Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2006, Az. XII ZB 27/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5736

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[X.][X.]/04
vom 11. Januar 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Zur Zulässigkeit einer Berufung, wenn in der Berufungsschrift, der entgegen der Sollvorschrift des § 519 Abs. 3 ZPO keine Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt wurde, bei im übrigen richtiger und vollständiger Bezeichnung dieses Urteils ein falsches erstinstanzliches Aktenzeichen angegeben ist. [X.], Beschluss vom 11. Januar 2006 - [X.] 27/04 - [X.] - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 11. Januar 2006 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], Dr. [X.] und die Richterin Dr. [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des [X.] vom 12. Januar 2004 auf-gehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die außer-gerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwer-deverfahren wird abgesehen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). [X.]: 3.761 • Gründe: [X.] Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte, an die Klägerin rückständigen Mietzins in Höhe von 3.761,15 • nebst Zinsen zu zahlen. Gegen das ihr am 11. November 2003 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 9. Dezember 2003 Berufung ein, die sie zugleich begründete. 1 - 3 - Die Berufungsschrift, der eine Abschrift des angefochtenen Urteils nicht beigefügt war, bezeichnet die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten [X.] mit vollständiger Anschrift unter Angabe ihrer jeweiligen erst- und zwei-tinstanzlichen Parteirolle. Sie enthält die Erklärung, dass die Beklagte gegen das Urteil des [X.] vom 10.11.2003, [X.]: 24 [X.]/03, [X.]. 2 Nach Eingang der angeforderten Akten 24 [X.]/03 des [X.] stellte die Geschäftsstelle des [X.]s am 19. Dezember 2003 fest, dass das Rubrum jenes Verfahrens nicht mit dem der Berufungsschrift übereinstimmte, und erfuhr durch telefonische Rücksprache mit dem Büro des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, dass das Aktenzeichen des erstin-stanzlichen Verfahrens richtig 24 [X.]/03 lautete. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage teilte auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das richtige Akten-zeichen noch einmal mit. 3 Nach entsprechendem Hinweis verwarf das [X.] die Berufung wegen Angabe eines falschen Aktenzeichens als unzulässig. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten. 4 I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO statthaft (vgl. Senatsbeschluss [X.] 155, 21, 22) und zulässig, weil eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. [X.] 151, 5 - 4 - 221, 227 f.). Sie ist auch begründet, weil das Berufungsgericht die Anforderun-gen an eine zulässige Berufung überspannt hat. 6 2. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des [X.], dass die Angabe eines falschen Aktenzeichens in der Berufungsschrift der [X.] der Berufung dann nicht entgegensteht, wenn aufgrund der sonstigen [X.] Umstände für das Gericht und den Prozessgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird ([X.], Senatsbeschluss vom 12. April 1989 - [X.] - FamRZ 1989, 1063 f. m.N.). Richtig ist ferner, dass solche Zweifel schon dann ausgeschlossen wä-ren, wenn der Berufungsschrift hier entsprechend der Sollvorschrift des § 519 Abs. 3 ZPO = § 518 Abs. 3 ZPO a.F. eine Ausfertigung oder beglaubigte Ab-schrift des angefochtenen Urteils beigefügt worden wäre (Senatsbeschluss vom 12. April 1989 aaO 1064). 