Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2014, Az. I ZR 71/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8512

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I ZR 71/12
Verkündet am:

22. Januar 2014

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.]-Chips
[X.] § 14 Abs. 2
Nr. 2
Die durch eine Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr entfällt nicht schon dann, wenn gegen die Zurückweisung der Markenanmeldung durch das Deutsche Patent-
und Markenamt keine Beschwerde eingelegt wird.
[X.], Urteil vom 22. Januar 2014 -
I ZR 71/12 -
O[X.]

[X.]

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 17.
Oktober 2013 durch [X.] Dr.
Dr.
h.c.
[X.] und [X.], Prof. Dr. Büscher, Dr.
Kirchhoff und Dr. Löffler

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 16.
März 2012 wird
auf Kosten der [X.]
zu-rückgewiesen.

Der [X.] fallen auch die außergerichtlichen Kosten der [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, ein Tochterunternehmen
der Metro AG, verwaltet die
ge-werblichen Schutzrechte des [X.]. Zu diesem Konzern gehört
auch die real,-
SB-Warenhaus GmbH, die mehr als 300 Warenhäuser in [X.] betreibt.
Die Klägerin
ist
Inhaberin mehrerer [X.] Marken mit dem Be-standteil "real,-".
Im vorliegenden Rechtsstreit stützt sie sich in erster Linie auf die
unter anderem für Waren der Klassen 29 und 30
eingetragene
deutsche Wort-Bild-Marke Nr.
307
64
283 mit den Wortbestandteilen "real,-
QUALITY"
("real"
in roter Schrift, weitere Wortbestandteile blau), die
im Folgenden darge-stellt
ist:

1
-
3
-

Die Beklagte vertreibt
auf den [X.] Inseln
unter der Bezeichnung "[X.]"
Kartoffelchips. Sie nahm
im Jahr 2010 an
der internationalen [X.] in [X.]
teil
und präsentierte dort
Kartoffelchips in der
folgenden Aufmachung:

2
-
4
-

Nachdem ihr dies
durch eine von der
Klägerin
erwirkte
einstweilige Ver-fügung verboten worden war, meldete die Beklagte am 13.
April 2010 die deut-schen Wortmarken "[X.]"
und "[X.] Crisps"
für folgende Waren der Klas-sen
29 und 30 an:

Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kartoffelchips; Kartoffelchips aus echten Kartoffeln; Kartoffelerzeugnisse und Kartoffelpräparate in Form von Snacks oder für deren Herstellung; gepuffte Schweineschwarte als Nahrungsmit-tel für den menschlichen Verzehr, verarbeitete Erdnüsse und geröstete Erdnüsse; Snacks in Form von echten Kartoffelchips;

Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, [X.], Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewür-ze; [X.]; geformte und stranggepresste herzhafte Snacks aus Getreidepräpa-raten und/oder Kartoffelmehl.

Das Deutsche Patent-
und Markenamt wies
die Anmeldungen am 4.
Oktober 2010 zurück, weil die Zeichen nicht unterscheidungskräftig seien. Die Bezeichnung "[X.]"
werde lediglich beschreibend verstanden. Die Ent-scheidungen
des Deutschen Patent-
und Markenamts
sind
bestandskräftig ge-worden, nachdem die Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hat.

Die Klägerin hat -
soweit für die Revision von Bedeutung -
beantragt,

die Beklagte
unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel
zu verurteilen, es zu unterlassen,

[X.]
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik [X.] unter der Be-zeichnung "[X.]"
Kartoffelchips anzubieten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken einzuführen, wie oben darge-stellt wiedergegeben;

I[X.]
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik [X.] die [X.] "[X.]"
und/oder "[X.] Crisps"
für die
oben genannten
Waren der Klassen 29 und
30 zu verwenden
und/oder verwenden zu lassen.

