Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.03.2019, Az. 10 AZR 512/17

10. Senat | REWIS RS 2019, 8838

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Gegenstand

Betrieblicher Geltungsbereich des VTV - SokaSiG


Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. September 2017 - 12 [X.] 1207/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Beiträge nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 in den Fassungen vom 18. Dezember 2009 und 21. Dezember 2011 ([X.]).

2

Der Kläger ist die Urlaubs- und [X.] der Bauwirtschaft, eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines [X.]ereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher [X.]erleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes verpflichtet. Auf der Grundlage des [X.] begehrt der Kläger vom [X.]n zuletzt noch Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und eine Angestellte für den Zeitraum von Januar 2010 bis Februar 2012 in [X.]. Der [X.] war in der Fassung vom 18. Dezember 2009 am 25. Juni 2010 und in der Fassung vom 21. Dezember 2011 am 3. Mai 2012 für allgemeinverbindlich erklärt worden. Der [X.] hat festgestellt, dass beide Allgemeinverbindlicherklärungen unwirksam sind ([X.] 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - [X.]E 156, 213; 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 -).

3

§ 1 Abs. 2 [X.] lautet auszugsweise:

        

„Betrieblicher Geltungsbereich

        

Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis I[X.] fallen.

        

Abschnitt I

        

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

        

Abschnitt II

        

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

        

…       

        

Abschnitt [X.]

        

Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:

        

…       

        
        

34.     

[X.], Putz, Gips- und Rabitzarbeiten, einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;

        

...     

        
        

37.     

Trocken- und Montagebauarbeiten (z. B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen, Montage von Baufertigteilen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;

        

38.     

[X.]erlegen von Bodenbelägen in [X.]erbindung mit anderen baulichen Leistungen;

        

…       

        
        

Abschnitt [X.]II

        

Nicht erfasst werden Betriebe

        

…       

        
        

2.    

des [X.],

        

…       

        
        

6.    

des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht Arbeiten der in Abschn. I[X.] oder [X.] aufgeführten Art ausgeführt werden,

        

…       

        
        

12.     

des [X.], des Gas- und [X.], des [X.], des [X.] und Lüftungsbauergewerbes sowie des [X.], soweit nicht Arbeiten der in Abschn. I[X.] oder [X.] aufgeführten Art ausgeführt werden,“

4

In den Kalenderjahren 2010 bis 2012 waren bei dem [X.]n eine Angestellte als Bürokraft und der gewerbliche [X.] in [X.]ollzeit beschäftigt. [X.] ist gelernter Kfz-Mechaniker und verfügt - ebenso wie der [X.] selbst - nicht über eine Ausbildung im Dachdeckerhandwerk, Maler- und Lackiererhandwerk oder Klempnerhandwerk. Daneben waren gleichzeitig bis zu - höchstens - drei gewerbliche Arbeitnehmer mit einer Arbeitszeit von 10 % bis 25 % einer [X.]ollzeitkraft beschäftigt, deren Arbeitsverhältnisse zwischen einem Monat und knapp einem Jahr andauerten.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die im Betrieb des [X.]n beschäftigten Arbeitnehmer hätten in den Kalenderjahren 2008 bis 2012 arbeitszeitlich gesehen überwiegend, dh. zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht habe, folgende Tätigkeiten ausgeführt:

        

-       

[X.], Putz-, Gips- und Rabitzarbeiten, einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern,

        

-       

Malerarbeiten zu weniger als 50 % einschließlich aller mit den Malerarbeiten im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten,

        

-       

[X.] und Bodenbelagsarbeiten im Zusammenhang mit eigenen baulichen Leistungen,

        

-       

Trockenbau und Montagebauarbeiten, wie zB den Einbau vorgefertigter und von [X.] bezogener Baufertigteile, insbesondere von Fenstern und Türen, das [X.]erkleiden von Wänden und Decken, das Anbringen von Rigipsplatten oder Holz- bzw. Kunststoffkanälen, das Erstellen von Leichtbautrennwänden und Reparaturen an diesen Bauteilen, insbesondere an Fenstern und Türen, [X.]erputz- und Maurertätigkeiten, insbesondere im Zusammenhang mit Montagearbeiten,

        

-       

und die mit diesen Tätigkeiten in Zusammenhang stehenden [X.]or-, Zu- und Nachbereitungstätigkeiten wie Materialbeschaffung, Baureinigung und Aufräumarbeiten an eigenen Baustellen.

