Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.07.2015, Az. II R 21/13

2. Senat | REWIS RS 2015, 7775

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Gegenstand

(Auf Zahlung von Geld gerichtetes Untervermächtnis auch bei vermächtnisweisem Erwerb einer nach § 13a ErbStG begünstigten Beteiligung an einer Personengesellschaft in voller Höhe abziehbar - Wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Nachlassverbindlichkeiten und zum Nachlass gehörendem Vermögen)


Leitsatz

Der Wert eines auf die Zahlung von Geld gerichteten Untervermächtnisses ist auch dann in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit abziehbar, wenn der vermächtnisweise Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft nach § 13a ErbStG begünstigt ist .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 11. April 2013  3 [X.]/11 Erb aufgehoben.

Die Erbschaftsteuer wird unter Abänderung des Erbschaftsteuerbescheids des Beklagten vom 18. März 2013 auf 24.936 € festgesetzt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt aufgrund eines Vermächtnisses ihres im Juli 2007 verstorbenen [X.] (V) 9/16 seines Anteils am Gesellschaftsvermögen einer GmbH & Co. [X.] ([X.]). Den restlichen Anteil erhielt ebenfalls vermächtnisweise ihr [X.]ruder ([X.]). Mit den Vermächtnissen war die [X.]hefrau des V ([X.]) als Alleinerbin beschwert. Die Klägerin und [X.] waren ihrerseits mit dem Untervermächtnis beschwert, an [X.] eine in entsprechender Anwendung des § 323 der Zivilprozessordnung veränderliche lebenslange Versorgungsrente von anfangs monatlich 5.000 € zu zahlen.

2

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) besteuerte den [X.]rwerb der Klägerin auf deren Antrag gemäß Art. 3 des [X.]rbschaftsteuerreformgesetzes ([X.]rbStRG) vom 24. Dezember 2008 ([X.]G[X.]l I 2008, 3018) nach den Vorschriften des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Art. 1 [X.]rbStRG ([X.]rbStG), soweit diese neuen Vorschriften nach Art. 3 Abs. 1 [X.]rbStRG anwendbar sind. Das [X.] berücksichtigte dementsprechend in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden [X.]rbschaftsteuerbescheid vom 6. August 2010 die Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b [X.]rbStG. Die von der Klägerin an [X.] zu zahlende Versorgungsrente bewertete es mit 320.190 € (Jahreswert 30.000 €, Vervielfältiger: 10,673) und beschränkte deren Abzug gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.]rbStG. Der [X.]inspruch blieb erfolglos.

3

Mit dem während des Klageverfahrens erlassenen [X.]escheid vom 18. März 2013 erhöhte das [X.] die [X.]rbschaftsteuer unter [X.]erücksichtigung von Vorerwerben (§ 14 [X.]rbStG) auf 66.811 € und erklärte die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung für vorläufig hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des [X.]rbStG. Für den Anteilserwerb im Wert von 2.714.640 € gewährte es die Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b [X.]rbStG in Höhe von 2.272.364 €. Die [X.] ließ es nur mit einem Teilbetrag von 52.167 € zum Abzug als Nachlassverbindlichkeit zu.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die auf den ungekürzten Abzug der [X.] gerichtete Klage mit der [X.]egründung ab, diese stehe in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem nach § 13a [X.]rbStG begünstigten Vermögenserwerb der Klägerin und sei daher gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.]rbStG nur anteilig als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Das Urteil des [X.] ist in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte ([X.][X.]) 2013, 1246 veröffentlicht.

5

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.]rbStG. Die Rentenverpflichtung müsse ungekürzt in Höhe von 320.190 € als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt werden.

6

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den [X.]escheid vom 18. März 2013 dahingehend zu ändern, dass die [X.]rbschaftsteuer auf 24.936 € herabgesetzt wird.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Das [X.]undesministerium der Finanzen, das dem Verfahren aufgrund einer Aufforderung durch den [X.]undesfinanzhof --[X.]FH-- ([X.]eschluss vom 18. Februar 2015 II R 21/13, [X.]FH/NV 2015, 842) gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) beigetreten ist, teilt die Ansicht des [X.].

