Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2014, Az. 1 StR 182/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 2425

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
1
StR
182/14

vom
7. Oktober
2014
in der Strafsache
gegen

wegen Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
7. Oktober 2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Rothfuß

als Vorsitzender,

der
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. [X.],
die [X.]in am Bundesgerichtshof
Cirener
und die [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],

Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

in der Verhandlung ,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Oktober 2013

auch so-weit es den Mitangeklagten [X.]

betrifft

aufgeho-
ben.

2.
Die weitergehende Revision der Angeklagten wird ver-worfen.

3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkam-mer tätige [X.] des [X.].

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in [X.] Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Die Angeklagte wendet sich mit einer Verfahrensrüge und der näher ausgeführten Sachrüge gegen ihre Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der 1
2
-
4
-
Sachrüge überwiegend Erfolg. Mit der Rüge der Verletzung von [X.] dringt die Angeklagte dagegen nicht durch.

I.
Nach den Feststellungen des [X.]s hat die Angeklagte [X.] mit dem Mitangeklagten [X.]

jeweils zugunsten der [X.]

GmbH
durch unrichtige [X.] für die [X.] und 2010 sowie durch unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen
für die Monate Januar bis Juli 2011, September 2011, Dezember 2011 sowie Januar und Februar 2012 Vorsteuern
in einer Gesamthöhe von 1.113.891,10 Euro zu Unrecht gel-tend gemacht. Die [X.]

GmbH war als Exporteur wenigstens in ein euro-
paweit tätiges sog. [X.] eingebunden. Die Gesellschaft er-warb von verschiedenen [X.]n unterschiedliche Elektronikartikel. Diese waren zuvor aus dem [X.] Ausland nach [X.] verbracht worden. Die als [X.] agierenden Unternehmen kamen ihren [X.] steuerlichen Verpflichtungen nicht nach, indem sie entweder keine oder unrichtige Umsatzsteuererklärungen abgaben und geschuldete Umsatzsteuer nicht abführten. Die [X.]

GmbH veräußerte die erworbenen Waren
ihrer-
seits
wiederum
in das [X.] Ausland.
Die Angeklagte, die innerhalb der [X.]

GmbH für die Abwicklung
des Ein-
und Verkaufs der Elektronikartikel zuständig war, bewirkte zusammen mit dem Mitangeklagten [X.]

, dem GmbH-Geschäftsführer, dass die
Rechnungen
der [X.] in die Buchhaltung der [X.]

GmbH einge-
stellt und daraus in den jeweiligen Steuererklärungen Vorsteuern geltend ge-macht wurden. In sämtlichen verfahrensgegenständlichen Veranlagungszeit-räumen überstieg die erklärte Vorsteuer die
erklärte Umsatzsteuer erheblich.
3
4
-
5
-
Nach den weiteren Feststellungen des [X.]s rechneten beide Angeklagte jedenfalls ab Ende des Jahres 2009 mit der Möglichkeit, dass die [X.]

GmbH in ein [X.] eingebunden war und nahmen
dies
billigend in Kauf; sie nahmen auch billigend in Kauf, dass die [X.] Rechnungen nicht hätten in die Buchhaltung und in die [X.] bzw. [X.] eingestellt werden [X.].

II.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen weder bezüglich der Angeklagten noch bezüglich des nicht revidierenden Mitangeklagten
[X.]