6

Die Anwendbarkeit des [X.] auf den Betrieb des [X.]n folge nach der erstmals in der Berufungsinstanz geäußerten Ansicht des [X.] aus § 7 Abs. 6 und Abs. 7 i[X.]m. den Anlagen 31 und 32 des [X.] der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG).

7

Der Kläger hat beantragt,

        

den [X.]n zu verurteilen, an ihn 24.605,50 Euro zu zahlen.

8

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, sein Betrieb unterfalle nicht dem [X.]. Dort seien überwiegend Malertätigkeiten verrichtet worden. Der [X.] habe klassische Hausmeistertätigkeiten ausgeübt. Er habe kleinere Reparaturen an Schlössern, Schaltern, Lampen usw. durchgeführt und sei mit dem Entfernen von Tapeten, mit vor dem Tapezieren gegebenenfalls erforderlichen Ausbesserungsarbeiten von kleineren Putzschäden, dem Neutapezieren, dem Anbringen von Fußleisten und den im Zusammenhang mit den Maler- und Tapezierarbeiten erforderlichen Demontagen und Montagen von Steckdosen und Lichtschaltern befasst gewesen. Darüber hinaus habe er defekte Wasserhähne und Thermostatventile ausgewechselt und kleinere Reparaturen an Dächern durchgeführt. Sämtliche von ihm versehenen Tätigkeiten seien dem Dachdeckerhandwerk, dem Maler- und Lackiererhandwerk sowie dem Klempnerhandwerk zuzuordnen, sodass der betriebliche Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschn. [X.]II [X.] nicht eröffnet sei. Zudem fehle eine wirksame Geltungserstreckung des [X.] auf den Betrieb des nicht originär tarifgebundenen [X.]n, weil das SokaSiG verfassungswidrig sei.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme hinsichtlich eines Betrags von 12.420,15 Euro für den Zeitraum von Januar 2010 bis Februar 2012 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das [X.] hat die nur vom [X.]n eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der [X.] die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der Kläger Anspruch auf die geltend gemachten Beiträge für den Zeitraum von Januar 2010 bis Februar 2012 hat.

I. Der Kläger hat die zulässige Klage nicht geändert, indem er die Beitragsforderung in der Berufungsinstanz nicht mehr nur auf die [X.] [X.] 2010 und die [X.] [X.] 2012 gestützt hat, sondern auch auf § 7 Abs. 6 und Abs. 7 iVm. den Anlagen 31 und 32 SokaSiG.

1. Der prozessuale Streitgegenstand umfasst alle konkurrierenden materiell-rechtlichen Ansprüche. Er ändert sich auch dann nicht, wenn der Kläger erst im Verlauf des Rechtsstreits eine wirksame Anspruchsgrundlage benennt. Rechtliche Begründungen innerhalb desselben Tatgeschehens betreffen allein die [X.] und damit die dem Gericht obliegende rechtliche Bewertung des [X.] ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 27; [X.] 21. Februar 2019 - [X.]/18 - Rn. 30).

2. Deshalb handelt es sich hier nicht um eine Klageänderung. [X.] nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, für dessen Geltungserstreckung sowohl eine Allgemeinverbindlicherklärung als auch § 7 SokaSiG in Betracht kommen, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 18 ff.). Die Ansprüche stützen sich auf dasselbe Tatgeschehen. Sie sind weder in ihren materiell-rechtlichen Voraussetzungen noch in ihren Folgen oder strukturell grundlegend verschieden ausgestaltet.

II. Die Klage ist begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Beiträge aufgrund von § 7 Abs. 6 und Abs. 7 iVm. den Anlagen 31 und 32 SokaSiG zu. Die Anlagen 31 und 32 SokaSiG enthalten den vollständigen Text des [X.] in den im Streitzeitraum geltenden Fassungen (vgl. den Anlageband zum [X.]. I Nr. 29 vom 24. Mai 2017 S. 323 bis S. 350). Die in § 7 Abs. 6 und Abs. 7 SokaSiG angeordnete Geltungserstreckung des [X.] auf nicht [X.] ist aus Sicht des Senats verfassungsgemäß. Die Beitragspflicht des [X.] folgt aus § 1 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 18 Abs. 2 Satz 1, § 19 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.].