3
4
5
-
5
-
Das Landgericht hat die Beklagte
insoweit
antragsgemäß verurteilt. Die Berufung ist im Umfang der Verurteilung
nach dem vorstehend wiedergegebe-nen Klageantrag zu
II ohne Erfolg geblieben. Bezogen auf den Antrag zu I ist das Berufungsurteil rechtskräftig.
Mit ihrer vom Senat
allein
hinsichtlich des An-trags zu II zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte
ihren
Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat
dem
Unterlassungsantrag zu
II
stattgegeben und dazu ausgeführt:

Zwischen der [X.] und den Zeichen "[X.]"
und "[X.] Crisps"
der [X.]
liege
Verwechslungsgefahr im Sinne von §
14 Abs.
2 Nr.
2 Mar-kenG vor. Die [X.] sei durchschnittlich kennzeichnungskräftig und
es
bestehe [X.]. Zwischen der [X.] mit dem prägenden Be-standteil "real"
und den angegriffenen Zeichen sei eine hohe Ähnlichkeit anzu-nehmen.

Die
Anmeldung der Marken "[X.]"
und "[X.] Crisps"
durch die Be-klagte
begründe
eine Erstbegehungsgefahr
für eine rechtsverletzende Benut-zung dieser Bezeichnungen für die angemeldeten Waren.
Diese
sei auch nicht entfallen. Zwar seien
an die
Beseitigung der Erstbegehungsgefahr weniger ho-he Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungs-handlung begründeten Wiederholungsgefahr. Erforderlich sei aber
eine hinrei-chend deutliche entgegengesetzte Handlung ("actus contrarius"). Der Umstand, dass die Beklagte die Zurückweisung der Markenanmeldung nicht mit Rechts-mitteln angegriffen habe, reiche dafür nicht aus.
6
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8
9
-
6
-

I[X.] Die gegen diese Beurteilung
gerichtete
Revision der [X.]
hat
keinen Erfolg.

1. Die Revision ist zulässig. Das Rechtsmittel ist
auch hinsichtlich des Antrags zu
II ausreichend begründet worden (§
551 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 Buchst.
a ZPO).
Zwar enthält die Revisionsbegründung keine Ausführungen, mit denen sich die Beklagte ausdrücklich gegen die Verurteilung nach diesem Antrag wendet. Die Revision rügt
aber
auch solche rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts als unzutreffend, die
im Zusammenhang mit der [X.] zu
II stehen.

2. Die Revision ist
aber
nicht begründet.
Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Klägerin von der [X.] verlangen
kann, die Verwendung der Bezeichnungen "[X.]"
und/oder "[X.] Crisps"
für die näher bezeichneten Waren der Klassen
29 und 30
zu unterlassen.

a) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass zwi-schen der [X.] und den angegriffenen Zeichen in Bezug auf die aus dem Antrag ersichtlichen Waren Verwechslungsgefahr im Sinne von §
14 Abs.
2 Nr.
2 [X.] besteht.

aa) Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwir-kung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähn-lichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte 10
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-
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-
Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umge-kehrt. Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbe-sondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu be-rücksichtigen sind ([X.], Urteil vom 12.
Juni 2007
[X.]/05, [X.]. 2007, 4529 = [X.], 700 Rn.
35
Limoncello/[X.]; [X.], Urteil vom
3.
April 2008
I
ZR
49/05, [X.], 1002 Rn.
23 = [X.], 1434

Schuhpark).
Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht [X.].

[X.])
Das Berufungsgericht hat [X.] angenommen. Das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

cc) Die Beurteilung des
Berufungsgerichts, der [X.] komme durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu,
hält der revisionsrechtlichen Nach-prüfung stand.

