Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.10.2018, Az. 29 W (pat) 31/17

29. Senat | REWIS RS 2018, 3002

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "PPS_neo" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 049 153.5

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterinnen [X.] und Seyfarth

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]_[X.]

3

ist am 10. August 2015 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für die Waren und Dienstleistungen der

4

Klasse 09: Software;

5

Klasse 35: Unternehmens- und Managementberatung; Organisationsberatung in Bezug auf die Betriebsstrukturen von Unternehmen; Beratung in Geschäftsangelegenheiten;

6

Klasse 36: Finanzwesen; Immobilienwesen;

7

[X.]: Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung nicht-herunterladbare Softwareanwendungen; Hosting digitaler Inhalte im [X.]; Vermietung von Computerprogrammen.

8

oben fett gedruckten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42.

9

Unterstreichung gekennzeichnet):

Klasse 09: Software für den [X.] zur Erarbeitung, Dokumentation und Veröffentlichung schriftlich fixierter Ordnungen ([X.]);

Klasse 35: Unternehmens- und Managementberatung; Organisationsberatung in Bezug auf die Betriebsstrukturen von Unternehmen; Beratung in Geschäftsangelegenheiten;

Klasse 36: Finanzwesen; Immobilienwesen;

[X.]: Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung nicht-herunterladbare Softwareanwendungen; Hosting digitaler Inhalte im [X.]; Vermietung von Computerprogrammen; vorstehende Dienstleistungen ausschließlich in Bezug auf Softwareanwendungen bzw. Computerprogramme für den [X.] zur Erarbeitung, Dokumentation und Veröffentlichung schriftlich fixierter Ordnungen ([X.]).

Mit Beschluss vom 1. Februar 2017 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der hier angesprochene Verkehr den Begriff „[X.]_[X.]“ dahingehend verstehen werde, dass es sich bei den in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen entweder um solche handle, die mit einer neuen [X.] oder einer Neuauflage einer Produktionsplanungs- und Steuerungssoftware zu tun hätten, denn die Buchstabenfolge „[X.]“ würde als Abkürzung dafür verstanden werden und „[X.]“ sei ein gängiger Begriff für „neu“. Der angemeldete Begriff sei somit den hier angesprochenen Fachkreisen etwa aus der Softwareentwicklung sowie interessierten und informierten Laien ohne weiteres verständlich. Die Bezeichnung „[X.]“ finde im genannten Sinne bereits im Finanzsektor Verwendung; so verwendeten Finanzdienstleister [X.], die [X.] unterstützen. Die Bezeichnung „[X.]_[X.]“ weise daher nicht zwingend auf die Anmelderin hin. Die angesprochenen Verkehrskreise würden auch nicht davon ausgehen, dass nur eine Institution Waren und Dienstleistungen hinsichtlich einer solchen Software oder [X.] anbiete oder erbringe. Dieser beschreibende Hinweis reiche schon aus, um der Bezeichnung die Eignung zu nehmen, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen angesehen zu werden. Der angemeldeten Marke fehle folglich im genannten Umfang jegliche Unterscheidungskraft. Auch der vorgesehene [X.] vermöge es nicht, die Schutzfähigkeit herbeizuführen, da nicht ersichtlich sei, wieso eine Software für den [X.] nichts mit einer Produktionsplanungs- und Steuerungssoftware zu tun haben könne.

Gegen die Teilzurückweisung seiner Anmeldung richtet sich die Beschwerde des Anmelders.