1. Der im [X.] gelegene Betrieb des [X.] unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich des [X.] (§ 1 Abs. 1 [X.]). Die bei dem [X.] beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellte werden vom persönlichen Geltungsbereich des [X.] erfasst (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 [X.]).

2. Der Betrieb des [X.] fällt in den betrieblichen Geltungsbereich des [X.]. Davon ist das [X.] auf der Grundlage der von ihm getroffenen und für den Senat nach § 559 ZPO bindenden Feststellungen zutreffend ausgegangen. Der Beklagte hat gegen sie keine Verfahrensrügen erhoben.

a) Der betriebliche Geltungsbereich des [X.] ist eröffnet, wenn die Arbeitnehmer des Betriebs [X.] überwiegend Tätigkeiten ausführen, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 [X.] fallen ([X.] 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 28, [X.]E 149, 84; 19. Februar 2014 - 10 [X.] - Rn. 10). Dabei ist auf die überwiegende Arbeitszeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr abzustellen ([X.] 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 43, aaO). Nur wenn in dem Betrieb [X.] überwiegend nicht die in den Abschnitten IV und V genannten Beispielstätigkeiten versehen werden, muss darüber hinaus geprüft werden, ob die verrichteten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III erfüllen ([X.] 15. Januar 2014 - 10 [X.] - Rn. 13; 15. Juni 2011 - 10 [X.] 861/09 - Rn. 12).

b) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Betrieb des [X.] zeitlich überwiegend Tätigkeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. I bis Abschn. V [X.] ausgeübt werden. Nach dem schlüssigen Vortrag des [X.] ist der betriebliche Geltungsbereich des [X.] eröffnet. Der Beklagte hat das Vorbringen des [X.] nicht mit erheblichen Darlegungen bestritten.

aa) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb [X.] überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt dem Kläger. Sein Sachvortrag ist schlüssig, wenn er Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich des [X.] erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 [X.] zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt [X.] überwiegen. Nicht erforderlich ist, dass der Kläger jede Einzelheit der behaupteten Tätigkeiten vorträgt ([X.] 27. März 2019 - 10 [X.] 318/17 - Rn. 19; 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 29, [X.]E 149, 84).

bb) Der Kläger hat schlüssig behauptet, die Arbeitnehmer des [X.] verrichteten [X.] überwiegend Tätigkeiten, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 [X.] fallen. Die behaupteten [X.], Putz-, Gips- und Rabitzarbeiten, [X.] und Bodenbelagsarbeiten im Zusammenhang mit eigenen baulichen Leistungen sowie Trockenbau und Montagebauarbeiten fallen unter § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 34, Nr. 37 und Nr. 38 [X.]. Die behaupteten Malerarbeiten werden von § 1 Abs. 2 Abschn. II [X.] erfasst, weil sie [X.] nicht überwiegend ausgeführt worden sein sollen und damit nach dem Vortrag des [X.] nicht unter § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] [X.] fallen.

cc) Dem Arbeitgeber obliegt es, sich nach § 138 Abs. 2 ZPO zu dem schlüssigen Tatsachenvortrag des [X.] zu der Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs zu erklären. Regelmäßig trifft ihn die Last des substantiierten Bestreitens, weil der Kläger außerhalb des [X.] steht und er keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Arbeitgeber sie kennt und ihm die entsprechenden Angaben zuzumuten sind. Das substantiierte Bestreiten kann sich auf die Art und/oder den Umfang der versehenen Arbeiten beziehen. Um feststellen zu können, welche Tätigkeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden, muss der Arbeitgeber substantiiert bestreiten und entsprechende Tatsachen vortragen. Dazu gehört, dass er die zeitlichen Anteile der verschiedenen Tätigkeiten darlegt ([X.] 27. März 2019 - 10 [X.] 318/17 - Rn. 19; 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 30, [X.]E 149, 84).

dd) Die Darlegungen des [X.] zu Art und Umfang der im Betrieb verrichteten Tätigkeiten stehen der Anwendung des [X.] nicht entgegen. Auch ausgehend vom Vortrag des [X.] wäre der betriebliche Anwendungsbereich des [X.] eröffnet.