die Schuldsprüche wegen vollendeter Steuerhinterziehung in jeweils
dreizehn Fällen. Es mangelt an zusätzlichen Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen jeweils vollendeter Taten ergibt. Dagegen hat die auch gegen die Feststellungen gerichtete Verfahrensrüge der Angeklagten keinen Erfolg.
1.
Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte eine Verletzung ihres [X.] auf ein faires Verfahren (Art.
20 Abs.
3 GG, Art.
6 Abs.
1 Satz
1 EMRK, hier in Verbindung mit §
257c StPO) geltend macht, dringt nicht durch. Sie ist nicht in einer §
344 Abs.
2 Satz
2 StPO entsprechenden Weise ausge-führt.
a)
Folgendes Verfahrensgeschehen liegt nach dem Vorbringen [X.]:
In der Sitzung vom 1.
August 2013, dem zweiten [X.], gab der Vorsitzende den Inhalt eines außerhalb der Hauptverhandlung zur [X.] einer Verständigung geführten Gesprächs bekannt. Am darauffol-5
6
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8
9
-
6
-
genden dritten [X.], dem 6.
August 2013, gab der [X.] sodann den [X.] der [X.] bekannt. Bei vollum-fänglichem Geständnis gemäß Anklage wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe mit einer Untergrenze von einem Jahr neun Monaten und einer Obergrenze von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, in Aussicht gestellt. Ausweislich der von der Revision vorgetragenen Sitzungsnie-derschrift belehrte der Vorsitzende anschließend die Angeklagten gemäß §
257c Abs.
4, Abs.
5 StPO. Nach der Belehrung erklärte einer der Verteidiger der Angeklagten die Zustimmung zu dem [X.] der [X.], ich mache sie [X.] zu e. Der [X.] der Staatsanwalt-schaft stimmte dem [X.] ebenfalls zu.
Das Verfahren u.a. gegen die Angeklagte wurde abgetrennt. Am 9.
Oktober 2013, dem 16.
[X.], wurden die Schlussvorträge gehalten. Dabei forderte der [X.] der Staatsanwaltschaft als Be-währungsauflage eine Geldzahlung durch die Angeklagte. Ihr Verteidiger wies in seinem Schlussplädoyer darauf hin, dass angesichts der mittlerweile gegen die Angeklagte ergangenen Steuerbescheide eine Geldauflage unverhältnis-mäßig sei und allenfalls eine Arbeitsauflage ausgesprochen werden solle.
In seinem im [X.] an das angefochtene Urteil verkündeten [X.] legte das [X.] der Angeklagten die Erbringung von 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit auf.
b)
Die Revision rügt eine Verletzung des Anspruchs der Angeklagten auf ein faires Verfahren. Das Fairnessgebot erfordere, bei einem aufgrund einer Absprache gemäß § 257c StPO zustande gekommenen Urteil mit einer [X.] bereits im Rahmen der der Verständigung vorausgehenden Ge-10
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7
-
spräche eventuell zu verhängende Bewährungsauflagen anzusprechen. [X.] werde der Angeklagte von einer im Bewährungsbeschluss erfolgenden Auflage überrascht. Diesbezüglich trägt die Revision vor, im Rahmen der zur Herbeiführung der Verständigung geführten Gespräche sei nicht über solche Auflagen gesprochen worden. Die Angeklagte sei deshalb durch den im Rah-men des [X.] erfolgten Antrag des [X.]s der [X.], eine Geldauflage zu verhängen, völlig überrascht worden.
c)
Unter den maßgeblichen Umständen des konkreten Einzelfalles ist die erhobene Rüge nicht in einer §
344 Abs.
2 Satz
2 StPO genügenden Weise ausgeführt.
aa)
Um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, müssen die den behaupteten Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau und vollständig mitgeteilt werden, dass das Revisionsgericht im Sinne einer vor-weggenommenen [X.] ohne Rückgriff auf die Akten prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die [X.] Tatsachen bewiesen werden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8.
Januar 2013

1 [X.], [X.], 672; vom 11.
März 2014

1 [X.], [X.], 532 f. jeweils [X.]). Der vom Gesetz geforderte Tatsachenvortrag muss zudem für eine zulässige Verfahrensrüge in sich widerspruchsfrei sein (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19.
Oktober 2005

1 [X.], [X.], 181, 182; vom 29.
Juni 2010

1 [X.], [X.], 399; vom 23.
August 2011

1 [X.]/11
[insoweit in [X.]St 57, 1 f. nicht abgedruckt]; siehe auch [X.] NStZ-RR 2012, 65 f.; [X.] in [X.], 7.
Aufl., §
344 Rn.
38 [X.]).
Daran gemessen genügt die Verfahrensrüge nicht dem von §
344 Abs. 2 Satz
2 StPO Geforderten.

