Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 12.10.2011, Az. 2 BvR 2984/09, 2 BvR 3057/09, 2 BvR 1842/10

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2011, 2469

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Völkerrechtliche Vollstreckungsimmunität eines fremden Staates wegen hoheitlicher Nutzung des Vollstreckungsobjekts - Voraussetzungen einer Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG bei fachgerichtlichem Unterlassen einer Vorlage gem Art 100 Abs 2 GG zur Normenverifikation - hier: teils mangels hinreichender Substantiierung unzulässige, teils unbegründete Rügen einer Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG iVm Art 100 Abs 2 GG


Gründe

1

Die [X.] betreffen unterbliebene Vorlagen an das [X.] nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Bestimmung der Reichweite der völkerrechtlichen [X.] eines fremden Staates.

2

1. Auf der Grundlage des Vertrages zwischen der [X.] und der [X.] über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13. Juni 1989 ([X.] 1990, [X.]) verurteilte ein internationales Schiedsgericht mit Sitz in [X.] die [X.] am 7. Juli 1998, an den Beschwerdeführer 2,35 Millionen US-Dollar nebst Zinsen zu zahlen. Das [X.] erklärte den Schiedsspruch drei Jahre später für vollstreckbar. Seither versucht der Beschwerdeführer, in Vermögensgegenstände der [X.] zu vollstrecken, die in der [X.] belegen sind (vgl. [X.], 238 ff.; 524 ff.).

3

2. Hintergrund der [X.] bilden Zwangsvollstreckungsverfahren des Beschwerdeführers, die ein Gebäudeeigentum der [X.] an einem Grundstück in Berlin-Mitte betreffen.

4

a) Im Verfahren 2 BvR 2984/09 erwirkte der Beschwerdeführer gegen die [X.] einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem wegen eines [X.] von 750.000 US-Dollar alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche der [X.] auf Mietzahlungen für ein von einer [X.] von der [X.] gemietetes Ladenlokal in dem Gebäude gepfändet und dem Beschwerdeführer zur Einziehung überwiesen wurden.

5

aa) Mit dem angegriffenen Beschluss vom 1. Oktober 2009 (NJW 2010, S. 769 ff.) hob der [X.] auf die Rechtsbeschwerde der [X.] hin den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass eines solchen zurück. Die [X.] rüge mit Erfolg, dass bezüglich der gepfändeten Ansprüche aus dem Mietvertrag mit der [X.] bestehe, da sie hoheitlichen Zwecken der Schuldnerin dienten. Das [X.], das das Ladenlokal in dem Gebäude an die [X.] vermiete, sei als ausländische Vertretung des [X.] eine Kultureinrichtung der Schuldnerin, deren hoheitliche Vermögenswerte von der [X.] umfasst würden.

6

Die [X.], die als Schuldnerin nach allgemeinen Regeln die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der [X.] trage, habe den Verwendungszweck der gepfändeten Forderungen in ausreichendem Maße glaubhaft gemacht. Es reiche aus, dass ein zuständiges Organ des ausländischen Staates versichere, eine solche Zweckbestimmung sei erfolgt. Die Schuldnerin habe durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Direktors des Russischen Hauses hinreichend glaubhaft gemacht, dass die in Betracht kommenden Ansprüche gegen die [X.] zum Zwecke des Betriebs der kulturellen Einrichtung des Russischen Hauses verbraucht würden.

7

bb) Mit Beschluss vom 19. Oktober 2010 lehnte die [X.] des Zweiten Senats den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.

8

b) Im Verfahren 2 BvR 3057/09 hob das [X.] mit den angegriffenen Beschlüssen vom 24. September 2009 das bereits angeordnete [X.] und Zwangsverwaltungsverfahren auf, weil eine Vollstreckung aufgrund der Nutzung des Gebäudes für hoheitliche Zwecke unzulässig sei. Es fehle nach Art. 25 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der [X.] an der Verfahrensvoraussetzung der [X.] Gerichtsbarkeit. Zur Glaubhaftmachung genüge die Versicherung eines zuständigen Organs, hier der Botschaft der [X.], dass das Gebäude für diplomatische Zwecke genutzt werde. Darauf, dass Teilbereiche des Gebäudes möglicherweise einer privatrechtlichen Nutzung unterlägen, komme es nicht an, da sich das Vollstreckungsverfahren auf das gesamte Gebäude erstrecke und Vollstreckungsmaßnahmen bereits unzulässig seien, wenn die Erfüllung der diplomatischen Tätigkeit beeinträchtigt sein könnte.