(1) Nach § 1 Abs. 2 Abschn. II [X.] werden Betriebe vom betrieblichen Geltungsbereich erfasst, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Die Vorschrift erfasst alle Arbeiten, die irgendwie - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet - der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder auch der Instandsetzung oder Instandhaltung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, sodass diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können ([X.] 19. Februar 2014 - 10 [X.] - Rn. 21).

(2) Die von dem [X.] behaupteten Tätigkeiten sind bauliche Leistungen im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. II [X.]. Kleinere Reparaturen an Schlössern, Schaltern und Lampen sind dazu bestimmt, das Bauwerk wieder in einen funktionsfähigen Zustand zu versetzen, und fallen deshalb unter § 1 Abs. 2 Abschn. II [X.] (vgl. für Elektroarbeiten [X.] 25. November 2009 - 10 [X.] 737/08 - Rn. 12, [X.]E 132, 283). Die vom [X.] vorgetragenen Maler- und Tapezierarbeiten dienen ebenfalls der Erstellung, Instandsetzung oder Instandhaltung von Bauwerken im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. II [X.] (vgl. [X.] 9. Dezember 2009 - 10 [X.] 850/08 - Rn. 26). Das gilt auch für Klempnerarbeiten und Reparaturen an Dächern (vgl. für Klempnerarbeiten [X.] 13. Mai 2004 - 10 [X.] 120/03 - zu II 2 a der Gründe; für Arbeiten an Dächern [X.] 16. Mai 2001 - 10 [X.] 438/00 - zu II 2 der Gründe).

ee) Aus dem Vortrag des [X.] ergibt sich auch nicht, dass er einen nach § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] [X.] vom betrieblichen Anwendungsbereich ausgenommenen Betrieb führt. Beruft sich ein Arbeitgeber auf eine der Ausnahmen des § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] [X.], trägt er insoweit die Darlegungs- und Beweislast ([X.] 24. November 2004 - 10 [X.] 169/04 - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 113, 21; 13. Mai 2004 - 10 [X.] 120/03 - zu II 2 c der Gründe).

(1) Eine Ausnahme vom betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] [X.] liegt nicht vor, weil die ausgeübten „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ dem Betrieb nicht das Gepräge eines der ausgenommenen Gewerke geben.

(a) Führen Arbeitnehmer Tätigkeiten aus, die sowohl baulicher Natur als auch einem der ausgenommenen Gewerke des § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] [X.] zuzuordnen sind, kommt es darauf an, welches Gepräge diese „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ dem Betrieb geben. Entscheidend ist in erster Linie der Charakter der überwiegend ausgeführten Tätigkeiten. Die Abgrenzung richtet sich insbesondere danach, ob die „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ von Fachleuten des ausgenommenen Gewerks angeleitet und verrichtet werden. Werden sie von Fachleuten eines Baugewerbes oder von ungelernten Arbeitskräften durchgeführt, ist regelmäßig eine Ausnahme vom Geltungsbereich des [X.] abzulehnen ([X.] 15. Juni 2011 - 10 [X.] 861/09 - Rn. 29; 27. Oktober 2010 - 10 [X.] 351/09 - Rn. 22).

(b) Soweit die nach dem Vortrag des [X.] ausgeführten Arbeiten auch dem Dachdeckerhandwerk, dem Maler- und Lackiererhandwerk sowie dem Klempnerhandwerk zuzurechnen sind, handelt es sich um „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ (vgl. für Tätigkeiten des [X.] [X.] 16. Mai 2001 - 10 [X.] 438/00 - zu II 3 c der Gründe; für Tätigkeiten des Malerhandwerks [X.] 27. Oktober 2010 - 10 [X.] 351/09 - Rn. 19 f.; für Tätigkeiten des [X.] [X.] 15. Juni 2011 - 10 [X.] 861/09 - Rn. 29). Bei den genannten Tätigkeiten handelt es sich grundsätzlich um baugewerbliche Tätigkeiten im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. II [X.]. Sie geben dem Betrieb nicht das Gepräge eines der ausgenommenen Gewerke. Dafür fehlen insbesondere Fachleute des ausgenommenen Gewerks, die die Arbeiten anleiten oder ausführen. Weder der [X.] noch der Beklagte selbst verfügen über eine entsprechende Ausbildung.