Im Beschwerdeverfahren hat der Anmelder das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis nochmals wie folgt eingeschränkt (erneutes Hinzufügen durch

Klasse 09: Software in Form von Anwendungssoftware für den [X.] zur Erarbeitung, Dokumentation und Veröffentlichung schriftlich fixierter Ordnungen ([X.]) ;

Klasse 35: Unternehmens- und Managementberatung; Organisationsberatung in Bezug auf die Betriebsstrukturen von Unternehmen; Beratung in Geschäftsangelegenheiten;

Klasse 36: Finanzwesen; Immobilienwesen;

[X.]: Bereitstellung der zeitweiligen Nutzung nicht-herunterladbare Softwareanwendungen; Hosting digitaler Inhalte im [X.]; Vermietung von Computerprogrammen in [X.] ; vorstehende Dienstleistungen ausschließlich in Bezug auf Softwareanwendungen bzw. Computerprogramme in [X.] für den [X.] zur Erarbeitung, Dokumentation und Veröffentlichung schriftlich fixierter Ordnungen ([X.]).

Er ist der Auffassung, dass dem angemeldeten Zeichen, jedenfalls unter Berücksichtigung der eingefügten [X.], ein absolutes Schutzhindernis nicht entgegenstehe. Vorliegend weise das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit keinen unmittelbaren, direkten beschreibenden Charakter auf, auch unter Berücksichtigung der vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten der in dem Gesamtzeichen enthaltenen Buchstabenfolge „[X.]“. Der [X.] könne eine Schutzfähigkeit begründen, da es sich bei der von der Markenstelle als für eine Software beschreibend angeführte Interpretation von „[X.]“ als „Produktionsplanung und Steuerung“ um einen feststehenden Begriff handle, der (ausschließlich) mit der Produktion von Waren und Gütern in Zusammenhang stehe. Es könne sich daher lediglich um eine Software für die Planung und Steuerung der Herstellung von Industriegütern handeln. Das Tätigkeitsfeld einer Sparkasse sei gänzlich unterschiedlich und betreffe insbesondere nicht die Herstellung von Industriegütern, da sie keine Produkte herstelle, sondern lediglich Dienstleistungen erbringe. Es sei augenscheinlich, dass „[X.]-Systeme“ bei oder im Zusammenhang mit der Erbringung von [X.] nicht zum Einsatz kämen. Der [X.] beschränke demgemäß das angemeldete Zeichen auf Waren und Dienstleistungen für den [X.] zur Erarbeitung, Dokumentation und Veröffentlichung schriftlich fixierter Ordnungen ([X.]), wobei es sich dabei um einen offiziellen Begriff der [X.] handle. Dieser habe nichts mit einer Produktionsplanungs- und Steuerungssoftware zu tun, was das angemeldete Zeichen aus dem Bereich der Schutzunfähigkeit herausführe. Weiter trägt der Anmelder vor, dass es sich bei der Abkürzung „[X.]“ um eine Dateiendung von Dateien des [X.] handle und somit ebenfalls nicht beschreibend sei für Software für den [X.] zur Erarbeitung, Dokumentation und Veröffentlichung schriftlich fixierter Ordnungen. Hierfür sei der [X.] für die Waren und Dienstleistungen der [X.] und 42 nochmals angepasst worden, um klarzustellen, dass Anwendungsdateien wie .pps-Dateien nicht beansprucht werden.

Der Beschwerdeführer beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des [X.]s vom 8. Juni 2016 und 1. Februar 2017 aufzuheben.

Mit dem [X.] sind dem Beschwerdeführer vorab Rechercheunterlagen zugesandt worden ([X.]. 37-65 d. A.); ferner wurden in der mündlichen Verhandlung ergänzend [X.]e ([X.]. 86-104 d. A.) übergeben, zu denen der Beschwerdeführer nach Erörterung mit dem Senat erklärt hat, keine weiteren Ausführungen mehr machen zu wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde des Anmelders bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Eintragung der Bezeichnung „[X.]_[X.]“ als Marke steht in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 608 Rn. 66 f. – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. [X.] – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – for you; [X.] GRUR 2001, 1151 – marktfrisch; [X.] 2000, 420 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943 Rn. 24 – SAT 2; [X.] WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, Rn. 86 – Postkantoor; [X.] [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.], 270 Rn. 11 – Link economy) oder die Zeichen sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] GRUR 2014, 1204 Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 23 – TOOOR!).