9

Das [X.] wies die sofortigen Beschwerden des Beschwerdeführers mit den angegriffenen Beschlüssen vom 12. Oktober 2009 sowie die Anhörungsrügen des Beschwerdeführers mit den angegriffenen Beschlüssen vom 16. November 2009 und 23. November 2009 als unbegründet zurück.

c) Im Verfahren 2 BvR 1842/10 wies das [X.] den Antrag des Beschwerdeführers auf Eintragung einer [X.] mit dem angegriffenen Beschluss vom 7. Oktober 2008 zurück. Eine Vollstreckung in Vermögensgegenstände eines fremden Staates sei nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 GG dann ohne Zustimmung dieses Staates unzulässig, wenn der Vermögensgegenstand im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates diene. Eine solche hoheitliche Zweckbindung, die schon dann gegeben sein könne, wenn sich in dem Gebäude eine Wohnung befinde, welche zur Unterbringung von Mitarbeitern der Botschaft genutzt werde, sei vorliegend nicht auszuschließen. Das [X.] wies die dagegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers mit dem angegriffenen Beschluss vom 3. März 2009 als unbegründet zurück.

Das [X.] wies auch die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers mit dem angegriffenen Beschluss vom 14. Juni 2010 als unbegründet zurück. Der Beschluss des [X.] sei nicht rechtsfehlerhaft. Die Würdigung, dass eine hoheitliche Nutzung des Gebäudes stattfinde, die eine Vollstreckung im Wege der Eintragung einer [X.] hindere, sei im Ergebnis bereits deshalb nicht zu beanstanden, weil in dem Gebäude das [X.] als ausländische Vertretung des [X.] betrieben werde. Dieses sei eine Kultureinrichtung der eingetragenen Eigentümerin, mit der diese hoheitliche Zwecke, nämlich die Förderung [X.] Kultur in der [X.], verfolge. Der Beschluss sei aber auch insoweit nicht rechtsfehlerhaft, als das [X.] eine hoheitliche Nutzung des Gebäudes, die wegen der Unteilbarkeit die beantragte [X.] insgesamt ausschließe, bereits wegen der Nutzung von mindestens drei Wohnungen als Diplomatenwohnungen erkannt habe. Denn die Eintragung einer [X.] sei eine Vollstreckungsmaßnahme, die jedenfalls abstrakt geeignet sei, die Erfüllung der diplomatischen Aufgaben zu beeinträchtigen.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

1. Im Verfahren 2 BvR 2984/09 behauptet der Beschwerdeführer, er sei [X.] entzogen worden, weil eine Vorlage an das [X.] nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Klärung objektiver Zweifel an der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, hier dem Grundsatz der [X.] bei Ansprüchen eines fremden Staates auf Mietzahlungen, unterblieben sei. Der [X.] habe sich an die Stelle des [X.]s gesetzt, indem er selbst über die Frage entschieden habe, ob und inwieweit die völkerrechtlichen Regeln über die [X.] das [X.] Recht beeinflussen. Unter Bezugnahme auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten stellt der Beschwerdeführer dar, dass hinsichtlich der Ansprüche der [X.] auf Mietzahlungen gegen eine [X.] keine [X.] bestehe.

2. In den Verfahren 2 BvR 3057/09 und 2 BvR 1842/10 macht der Beschwerdeführer ebenfalls geltend, er sei [X.] entzogen worden, weil eine Vorlage an das [X.] nach Art. 100 Abs. 2 GG zur Klärung objektiver Zweifel an der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, hier dem Grundsatz der [X.] bei gemischter Nutzung eines Vollstreckungsgegenstandes, unterblieben sei. Solche Zweifel hätten sich vorliegend durch das von ihm vorgelegte Privatgutachten, insbesondere die darin zitierte Rechtsprechung und Literatur, aufdrängen müssen.

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen [X.] werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahme der [X.] zur Entscheidung ist - mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg - insbesondere nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] bezeichneten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]).