(1) Das Berufungsgericht
hat angenommen, der Marke der Klägerin fehle nicht jede Unterscheidungskraft.
Sie sei
von
Haus aus
zwar
nur schwach [X.], weil
der Wortbestandteil "real"
im Sinne von "wirklich" oder "echt" und damit
auch als Beschreibung
der
Warenqualität oder des Preis-Leistungs-Verhältnisses
verstanden werden könne. Vor dem Hintergrund einer Verkehrsbefragung zum Unternehmenskennzeichen der Klägerin und dessen erheblicher Bekanntheit
für große Verbrauchermärkte
sei die Kennzeichnungs-kraft der [X.] aber
als wenigstens durchschnittlich anzusehen. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

(2) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterschei-15
16
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-
8
-
dungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.], Ur-teil vom 9.
September 2010
265/09, [X.]. 2010, 265 = [X.], 1096 Rn.
31
BORCO/[X.] [Buchst. ]; [X.], Urteil vom 2.
Februar 2012

I
ZR
50/11, [X.], 930 Rn.
27 = [X.], 1234
[X.]/Barbie
B).
Marken, die über einen für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen erkenn-bar beschreibenden Anklang verfügen, haben regelmäßig nur geringe originäre Kennzeichnungskraft (vgl. [X.], Urteil vom 9.
Februar 2012
I
ZR
100/10, [X.], 1040 Rn.
29 = [X.], 1241
pjur/pure).

Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat ohne Rechts-fehler angenommen, dass die [X.] im Hinblick auf die Anlehnung an einen beschreibenden Begriff für den in Rede stehenden Warenbereich originär nur schwach kennzeichnungskräftig ist, ihr aber nicht jegliche Kennzeichnungs-kraft von Haus aus fehlt.

Ohne Erfolg macht die Revision insoweit geltend, die Beklagte habe un-ter Hinweis auf die Beschlüsse des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 4.
Oktober 2010, wonach den angemeldeten Zeichen "[X.]" und "[X.] Crisps" jede Unterscheidungskraft fehle, dargelegt, dass auch die [X.] originär nicht unterscheidungskräftig sei.
Die Feststellung, ob die angesproche-nen Verkehrskreise das Markenwort "real" als glatt beschreibend auffassen und die Marke daher nur aufgrund ihrer weiteren Bestandteile originär kennzeich-nungskräftig sein kann, obliegt im Wesentlichen
dem Tatrichter (vgl. [X.], Urteil vom 27. November 2003
I
ZR
79/01, [X.], 514, 515 = [X.], 758

[X.]). In der Revisionsinstanz ist nur zu prüfen, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff
zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze
und Denkgesetze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen 19
20
-
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-
hat. Rechtsfehler des Berufungsgerichts zeigt die Revision in diesem Zusam-menhang nicht auf. Vielmehr begibt sie sich mit ihrer gegenteiligen Beurteilung auf das ihr grundsätzlich verschlossene Gebiet tatrichterlicher Würdigung.

(3) Die Revision rügt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von einer Steigerung der Kennzeichnungskraft der [X.] im fraglichen Warenbe-reich aufgrund der Bekanntheit des Unternehmenskennzeichens der Klägerin ausgegangen. Das Berufungsgericht habe die Bekanntheit des [X.] der Klägerin ohne Bezug zu den konkreten Waren, für die die [X.] geschützt sei, berücksichtigt.
Mit diesem Vorbringen dringt die [X.] nicht durch.

Die Kennzeichnungskraft
der [X.] ist zwar bezogen auf die kon-kreten Produkte zu bestimmen
(vgl. [X.], Urteil vom 5.
Februar 2009

I
ZR
167/06, [X.], 484 Rn.
83 = [X.], 616
[X.], mwN). Dies schließt es aber nicht aus, dass
infolge der
Bekanntheit des Unter-nehmenskennzeichens
auch die [X.] "real,-"
für die fraglichen Waren nicht lediglich über eine schwache Kennzeichnungskraft verfügt. Hierfür spricht, dass das Publikum in der Erinnerung nicht nach der rechtlichen Art der Kenn-zeichen differenziert und
daran gewöhnt
ist, dass große Handelsketten ihr
Un-ternehmenskennzeichen regelmäßig
auch
zur Kennzeichnung von
ihnen ange-botener
Waren verwenden
(vgl. [X.], [X.], 484
Rn.
29
[X.]).