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14
15
-
8
-
bb)
Nach der Rechtsprechung des 4.
Strafsenats des Bundesgerichts-hofs gebietet der Anspruch auf ein faires Verfahren (Art.
20 Abs.
3 GG, Art.
6 Abs.
1 Satz
1 EMRK), dass ein Angeklagter vor einer Verständigung gemäß §
257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung [X.] Freiheitsstrafe ist, auf konkret in Betracht kommende Bewährungs-auflagen hingewiesen werden muss ([X.], Beschlüsse vom 29.
Januar 2014

4 [X.], NJW 2014, 1831 f.; vom 11.
September 2014

4 [X.], [X.], 665 f.). Eine Verständigung im Strafverfahren sei nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn durch eine vorherige Belehrung sichergestellt ist, dass der Angeklagte vollumfänglich über die [X.] seiner Mitwirkung informiert ist (vgl.
[X.],
aaO
unter Bezugnahme auf [X.]
133, 168, 237). Diese Grundsätze erforderten es, dass das Gericht vor einer Verständigung offenlegt, dass es die Verhängung einer zur [X.] ausgesetzten Freiheitsstrafe allein nicht für ausreichend hält, sondern zur Verwirklichung der Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens Bewährungsauf-lagen in Betracht zieht. Denn nur wenn der Angeklagte über den gesamten Um-fang der Rechtsfolgenerwartung bei der Verständigung informiert sei, könne er autonom eine Entscheidung über seine Mitwirkung treffen ([X.],
aaO [X.]).
Der 4.
Strafsenat des [X.] sieht in dem auch hier rele-vanten Zusammenhang den den Fairnessverstoß begründenden Verfahrens-fehler in der fehlenden Offenlegung des gesamten Umfangs der [X.] vor dem Zustandekommen der Verständigung ([X.],
aaO). Er knüpft der Sache nach an die Rechtsprechung des [X.] zu der Bedeutung der Belehrungspflicht aus §
257c Abs.
5 StPO an. Mit der Pflicht zur Belehrung über die Möglichkeiten des Gerichts, sich gemäß §
257c Abs.
4 StPO von dem in Aussicht gestellten Ergebnis wieder zu lösen, habe der Ge-setzgeber die Fairness des [X.] sichern und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang schützen wollen (vgl. [X.] 16
17
-
9
-
133, 168, 224 Rn.
99 und 237 Rn.
125; [X.], Beschluss vom 25.
August 2014

2 BvR 2048/13, NJW 2014, 3506, 3507 Rn.
14). Durch die Belehrungs-pflicht solle ferner denjenigen Gefährdungen der [X.] Rechnung getragen werden, die mit der Aussicht auf eine das Tatgericht grundsätzlich bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch be-gründeten Anreiz-
und Verlockungssituation einhergehen ([X.],
aaO; siehe auch [X.], Beschluss vom 11.
April 2013

1
StR 563/12, [X.] 2013, 286; [X.], Urteil vom 7.
August 2013

5 [X.], [X.], 728 f.).
cc)
Der [X.] kann offen lassen, ob der Rechtsprechung des 4.
Straf-senats insoweit zu folgen wäre, dass die vom [X.] für [X.] im Zusammenhang mit Verstößen
gegen die Beleh-rungspflicht aus §
257c Abs.
5 StPO formulierten verfassungsrechtlichen An-forderungen an die revisionsgerichtliche Beruhensprüfung (vgl. [X.] 133, 168,
224
f.
Rn.
99 und 238 Rn.
127; [X.], Beschluss vom 25.
August 2014

2 BvR 2048/13, NJW 2014, 3506, 3507 Rn.
16) auch auf eine unterbliebene Unterrichtung über Bewährungsauflagen bei im gerichtlichen Verständigungs-vorschlag in Aussicht gestellter zur Bewährung auszusetzender Freiheitsstrafe (siehe [X.], Beschluss vom 29.
Januar 2014