7 Dies ist zwar der sicherste Weg, Zweifelsfälle zu vermeiden, nicht aber zugleich auch der einzige Umstand, aufgrund dessen sich die fehlende oder falsche Angabe des Aktenzeichens als unschädlich erweisen kann. 8 a) Für die Klägerin als Prozessgegnerin dürfte angesichts der bis auf das Aktenzeichen zutreffenden Angaben in der Berufungsschrift, insbesondere auch der darin enthaltenen Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil, be-reits von Anfang an nicht fraglich gewesen sein, welches Urteil mit der Berufung angefochten werden sollte, zumal keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass zwischen den Parteien weitere Rechtsstreitigkeiten anhängig waren (vgl. [X.] Urteil vom 11. Januar 2001 - [X.]/00 - NJW 2001, 1070 f.). 9 Darauf kommt es indes nicht an. Etwaige Zweifel des [X.] müssen nicht schon bis zum Ablauf der Berufungsfrist behoben sein; es genügt, 10 - 5 - wenn die Klarstellung ihm gegenüber erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, sofern dadurch seine Rechtsverteidigung nicht beeinträchtigt wird (Senatsbe-schluss vom 12. April 1989 aaO 1064 a.E.; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 3. Juli 1974 - [X.] - NJW 1974, 1658, vom 16. März 1989 - [X.] - NJW 1989, 2395 f. unter II, 1 und vom 18. April 2000 - [X.]/00 - NJW-RR 2000, 1371 f.). Hier ist der Klägerin eine Abschrift des das Aktenzeichen richtig-stellenden Schriftsatzes vom 19. Dezember 2003 ausweislich ihres [X.] am 8. Januar 2004 zugestellt worden. b) Aber auch für das Berufungsgericht konnte bei Ablauf der [X.] nicht zweifelhaft sein, dass die Beklagte allein das in der Berufungsschrift bezeichnete, am 10. November 2003 zwischen den genannten Parteien ergan-gene Urteil des [X.] anfechten wollte, da keine Anhaltspunk-te dafür ersichtlich waren, dass dieses Gericht am selben Tage ein weiteres Urteil in einem anderen Rechtsstreit derselben Parteien erlassen haben könnte. 11 Insoweit war die versehentlich falsche Angabe des Aktenzeichens un-schädlich, weil das Berufungsgericht anhand der im übrigen richtigen und voll-ständigen Angaben in der Berufungsschrift nicht gehindert war, seine prozess-vorbereitende Tätigkeit aufzunehmen (vgl. [X.], Urteile vom 24. April 1980 - 2 AZR 844/79 - [X.] und vom 5. Juli 1976 - 2 [X.] - AP Nr. 35 zu § 518 ZPO sowie Beschluss vom 12. März 1982 - 7 [X.] - [X.]). 12 [X.], das immerhin die richtige Zivilabteilung des Amtsgerichts und das richtige Jahr des Eingangs der Klage bezeichnete, hatte hier nur zur Folge, dass das Berufungsgericht [X.] die falschen Akten beim Amtsgericht anforderte, da es sich offensichtlich darauf beschränkte, nur das Aktenzeichen mitzuteilen. Hätte es das angefoch-tene Urteil bei seiner Aktenanforderung in derselben Weise bezeichnet wie die 13 - 6 - Berufungsklägerin, dann hätte die Geschäftsstelle bei sorgfältiger und sachge-mäßer Bearbeitung mindestens auch die Akten des Rechtsstreits übersandt, in dem das angefochtene Urteil vom 10. November 2003 ergangen war. Daraus folgt, dass das angefochtene Urteil in der Berufungsschrift ungeachtet des fal-schen Aktenzeichens ausreichend bezeichnet war (vgl. [X.], Beschluss vom 28. März 1958 - [X.]/58 - FamRZ 1958, 215, 216). Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass prozessuale Formvorschriften kein Selbstzweck sind. Dies gilt hier um so mehr, als § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO selbst nicht bestimmt, in welcher Weise das angefochtene Urteil in der [X.] zu bezeichnen ist, mag auch die in Rechtsprechung und Literatur unumstrittene Forderung nach Mitteilung des Aktenzeichens aus guten Grün-den in aller Regel unverzichtbar sein. Sie verfolgt einen zweifachen Zweck: Zum einen soll sie dem Rechtsmittelgericht eine rasche und unkomplizierte [X.] der erstinstanzlichen Akten ermöglichen, ohne dass das Gericht ers-ter Instanz die richtigen Akten erst anhand eines Prozessregisters ermitteln muss. Dies dient lediglich der Erleichterung des