Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2021, Az. KRB 86/20

Kartellsenat | REWIS RS 2021, 8112

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Gegenstand

Kartellbußgeldsache: Festsetzung der Geldbuße gegen eine juristische Person im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge; Übergang der Zahlungsverpflichtung auf den Rechtsnachfolger nach Eintragung einer Verschmelzung im Handelsregister - Grenzen der Verbandsgeldbuße II


Leitsatz

Grenzen der Verbandsgeldbuße II

1. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 30 Abs. 2a OWiG ist eröffnet, wenn nach dessen Inkrafttreten am 30. Juni 2013 nicht nur die (partielle) Gesamtrechtsnachfolge nach der gemäß § 30 Abs. 1 OWiG verantwortlichen juristischen Person oder Personenvereinigung, sondern auch die Beendigung der von ihrer Leitungsperson begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eingetreten ist.

2. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG führt die Eintragung der Verschmelzung im Register dazu, dass ein rechtskräftig gegen den Rechtsvorgänger festgesetztes Bußgeld, also die Zahlungsverpflichtung als solche, auf den Rechtsnachfolger übergeht. Steht aufgrund eines teilrechtskräftigen Erkenntnisses lediglich fest, dass der Rechtsvorgänger für die Tat seiner Leitungsperson bußgeldrechtlich verantwortlich gewesen ist, bewirkt die Vorschrift keinen Eintritt in diese Verantwortlichkeit.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Generalstaatsanwaltschaft gegen den Beschluss des 2. Kartellsenats des [X.] vom 12. August 2020 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenbetroffenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

1

Mit Urteil vom 29. Oktober 2012 ([X.] 1-6/12 [OWi], WuW/[X.] 3889) hatte das [X.] vier Betroffene, die jeweils in leitender Funktion für vier nebenbetroffene Gesellschaften tätig waren, zu Geldbußen verurteilt, weil sie durch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (§ 81 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 [X.] 2005) die [X.]inführung von [X.] durch die von ihnen geleiteten Gesellschaften bewirkt hatten. Gegen die [X.]n, unter anderem die hiesige, hatte das [X.] wegen der [X.]artellordnungswidrigkeiten Bußgelder verhängt. Zu den [X.]n gehörte auch die [X.] (nachfolgend: [X.]       ), die aufgrund der [X.]nde November 2007 beendeten Tat des Geschäftsführers ihrer [X.]omplementärin mit einem Bußgeld in Höhe von 200.000 € belegt worden war.

2

Gegen das Urteil hatten sich sowohl die Generalstaatsanwaltschaft als auch die Betroffenen und [X.]n mit ihren umfassenden Rechtsbeschwerden gewandt. Ziel der Generalstaatsanwaltschaft war es, dass sämtliche Betroffene und [X.] wegen einer [X.]artellordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 [X.] 2005 i.V.m. Art. 81 Abs. 1 [X.]GV (nunmehr Art. 101 Abs. 1 A[X.]UV) zu höheren Bußgeldern verurteilt werden. Auf die Rechtsbeschwerden der Generalstaatsanwaltschaft hatte der Senat mit Beschluss vom 3. Juni 2014 ([X.], WuW/[X.] 4317) das Urteil hinsichtlich der vier [X.]n im jeweiligen Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsmittel aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zurückverwiesen. Alle weiteren Rechtsbeschwerden der Verfahrensbeteiligten waren insgesamt erfolglos geblieben.

3

Nachdem die [X.]        aufgrund Verschmelzung durch Anwachsung auf die hiesige [X.] zum 1. Januar 2019 erloschen war, hat das [X.] das Verfahren gegen diese auch anstelle der [X.]       geführt. [X.]s hat nunmehr durch Beschluss (§ 72 OWiG) davon abgesehen, gegen die [X.] wegen der [X.]artellordnungswidrigkeit der [X.] der [X.]        eine Geldbuße zu verhängen, und sie insoweit als deren Rechtsnachfolgerin aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Dagegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde der Generalstaatsanwaltschaft. Dem vom [X.] vertretenen Rechtsmittel bleibt der [X.]rfolg versagt.