1. Die [X.] in den Verfahren 2 BvR 2984/09 und 2 BvR 1842/10 sind unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht in hinreichend substantiierter Weise nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] begründet, dass er [X.] durch Nichtvorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG entzogen wurde.

a) Das [X.] hat in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass das grundrechtsgleiche Recht auf [X.] nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zwar grundsätzlich auch durch eine unterbliebene Vorlage an das [X.] nach Art. 100 Abs. 2 GG verletzt werden kann (vgl. [X.] 64, 1 <12 f.>; 96, 68 <77>). Dies ist jedoch nur der Fall, wenn objektive Zweifel an dem Bestehen oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts bestehen, die völkerrechtliche Zweifelsfrage für den Ausgangsrechtsstreit entscheidungserheblich ist (vgl. [X.] 4, 319 <321>; 15, 25 <30>) und die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Vorlage beruht (vgl. [X.] 109, 13 <22>).

b) Diese Voraussetzungen legt der Beschwerdeführer nicht in hinreichend substantiierter Weise dar.

aa) In dem Verfahren 2 BvR 2984/09 erhebt der Beschwerdeführer der Sache nach keine Rüge nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 GG, sondern eine Rüge nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 GG (1). Eine Umdeutung der Rüge kommt nicht in Betracht (2).

(1) Der Beschwerdeführer formuliert keine konkrete Vorlagefrage, sondern möchte den angegriffenen Beschluss des [X.]s durch das [X.] am Maßstab des allgemeinen Völkerrechts nach Art. 25 GG überprüfen lassen. Durch Vorlage eines von ihm in Auftrag gegebenen Privatgutachtens stellt er in Abrede, dass der angegriffene Beschluss mit dem über Art. 25 GG als Bestandteil des Bundesrechts geltenden allgemeinen Völkerrecht vereinbar war.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, der die behauptete Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG im Wesentlichen damit begründet, dass der [X.] sich an die Stelle des [X.]s gesetzt habe, indem er selbst über die Frage entschieden habe, ob und inwieweit die völkerrechtlichen Regeln über die [X.] das [X.] Recht beeinflussen, besteht kein allgemeines Völkerrechtsmonopol des [X.]s (vgl. [X.], in: [X.] u.a., Festschrift [X.], 2001, S. 293 <296>). Den [X.] ist es nicht verwehrt, Völkerrecht auszulegen und anzuwenden, soweit Zweifel an dem Bestehen oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts nicht bestehen oder soweit es sich um [X.] handelt. Das Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG ist ein Zwischenverfahren zur Feststellung, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist (vgl. [X.] 15, 25 <30>), nicht aber ein Verfahren zur Anwendung einer solchen - gegebenenfalls zuvor durch das [X.] festgestellten - Regel auf einen konkreten Sachverhalt (vgl. [X.], 246 <251>; 14, 524 <533>).

Um das von ihm verfolgte Ziel einer Prüfung des angegriffenen Beschlusses des [X.]s am Maßstab des allgemeinen Völkerrechts zu erreichen, hätte der Beschwerdeführer geltend machen müssen, dass der angegriffene Beschluss gegen das über Art. 25 GG als Bestandteil des Bundesrechts geltende allgemeine Völkerrecht verstoße und deshalb nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG gehöre (vgl. insoweit [X.] 31, 145 <177>; 66, 39 <64>; [X.], 246 <252>).

(2) Die ausdrückliche Rüge der Verletzung des Verfahrensgrundrechts nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 GG kann nicht in eine solche nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 GG umgedeutet werden (vgl. [X.], 246 <252>). Zu den Begründungsanforderungen einer Verfassungsbeschwerde gehört es nach § 92 [X.], dass der Beschwerdeführer das Recht, das verletzt sein soll, bezeichnet. Dafür bedarf es nach der Rechtsprechung des [X.]s zwar nicht der ausdrücklichen Benennung des als verletzt gerügten [X.] (vgl. [X.] 92, 158 <175>). Die Begründung muss aber hinreichend klar ergeben, welches bestimmte Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht der Beschwerdeführer als verletzt ansieht. Dies ist aus den oben genannten Gründen nicht der Fall.

bb) In dem Verfahren 2 BvR 1842/10 legt der Beschwerdeführer nicht dar, dass die völkerrechtliche Zweifelsfrage, nämlich die Frage, ob es eine allgemeine Regel des Völkerrechts gebe, der zufolge eine Vollstreckung in ein Gebäude unzulässig wäre, wenn dieses bei im Übrigen kommerzieller Nutzung für drei Diplomatenwohnungen genutzt werde, für den Ausgangsrechtsstreit entscheidungserheblich ist. Das [X.] hat die hoheitliche Nutzung des Gebäudes und die daraus resultierende [X.] der [X.] in dem angegriffenen Beschluss vom 14. Juni 2010 nämlich nicht allein - wie etwa das [X.] in dem Verfahren 2 BvR 3057/09 - darauf gestützt, dass mindestens drei Wohnungen in dem Gebäude als Diplomatenwohnungen genutzt würden, sondern zusätzlich darauf abgestellt, dass das Gebäude bereits deshalb hoheitlich genutzt werde, weil sich in ihm das [X.] befinde. Der Beschwerdeführer setzt sich mit der Argumentation des [X.]s, der hoheitliche Zweck der Nutzung des Gebäudes ergebe sich unabhängig von der teilweisen Nutzung des Gebäudes für Diplomatenwohnungen bereits aus der Förderung [X.] Kultur in der [X.] durch das [X.], nicht auseinander. Ergibt sich der hoheitliche Zweck der Nutzung des Gebäudes jedoch auch aus anderen Gründen, kommt es auf die Beantwortung der konkreten völkerrechtlichen Zweifelsfrage des Beschwerdeführers nicht an.

