Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2011, Az. I ZB 87/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 146

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Gegenstand

Gemeinschaftsrechtliches Markenrecht: Angabe "Thüringer Klöße" als nicht als geographische Angabe eintragungsfähige Gattungsbezeichnung; Rechtsbeschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter bei Absehen von der Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und wegen unterbliebener Heranziehung einer Meinungsumfrage


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 2. Oktober 2009 an [X.] zugestellten Beschluss des 30. Senats ([X.]) des [X.] wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin hat am 25. Mai 2000 beim [X.] beantragt, die Bezeichnung

„[X.] Klöße“

für das Erzeugnis „Lebensmittel“ als geografische Angabe in das Verzeichnis der geschützten geografischen Angaben und der geschützten Ursprungsbezeichnungen einzutragen, das von der [X.] gemäß der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (im Folgenden [X.]; jetzt Verordnung [[X.]] Nr. 510/06 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel) geführt wird.

2

Das [X.] hat den Antrag im Markenblatt veröffentlicht. Gegen den Antrag haben die Einsprechenden, bei denen es sich um Wettbewerber der Antragstellerin handelt, fristgerecht Einspruch eingelegt. Die Markenabteilung des [X.]s hat durch Beschluss vom 14. Februar 2006 festgestellt, der Antrag entspreche den Voraussetzungen der [X.].

3

Auf die Beschwerde der Einsprechenden hat das [X.] den Beschluss der Markenabteilung aufgehoben und festgestellt, der Antrag der Antragstellerin entspreche nicht den Voraussetzungen für die Eintragung als geografische Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. b der [X.] ([X.], Beschluss vom 2. Oktober 2009 - 30 W (pat) 78/06, [X.], 358).

4

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs und die Verletzung des Anspruchs auf [X.] rügt. Die Einsprechenden beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

5

II. Das [X.] hat angenommen, bei der Angabe „[X.] Klöße“ handele es sich um eine Gattungsbezeichnung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 [X.], die nicht als geografische Angabe eingetragen werden dürfe. Hierzu hat es ausgeführt:

6

Für die Abgrenzung einer Gattungsbezeichnung von einer geografischen Herkunftsangabe komme es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] auf die Herstellungs- und Vermarktungssituation in Bezug auf das mit der Angabe bezeichnete Produkt und die [X.] an. Die [X.] sei davon geprägt, dass unter der Bezeichnung „[X.] Klöße“ oder „Klöße/Kloßteig [X.] Art“ vermarktete Klöße in weit überwiegendem Maße außerhalb [X.] hergestellt würden. Die [X.] ließen keine Tendenz zu einer geografischen Herkunftsangabe erkennen. Soweit in [X.] hergestellte Klöße als „[X.] Klöße“ bezeichnet würden, sei diese Bezeichnung nach dem vorgelegten Etikettenmaterial stets mit dem Zusatz „echt“ oder „original“ versehen. Da dieser Zusatz auf eine geografische Herkunftsangabe hinweise, liege bei seinem Fehlen eher der Rückschluss auf eine Gattungsbezeichnung nahe.

7

Es sei auch nicht nachgewiesen, dass die einschlägigen inländischen Verkehrskreise und insbesondere die Verbraucher in der Mehrheit der Auffassung seien, dass die Bezeichnung „[X.] Klöße“ eine geografische Nebenbedeutung habe und keine Gattungsbezeichnung sei. Die vorgelegte Meinungsumfrage, die nach Auffassung der Markenabteilung ergeben habe, dass knapp 15% der Befragten der Angabe „[X.] Klöße“ eine geografische Bedeutung zumindest in einer Nebenbedeutung zubilligten, könne nicht herangezogen werden. Die Stellungnahmen der angehörten Institutionen und Organisationen und die Äußerungen in der Fachliteratur zeigten ein zwiespältiges Meinungsbild. Dagegen ergebe sich aus dem [X.], das wegen seines auch öffentlich-rechtlichen, faktisch gesetzlichen Charakters (§ 15 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs) an bedeutendster Stelle fachlicher Äußerungen stehe, dass die Bezeichnung „[X.] Klöße“ eine Verkehrsbezeichnung im Sinne der § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 der [X.] und damit zugleich eine Gattungsbezeichnung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 [X.] sei.

8

III. [X.] hat keinen Erfolg.

9

1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre [X.] folgt daraus, dass im Gesetz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel gerügt werden. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.]) und eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des beschließenden Gerichts (§ 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.]) und hat dies im Einzelnen begründet. Darauf, ob die [X.] durchgreifen, kommt es für die [X.] der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 20. Mai 2009 - [X.], [X.], 992 Rn. 10 = [X.], 1104 - Schuhverzierung; Beschluss vom 20. Mai 2009 - [X.], [X.], 994 Rn. 7 = [X.], 1102 - [X.]).