4 [X.], NJW 2014, 1831, 1832) zu übertragen sind. Denn unabhängig davon hätte die Revision bei der hier vorliegenden Verfahrenslage sowohl zu dem Zeitpunkt als auch zu dem Inhalt des von der Angeklagten abgelegten Geständnisses vortragen müssen, um den
gesetzlichen Anforderungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 StPO zu genügen und dem [X.] die Prüfung zu ermöglichen, ob die geltend gemachte Verlet-zung des Grundsatzes des fairen Verfahrens vorliegt.
(1)
Der behauptete [X.] soll in einem mit dem Fairness-prinzip nicht zu vereinbarenden Eingriff in die Autonomie der Angeklagten lie-gen, sich im Hinblick auf den das Tatgericht grundsätzlich bindenden Verstän-18
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digungsvorschlag (vgl. §
257c Abs.
4 StPO) ihrer [X.] durch Ablegen eines Geständnisses zu begeben. Wesentlich ist damit die unzu-reichende Information über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung; denn nur auf der Grundlage umfassender Information kann der Angeklagte [X.] über die Mitwirkung an der Verständigung entscheiden ([X.], Beschluss vom 29.
Januar 2014

4 [X.], NJW 2014, 1831, 1832).
Ein solcher [X.] setzt ersichtlich voraus, dass das [X.] zeitlich dem

im Hinblick auf die gesamte Rechtsfolgenerwartung

unvollständigen [X.] des Gerichts (§
257c Abs.
3 Satz
1 StPO) nachfolgt. Aus den in §
257c Abs.
4 Satz
1 und Satz
2 StPO eröffneten Möglichkeiten für das Gericht, sich von einem [X.] wieder zu lösen, lässt sich zudem auf einen inhaltlichen Bezug des Geständnisses zu dem gerichtlichen [X.] schließen. Angesichts der gesetzli-chen Konzeption des zu einer Verständigung nach §
257c Abs.
3 StPO führen-den Verfahrens
kann regelmäßig auch von einer solchen zeitlichen Abfolge von [X.] und Geständnis sowie einem Inhalt des [X.] ausgegangen werden, der den vom Gericht formulierten Erwartungen (z.B. Weicht das von einem Angeklagten im Rahmen einer Verständigung zugesagte Verhalten von dem vom Gericht Erwarteten ab bzw. bleibt dahinter zurück, ent-fällt die Bindungswirkung aus §
257c Abs.
4 StPO jedenfalls dann, wenn sich aufgrund des erwartungswidrigen Verhaltens des Angeklagten nach der Über-zeugung des Gerichts der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr als
tat-
und schuldangemessen erweist ([X.], Beschluss vom 21.
Februar 2013

1 [X.], [X.], 417, 419 Rn.
23; [X.]/[X.] in [X.], 7.
Aufl.,
§
257c Rn.
27). Das im Rahmen
einer Verständigung abgege-bene Geständnis bezieht sich dementsprechend regelmäßig auch auf die im [X.] zum Ausdruck kommende Erwartung über den Inhalt 20
-
11
-
des Geständnisses. Dass dieses vom Gericht auf seine Richtigkeit hin zu über-prüfen ist ([X.] 133, 168, 209 f. Rn.
71), steht dem nicht entgegen, son-dern belegt unter Berücksichtigung der Gründe für die Aufhebung der sonst eintretenden Bindung des Gerichts an den zugesagten Strafrahmen die [X.] Verknüpfung von [X.] und Geständnis.
(2)
Welche Anforderungen aus §
344 Abs.
2 Satz
2 StPO vor diesem Hintergrund an den Tatsachenvortrag bei Rüge eines die [X.] verletzenden, inhaltlich unzureichenden [X.]s generell zu stellen sind, bedarf keiner Entscheidung. Wird der gerügte Verfahrensfehler auf eine Beeinträchtigung der Autonomie der Angeklagten gestützt, im Rahmen eines auf eine Verständigung gemäß §
257c Abs.
3 StPO abzielenden Verfah-rens an ihrer [X.] festzuhalten oder diese durch Mitwirkung am Verständigungsverfahren und Abgabe eines Geständnisses aufzugeben, ist aber zumindest ein Tatsachenvortrag erforderlich, aus dem sich im Hinblick auf den Verfahrensablauf die Möglichkeit einer Verletzung dieser Autonomie ergibt. Jedenfalls bei der hier gegebenen Verfahrenslage bedurfte es dazu sowohl An-gaben über den Zeitpunkt des von der Angeklagten abgelegten Geständnisses als auch über dessen Inhalt. Dies resultiert aus Folgendem:
Aus dem tatrichterlichen Urteil, das der [X.] wegen der ebenfalls zu-lässig erhobenen Sachrüge zur Kenntnis zu nehmen hat, ergibt sich im Rah-men der Ausführungen zur Strafzumessung, dass die Angeklagte ihr Geständ-