Von diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht ausgegangen und hat entgegen der Auffassung der Revision
die Kennzeichnungskraft der [X.] nicht allgemein aus der Bekanntheit des
Unternehmenskennzeichens gefol-gert. Es hat vielmehr
aufgrund der Bekanntheit des [X.] im Lebensmittelbereich die Kennzeichnungskraft der [X.] für die konkret geschützten Waren bestimmt.
21
22
23
-
10
-

dd)
Das Berufungsgericht hat
zu Recht angenommen, dass zwischen der
[X.]
und den
angegriffenen Zeichen
"[X.]"
und "[X.] Crisps"
eine hohe Ähnlichkeit besteht. Die [X.], die jeweils durch den Wortbe-standteil "real" in Groß-
und Kleinschreibung geprägt würden, seien klanglich identisch.

(1) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist
nach deren Ähnlichkeit im (Schrift)Bild, im Klang
und im Bedeutungs-
oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in ei-nem der genannten [X.]
(vgl. [X.], Urteil vom 20.
Januar 2011
I
ZR
31/09, [X.], 824
Rn.
25
f.
= WRP 2011, 1157
[X.], mwN).

(2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die [X.] durch den Wortbestandteil "real" geprägt wird. Entgegen der [X.] der Revision
hat das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung nicht außer [X.] gelassen, dass im Fall von Marken oder Markenbestandteilen, die an ei-nen die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff angelehnt sind und nur dadurch Unterscheidungskraft erlangen und als Marke eingetragen werden konnten, weil sie von diesem Begriff (geringfügig) abweichen, der Schutzumfang der eingetragenen Marke eng zu bemessen ist, und zwar nach Maßgabe der Eigenprägung und der Unterscheidungskraft, die dem Zeichen die Eintragungsfähigkeit verleiht
(vgl. [X.], [X.], 1040
Rn.
39

pjur/pure). Die [X.] erlangt Unterscheidungskraft für die in Rede stehenden
Waren
nicht ausschließlich durch eine Abweichung von
einem nicht unterscheidungs-kräftigen Markenwort.
24
25
26
-
11
-

(3) Zwischen dem die [X.] prägenden Markenwort "real" und den unterscheidungskräftigen Bestandteilen der angegriffenen Zeichen, die das Be-rufungsgericht ebenfalls in dem jeweiligen
Wortbestandteil "[X.]" gesehen hat, besteht klangliche Identität und damit bezogen auf die zum Teil aus mehre-ren Wörtern zusammengesetzten [X.] ([X.] "[X.]" und "[X.] Crisps")
zumindest hochgradige klangliche Ähnlichkeit.

ee) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festge-stellten durchschnittlichen Kennzeichnungskraft, hohen Zeichenähnlichkeit und [X.] ist auch seine
Annahme
nicht zu beanstanden, es liege
Ver-wechslungsgefahr im Sinne von §
14 Abs.
2 Nr.
2 [X.] vor.

b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des [X.], für die Nutzung der Wortmarken "[X.]"
und "[X.] Crisps"
be-stehe eine Erstbegehungsgefahr.

aa) Aufgrund der Anmeldung eines Zeichens als Marke
ist
im Regelfall zu vermuten, dass eine
Benutzung des Zeichens für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Um-stände vorliegen, die gegen eine solche Benutzungsabsicht sprechen ([X.], Urteil vom 13.
März
2008
I
ZR
151/05, [X.], 912 Rn.
30 = [X.], 1353

[X.]; Urteil vom 14.
Januar 2010
I
ZR
92/08, [X.], 838 Rn.
24
= [X.], 1043

[X.]).

In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die Motivation der Beklag-ten bei der Markenanmeldung an. Deshalb ist es unerheblich, ob
es der Beklag-ten mit der Anmeldung der Marken allein darum ging,
von den Registerinstan-zen eine Bestätigung für eine fehlende Unterscheidungskraft der angemeldeten 27
28
29
30
31
-
12
-
Zeichen zu erhalten. Dies sagt nichts darüber aus, ob die Beklagte nach Zu-rückweisung der Markenanmeldung die Zeichen im Inland benutzen wird.