2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen.

a) Das Verfahren vor dem [X.] verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.]).

aa) Die Vorschrift des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht ([X.] 86, 133, 144; [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1712).

bb) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das [X.] habe das Vorbringen der Antragstellerin nicht in Erwägung gezogen, der Gebrauch des Zusatzes „echt“ oder „original“ diene lediglich der Verstärkung des [X.]s der Bezeichnung „[X.] Klöße“.

Das [X.] hat sich mit dem Vorbringen der Antragstellerin befasst, die Bezeichnung „[X.] Klöße“ werde mit dem Zusatz „echt“ oder „original“ verwendet. Es hat festgestellt, soweit in [X.] hergestellte Klöße als „[X.] Klöße“ bezeichnet würden, sei diese Bezeichnung nach dem vorgelegten Etikettenmaterial stets mit dem Zusatz „echt“ oder „original“ versehen. Es hat angenommen, da dieser Zusatz auf eine geografische Herkunftsangabe hinweise, liege bei seinem Fehlen eher der Rückschluss auf eine Gattungsbezeichnung nahe. Die [X.] ließen dagegen keine Tendenz zu einer geografischen Angabe erkennen.

Mit der Behauptung der Antragstellerin, der Gebrauch des Zusatzes „echt“ oder „original“ diene der Verstärkung des [X.]s der Bezeichnung „[X.] Klöße“, hat sich das [X.] zwar nicht auseinandergesetzt. Darin liegt aber keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin. Das [X.] konnte unter Berücksichtigung der von ihm als maßgebend erachteten Kriterien schon nicht feststellen, dass es sich bei der Bezeichnung „[X.] Klöße“ um eine geografische Herkunftsbezeichnung handelt. Es hat daher von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht geprüft, ob der [X.] der Bezeichnung „[X.] Klöße“ durch den Gebrauch des Zusatzes „echt“ oder „original“ verstärkt wird.

cc) Die Rechtsbeschwerde macht vergeblich geltend, das [X.] habe nicht nur auf die Vermarktung von [X.] Klößen abgestellt, sondern auch Kloßteig und [X.] einbezogen und damit nicht berücksichtigt, dass der Eintragungsantrag auf „[X.] Klöße“ und damit allein auf das Endprodukt und nicht auf Vorprodukte bezogen sei.

Das [X.] hat festgestellt, die [X.] sei davon geprägt, dass unter der Bezeichnung „[X.] Klöße“ oder „Klöße/Kloßteig [X.] Art“ vermarktete Klöße in weit überwiegendem Maße außerhalb [X.] hergestellt würden. Im Wesentlichen vertrieben nur zwei Unternehmen mit Sitz in [X.] Klöße unter der Bezeichnung „[X.] Klöße“. Alle anderen größeren Betriebe befänden sich außerhalb [X.], und zwar vorwiegend in [X.] und [X.]. Diese Unternehmen stellten etwa 90% des unter der Bezeichnung „[X.] Klöße“ vermarkteten [X.] her. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin seien auch die Erzeugnisse Kloßteig und [X.] zu berücksichtigen, da die Verbraucher, bevor [X.] Klöße als Fertigprodukt angeboten worden seien, bei der Zubereitung solcher Klöße immer auf diese Zwischenprodukte zurückgegriffen hätten.

Das [X.] hat demnach - wie auch die Rechtsbeschwerde erkennt - gesehen, dass die Antragstellerin sich gegen die Einbeziehung von Kloßteig und [X.] gewandt hat. Dass es entgegen der Auffassung der Antragstellerin der Meinung war, die Herstellung und Vermarktung dieser Erzeugnisse müssten der Herstellung und Vermarktung des Produktes „[X.] Klöße“ zugerechnet werden, stellt keine Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf rechtliches Gehör dar.

Der Eintragungsantrag ist entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde auch nicht auf das Endprodukt „Klöße“ beschränkt. Er erstreckt sich vielmehr auf die Eintragung der Bezeichnung „[X.] Klöße“ für sämtliche „Lebensmittel“. Das [X.] konnte daher ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] davon ausgehen, dass der Eintragungsantrag auch die Vorprodukte [X.] und Kloßteig umfasst.

dd) Das [X.] hat mit seiner Feststellung, der Verzehr von [X.] Klößen sei wesentlich auch im ganzen [X.] Raum verbreitet, nicht den (unbestrittenen) Vortrag der Antragstellerin übergangen, dass außerhalb [X.] für Kartoffelklöße mit (überwiegendem) Rohkartoffelanteil andere Bezeichnungen gebräuchlich seien. Das folgt schon daraus, dass das [X.] die Stellungnahme der [X.] Landesanstalt für Landwirtschaft berücksichtigt hat, wonach Klöße mit der Rezeptur von „[X.] Klößen“ im Raum [X.] als „Fränkische Knödel“ bezeichnet werden. Dass das [X.] in der Verwendung derartiger Bezeichnungen anders als die Antragstellerin keinen hinreichenden Beleg dafür gesehen hat, dass die Bezeichnung „[X.] Klöße“ kein Synonym für „Rohe Klöße“ und damit keine Gattungsbezeichnung geworden ist, stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin dar.