52). Ob damit ein Geständnis bereits zeitlich vor dem [X.] und dessen Annahme am dritten [X.] erfolgte, lässt sich weder dem angefochtenen Urteil noch dem Vorbringen der Revision ausreichend [X.] entnehmen. Diese trägt

bestätigt durch den Inhalt der [X.] vom 6. August 2013, dem dritten [X.]

lediglich vor, 21
22
-
12
-
nachdem der Vorsitzende den die Angeklagte betreffenden [X.] bekannt gegeben und alle Angeklagten gemäß §
257c Abs. 4, Abs.
5 StPO belehrt hatte, habe Rechtsanwalt W.

als Verteidiger der Angeklag-
ten dem [X.] zugestimmt. Ausweislich der von der [X.] vorgetragenen Sitzungsniederschrift erklärte anschließend die Angeklagte:

Dass diese Erklärung über die durch §
257c Abs.
3 Satz
4 StPO geforderte Zu-stimmung zum [X.] hinaus ein Geständnis enthielte, ist hier nicht ohne Weiteres ersichtlich und wird auch von der Revision nicht aus-drücklich behauptet.
Es wird damit nicht hinreichend klargestellt, ob das vom Tatgericht zu-

29), zeitlich nach dem Zustandekommen der Verständigung und mit inhaltlichem Bezug auf den gerichtlichen [X.] abgelegt wurde.

r-fordert jedenfalls Tatsachenvortrag zu der konkreten zeitlichen Abfolge von [X.] und
Geständnis. Die Abfolge von [X.] vor Geständnis wird zwar schon wegen der vorstehend aufgezeigten inhaltlichen Verknüpfung der Bindungswirkung aus §
257c Abs.
4 StPO mit dem weiteren Verhalten des jeweiligen Angeklagten

typischerweise
eines den Erwartungen des Gerichts entsprechenden Geständnisses

der praktische Regelfall sein. Zwingend ist dies jedoch nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
September 2014

4 [X.], [X.], 665 f.).
Entsprechender Vortrag war hier nicht deshalb verzichtbar, weil das Ur-teil sel

seien jeweils Verständigungen gemäß §

30). Das Urteil ist seinerseits nicht völlig 23
24
25
-
13
-
eindeutig. Das gilt sowohl im Hinblick auf den Inhalt des Geständnisses als auch auf den Zeitpunkt, zu dem es abgelegt worden ist. In Bezug auf die zeitli-che Abfolge von Verständigung und Geständnis bringt das Urteil, wie bereits angedeutet, einerseits zum Ausdruck, dem Geständnis sei eine Verständigung vorausgegangen, anderersr-

52) abgelegt worden sein. Da ausweislich des durch die [X.] bestätigten [X.]s die Verständigung mit der Angeklagten erst am dritten [X.] stattgefunden hat, kann der [X.] die Abfolge von Verständigung und Geständnis nicht hinreichend ver-lässlich dem Urteil selbst entnehmen. Die Revision beschränkt sich auf den Vortrag, die Feststellungen beruhten auf einer geständigen Einlassung der [X.], der eine Verständigung gemäß § 257c StPO vorausging und ver-weist auf die entsprechende Seite im tatrichterlichen Urteil. Da das Urteil sei-nerseits zum zeitlichen Ablauf des Verständigungsgeschehens nicht eindeutig ist, bedurfte es eines vollständigen und widerspruchsfreien Tatsachenvortrags der Revision dazu.
Dem [X.] lässt sich auch nicht zweifelsfrei entnehmen, dass die Angeklagte das vom [X.] dem Urteil zugrunde gelegte [X.] aufgrund des [X.]s abgelegt hat. Der [X.] ent-nimmt der von der Revision vorgetragenen Sitzungsniederschrift vom 6.
August m-i-ändnis hat die Angeklagte aber ausweislich der Urteilsgründe gerade
nicht abgegeben. Im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand der [X.] bezüglich der [X.] und 2010 hat die Angeklagte sich eingelas-

2010 die Möglichkeit der Einbindung in A
S.
46). Dieser geständigen Einlassung ist das [X.] nicht gefolgt, sondern hat aufgrund seiner [X.]
-
14
-
weiswürdigung die Überzeugung gewonnen, dass die Angeklagte

wie
der Mitangeklagte [X.]

bereits ab Ende des Jahres 2009 die Möglichkeit der
Einbindung der [X.]