Hierfür reicht es aus, dass ein Zeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] [X.], 146 Rn. 32 – [X.]; 674 Rn. 97 – Postkantoor; [X.], 680 Rn. 38 – [X.]; [X.], 58 Rn. 21 – [X.]); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer [X.] entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe lediglich dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der [X.] wegführt ([X.] [X.] 2007, 204 Rn. 77 f. – [X.]; a. a. [X.] Rn. 98 – Postkantoor; a. a. [X.] Rn. 39 f. – [X.]; a. a. [X.] Rn. 28 – SAT 2; [X.], a. a. [X.] – Düsseldorf Congress).

Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Zeichen ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. [X.] [X.], 943, 944 – SAT.2; [X.], 229, 230 – BioID).

b) Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen ist dem Zeichen „[X.]_[X.]“ im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren der [X.] und den Dienstleistungen der [X.] die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] abzusprechen. Die hier angesprochenen Verkehrskreise werden das Anmeldezeichen im konkreten Waren- bzw. [X.] selbst auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten [X.] weiteres in seiner Gesamtbedeutung im Sinne einer neuen Software bzw. eines neuen Systems für Produktionsplanung und -steuerung erkennen und wegen der darin enthaltenen Sachaussage keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen erkennen.

aa) Die im Beschwerdeverfahren erklärte Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses „…

bb) Das angemeldete Zeichen setzt sich aus der Buchstabenfolge „[X.]“ und dem mit einem Unterstrich verbundenen Wortelement „[X.]“ zusammen.

Die Buchstabenfolge „[X.]“ ist als Abkürzung mit unterschiedlichen Bedeutungen erfasst (vgl. www.abkuerzungen.de und abkuerzungen. woxikon.de), so z. B. für

Parallel Processing System

Peripheral Power Supply

Precise Positioning Service 

Produktionsplanungs- und Steuerungssystem bzw. [computerunterstützte] Produktionsplanung und -steuerung

Project Planning System 

Prozess-Peripherie-System

Public Packet Switching 

Pay-per-Sale

Performance Presentation Standards.

Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Waren und Dienstleistungen steht die Buchstabenfolge „[X.]“ vorliegend als Abkürzung für ein Produktionsplanungs- und Steuerungssystem bzw. eine entsprechende Software. Es werden darunter computergestützte Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme verstanden, die zur operativen Planung und Steuerung des Produktionsgeschehens in einem Industriebetrieb eingesetzt werden. Ziel ist es dabei [X.], [X.], Zeit- und Kapazitätsplanungen, beispielsweise unter Berücksichtigung von Absatzprognosen und Kundenaufträgen, durchzuführen. Ziel der [X.]-Systeme ist die Realisierung kurzer Durchlaufzeiten, die Termineinhaltung, optimale Bestandshöhen und die wirtschaftliche Nutzung der Betriebsmittel ([X.] 1; [X.]). Dass „[X.]“ als Abkürzung für Produktionsplanungs- und Steuerungssystem steht, räumt der Anmelder grundsätzlich ein, allerdings mit der Einschränkung, dass [X.] ausschließlich im Zusammenhang mit der Produktion von Waren und Gütern in Industrieunternehmen, nicht aber in der Finanzbranche Verwendung finde.

Soweit die Markenstelle die Buchstabenfolge [X.] im Übrigen auch als Abkürzung für „[X.]“ gesehen hat, liegt diese Bedeutung im Hinblick auf die [X.] nicht (mehr) nahe.