Die Rechtsbeschwerde macht ferner ohne Erfolg geltend, das [X.] habe das Vorbringen der Antragstellerin unberücksichtigt gelassen, dass der [X.] der Bezeichnung „[X.] Klöße“ in der [X.] erhalten geblieben und die Bezeichnung in der [X.] bis zur [X.] nicht oder fast nicht mehr in Gebrauch gewesen sei. Für die Entscheidung über den Eintragungsantrag kommt es auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Situation an. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern die Verhältnisse zum Zeitpunkt der [X.] [X.]s am 3. Oktober 1990 für die Entscheidung über den am 25. Mai 2000 gestellten Eintragungsantrag von Bedeutung sein könnten. Es kann daher nicht angenommen werden, dass das [X.] insoweit entscheidungserhebliches Vorbingen der Antragstellerin unberücksichtigt gelassen hat.

ee) Das [X.] hat entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde nicht übergangen, dass die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung ein Konvolut von Verpackungen übergeben hat, auf denen insbesondere die Beschwerdeführerinnen ihre Produkte nicht „[X.] Klöße“ nennen, sondern - soweit sich Hinweise auf [X.] finden - als „[X.] Art“ bezeichnen. Das [X.] hat festgestellt, dem Verbraucher würden, wie sich auch aus den von der Antragstellerin überreichten Verpackungen ergebe, Kloßteig und [X.] mit dem Zusatz „[X.] Art“ oder „[X.] Kloßteig“ offeriert.

ff) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das [X.] habe den zutreffenden rechtlichen Hinweis der Antragstellerin nicht beachtet, dass für eine Umwandlung von Herkunftsbezeichnungen zu Gattungsbezeichnungen strenge Anforderungen erfüllt sein müssten.

Das [X.] hat angenommen, im Ergebnis sei zu den vom Gerichtshof der [X.] für maßgebend erachteten Kriterien festzustellen, dass die Herstellungs- und Vermarktungssituation bei „[X.] Klößen“ und die [X.] eher den Voraussetzungen einer Gattungsbezeichnung entsprächen, Rechtsvorschriften dieser Annahme nicht entgegenstünden und sich zu dieser Frage keine eindeutige oder jedenfalls überwiegende Verkehrsauffassung feststellen lasse.

Es kann dahinstehen, ob das [X.] damit - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - zu geringe Anforderungen an die Umwandlung der Bezeichnung „[X.] Klöße“ von einer Herkunftsbezeichnung zu einer Gattungsbezeichnung gestellt hat, weil es diese Umwandlung als nicht bewiesen angesehen hat. Die Rechtsbeschwerde rügt mit diesem Einwand nicht die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin, sondern beanstandet die rechtliche Beurteilung durch das [X.] als rechtsfehlerhaft. Mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde können jedoch keine Rechtsanwendungsfehler, sondern allein die in § 83 Abs. 3 [X.] bezeichneten Verfahrensmängel geltend gemacht werden.

b) Die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des beschließenden Gerichts (§ 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.]) ist ebenfalls nicht begründet. Die Rechtsbeschwerde beanstandet vergeblich, dass das [X.] keine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] eingeholt hat.

aa) Die Antragstellerin macht die Notwendigkeit einer Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (früher Art. 234 Abs. 3 [X.]) erstmals mit der Rechtsbeschwerde geltend. Sie legt dabei nicht dar, dass sie bereits im Verfahren vor dem [X.] ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] angeregt hat. Der von der Rechtsbeschwerde gerügte Verstoß gegen die Vorlagepflicht betrifft deshalb nicht das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, sondern allein den Anspruch auf [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Januar 2006 - I ZR 151/02, [X.], 346 Rn. 6 = [X.], 467 - Jeans II).

bb) Der [X.] hat bislang offengelassen, ob eine Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV durch das [X.] mit der Besetzungsrüge (§ 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.]) angegriffen werden kann ([X.], Beschluss vom 2. Oktober 2002 - [X.], [X.], 546, 547 = [X.], 655 - [X.]; Beschluss vom 10. April 2008 - [X.], [X.], 1027 Rn. 24 = [X.], 1438 - Cigarettenpackung; [X.], 992 Rn. 27 - Schuhverzierung; [X.], 994 Rn. 11 - [X.]). Dies braucht auch im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden.

