Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.09.2012, Az. VI ZR 51/12

6. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3119

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Gegenstand

Berufungsverfahren: Voraussetzungen eines Berufungsurteils ohne Tatbestand und Gründe


Leitsatz

Von der Möglichkeit, in einem Berufungsurteil gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO tatbestandliche Feststellungen und die rechtliche Begründung wegzulassen, darf ein Berufungsgericht nur dann Gebrauch machen, wenn es sich zuvor von Amts wegen vergewissert hat, dass ein Rechtsmittel gegen sein Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Diese Voraussetzung ist ohne den Verzicht der unterliegenden Partei auf Rechtsmittel nicht gegeben, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil zulässig ist.

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 22. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 65.718,36 €

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Ob das Berufungsgericht den Vortrag des [X.] in der Berufungsbegründung bei seiner Entscheidung hinreichend berücksichtigt hat, kann aufgrund des Berufungsurteils nicht beurteilt werden. Dass das angefochtene Urteil auf einer unzureichenden Würdigung des Klägervortrags beruht, ist mangels tatsächlicher Feststellungen im Urteil und mangels einer Begründung nicht von vornherein ausgeschlossen und aufgrund des Beschwerdevortrags zu unterstellen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juli 2007 - [X.], juris Rn. 26 und Beschluss vom 26. Juni 2003 - [X.], NJW 2003, 3208).

2

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht nicht von der Darstellung tatbestandlicher Feststellungen und rechtlicher Gründe im Berufungsurteil absehen durfte. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] nach der Verkündung des Urteils, mit dem die Berufung des [X.] gegen das Endurteil des [X.] vom 30. August 2011 zurückgewiesen worden ist, auf die Begründung des [X.] verzichtet. Von der Möglichkeit, gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO tatbestandliche Feststellungen und die rechtliche Begründung wegzulassen, darf ein Berufungsgericht aber nur dann Gebrauch machen, wenn es sich zuvor von Amts wegen vergewissert hat, dass ein Rechtsmittel gegen sein Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, weil aufgrund der Beschwer des [X.], die den Betrag von 20.000 € übersteigt, die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil zulässig ist.

3

Dem Kläger ist es trotz des erklärten Verzichts auf eine Begründung nicht verwehrt, das Fehlen der Urteilsgründe zu rügen. Die Regelung in § 295 ZPO steht der Rüge des [X.] nicht entgegen, weil bei einem durch Rechtsmittel anfechtbaren Urteil die Begründung im öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege unverzichtbar im Sinne des § 295 Abs. 2 ZPO ist. Andernfalls würde dem Revisionsgericht die Prüfung der Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde erschwert oder gar unmöglich gemacht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Juli 2007 - [X.], juris Rn. 22 und vom 13. August 2003 - [X.], [X.]Z 156, 97, 103 ff.). So liegt der Fall hier.

4

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt weiter mit Erfolg, dass das Berufungsgericht den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, indem es den Vortrag des [X.] in der Berufungsbegründung nicht verbeschieden hat. Der [X.] vermag infolge des Fehlens von tatbestandlichen Feststellungen und rechtlichen Gründen (§ 540 ZPO) nicht zu beurteilen, ob das Berufungsgericht mit Recht einen Anspruch des [X.] gemäß § 7 Abs. 1 StVG iVm § 115 Abs. 1 Nr. 1 [X.] verneint hat. Gesichtspunkte, die für die Entscheidung des Berufungsgerichts maßgebend waren, lassen sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen.

Galke                                                      Zoll                                                   Wellner

                          [X.]                                                 [X.]

Meta

VI ZR 51/12

18.09.2012

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 22. Dezember 2011, Az: 8 U 3952/11

§ 313a Abs 1 ZPO, § 540 Abs 2 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.09.2012, Az. VI ZR 51/12 (REWIS RS 2012, 3119)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3119

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Referenzen
Wird zitiert von

VI ZR 25/16

VI ZR 25/16

I ZR 164/13

V ZR 201/11

VI ZR 51/12

VIII ZR 213/20

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