I.

4

1. Das [X.] hat festgestellt, dass mit Ablauf des 31. Dezember 2018 die [X.]omplementärin aus der [X.]austrat. Als zu diesem Zeitpunkt einzige [X.]ommanditistin und damit alleinige Gesellschafterin der [X.]        übernahm die [X.] deren Handelsgeschäft mit allen Aktiva und Passiva ohne Liquidation. Dass die [X.]       aufgelöst und ihre Firma erloschen ist, wurde am 29. Januar 2019 im Handelsregister eingetragen.

5

2. Das [X.] hat eine bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der [X.]n als Rechtsnachfolgerin der [X.]        für die von deren [X.] begangene [X.]artellordnungswidrigkeit verneint. Zwischen den Vermögen der beiden Gesellschaften liege bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine [X.] vor. § 30 Abs. 2a OWiG komme zwar als Rechtsgrundlage für den Übergang der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit in Betracht, könne aber nicht rückwirkend auf die vor seinem Inkrafttreten beendete [X.] angewendet werden; darauf, dass der "Schuldspruch" gegen die [X.]        vor Abschluss der Rechtsnachfolge gleichsam in Rechtskraft erwachsen sei, komme es dabei nicht an.

II.

6

Der Teilfreispruch der [X.]n als Rechtsnachfolgerin der [X.]       hält sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Der [X.]rörterung bedürfen der zeitliche Anwendungsbereich der Regelung über die Rechtsnachfolge in § 30 Abs. 2a OWiG und die Folgen der Teilverwerfung der gegen die [X.]       gerichteten Rechtsbeschwerde der Generalstaatsanwaltschaft für die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der [X.]n:

7

1. Der Anwendung des § 30 Abs. 2a OWiG steht das Rückwirkungsverbot (§ 3 OWiG, Art. 103 Abs. 2 GG) entgegen.

8

a) Zutreffend hat das [X.] allein § 30 Abs. 2a OWiG als Rechtsgrundlage für die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der [X.]n wegen der von der [X.] der [X.]        begangenen [X.]artellordnungswidrigkeit in Betracht gezogen. Der Senat vermag dem [X.] nicht darin beizutreten, dass es für eine Haftungserstreckung vorrangig auf § 81 Abs. 3b [X.] 2017 (nunmehr - inhaltlich unverändert - § 81a Abs. 2 [X.]) als lex specialis des [X.]artellordnungswidrigkeitenrechts ankäme. Die Vorschrift regelt in den Sätzen 1 bis 3 die Festsetzung einer Geldbuße im Sinne des § 81 Abs. 3a [X.] 2017 (nunmehr § 81a Abs. 1 [X.]) gegen einen Rechtsnachfolger der [X.]onzerngesellschaft, welche die juristische Person oder Personenvereinigung nach § 30 Abs. 1 OWiG (den Verband) lenkt. Für den Rechtsnachfolger des Verbands selbst verbleibt es indes bei einer etwaigen Verantwortlichkeit gemäß § 30 Abs. 2a OWiG; insoweit bestimmt § 81b Abs. 3b [X.] 2017 in Satz 4 i.V.m. Satz 3 lediglich, dass die in § 30 Abs. 2a Satz 2 OWiG vorgesehene zweifache Begrenzung der Bußgeldhöhe wegfällt (s. [X.] in [X.]/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., [X.], § 81 [X.] Rn. 358 mwN; [X.]/[X.], 3. Aufl., [X.], § 81 [X.] Rn. 108).