Eine Verletzung des Anspruchs auf [X.] im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen eines Verstoßes gegen die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV setzt voraus, dass die Vorlage an den Gerichtshof der [X.] willkürlich unterblieben ist, weil sie bei Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar ist ([X.], NJW 1992, 678; NVwZ 2008, 780 f.; [X.], [X.], 546, 548 - [X.]). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, das [X.] habe willkürlich davon abgesehen, dem Gerichtshof der [X.] die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob es zur Erhaltung des [X.] ausreichen und die Umwandlung in eine Gattungsbezeichnung verhindern könne, wenn zumindest knapp 15% der betroffenen Verkehrskreise in der Angabe noch einen Hinweis auf die geografische Herkunft des Produkts sähen.

(1) Die Vorlage an den Gerichtshof der [X.] unterbleibt willkürlich, wenn ein letztinstanzliches Gericht zur Klärung der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift eine Vorlage überhaupt nicht erwägt, obwohl es Zweifel an der zutreffenden Beurteilung der entscheidungserheblichen Auslegungsfrage hat, oder wenn das erkennende Gericht bewusst von der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] abweicht, ohne vorzulegen ([X.], [X.], 994 Rn. 11 - [X.]).

Das [X.] hat angenommen, die vorgelegte Meinungsumfrage, die nach Auffassung der Markenabteilung ergeben habe, dass knapp 15% der Befragten der Angabe „[X.] Klöße“ zumindest eine geografische Nebenbedeutung zubilligten, könne nicht herangezogen werden. Nach den Leitlinien der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] sei der Stellenwert von [X.] gegenüber den übrigen Beurteilungskriterien der objektiven Erzeugungs-, Vermarktungs-, Bezeichnungs- und Rechtssituation eher als nachrangig einzuschätzen. Die Bejahung einer geografischen Angabe im hauptsächlichen Verbrauchsgebiet, die die 50%-Grenze wesentlich unterschreite, dürfte die Annahme einer geografischen Angabe daher wohl nicht mehr stützen. Letztlich komme es für die Abgrenzung einer Gattungsbezeichnung von einer geografischen Angabe - anders als bei der Frage der Irreführung durch eine unrichtige Angabe - vornehmlich auf die objektive Richtigkeit der Eintragungskriterien und nicht auf das, unter Umständen sogar falsche, Verständnis der Verbraucher an.

Das [X.] ist demnach weder bewusst von einer Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] abgewichen noch hat es Zweifel an der zutreffenden Beurteilung des Unionsrechts gehabt.

(2) Die Bestimmung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist allerdings auch verletzt, wenn zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] noch nicht vorliegt oder dieser die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet hat oder eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit erscheint und das letztinstanzlich entscheidende Gericht den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat ([X.], NJW 2001, 1267, 1268; NVwZ 2007, 197, 198; [X.], [X.], 994 Rn. 12 - [X.]).

Die Rechtsbeschwerde macht vergeblich geltend, das [X.] habe in nicht mehr vertretbarer Weise verkannt, dass es für die Frage der Berücksichtigung der Verkehrsauffassung bisher keine Leitlinien des Gerichtshofs der [X.] gebe. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Auffassung der Verbraucher, ob eine bestimmte Bezeichnung eine geografische oder eine allgemeine Bedeutung hat, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] nur ein Faktor unter zahlreichen Faktoren ist, die bei der Feststellung zu berücksichtigen sind, ob ein Name zur Gattungsbezeichnung geworden ist (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2005 - [X.]/02 und [X.]/02, [X.], 71 Rn. 75 ff. - [X.] u.a./Kommission [[X.]]; Urteil vom 26. Februar 2008 - C-132/05, [X.], 524 Rn. 53 - Kommission u.a./[X.] u.a. [Parmesan]; vgl. auch [X.], Urteil vom 12. September 2007 - [X.]/03, [X.], 974 Rn. 63 ff. - [X.] per [X.]/[X.] [Grana Padano]). Das [X.] konnte daher ohne Verstoß gegen das Willkürverbot annehmen, der Umstand, dass - unterstellt - knapp 15% der Befragten der Angabe „[X.] Klöße“ zumindest eine geografische Nebenbedeutung zubilligten, rechtfertige es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] mit Rücksicht auf die objektive Erzeugungs-, Vermarktungs-, Bezeichnungs- und Rechtssituation nicht, die Bezeichnung „[X.] Klöße“ als geografische Angabe anzusehen.

IV. [X.] beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Bornkamm                                               Pokrant                                              Büscher

                              [X.]                                                 Koch

Meta

I ZB 87/09

21.12.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 2. Oktober 2009, Az: 30 W (pat) 78/06, Beschluss

Art 2 Abs 2 Buchst b EWGV 2081/92, Art 3 Abs 1 EWGV 2081/92, § 83 Abs 3 Nr 1 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 3 MarkenG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, Art 267 Abs 3 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2011, Az. I ZB 87/09 (REWIS RS 2011, 146)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 146

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