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Herabsetzung der [X.]rbschaftsteuer auf 24.936 € (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, dass der Wert der Rentenverpflichtung nur zum Teil als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden könne.

1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 [X.] kann der [X.]rwerber vom Wert des gesamten Vermögensanfalls die Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen abziehen. Hierzu zählen auch [X.]S. des § 2186 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, mit denen ein Vermächtnisnehmer beschwert ist. Ist das [X.] auf die Zahlung von Geld gerichtet, ist die sich aus dem [X.] ergebende Schuld auch dann in voller Höhe vom Wert des Vermächtnisses abzuziehen, wenn das Vermächtnis auf den nach § 13a [X.] begünstigten [X.]rwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft gerichtet ist. § 10 Abs. 6 [X.] begründet keine [X.]inschränkung dieses Abzugs.

a) Schulden und Lasten, die mit nach § 13a [X.] befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.] nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a [X.] anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a [X.] entspricht.

b) Mit dem auch in den Sätzen 1 bis 3 und 5 des § 10 Abs. 6 [X.] verwendeten Merkmal des wirtschaftlichen Zusammenhangs ist dasselbe gemeint wie in § 103 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes --[X.]-- (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 II R 34/03, [X.], 463, [X.], 797). [X.]in wirtschaftlicher Zusammenhang von Schulden mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens i.S. des § 103 Abs. 1 [X.] wird angenommen, wenn die [X.]ntstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die das Betriebsvermögen betreffen (BFH-Urteile vom 19. Februar 1982 III R 108/80, [X.], 338, BStBl II 1982, 449, und in [X.], 463, [X.], 797). Dieser Zusammenhang ist insbesondere dann zu bejahen, wenn die Schuld zum [X.]rwerb, zur Sicherung oder zur [X.]rhaltung des jeweiligen Vermögens eingegangen worden ist. Dagegen reicht es nicht aus, wenn lediglich ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Schuld und dem begünstigten Vermögen besteht (BFH-Urteil in [X.], 463, [X.], 797).

c) Schulden und Lasten können danach nur mit bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen oder Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der [X.]rbe ein Darlehen zu tilgen hat, das der [X.]rblasser zum Kauf eines zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstands (z.B. Grundstück oder Anteil an einer Kapitalgesellschaft) aufgenommen hatte. Fehlt es an einem solchen konkreten Zusammenhang einer Nachlassverbindlichkeit mit bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen oder Vermögen, so wird ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit allen zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen und Vermögen nicht allein dadurch begründet, dass der [X.]rbe zur [X.]rfüllung der Verbindlichkeit verpflichtet ist. Diese Verpflichtung des [X.]rben begründet keinen wirtschaftlichen, sondern allenfalls einen rechtlichen Zusammenhang.

Hätte der Gesetzgeber anordnen wollen, dass sämtliche Nachlassverbindlichkeiten, die nicht in einem konkreten wirtschaftlichen Zusammenhang mit bestimmten zum Nachlass gehörenden aktiven Vermögensgegenständen oder Vermögen stehen, nur mit dem Anteil abzugsfähig sind, der dem Verhältnis der Verkehrswerte oder Steuerwerte der steuerpflichtigen Vermögensgegenstände zum entsprechenden Wert des steuerfreien Vermögens entspricht, hätte er dies anordnen können und müssen. Für eine derartige Aufteilung durch die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung findet sich in § 10 Abs. 6 [X.] keine Rechtsgrundlage. Der Wortlaut des § 10 Abs. 6 Satz 4 [X.] betrifft nur den Fall, dass nach Anwendung des § 13a [X.] ein anzusetzender Wert des nach § 13a [X.] begünstigten Vermögens verbleibt.