9

b) [X.]benso zutreffend hat das [X.] angenommen, dass die mit der [X.] ([X.]) zum 30. Juni 2013 eingefügte Vorschrift des § 30 Abs. 2a OWiG ausschließlich anwendbar ist, wenn erst nach ihrem Inkrafttreten nicht nur die Rechtsnachfolge, sondern auch - anders als hier - die Beendigung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit eingetreten ist. Anderenfalls läge ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor (ebenso [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2013, 417, 428; [X.]/[X.] in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 30 Rn. 38c; Haus, [X.], 982, 983; [X.], [X.]WiR 2015, 427, 428; Mäger/von [X.], [X.] 2014, 643, 645; Wachs, [X.] 2014, 90, 96 f.; [X.], wistra 2015, 176, 180; a.[X.], [X.] 2014, 102, 105 f.; Ost in [X.] [Hrsg.], Das [X.] [X.]artellrecht nach der [X.], 2013, [X.], 311; Niesler in [X.]/[X.]/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 30 OWiG Rn. 18; Raum in [X.]/Bunte, [X.]artellrecht, 13. Aufl., [X.], § 81 [X.] Rn. 47; ferner [X.], [X.] 2013, 321, 326 ["durchaus erwägenswert", falls "die Tat dem Rechtsnachfolger positiv bekannt"]).

aa) Der Senat hat bereits darüber entschieden, ob § 30 Abs. 2a OWiG die Fallkonstellation erfasst, in der sowohl die Ordnungswidrigkeit als auch die Rechtsnachfolge vor dem Inkrafttreten datieren. [X.]r hat insoweit eine rückwirkende Anwendung der Neuregelung ausgeschlossen, dabei allerdings auf die [X.] ("die hier zu beurteilende Tat") abgestellt (s. [X.], Beschluss vom 16. Dezember 2014 - [X.], [X.]St 60, 121 Rn. 11 - Grenzen der Verbandsgeldbuße). Die Formulierung entspricht einem Verständnis, wonach sachlicher Anknüpfungspunkt für das Rückwirkungsverbot die Ordnungswidrigkeit und nicht allein die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung ist, die zum [X.]rlöschen des an sich [X.] geführt hat (vgl. [X.], [X.]WiR 2015, 427, 428).

bb) Dass sich der zeitliche Anwendungsbereich des § 30 Abs. 2a OWiG auf Fälle beschränkt, in denen die [X.] am 30. Juni 2013 noch nicht beendet war, beruht auf folgenden [X.]rwägungen:

(1) Wie sich aus § 3 OWiG in Übereinstimmung mit der - auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden (s. BVerfG[X.] 42, 261, 262 f.; 81, 132, 135) Verfassungsnorm des Art. 103 Abs. 2 GG ergibt, kann eine Handlung als Ordnungswidrigkeit nur geahndet werden, wenn die Möglichkeit der Ahndung gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. Das Rückwirkungsverbot erfasst zum einen die rückwirkende Inkraftsetzung eines Bußgeldtatbestands (s. [X.], Beschluss vom 26. Februar 2013 - [X.], [X.]St 58, 158 Rn. 46 - Grauzementkartell I). Zum anderen unterliegen ihm aber auch die in § 30 OWiG getroffenen Regelungen über die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit einer juristischen Person oder Personenvereinigung, welche die Grundlage dafür bilden, eine Organtat durch Verhängung einer Verbandsgeldbuße zu ahnden (vgl. - für das ebenfalls in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Verbot einer Analogie zu § 30 Abs. 1 OWiG - [X.], Beschlüsse vom 10. August 2011 - [X.], [X.]St 57, 193 Rn. 14 - Versicherungsfusion; [X.] 2/10, [X.], 152 Rn. 10 - Transportbeton II).

(2) Nicht nur § 30 Abs. 1 OWiG, sondern auch § 30 Abs. 2a OWiG enthält eine solche Regelung über die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen oder Personenvereinigungen; beide Absätze stellen sanktionsbegründende Normen dar. § 30 Abs. 1 OWiG bestimmt keine Haftung im Sinne eines schlichten [X.]instehenmüssens für eine fremde Bußgeldschuld. Vielmehr statuiert die Vorschrift eine eigene bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit des [X.] seiner [X.]en als Voraussetzung der Ahndung (s. [X.], [X.], 2012, [X.], 8; ferner [X.]St 57, 193 Rn. 10, 13 f., 18 - Versicherungsfusion; [X.], [X.], 152 Rn. 6, 9 f., 14 - Transportbeton II; [X.]St 58, 158 Rn. 83 - Grauzementkartell I; [X.], [X.], 369, 372). § 30 Abs. 2a OWiG ordnet an, dass unter den dort beschriebenen Voraussetzungen der Rechtsnachfolger in die Verantwortlichkeit des Verbands eintritt, so dass ihm die Taten der [X.]en dieses Verbands bußgeldrechtlich zuzurechnen sind. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschrift; vor allem folgt sie aber aus der [X.]onzeption, die der Gesetzgeber sämtlichen mit der 8. und der [X.] ([X.] 2017 I S. 1416) eingefügten Neuregelungen zu unternehmensbezogenen Rechtsfolgen im Ordnungswidrigkeitenrecht zugrunde gelegt hat. Im [X.]inzelnen:

(a) Der Wortlaut des § 30 Abs. 2a Satz 1 OWiG verweist auf "die Geldbuße nach Absatz 1 und 2", die im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge oder einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge durch Aufspaltung auch "gegen den ... Rechtsnachfolger festgesetzt werden" kann. Die Vorschrift nimmt somit auf die in § 30 Abs. 1 und 2 OWiG normierten Voraussetzungen Bezug und ordnet dieselbe Rechtsfolge an. Hiernach bestimmt sie nicht ein gleichsam haftungsrechtliches [X.]instehenmüssen des Rechtsnachfolgers für eine fremde Bußgeldschuld, sondern schafft die Möglichkeit dessen individueller Ahndung (vgl. [X.], [X.] 2014, 102, 105; Mäger/von [X.], [X.] 2014, 643, 645; [X.], wistra 2015, 176, 180). Folgerichtig ist die Vorschrift gesetzessystematisch innerhalb der Regelungen über die Verbandsgeldbuße verortet (a.[X.], OWiG, 5. Aufl., § 30 Rn. 54, der das Wesen des § 30 Abs. 2a OWiG als "schlichte Übernahme der [X.] 'Geldbuße'" versteht und daraus - konsequent - folgert, "die Platzierung des Absatzes 2a ... in § 30 [OWiG sei] ... unter systematischen Gesichtspunkten fragwürdig").

(b) Die gesetzliche [X.]onzeption der unternehmensbezogenen Rechtsfolgen im Ordnungswidrigkeitenrecht ist insbesondere in den Gesetzesmaterialien zu den - mit der [X.] zum 9. Juni 2017 eingefügten - kartellbußgeldrechtlichen Regelungen des § 81 Abs. 3a bis 3c [X.] einerseits sowie des § 81a [X.] 2017 andererseits erläutert. Die Vorschriften entsprechen § 81a Abs. 1 bis 3 und § 81e [X.] in der seit dem 19. Januar 2021 gültigen Fassung des [X.]es ([X.] 2021 [X.]), ohne dass hiermit eine inhaltliche Änderung verbunden war (s. [X.]ntwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/23492 S. 123, 127). Diese [X.]onzeption stellt sich wie folgt dar:

Die Regelungen des § 81 Abs. 3a bis 3c [X.] definieren den [X.]reis der möglichen Adressaten der Bußgeldentscheidung ausgehend von einem dem Gesellschaftsrecht vorgelagerten [X.], der unter bestimmten Voraussetzungen lenkende [X.]onzerngesellschaften, [X.] sowie wirtschaftliche Nachfolger umfasst ([X.]ntwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/10207 S. 86). Die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit von Rechtsträgern, welche die wirtschaftliche [X.]inheit Unternehmen zur [X.] der Ordnungswidrigkeit bilden oder es als deren [X.] oder neuer Betreiber fortsetzen, stellt keine Haftung für "fremdes Verschulden" dar, sondern folgt aus ihrer [X.]igenschaft als Bestandteil oder Repräsentanten der materiell verantwortlichen Gesamtheit (BT-Drucks. 18/10207 S. 87 f.). Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge ergibt sich der Übergang sämtlicher Aktiva und Passiva einschließlich der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit daraus, dass der Rechtsnachfolger den ursprünglich haftenden Rechtsträger verkörpert und das verantwortliche Unternehmen weiter repräsentiert (BT-Drucks. 18/10207 S. 88, 91). Demgegenüber ordnet die Vorschrift des § 81a [X.] 2017 - für einen Übergangszeitraum - eine Ausfallhaftung an, mit der, anders als bei § 81 Abs. 3a bis 3c [X.], kein ordnungswidrigkeitenrechtlicher Vorwurf verbunden ist, die vielmehr ein rein haftungsrechtliches [X.]instehenmüssen für eine fremde Bußgeldschuld bewirkt. Rechtsgrund für die Festsetzung des Haftungsbetrags ist nicht die [X.]artellordnungswidrigkeit als solche, sondern ein der Tat nachgelagertes [X.]reignis, namentlich das [X.]rlöschen des [X.] oder das vollstreckungsvereitelnde Verschieben von Vermögen (BT-Drucks. 18/10207 S. 95).

