Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.06.2015, Az. III R 17/13

3. Senat | REWIS RS 2015, 9817

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Gegenstand

(Anspruch des PKH-Anwalts auf Ersatz von Reisekosten bei Teilnahme an mündlicher Verhandlung vor dem EuGH - Anreise am Vortag - Unanfechtbarkeit des Beschlusses über den Antrag nach § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG)


Leitsatz

1. NV: Im Fall einer Beiordnung im Prozesskostenhilfeverfahren für das Revisionsverfahren umfasst dieses auch die Vertretung im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union .

2. NV: Wird die mündliche Verhandlung vor dem EuGH anberaumt, ist auf Antrag des beigeordneten Prozessbevollmächtigten nach § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG regelmäßig festzustellen, dass die Reise des Prozessbevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung erforderlich ist .

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Reise des Prozessbevollmächtigten zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 17. Juni 2015 in der Sache III R 17/13 (Vorabentscheidungsersuchen [X.]/14) erforderlich ist.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

I. Der im Rahmen des anhängigen Revisionsverfahrens beigeordnete Antragsteller (Prozessbevollmächtigter) des [X.] und Revisionsbeklagten (Kläger) beantragt mitzuteilen, welche Reisekosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung in der Rechtssache [X.]/14 vor dem [X.] ([X.]) am 17. Juni 2015 (Vorabentscheidungsersuchen des Senats im Revisionsverfahren III R 17/13) im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) übernommen werden können. Er beabsichtige, zusammen mit dem Kläger am Vortag anzureisen und in [X.] zu übernachten, da die mündliche Verhandlung bereits um 9:30 Uhr beginnen werde.

Entscheidungsgründe

2

II. 1. Den Antrag des Prozessbevollmächtigten legt der Senat als einen Antrag nach § 46 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ([X.]) aus. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 [X.] kann das Gericht auf Antrag des Rechtsanwalts vor Antritt der Reise feststellen, dass eine Reise erforderlich ist.

3

2. Der Antrag ist begründet, soweit der Antragsteller (der Prozessbevollmächtigte) die Feststellung der Erforderlichkeit der Reise für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] begehrt (3.a). Hingegen ist die Anwesenheit des [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] zur sachgemäßen Durchführung des Verfahrens nicht erforderlich. Insoweit hat der Antrag keinen Erfolg (3.b).

4

3. Erforderlich i.S. des § 46 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist jede Reise, die ein verständiger Beteiligter in der maßgebenden Situation zur Führung des Rechtsstreits und zum Erreichen des erstrebten [X.] als sachdienlich ansehen darf (vgl. Beschluss des [X.] vom 3. Februar 2015 L 15 SF 18/14 E, Rz 19; vgl. Fölsch in [X.]/Wolf, [X.], § 46 [X.] Rz 9).

5

a) [X.] zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] ist nach diesen Maßstäben erforderlich.

6

Ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ist ein Zwischenstreit in dem zwischen den Beteiligten anhängigen Rechtsstreit. Wird einem Beteiligten daher uneingeschränkt [X.] für das Revisionsverfahren bewilligt und ein Anwalt beigeordnet, so umfasst die Beiordnung auch die Vertretung im Vorabentscheidungsverfahren vor dem [X.] (Beschluss des [X.] vom 16. Januar 2014 IX ZR 265/12, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 1539). Dass es zu einer Vorlage an den [X.] kommen könnte, war von vornherein bereits bei der Beiordnung des Prozessbevollmächtigten absehbar. Neben dem Recht zur schriftlichen Stellungnahme hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] wie die Vertreter der Mitgliedstaaten ein Anwesenheits- und ein Rederecht ([X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, EuRS Rz 21). Sofern dieser prozessuale Anspruch auf rechtliches Gehör wahrgenommen werden soll, sind die Anwesenheit und die damit verbundenen Reisekosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlich.

7

b) Nach dem aus § 139 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung herzuleitendem Grundsatz, dass jeder Beteiligte die Kosten der Prozessführung, die ihm ggf. zu erstatten sein werden, so niedrig zu halten hat, wie sich dies mit der Wahrung seiner prozessualen Belange vereinbaren lässt (sog. Kostenminimierungspflicht, vgl. Beschluss des [X.] vom 11. September 2007  9 KSt 5/07, NJW 2007, 3656), erachtet der Senat aus der Sicht eines verständigen Beteiligten die zusätzliche Teilnahme des [X.] an der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] als nicht erforderlich (vgl. auch den in § 121 Abs. 3 der Zivilprozessordnung zum Ausdruck kommenden Kostenminimierungsgedanken im [X.]-Verfahren).

8

Seine Interessen können ausreichend und umfassend durch seinen im [X.]-Verfahren beigeordneten Prozessbevollmächtigten wahrgenommen werden.

9

4. Nachrichtlich weist der Senat darauf hin, dass die Erstattung der notwendigen Kosten sich nach dem Vergütungsverzeichnis --[X.]-- (Anlage 1 zum [X.]; § 2 Abs. 2 [X.]), hier [X.] bis 7006, richtet.

Hinsichtlich der Fahrtkosten wird zwischen der Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs ([X.], Pauschale in Höhe von 0,30 € je gefahrenem km) und anderer Verkehrsmittel ([X.] 7004) unterschieden. Zu den sonstigen Auslagen zählen vor allem die in [X.] 7006 geregelten Übernachtungskosten, sofern diese erforderlich waren, etwa weil eine An- oder Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar war. Aufgrund des frühen Beginns der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] ist es im vorliegenden Fall nicht missbräuchlich, bereits am Vortag anzureisen. Eine Übernachtung in einem sog. Luxushotel ist grundsätzlich nicht geboten, vielmehr ist eine Übernachtung in einem Mittelklassehotel mit modernem Komfort angemessen.

5. Die Entscheidung ergeht entsprechend § 56 Abs. 2 Satz 2 [X.] gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

6. Der Beschluss ist unanfechtbar, weil eine Beschwerde im [X.] nicht vorgesehen ist (vgl. Beschluss des [X.] vom 25. Juni 2012  2 Ws 169/12, Neue Zeitschrift für Strafrecht [X.] Strafrecht 2012, 326, Rz 7, 8).

Meta

III R 17/13

15.06.2015

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

§ 46 Abs 2 S 1 RVG, § 56 Abs 2 S 2 RVG, § 139 FGO, Art 267 AEUV, Nr 7006 RVG-VV, Anl 1 Nr 7006 RVG, § 46 Abs 1 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.06.2015, Az. III R 17/13 (REWIS RS 2015, 9817)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9817

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W 8 M 17.30937

7 K 128/16

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