(2) Aus dem Vortrag des [X.] ergibt sich darüber hinaus nicht, dass in seinem Betrieb [X.] überwiegend Tätigkeiten eines bestimmten Tatbestands aus dem Ausnahmekatalog des § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] [X.] erbracht werden.

(a) Ein Betrieb im Sinn der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] [X.] setzt voraus, dass in ihm [X.] zu mehr als der Hälfte der Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten ausgeübt werden, die einem der Tatbestände des Ausnahmekatalogs zuzuordnen sind. Verschiedenen Ausnahmetatbeständen zuzuordnende Tätigkeiten sind nicht zusammenzurechnen ([X.] 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 37, [X.]E 149, 84; 15. Juni 2011 - 10 [X.] 861/09 - Rn. 26).

(b) Ausgehend hiervon hat der Beklagte nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] [X.] erfüllt sind. Der Beklagte hat zwar ursprünglich behauptet, überwiegend seien nach § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] Nr. 6 [X.] ausgenommene Malerarbeiten durchgeführt worden. In Bezug auf den [X.] - auf den der ganz überwiegende zeitliche Anteil der Arbeitsleistung entfällt - trägt der Beklagte dagegen vor, dieser habe typische Hausmeistertätigkeiten ausgeführt, und zählt unterschiedlichen Gewerken zuzuordnende Arbeiten auf. Dem [X.] hätte oblegen, die auf die verschiedenen Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschn. [X.] [X.] entfallenden Arbeitszeitanteile konkret vorzutragen.

3. Gegen die Geltungserstreckung des [X.] auf den nicht originär tarifgebundenen [X.] durch § 7 Abs. 6 und Abs. 7 SokaSiG bestehen aus Sicht des Senats keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. [X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 42 ff.).

a) § 7 SokaSiG verletzt nach Auffassung des Senats nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen tariffreier Arbeitgeber, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 68 ff.). Der gegenteiligen Auffassung des [X.] stimmt der Senat nicht zu.

aa) Der Beklagte beruft sich vergeblich darauf, Vertrauen auf die Unwirksamkeit der [X.] habe bei denjenigen Arbeitgebern entstehen können, die sich dagegen gewehrt hätten, durch den Kläger in Anspruch genommen zu werden. Mit Blick auf die von § 7 Abs. 6 und Abs. 7 SokaSiG erfassten Zeiträume konnte sich bei den nicht originär tarifgebundenen Arbeitgebern kein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden, von Beitragszahlungen verschont zu bleiben ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 68 ff.).

bb) Entgegen der Auffassung des [X.] durfte der Gesetzgeber statt anfechtbaren Rechts [X.] Recht setzen. Der Gesetzgeber hat in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine aus formellen Gründen unwirksame Erstreckung der Normwirkung des [X.] aufgrund von [X.] durch wirksame - gesetzliche - Erstreckungsanordnungen ersetzt ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 93).

b) § 7 SokaSiG ist mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar. Das Gesetz verfolgt einen legitimen Zweck. Es dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit des [X.], indem es die Anwendung der seit dem 1. Januar 2006 geltenden Verfahrenstarifverträge auf [X.] ausdehnt. Die koalitionsspezifischen Verhaltensweisen der Tarifvertragsparteien und der materielle Inhalt der tariflichen Regelungen werden durch § 7 SokaSiG nicht berührt ([X.] 20. November 2018 - 10 [X.] - Rn. 45 ff.).

III. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Gallner     

        

    Brune     

        

    Pulz     

        

        

        

    [X.]     

        

    Budde     

                 

Meta

10 AZR 512/17

27.03.2019

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wiesbaden, 3. September 2015, Az: 5 Ca 1852/13, Urteil

§ 7 Abs 6 SokaSiG, § 7 Abs 7 SokaSiG, § 1 Abs 1 VTV-Bau, § 18 Abs 2 S 1 VTV-Bau, § 19 S 1 VTV-Bau, § 21 Abs 1 S 1 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn II VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 34 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 37 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn V Nr 38 VTV-Bau, § 1 Abs 2 Abschn VII VTV-Bau, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.03.2019, Az. 10 AZR 512/17 (REWIS RS 2019, 8838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8838

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

10 Sa 433/23 SK

10 Sa 702/23 SK

10 Sa 945/21 SK

9 K 2026/21

10 AZR 371/18

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