Für den [X.] der Vorschrift des § 30 Abs. 2a OWiG bedeutet dies, dass sie nach dem gesetzgeberischen Willen ebenfalls die unternehmensbezogene bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit regelt (für eine Anlehnung an den [X.] bereits [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2013, 417, 428). Denn was gemäß § 81 Abs. 3b [X.] 2017 für den (partiellen) Gesamt-rechtsnachfolger der den Verband lenkenden [X.]onzerngesellschaft gilt, hat erst recht für den das Unternehmen fortsetzenden (partiellen) [X.] des Verbands selbst zu gelten.

Die Materialien zur [X.] nehmen insofern auf diejenigen zu § 30 Abs. 2a OWiG Bezug (s. BT-Drucks. 18/10207 S. 88), als dort dargetan ist, der [X.]intritt in sämtliche Rechtspositionen des [X.] sei im Wesen der Gesamtrechtsnachfolge angelegt (s. Bericht des [X.], BT-Drucks. 17/11053 [X.]). Soweit § 30 Abs. 2a OWiG nach der Gesetzesbegründung an § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] angelehnt ist, wonach "bei Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerverhältnis auf den Rechtsnachfolger" übergehen (BT-Drucks. 17/11053 [X.]), ist daraus nicht zu schließen, die Vorschrift trüge einen rein haftungsrechtlichen Charakter (so aber Ost in [X.] [Hrsg.], Das [X.] [X.]artellrecht nach der [X.], 2013, [X.], 311 [X.]. 11; [X.], OWiG, 5. Aufl., § 30 Rn. 54). Denn auch für § 45 [X.] ist in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt, dass der [X.] - über den Gesetzeswortlaut hinaus - in einem umfassenden Sinne materiell- und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des [X.] eintritt (s. BFH, Urteil vom 15. Juni 2011 - [X.], juris Rn. 18; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 260. Lfg., § 45 [X.] Rn. 8 mwN).

(3) Regelt - wie dargelegt - § 30 Abs. 2a OWiG die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen oder Personenvereinigungen, kann er nicht rückwirkend auf Fälle angewendet werden, in denen die Straftat oder Ordnungswidrigkeit bereits vor seinem Inkrafttreten beendet war (a.[X.], [X.] 2014, 102, 105 f.). Denn die mit der [X.] eingefügte sank-tionsbegründende Norm enthält für die (partielle) Gesamtrechtsnachfolge die Neudefinition der Person eines zu ahndenden Verbands. Der Rechtsnachfolger kann indes nur in diejenige Rechtslage eintreten, die bei Begehung der nach § 30 Abs. 1 und 2 OWiG zu bebußenden Tat bestand. Vor dem 30. Juni 2013 war die Möglichkeit der Ahndung des Rechtsnachfolgers - jenseits der Rechtsprechung zur [X.] (vgl. [X.]St 60, 121 Rn. 12 mwN - Grenzen der Verbandsgeldbuße) - nicht vorgesehen. [X.]ine derartige gesetzliche Ahndungsmöglichkeit für bereits abgeschlossene Sachverhalte hat nicht rückwirkend geschaffen werden können (ebenso Mäger/von [X.], [X.] 2014, 643, 645; [X.], wistra 2015, 176, 180; ferner [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2013, 417, 428; Haus [X.], 982, 983).