GmbH
in ein [X.] erkannt und billi-
gend in Kauf genommen hat. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes hätte es eines Vortrags der Revision dazu bedurft, dass die Angeklagte nach dem konsentierten [X.] ein Geständnis abgelegt hat, das im Hinblick auf diesen abgegeben worden ist. Daran fehlt es jedoch.
Ohne solchen Tatsachenvortrag aber kann der [X.] nicht beurteilen, ob der Fairnessgrundsatz
durch unzureichende Information der Angeklagten über die gesamte Rechtsfolgenerwartung vor ihrem Geständnis verletzt worden ist. Angesichts der Unzulässigkeit der Rüge bedarf es keiner Entscheidung, ob das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Rechtsfehler beruhen kann, obwohl die verhängte Bewährungsauflage dem Schlussantrag des Verteidigers der [X.] entspricht.
2.
Die Feststellungen des [X.]s tragen nicht die Verurteilungen jeweils wegen vollendeter Steuerhinterziehung.
a)
Bei sämtlichen Steueranmeldungen für die [X.]

GmbH ist ein
Überschuss der Vorsteuerbeträge über die [X.] festgestellt (Tabellen UA S.
27 und 28). Es handelt sich mithin durchgängig um Fälle der Steuervergütung i.[X.]. §
168 Satz 2 [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Juli 2014

1
StR
196/14, [X.], 486 [X.]). In den Konstellationen des §
168 Satz
2 [X.] tritt der [X.] aber erst mit der Zustimmung der Finanz-behörde ein. [X.] Feststellungen dazu hat das [X.] nicht ge-troffen. Selbst aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vermag der [X.] keine entsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen.

27
28
29
-
15
-
Das Urteil bedarf deshalb der Aufhebung im Schuld-
und Straf-ausspruch. Die getroffenen Feststellungen bleiben dagegen aufrechterhalten; sie sind von der zur Aufhebung führenden Gesetzesverletzung nicht betroffen (§
353 Abs.
2 StPO).
Diese bedürfen hinsichtlich sämtlicher verfahrensgegen-ständlicher Taten der Ergänzung im Hinblick auf die zur Vollendung der Steu-erhinterziehungen jeweils erforderlichen Zustimmungen der Finanzbehörden bei dem festgestellten Vorliegen von Steuervergütungen gemäß §
168 Satz
2 [X.].
b)
Soweit die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung gemäß §
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.] im Hinblick auf die Umsatzsteuerjahreserklärung 2009 für die
[X.]

GmbH verurteilt worden ist, muss der neue Tatrichter zudem ergän-
zende Feststellungen zu dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Möglichkeit der Einbeziehung des Unternehmens in ein [X.] treffen. Das [X.] hat zugrunde gelegt, die Angeklagte habe spätestens Ende 2009 die Möglichkeit der Einbindung in ein
Karussell erkannt und diese billigend in Kauf genommen. Das belegt den objektiven Tatbestand des §
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.]

bezogen auf das Jahr 2009

nicht.
Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend aufge-zeigt hat, macht derjenige, der in Umsatzsteuererklärungen die in einer Rech-nung ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend macht, unrichtige An-gaben über steuerlich erhebliche Tatsachen i.[X.]. §
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.], wenn er sich mit dem der Rechnung zugrunde liegenden Erwerb an einem in eine [X.], Beschluss vom 8.
Februar 2011

1 StR 24/10, NJW 2011, 1616). Ein Recht zum Vorsteuerabzug besteht aus solchen Rechnungen nicht. Das Recht zum Vorsteuerabzug (§
15 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 UStG) entfällt jedoch nur dann, wenn der
Steuerpflichtige
im Zeitpunkt des Leistungsbezuges von der Einbe-30
31
32
-
16
-