[X.]“ stammt von dem [X.] Wort „néos“ („neu“) ab und bedeutet in Bildungen mit Adjektiven oder Substantiven „neu, erneuert; jung“. Es drückt in Bildungen mit Substantiven oder Adjektiven auch aus, dass etwas (eine Ideologie, Kunstrichtung o. Ä.) eine Wiederbelebung erfährt oder dass an Früheres angeknüpft wird (vgl. [X.] unter www.duden.de). In dieser Bedeutung ist „[X.]“ als Präfix in Wortkombinationen wie Neofaschismus, Neoklassizismus, Neoliberalismus, Neobarock usw. allgemein bekannt. Der Verkehr misst dem Wort die Bedeutung „neu“ aber auch in Alleinstellung zu (vgl. [X.], Beschluss vom 29.01.2013, 33 W (pat) 531/11 – [X.]; Beschluss vom 09.05.2018, 29 W (pat) 587/17 – [X.]). Dass, wie im vorliegenden Fall, der Begriff „[X.]“ einem als neu oder wiederbelebt zu kennzeichnenden Begriff nach- und nicht vorangestellt ist, steht dem nicht entgegen. Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen ohne weiteres, dass ein nachgestelltes „[X.]“ den, hier durch einen Unterstrich verbundenen, vorangegangen Begriff, als entsprechend neu kennzeichnet (vgl. hierzu [X.] zu „ZDF[X.]“ [X.]. 63 d. A.).

Der Unterstrich „_“ zwischen den Wortteilen „[X.]“ und „[X.]“ ist nicht geeignet, das Schutzhindernis zu überwinden. Der Verkehr misst dem Unterstrich, der dem Verkehr auch bei Adressen im [X.] begegnet, keine eigenständige Bedeutung zu, sondern durch die gewählte Grafik werden die Einzelbestandteile noch leichter unmittelbar erkannt, wobei der Unterstrich sie gleichzeitig verbindet und betont. Der Verkehr fasst diese Darstellung als eine der Alternativen von verschiedenen Wiedergabemöglichkeiten der Angabe auf (vgl. schon [X.], Beschluss vom 12.08.2004, 25 W (pat) 56/02 – geo_lab).

cc) In ihrer für die Schutzfähigkeitsprüfung maßgeblichen Gesamtheit besagt das Zeichen „neue Software bzw. neues Systems für Produktionsplanung und -steuerung“. Der Einwand des Beschwerdeführers, [X.]-Systeme – sei es integriert in [X.] oder eigenständig – hätten nichts mit Waren und Dienstleistungen im [X.] (bzw. in Finanzinstituten) zur Erarbeitung, Dokumentation und Veröffentlichung schriftlich fixierter Ordnungen ([X.]) zu tun, überzeugt nicht. Denn der Anwendungsbereich von [X.]-Systemen ist nicht nur auf den produzierenden Bereich, mithin auf industrielle Unternehmen, beschränkt, sondern eine Produktionsplanung und -steuerung findet auch Einsatz im Finanzbereich.