Diese Beurteilung steht im [X.]inklang mit dem Verständnis des Gesetzgebers, das der - mit der [X.] geschaffenen und nach dem [X.] unverändert fortgeltenden - Übergangsbestimmung des § 186 Abs. 5 [X.] für die Vorschriften der § 81 Abs. 3a bis 3e, § 81a [X.] 2017 zugrunde liegt. Hiernach findet § 81a [X.] 2017 Anwendung, wenn das [X.]rlöschen des [X.] (§ 30 OWiG) oder das Verschieben von Vermögen nach dem 9. Juni 2017 erfolgt; war allerdings zu diesem Zeitpunkt die [X.] noch nicht eingetreten, gehen die Regelungen in § 81 Abs. 3a bis 3e [X.] vor. Der [X.] ist davon ausgegangen, dass deren Anwendung auf vor dem Inkrafttreten beendete Taten gegen das Rückwirkungsverbot verstößt (vgl. BT-Drucks. 18/10207 S. 94 f.). Um unionsrechtlichen Vorgaben zu genügen, hat er sich deshalb gehalten gesehen, für einen Übergangszeitraum eine Ausfallhaftung zu konzipieren (s. BT-Drucks. 18/10207 S. 95, 107).

2. Ohne [X.]rfolg rügt die Beschwerdeführerin, das [X.] habe die horizontale Teilrechtskraft missachtet, die durch den Senatsbeschluss vom 3. Juni 2014 eingetreten sei, weil die zu Lasten der [X.]       eingelegte Rechtsbeschwerde nur zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs im Urteil vom 29. Oktober 2012 geführt habe und im Übrigen verworfen worden sei. Was die von der [X.] der [X.]        begangene [X.]artellordnungswidrigkeit betrifft, ist das vom [X.] im ersten Rechtsgang verkündete Urteil gegen die [X.] nicht in Teilrechtskraft erwachsen.

a) Die Reichweite der Rechtskraft ist grundsätzlich auf die Betroffenen und [X.]n des konkreten Bußgeldverfahrens beschränkt. Soweit an demselben Verfahren mehrere [X.] beteiligt sind, ist eine gesonderte Betrachtung für jeden von ihnen geboten. [X.]in verurteilendes [X.]rkenntnis kann, soweit es sich gegen einen Beteiligten richtet, rechtskräftig werden, soweit es sich gegen einen anderen richtet, dagegen nicht (vertikale Teilrechtskraft). Steht - wie hier - aufgrund einer insoweit nicht mehr anfechtbaren bußgeldrechtlichen [X.]ntscheidung fest, dass die [X.] eines nebenbetroffenen Verbands eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die sie Pflichten verletzt hat, die den Verband trafen, muss aber die gegen diesen zu verhängende Geldbuße neu bemessen werden (horizontale Teilrechtskraft), wirkt die teilrechtskräftige [X.]ntscheidung gegen den Verband selbst, indes nicht ohne Weiteres gegen dessen Rechtsnachfolger (zu den Begriffen der vertikalen und horizontalen Teilrechtskraft vgl. [X.], [X.], 27. Aufl., [X.]inl. [X.] Rn. 68; ferner [X.], Beschluss vom 23. Februar 2017 - 3 StR 546/16, [X.]R [X.] § 404 Abs. 1 Antragstellung 10 Rn. 5); dies gilt auch dann, wenn der Rechtsnachfolger am bisherigen Verfahren als weiterer [X.] wegen einer Ordnungswidrigkeit seiner eigenen [X.] beteiligt war. Vielmehr bedarf es für die Rechtskrafterstreckung auf einen anderen - nicht wirtschaftlich nahezu identischen - Verband einer gesetzlichen Anordnung, die hier nicht besteht.