d) Davon geht im Grundsatz auch die Finanzverwaltung aus. Nach [X.] 2 Satz 2 der [X.] ([X.]) 2003 ([X.], Sondernummer 1, 2) und [X.] 10.10 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2011 ([X.], Sondernummer 1, 2) besteht "bei anderen allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten" kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen. Diese allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten sind daher auch dann in voller Höhe abziehbar, wenn zum [X.]rwerb von Todes wegen ganz oder teilweise steuerbefreite Vermögensgegenstände oder Vermögen i.S. des § 10 Abs. 6 Satz 1, 3, 4 oder 5 [X.] gehören. Zu den allgemeinen Nachlassverbindlichkeiten rechnet die Finanzverwaltung beispielsweise Steuerschulden, ein Konsumentendarlehen (H [X.] 10.10 "[X.]" der Hinweise zu den [X.] 2011, [X.], Sondernummer 1, 117) und die [X.]rbfallkosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 [X.]), ferner bisher auch die Pflicht des [X.]rben zur Zahlung des Zugewinnausgleichs an den überlebenden [X.]hegatten des [X.]rblassers (anders nunmehr der im [X.]invernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder ergangene [X.]rlass des [X.] vom 14. Januar 2015  3-S381.0/46, [X.] BW § 10 [X.] Karte 31).

e) [X.]ine auf die Zahlung von Geld gerichtete [X.] eines [X.]rben ist ebenfalls eine allgemeine Nachlassverbindlichkeit, bei der kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den einzelnen erworbenen Vermögensgegenständen besteht und die deshalb unabhängig von der Zusammensetzung des Nachlasses in voller Höhe abziehbar ist.

f) Gleiches muss auch dann gelten, wenn ein Vermächtnisnehmer seinerseits mit einem Geldvermächtnis beschwert ist. Auch der Wert dieses Geldvermächtnisses ist unabhängig davon, ob der [X.]rwerb aufgrund des Vermächtnisses ganz oder teilweise steuerbefreit ist, in vollem Umfang abziehbar. [X.]inen sachlichen Grund, der die unterschiedliche Behandlung von [X.]rben und Vermächtnisnehmern in diesem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) rechtfertigen könnte, gibt es nicht.

g) Da das [X.] von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Der Wert der von der Klägerin an [X.] zu zahlenden Versorgungsrente von 320.190 € ist in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit abziehbar. Die gegen die Klägerin festzusetzende [X.]rbschaftsteuer berechnet sich abweichend vom Bescheid vom 18. März 2013 wie folgt:

[X.]rwerb durch Vermächtnis

2.714.640 €

abzüglich [X.]

320.190 €

Wert des [X.]rwerbs

2.394.450 €

abzüglich Steuerbefreiungen nach § 13a [X.]

2.272.364 €

[X.]rwerb von Todes wegen

122.086 €

Vorerwerbe

412.481 €

abzüglich Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 [X.]

205.000 €

steuerpflichtiger [X.]rwerb (abgerundet)

329.500 €

Steuer bei Steuersatz von 15 %

49.425 €

Berücksichtigung der Härtefallregelung des § 19 Abs. 3 Buchst. a [X.]:

anzusetzen sind 11 % von 300.000 € = 33.000 € [X.] 50 % von 29.500 € = 14.750 €, also

47.750 €

abzüglich Steuer für Vorerwerbe

22.814 €

festzusetzende Steuer

24.936 €

(Anmerkung der Dokumentationsstelle: Tabelle berichtigt durch Beschluss des Senats vom 17. September 2015)

3. [X.] beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 [X.]O.

Meta

II R 21/13

22.07.2015

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 11. April 2013, Az: 3 K 604/11 Erb, Urteil

§ 10 Abs 6 ErbStG 1997, § 13a ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 2186 BGB, § 10 Abs 1 S 2 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 10 Abs 5 Nr 2 ErbStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.07.2015, Az. II R 21/13 (REWIS RS 2015, 7775)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7775

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