([X.], Beschluss vom 1.
Oktober 2013

1 [X.], [X.], 331, 333 Rn.
16 ff. [X.]). Angesichts der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des [X.] lässt eine zeitlich danach eintretende Kenntnis von der Einbindung in [X.]. Da das [X.] den jeweiligen Zeitpunkt des Leistungsbezuges hin-sichtlich der das Jahr
2009 betreffenden Rechnungen (vgl. UA S.
24) nicht festgestellt hat, lässt sich die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug für diese Rechnungen nicht auf die ab Jahresende 2009 bestehende Kenntnis der Angeklagten stützen. Insoweit bedarf es ergänzender Feststellungen, zu wel-chen Zeitpunkten der jeweilige Leistungsbezug erfolgte und ob die Angeklagte bereits dabei zumindest um die Einbindung der [X.]

-
wertsteuerhinterziehung

hätte wissen müssen.
3.
Sachlich-rechtlich ist dagegen nicht zu beanstanden, dass die
Ange-klagte als Mittäterin der Steuerhinterziehung verurteilt worden ist.
Täter einer Steuerhinterziehung i.[X.]. §
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.] kann nicht nur der Steuerpflichtige sein. Vielmehr kommt als Täter einer Steuerhinterzie-hung durch [X.] grundsäden gesetzlichen Tatbestand verwirklicht. Mittäter kann daher auch eine Person sein, der das Gesetz keine steuerlichen Pflichten zuweist, sofern nur die
Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Begehungsweise i.[X.].
§
25 Abs. 2 StGB gegeben sind (st.
Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 12. November 1986

3 [X.], [X.]R StGB § 25 Abs. 2 Mittäter
1; [X.], Urteil vom 28.
Mai 1986

3 [X.], [X.], 463; [X.], Beschluss vom 6.
Oktober 1989

3 [X.], [X.]R [X.] §
370 Abs. 1 Nr.
1 Mittäter
3; [X.], Urteil vom
22. Mai 2003

5 [X.], [X.]R [X.] §
370 Abs.
1 Nr.
1 Täter
4; [X.], Be-33
34
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17
-
schluss vom 7. November 2006

5 [X.], [X.], 112; [X.], Urteil vom 9.
April 2013

1 StR 586/12, [X.]St 58, 218, 225 Rn.
42).
Mittäter ist, wer [X.] fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung sei-nes eigenen [X.] erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte kön-nen der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Umfang der Tatbeteili-gung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 30.
Juni 2005

5 StR 12/05, NStZ
2006, 44; vom 15. Januar 1991

5 [X.], [X.]St 37, 289, 291; vom 9.
April 2013

1
StR 586/12, [X.]St 58, 218, 226 Rn.
43 jeweils [X.]).
Die erkennbar auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung der maßgeb-lichen Umstände getroffene Wertung des [X.]s, die Angeklagte sei in sämtlichen Fällen Mittäterin und nicht nur Gehilfin
der durch Einreichung unrich-tiger Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. der [X.] (2009 und 2010) zugunsten der [X.]

GmbH begangenen Steuerhinterzie-
hungen gewesen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das [X.] hat das nur geringe unmittelbare eigene Tatinteresse der Angeklagten bedacht. Es hat aber ersichtlich entscheidend auf die weitgehend selbständige Abwicklung des Ein-
und Verkaufs der Elektronikartikel, aus dem jeweils die zu Unrecht in die Steueranmeldungen eingestellten Rechnungen hervorgingen, sowie auf die Prüfung der Rechnungen seitens der Angeklagten vor der Einstellung in die Buchführung der [X.]

GmbH abgestellt. Da damit an den Umfang der Tat-
beteiligung und Tatherrschaft angeknüpft wird, ist dies nicht
zu beanstanden.
35
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18
-
III.
Da der bei der Angeklagten zur Aufhebung des Urteils führende Rechts-fehler in gleicher Weise bei dem nicht revidierenden, als Mittäter verurteilten Mitangeklagten [X.]

vorliegt, war die Aufhebung auch auf ihn zu erstre-
cken

357 Satz
1 StPO).
Rothfuß [X.] Cirener

Radtke [X.]
37

Meta

1 StR 182/14

07.10.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2014, Az. 1 StR 182/14 (REWIS RS 2014, 2425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2425

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