Soweit die Beschwerdeführerin einen Vergleich zur Rechtskrafterstreckung im Zivilprozess zieht, nimmt sie nicht Bedacht darauf, dass § 325 ZPO diese Rechtsfolge - wie etwa auch § 121 VwGO und § 110 FGO im verwaltungs- und finanzgerichtlichen Verfahren - ausdrücklich vorsieht. [X.]benso erfolglos beruft sie sich auf das Umwandlungsrecht. Zwar führt nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 [X.] die [X.]intragung der Verschmelzung im Register dazu, dass ein rechtskräftig gegen den Rechtsvorgänger festgesetztes Bußgeld, also die Zahlungsverpflichtung als solche, wie jede andere Verbindlichkeit auf den Rechtsnachfolger übergeht (s. [X.], NZ[X.]art 2013, 254 Rn. 3; Grunewald in [X.], [X.], 6. Aufl., § 20 Rn. 43). Die Vorschrift kann jedoch nicht die Zurechnung der kartellrechtswidrigen Handlung oder den [X.]intritt in die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit bewirken, weil es sich hierbei nicht um Vermögensbestandteile handelt (s. [X.], [X.] 177 [2013], 518, 523 ff.; ferner [X.] in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 20 [X.] Rn. 37). Die Teilrechtskraft der Verurteilung vom 29. Oktober 2012 könnte allenfalls nach § 30 Abs. 2a Satz 3 OWiG auf die [X.] erstreckt worden sein; allerdings ist - wie ausgeführt (vgl. Rn. 9 ff.) - dessen zeitlicher Anwendungsbereich nicht eröffnet.

Mit dem Senatsbeschluss vom 3. Juni 2014 stand lediglich fest, dass die [X.]        für die [X.]artelltat ihrer [X.] bußgeldrechtlich verantwortlich war (§ 30 Abs. 1 OWiG). Die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 [X.] lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass - mit der Rechtsbeschwerdebegründung - diese Verantwortlichkeit als nur "noch höhenmäßig zu bemessende Bußgeldpflicht" bezeichnet wird. Denn erst durch den richterlichen [X.] der Verhängung der Geldbuße entsteht die Zahlungsverpflichtung.

b) [X.]ntgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erweist sich der Teilfreispruch der [X.]n auch nicht deshalb als rechtsfehlerhaft, weil das [X.] die Bindungswirkung der Feststellungen zum teilrechtskräftigen "Schuldspruch" verkannt hätte. Die Bindungswirkung hindert das neue Tatgericht nicht, weitere den bindenden nicht widersprechende Feststellungen zu treffen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. April 2017 - 4 StR 547/16, [X.]St 62, 155 Rn. 22 mwN), schon gar nicht zu solchen Umständen, die nach der Hauptverhandlung im ersten Rechtsgang eingetreten sind (s. BeckO[X.] [X.]/Wiedner, [X.]., § 353 Rn. 60). Im [X.]inzelfall kann dies sogar geboten sein, nicht nur unter Aufklärungsgesichtspunkten, sondern auch sachlichrechtlich. So liegt es bei den vom [X.] zum [X.]rlöschen der [X.] getroffenen Feststellungen.

3. [X.] kann, ob gegen die [X.] nach § 81e [X.] ein Haftungsbetrag aus Anlass der von der [X.] der S.       [X.].        begangenen [X.]artellordnungswidrigkeit festgesetzt werden kann. Wie das [X.] mit Schriftsatz vom 1. April 2020 zutreffend ausgeführt hat, ist im vorliegenden Bußgeldverfahren hierüber nicht zu befinden; vielmehr hat das [X.] als nach § 81e Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 82 Abs. 1 Nr. 3, §§ 48 ff. [X.] zuständige Behörde zu entscheiden, ob es in einem gesonderten Verfahren einen entsprechenden Haftungsbescheid erlässt.

[X.]     

      

[X.]irchhoff     

      

Berg   

      

[X.]     

      

Rombach     

      

Meta

KRB 86/20

08.03.2021

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 12. August 2020, Az: V-2 Kart 3-6/15 OWi

§ 3 OWiG, § 30 Abs 1 OWiG, § 30 Abs 2a OWiG, § 20 Abs 1 Nr 1 UmwG, § 81 Abs 1 Nr 1 GWB, Art 103 Abs 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2021, Az. KRB 86/20 (REWIS RS 2021, 8112)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8112

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI R 10/11

3 StR 546/16

4 StR 547/16

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