Geschäftsgangs und würde für sich allein bei einem Verstoß eine so drastische Folge wie die Verwerfung des Rechtsmittels nicht rechtfertigen können. Zum anderen dient sie - ebenso wie die weiteren zu fordernden Angaben - der eindeutigen Bezeichnung des [X.] Urteils. Sie ist aber insofern redundant, als das angefochtene Urteil im Regelfall - wie auch hier - bereits anhand der anderen Angaben eindeutig zu identifizieren ist, sofern nicht ohnehin gemäß § 519 Abs. 3 ZPO der sicherere Weg der Beifügung des angefochtenen Urteils gewählt wurde. Lediglich dann, wenn dasselbe Gericht in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Parteien am selben Tag mehrere Urteile verkündet hat, erweist sie sich als unverzichtbar (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Mai 1973 - [X.]/71 und [X.]/71 - [X.]E 109, 422 ff. und Urteil vom 11. Dezember 1985 - [X.] - [X.]E 146, 196 ff.). 14 - 7 - 3. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht bei Eingang der Berufungsschrift nicht erkennen konnte, dass das angegebene Aktenzeichen falsch war. Soweit der [X.] entschieden hat, dass der fehlerhaf-ten Angabe des Aktenzeichens jedenfalls dann keine ausschlaggebende Be-deutung zukommt, wenn der Fehler offensichtlich ist und das Berufungsgericht ihn sogleich erkennt ([X.], Beschluss vom 25. Februar 1993 - [X.] - NJW 1993, 1719 f.), hat er die Frage, ob ein falsches und als solches nicht zu erkennendes Aktenzeichen stets zur Unzulässigkeit führt, ausdrücklich offen gelassen. Auch der Senatsbeschluss vom 13. Januar 1999 (- [X.] 140/98 - [X.]R ZPO § 518 Abs. 2 Nr. 1 Urteilsbezeichnung 8) besagt nur, dass eine fal-sche Angabe des Aktenzeichens, die nicht offensichtlich ist, die Berufung in der Regel - mithin nicht notwendigerweise immer - fehlerhaft macht. 15 Hier wäre die Berufung dann, wenn der Prozessbevollmächtigte der [X.] gar kein erstinstanzliches Aktenzeichen angegeben hätte, aufgrund der sonstigen Angaben in der Berufungsschrift ohne weiteres zulässig gewesen, da sich das angefochtene Urteil daraus eindeutig ergab. Aber auch die Angabe des falschen Aktenzeichens war hier nicht geeignet, bis zum Ablauf der Beru-fungsfrist Zweifel des [X.] an der Identität des angefochtenen Urteils aufkommen zu lassen. Denn da das falsche Aktenzeichen nicht als [X.] offensichtlich war, bestand kein Anlass zu Zweifeln, ob etwa ein Urteil un-ter dem angegebenen Aktenzeichen oder aber ein durch die übrigen Angaben bezeichnetes Urteil angefochten war. Solche Zweifel konnten auch nach Ablauf der Berufungsfrist nicht auftauchen, als die Akten des zunächst angeforderten (falschen) Verfahrens 24 [X.]/03 eintrafen und deren Rubrum nicht mit dem Rubrum der Berufungsschrift übereinstimmte. Denn daraus und aus dem Inhalt der übersandten Akten ergab sich zugleich, dass ein im Verfahren 24 [X.]/03 etwa ergangenes Urteil nicht angefochten sein konnte. 16 - 8 - 4. Für die getroffene Entscheidung ist es ohne Bedeutung, dass auch das Berufungsgericht im Tenor sowie auf dem Deckblatt des angefochtenen [X.] zwei falsche erstinstanzliche Aktenzeichen nennt (24 [X.]/03 bzw. im Tenor 24 [X.]/03). Für das Rechtsbeschwerdegericht besteht kein Zweifel daran, dass das Berufungsgericht die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 10. November 2003 in der Sache 24 [X.]/03 verworfen hat. Da der angefochtene Beschluss [X.] war, erübrigt sich eine Berichtigung. 17 Hahne [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 10.11.2003 - 24 [X.]/03 - [X.], Entscheidung vom 12.01.2004 - 6 S 255/03 -

Meta

XII ZB 27/04

11.01.2006

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2006, Az. XII ZB 27/04 (REWIS RS 2006, 5736)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5736

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