[X.]-Systeme können in sogenannten Enterprise-Resource-Planning-Systemen ([X.]n) integriert sein, welche die allgemeine Aufgabe haben „Ressourcen wie Kapital, Personal, Betriebsmittel, Material und Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne des Unternehmenszwecks rechtzeitig und bedarfsgerecht zu planen und zu steuern“ (vgl. [X.] 1, Erläuterung zu „[X.]“). Die enge Verknüpfung von [X.] und [X.] Systemen beruht darauf, dass [X.] Systeme ursprünglich als Produktionsplanungssysteme ([X.]) begannen mit einer Anbindung an das [X.] (vgl. [X.] 1, Fachinformation zu [X.], [X.]). Daher werden [X.] und [X.] Systeme auch häufig von denselben Herstellern und oft auch als miteinander kombinierte, integrierte Systeme bzw. als eine einzige Software angeboten (vgl. [X.] 1, [X.]auftritt eines [X.]/[X.]-Anbieters). [X.]/[X.]-Systeme kommen daher nicht nur in der Industriebranche mit Waren und Gütern typischerweise zum Einsatz, sondern in den unterschiedlichsten Branchen. Neben den typisch [X.] Branchen wie dem Maschinenbau- oder der Elektroindustrie finden [X.]/[X.]-Systeme auch Anwendung in der chemischen Industrie und dem Finanz-, Buchhaltungs- und Rechnungswesen (vgl. [X.] 1, [X.]; [X.]auftritt eines [X.]/[X.]-Anbieters https://www.geovision.de). Eine entsprechende Produktionsplanung und -steuerung ist konsequenterweise abhängig von den zu planenden bzw. zu steuernden jeweiligen unternehmensspezifischen Strukturen und der Produkte und Dienstleistungen der jeweiligen Branche. Je nach Anwendungsgebiet wird eine angepasste [X.]/[X.]-Software auf eine bestimmte Branche zugeschnitten, um eine entsprechende Planung und Steuerung der jeweiligen Ressourcen zu ermöglichen. Hierfür bieten, neben dem Angebot großer Softwareunternehmen wie [X.], auch eine Vielzahl kleinerer [X.]/[X.]-Anbieter entsprechend dem jeweiligen Bedarf zugeschnittene Lösungen an. Im Bereich Finanzwesen betrifft die Steuerung und Regelung unter anderem Kundendatenbanken, Auftragsverfolgung, Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung (vgl. [X.] 1, Fachinformation zu [X.], [X.]). Somit beschränkt sich ein entsprechendes [X.]/[X.]-System nicht allein auf Branchen für die Herstellung von Industriegütern, wie vom Anmelder vorgetragen, sondern findet durchaus Anwendung bei der Steuerung und Regelung in Branchen, die vornehmlich Dienstleistungen anbieten, wie zum Beispiel die Finanzdienstleistungsbranche, zu welcher auch der [X.] zählt. Dies schließt ebenfalls die „Dokumentation und Veröffentlichung schriftlich fixierter Ordnungen ([X.])“ ein. Der Begriff „Schriftlich fixierte Ordnung“ bezeichnet ein [X.] und dient der jederzeitigen Einsicht auf die schriftlich niedergelegten standardisierten Abläufe sowie Regelungen, Vorschriften und Organisationsstrukturen eines Unternehmens. Es lässt sich allgemein definieren als die gegliederte Zusammenfassung aller gültigen, generellen und aufeinander abgestimmten organisatorischen und betrieblichen Regelungen. Es beinhaltet somit sämtliche Arbeitsabläufe und Zuständigkeiten und unterstützt Unternehmen bei der effizienten und standardisierten Erfüllung der Geschäftstätigkeit (Anlage 3, Rezension zu dem Fachbuch „Das [X.]“). Damit fällt das Aufgabengebiet einer [X.]/[X.]-Software, nämlich die konkrete Planung und Steuerung von Vorgängen und Ressourcen für eine effiziente Unternehmensführung und optimierte Handlungsabläufe, in den Bereich, welcher in der „schriftlich fixierten Ordnung“ behandelt bzw. festgehalten wird.

Produktionsplanung und –steuerung eingesetzt werden. So wird bereits in einem Buch aus dem [X.] mit dem Titel „Die Industrialisierung des [X.] – wie sich Konzepte der Industrie auf Banken übertragen lassen“ der Einsatz von [X.]-Systemen in [X.] Bankinstituten thematisiert ([X.]. 86/87 d. A.); so ist dort als Fazit zu lesen: „Die [X.] im Vertrieb erfolgt dann auf Basis der in der Industrie seit vielen Jahren eingesetzten Produktionsplanungs- und Steuerungssystematik ([X.]-Systeme).“. Ferner ist die Industrialisierung in Banken Thema in einem im Jahr 2007 in [X.] ([X.] Sonderausgabe, [X.]) erschienenen Artikel mit der Überschrift „Prozessdenken als Basis für die Industrialisierung?“ ([X.]. 88 d. A.). Die weiteren [X.]e – die teilweise auf mit dem [X.] verbundene Firmen zurückgehen ([X.], f-i-ts GmbH & Co.KG) – zeigen, dass in der Finanzbranche auch von „Produktionsplanung“ (so sucht eine Sparkassentochter einen „Mitarbeiter Produktionsplanung“, [X.]. 97 d. A.), „Produktionssteuerung“ (vgl. Artikel: „Die Produktionssteuerung in der Bank“, [X.]. 89-96 d. A.) oder „Bank-Produktionsprozesse“ ([X.]. 98 d. A.) gesprochen wird.