2. Die Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren 2 BvR 3057/09 ist jedenfalls unbegründet.

a) Die angegriffenen Beschlüsse des [X.] und des [X.] verletzen das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. Das [X.] und das [X.] waren nicht zur Vorlage an das [X.] zur Bestimmung der Tragweite des Grundsatzes der [X.] eines fremden Staates bei gemischter Nutzung des Vollstreckungsgegenstandes verpflichtet. Eine solche Vorlage wäre unzulässig gewesen, weil objektive Zweifel hinsichtlich der Tragweite dieser allgemeinen Regel des Völkerrechts nicht bestanden.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG bereits dann geboten, wenn das erkennende Gericht bei der Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf ernstzunehmende Zweifel stößt, mag das Gericht selbst auch keine Zweifel haben (vgl. [X.] 23, 288 <316>; 64, 1 <14 f.>; 75, 1 <11>; 96, 68 <77>). Nicht das erkennende Gericht, sondern nur das [X.] hat die Befugnis, vorhandene Zweifel selbst aufzuklären. [X.] Zweifel an dem Bestehen oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts bestehen dann, wenn das Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans oder von den Entscheidungen hoher [X.]r, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft abweichen würde (vgl. [X.] 23, 288 <319>; 96, 68 <77>).

bb) Solche ernstzunehmenden Zweifel führt der Beschwerdeführer nicht an.

(1) Es besteht eine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach die Zwangsvollstreckung durch den [X.] aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht hoheitliches Verhalten (  acta iure gestionis ) dieses Staates ergangen ist, in Gegenstände dieses Staates ohne Zustimmung des fremden Staates unzulässig ist, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen (vgl. [X.] 46, 342 <392>; 64, 1 <40>). Insbesondere darf nicht auf Gegenstände zugegriffen werden, die der diplomatischen Vertretung des fremden Staates zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen dienen (  ne impediatur [X.] ). Wegen der [X.] bei der Beurteilung einer Gefährdung dieser Funktionsfähigkeit und wegen der latent gegebenen Missbrauchsmöglichkeiten zieht das allgemeine Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten des fremden Staates sehr weit und stellt auf die typische, abstrakte Gefahr, nicht aber auf die konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Vertretung durch Maßnahmen des [X.] ab (vgl. [X.] 45, 342 <394 ff.>; 117, 141 <156>).

Die Abgrenzung, ob die Gegenstände, in die vollstreckt werden soll, im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen oder nicht hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen, ist mangels entsprechender Kriterien im allgemeinen Völkerrecht (vgl. hierzu die teilweise unverbindlichen, aber möglicherweise zur Entstehung von allgemeinen Völkerrecht beitragenden Beispiele in Art. 4 der Resolution  Contemporary Problems Concerning the Immunity of States in Relation to Questions of Jurisdiction and Enforcement des  [X.] von 1991; Art. 19 der  Draft Articles on Jurisdictional Immunities of States and Their Property der Völkerrechtskommission von 1991; Art. 21 des Übereinkommens über die Gerichtsimmunität der [X.] und ihres Vermögens vom 2. Dezember 2004) grundsätzlich nach der Rechtsordnung des [X.]s vorzunehmen (vgl. [X.] 16, 27 <62> für das Erkenntnisverfahren).

(2) Dem Beschwerdeführer gelingt es nicht, objektive Zweifel an der Tragweite dieser allgemeinen Regel des Völkerrechts zu wecken, indem er unter Bezugnahme auf das von ihm in Auftrag gegebene Privatgutachten rechtsvergleichend auf die in anderen [X.]en entwickelten Kriterien für hoheitlichen Zwecken dienende Gegenstände eines fremden Staates verweist und sich vor diesem Hintergrund kritisch mit der Rechtsprechung des [X.]s auseinandersetzt. Er schlägt im Ergebnis lediglich vor, in welche Richtung sich die allgemeine Regel des Völkerrechts im Hinblick auf den Rechtsschutz privater Gläubiger  de lege ferenda entwickeln sollte.

