 10 Abs. 6 [X.] weist Schwierigkeiten von solchem Gewicht auf, dass dem Senat die [X.] als sachgerecht erscheint.

9

1. Schulden und Lasten sind nach § 10 Abs. 6 Satz 1 [X.] nicht abzugsfähig, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach dem [X.] unterliegen. Schulden und Lasten, die mit teilweise befreiten Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 [X.] nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem steuerpflichtigen Teil entspricht. Schulden und Lasten, die mit nach § 13a [X.] befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.] nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a [X.] anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a [X.] entspricht. Schulden und Lasten, die mit nach § 13c [X.] befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 [X.] nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13c [X.] anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13c [X.] entspricht.

2. Diese Vorschriften betreffen nach ihrem Wortlaut nur Schulden und Lasten, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs den Vermögensgegenständen, die nicht der Besteuerung nach dem [X.] unterliegen oder teilweise von der Steuer befreit sind, oder dem nach § 13a oder § 13c [X.] befreiten Vermögen konkret zugeordnet werden können. Keine ausdrückliche Regelung wird für den Fall getroffen, dass eine konkrete Zuordnung von Schulden oder Lasten zu bestimmten Vermögensgegenständen oder zu einem bestimmten Vermögen nicht möglich ist. Insbesondere wird nicht vorgeschrieben, dass solche Schulden und Lasten nur mit dem Betrag abzugsfähig sind, der dem Verhältnis des Verkehrswerts oder [X.] des steuerpflichtigen Vermögens zum entsprechenden Wert des steuerfreien Vermögens entspricht.

Davon geht abgesehen von den Pflichtteilsansprüchen und der Pflicht des Erben zur Zahlung des Zugewinnausgleichs an den überlebenden Ehegatten des Erblassers, für die [X.] 2 Satz 1 der [X.] ([X.]) 2003 ([X.], Sondernummer 1, 2) und [X.] 10.10 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2011 ([X.], Sondernummer 1, 2) bzw. der im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder ergangene Erlass des [X.] vom 14. Januar 2015  3-S381.0/46 Sonderregelungen treffen, auch die Finanzverwaltung aus. Nach [X.] 2 Satz 2 [X.] 2003 und [X.] 10.10 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2011 besteht "bei anderen allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten" kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen. Diese allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten sind daher auch dann in voller Höhe abziehbar, wenn zum Erwerb von Todes wegen auch ganz oder teilweise steuerbefreite Vermögensgegenstände oder Vermögen i.S. des § 10 Abs. 6 Satz 1, 3 und 5 [X.] gehören. Zu den allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten rechnet die Finanzverwaltung beispielsweise ein Konsumentendarlehen (H E 10.10 "[X.]" der Hinweise zu den [X.] 2011 --ErbStH 2011--, [X.], Sondernummer 1, 117), Steuerschulden des Erblassers und die Erbfallkosten.

3. Geht man demgemäß davon aus, dass ein Geldvermächtnis, das einen Erben beschwert, unabhängig von der Zusammensetzung des Nachlasses als allgemeine Nachlassverbindlichkeit in voller Höhe abziehbar ist, fragt sich, ob ein Geldvermächtnis, das einen Vermächtnisnehmer beschwert, ebenfalls ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung des durch das Vermächtnis zugewendeten Vermögens in voller Höhe abziehbar ist oder ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Begründung für ein solches Untervermächtnis etwas anderes gilt.

Meta

II R 21/13

18.02.2015

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 11. April 2013, Az: 3 K 604/11 Erb, Urteil

§ 10 Abs 6 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 13a ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 122 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.02.2015, Az. II R 21/13 (REWIS RS 2015, 15351)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15351

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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