[X.]-Manager, die sich eben mit Produktionsplanung und -steuerung beschäftigen ([X.]. 101 d. A.). Eine Unternehmensberatung bietet Lösungen für das Anweisungs- & Rechnungswesen wie folgt an: „…ist eine modulare Web-Anwendung auf Basis modernster Java-Technologie. Sie vereint komfortabel die verschiedenen Anforderungen an die Schriftlich fixierte Ordnung ([X.]) mit integrierter [X.]-Prozesslandkarte, das [X.] ([X.]) sowie das zugrundeliegende Dokumentenmanagement…“. Die [X.] (vgl. [X.]. 103/104 d. A.) verwendet „[X.]“ - zwar im Zusammenhang mit dem Produkt des Anmelders „[X.] für Sparkassen ([X.]) -, aber auch in ersichtlich beschreibender Weise: „Was ist die [X.]-Prozesslandkarte? Dies ist das Ordnungs- und Steuerungsinstrument für die Produktionsplanung/-koordination und –steuerung mit insgesamt ca. 1330 Prozessen. Eine Bearbeitung erfolgt hier Stück für Stück in den Produktionsplattformen.“.

ProzessPlus für Sparkassen“ und „[X.]“ für „neues einheitliches Organisationssystem“ verstanden wissen; er beschreibt „[X.]_[X.]“ als „Software und Methodik, mit der zentral entwickelte standardisierte Prozesse und Dokumente einfach per Plug & Play verfügbar sind“. Für die Beurteilung, ob das Wortzeichen oder deren Bestandteile die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, kommt es aber nicht darauf an, welche Bedeutung der Anmelder der Bezeichnung beimessen will. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht des angesprochenen Verkehrs (vgl. hierzu [X.] GRUR 2017, 914 Rn. 22 – [X.]/MediCo Apotheke); dieser wird hier aber in [X.] – nicht zuletzt wegen der beschreibenden Verwendung auch im Zusammenhang mit Finanzdienstleistern – die lexikalisch erfasste Fachabkürzung für Produktionsplanung und –steuerung erkennen.

dd) In seiner Gesamtheit wird das angemeldete Zeichen „[X.]_[X.]“ in Bezug auf die in Rede stehenden beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur als beschreibender Hinweis darauf verstanden, dass es sich um ein [X.]-System bzw. eine [X.]-Software handelt, welches im Vergleich zu früheren [X.]-Systemen neuartig und/oder überarbeitet ist.

[X.]-Consulting anbieten.

Für die beanspruchte Ware der Klasse 09 „

Das Anmeldezeichen verfügt daher nicht über die erforderliche Unterscheidungskraft.

2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorliegt, kann dahinstehen, ob die angemeldete Bezeichnung darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen freihaltungsbedürftig ist.

Meta

29 W (pat) 31/17

10.10.2018

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 10.10.2018, Az. 29 W (pat) 31/17 (REWIS RS 2018, 3002)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3002

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

30 W (pat) 521/18 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Overview" – Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis


29 W (pat) 104/12 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "edatasystems" – keine Unterscheidungskraft – langjährige Benutzung des Zeichenelements "edata" - kein Vortrag …


30 W (pat) 520/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "CINE ENGINE" – Marke ist teilweise für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend …


24 W (pat) 84/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "ERP Doktor" - Freihaltungsbedürfnis -


29 W (pat) 569/20 (Bundespatentgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.