Die Verfassungsbeschwerde vermag keine objektiven Zweifel an der Tragweite des Grundsatzes der [X.] zu wecken, wenn sie ausführt, dass maßgebliche Kriterien für die Reichweite der [X.] bei gemischt genutzten Gegenständen der Schwerpunkt der Zwecksetzung oder die konkrete Gefährdung der hoheitlichen Zwecksetzung sein könnten. Nach  Section 3(1) des [X.]  [X.] 1985 ([X.]. 196 of 1985) sei diplomatisches Vermögen ("[X.]") solches, das überwiegend ("predominantly") der diplomatischen Vertretung des fremden Staates zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen diene. [X.] Gerichte würden, wenn auch nur teilweise (vgl.  [X.] , 507 [X.]. 311, 1981 [X.]), die Zwangsvollstreckung in gemischt genutzte Konten eines fremden Staates zulassen.

Das [X.] hat durch die Formulierung "soweit" (vgl. [X.] 46, 342 <392>; 64, 1 <40>) bereits eine Feststellung dazu getroffen, dass die Reichweite der [X.] eines fremden Staates sich auf den Umfang der hoheitlichen Zwecksetzung beschränkt, das allgemeine Völkerrecht bei gemischt genutzten Gegenständen mit anderen Worten einer Vollstreckung in die nicht hoheitlich genutzten Teile von Gegenständen grundsätzlich nicht entgegensteht.

Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass sich seit dieser Feststellung Kriterien im allgemeinen Völkerrecht gebildet hätten, nach denen die Abgrenzung, ob und inwieweit ein Vollstreckungsgegenstand hoheitlichen oder nicht hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dient, vorgenommen werden müsste. Bei den allgemeinen Regeln des Völkerrechts nach Art. 25 GG handelt es sich in erster Linie um universell geltendes Völkergewohnheitsrecht (vgl. [X.] 15, 25 <32 ff.>; 16, 27 <33>; 23, 288 <317>; 109, 13 <27>; 117, 141 <149 f.>; 118, 124 <134>). Die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ist an zwei Voraussetzungen geknüpft: erstens an das zeitlich andauernde und möglichst einheitliche Verhalten unter weit gestreuter und repräsentativer Beteiligung von [X.] und anderen, rechtssetzungsbefugten Völkerrechtssubjekten; zweitens an die hinter dieser Übung stehende Auffassung, "im Rahmen des völkerrechtlich Gebotenen und Erlaubten oder Notwendigen zu handeln" (  opinio iuris sive necessitatis , vgl. [X.] 66, 39 <64 f.>; 96, 68 <86 f.>). Der Vortrag des Beschwerdeführers, dass die [X.] und die [X.] Rechtsordnung auf den Schwerpunkt der Zwecksetzung beziehungsweise die konkrete Gefährdung der hoheitlichen Zwecksetzung für die Reichweite der [X.] abstellen, reicht deshalb von vornherein nicht aus, um eine völkergewohnheitsrechtliche Geltung dieser obendrein inhaltlich unterschiedlichen Kriterien anzunehmen.

Der Beschwerdeführer setzt sich mit der Rechtsprechung des [X.]s dahingehend auseinander, dass er die Entscheidung, wonach die Vollstreckung in gemischt genutzte Botschaftskonten eines fremden Staates nach allgemeinem Völkerrecht unzulässig ist (vgl. [X.] 46, 342 <397 ff.), für nicht übertragbar hält, weil die Zwangsversteigerung des Gebäudes seiner Auffassung nach die Nutzung der Diplomatenwohnungen nicht beeinträchtige. Diese Argumentation vermag ebenfalls keine objektiven Zweifel an der Tragweite des Grundsatzes der Völkerrechtsimmunität zu wecken, da sie sich allein auf die Anwendung der allgemeinen Regel des Völkerrechts durch das [X.] und das [X.] auf den konkreten Sachverhalt bezieht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2984/09, 2 BvR 3057/09, 2 BvR 1842/10

12.10.2011

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 1. Oktober 2009, Az: VII ZB 37/08, Beschluss

Art 100 Abs 2 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 25 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 12.10.2011, Az. 2 BvR 2984/09, 2 BvR 3057/09, 2 BvR 1842/10 (REWIS RS 2011, 2469)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2469

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