[X.]) Ohne Erfolg wendet sich die Revision
dagegen, dass das Berufungs-gericht einen Fortfall der
von den Markenanmeldungen ausgehenden
[X.] verneint hat.

(1) Ein aufgrund einer Markenanmeldung oder -eintragung begründeter vorbeugender Unterlassungsanspruch erlischt, wenn die Begehungsgefahr wegfällt. Dabei sind an die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Gefahr der Wiederholung des Verhaltens in der Zukunft (vgl. [X.], Urteil vom 11.
Juli 1991

I
ZR
31/90, [X.], 116, 117 = [X.], 719 -
Topfgucker-Scheck; Urteil vom 31.
Mai 2001

I
ZR
106/99, [X.], 1174, 1176 = WRP 2001, 1076
Berühmungsauf-gabe; [X.], 838 Rn.
27
[X.]). Anders als für die durch eine Ver-letzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr besteht für den [X.] der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung (vgl. [X.], Urteil vom 23.
Februar 1989

I
ZR
18/87, [X.], 432, 434 = WRP 1989, 496

[X.]). Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr genügt [X.] grundsätzlich ein "actus contrarius", also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten ([X.],
[X.], 912 Rn.
30

[X.]; vgl. dazu [X.] in [X.]/[X.], [X.], 32.
Aufl., §
8 Rn.
1.26
ff.).

(2) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die [X.] nach diesen Grundsätzen nicht entfallen ist.
Bei der bloßen Nichteinlegung von Rechtsmitteln fehlt es an einem für den Fortfall der [X.] ausreichenden entgegengesetzten Verhalten.

32
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34
-
13
-
Der Senat
hat zwar
entschieden, dass die Rücknahme der Markenan-meldung oder ein Verzicht
auf die Eintragung der Marke regelmäßig zum Fort-fall der Erstbegehungsgefahr führt ([X.], [X.], 912 Rn.
30
[X.]; Urteil vom 4.
Dezember 2008
I
ZR
94/06, [X.], 299 Rn.
12). Diese
Fälle
sind aber
mit dem Streitfall nicht vergleichbar, weil jeweils eine bewusste, auf die Erzielung einer bestimmten Rechtswirkung gerichtete
Handlung des Anmelders
nach außen vorliegt, die der Annahme
entgegensteht, er werde die angemeldeten Zeichen nutzen.

Der Annahme einer fortbestehenden Erstbegehungsgefahr bei bloßer Nichteinlegung eines Rechtsmittels steht auch nicht entgegen, dass
die [X.] auch dann entfällt, wenn die Anmeldung aufgrund einer [X.] Zahlung der Anmeldegebühren gemäß §
64a [X.], §
6 Abs.
2 [X.] als zurückgenommen gilt (vgl. [X.], [X.], 838 Rn.
29
f.
[X.]). In diesem Fall
wird eine
bewusste
Handlung und damit auch die entsprechende Rechtswirkung
vom Gesetz
fingiert. Eine solche Fiktion gibt es bei der
Nichteinlegung eines Rechtsmittels
nicht.

Ein der Anmeldung entgegengesetztes Verhalten kann in
einem schlich-ten
Untätigbleiben

wie es in der unterbliebenen Einlegung eines Rechtsmittels liegt

nicht gesehen werden.

35
36
37
-
14
-
II[X.] Die Kostenentscheidung beruht § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorsitzender Richter am [X.]
Pokrant
Büscher
Prof. Dr.
Dr.
h.c.
[X.]
ist wegen Erkrankung verhin-
dert zu unterschreiben.

Pokrant

Kirchhoff
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.04.2011 -
84 [X.]/10 -

O[X.], Entscheidung vom 16.03.2012
-
6 [X.] -

38

Meta

I ZR 71/12

22.01.2014

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2014, Az. I ZR 71/12 (REWIS RS 2014, 8512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8512

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

27 W (pat) 566/17

Zitiert

I ZR 71/12

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