Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 01.06.2017, Az. 1 C 9/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 10014

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Keine Anwendung asylrechtlicher Drittstaatenklausel auf Mitgliedstaaten der EU


Leitsatz

1. Die Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (juris: AsylVfG 1992) ist mit der Anfechtungsklage anzugreifen (wie BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16).

2. Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht "sichere Drittstaaten" im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 26a Abs. 2 AsylG, Art. 16a Abs. 2 GG (wie BVerwG, Beschluss vom 23. März 2017 - 1 C 17.16).

Tatbestand

1

Die [X.], [X.] Staatsangehörige und nach eigenen Angaben tschetschenischer Volkszugehörigkeit, wenden sich gegen die Feststellung des [X.] ([X.]), dass ihnen aufgrund der Einreise aus einem sicheren [X.] kein Asylrecht zusteht.

2

Die Klägerin zu 2 ist die Mutter der im Jahre 2008 geborenen Klägerin zu 3. Die [X.] reisten im September 2010 nach [X.] ein und beantragten dort erfolglos Asyl. Nach Widerspruch beim [X.] wurden für sie nationale Abschiebungsverbote festgestellt. Die [X.] erhielten bis zum 30. April 2013 gültige [X.] Aufenthaltskarten.

3

Die [X.] reisten gemeinsam mit dem nach [X.] Ritus angetrauten Ehemann der Klägerin zu 2 im Juni 2012 nach [X.] und stellten am 19. Juni 2012 beim [X.] unbeschränkte Asylanträge. Auf das [X.] des [X.]es vom 13. Februar 2013 erklärte [X.] am 18. Februar 2013 seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme der [X.]. Mit [X.] vom 13. März 2013 stellte das [X.] fest, dass die Asylanträge der [X.] nach § 27a AsylVfG a.[X.] unzulässig seien (Ziffer 1) und ordnete ihre Überstellung nach [X.] an. Die [X.] erhoben hiergegen Klage. Wegen einer [X.] der Klägerin zu 2 kam es nicht zu der für den 10. April 2013 geplanten Überstellung. Das [X.] hob mit [X.] vom 24. September 2013 den [X.] vom 13. März 2013 auf, weil die [X.] wegen Ablaufs der Überstellungsfrist für die Bearbeitung und [X.]ung der Anträge international zuständig geworden sei.

4

Nach Anhörung der [X.] zu ihrem Verfolgungsschicksal stellte das [X.] zuletzt mit [X.] vom 23. Juni 2014 fest, dass den [X.] in der [X.] kein Asylrecht/internationaler Schutz zustehe (Ziffer 1) und ordnete deren Abschiebung nach [X.] an (Ziffer 2). Die [X.] hätten wegen der Schutzgewähr in [X.] keinen Anspruch auf Feststellung internationalen Schutzes in [X.] und könnten sich wegen ihrer Einreise aus [X.], einem sicheren [X.], nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen.

5

Hiergegen erhoben die [X.] Klage und beantragten erfolglos die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Das [X.] hat mit Gerichtsbescheid vom 20. Oktober 2014 die Klage abgewiesen und hieran in seinem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. Mai 2015 ergangenen Urteil festgehalten.

6

Das Oberverwaltungsgericht [X.]-Brandenburg hat mit Urteil vom 21. April 2016 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der [X.] den [X.] des [X.]es vom 23. Juni 2014 aufgehoben. Die [X.] könnten lediglich mit der Anfechtungsklage die für sie negative Feststellung des [X.]es angreifen, nicht aber mit der Verpflichtungsklage (weitergehenden) Schutz begehren. Die Feststellung, dass den [X.] in der [X.] kein Asylrecht zustehe, weil sie aus einem sicheren [X.] im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist seien, sei rechtswidrig. § 26a Abs. 1 Satz 1 [X.] sei hier nicht anwendbar, weil eine Ausnahme nach § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 [X.] vorliege, nach der die [X.]enregelung nicht greife, wenn die [X.] nach Unionsrecht zuständig sei. Dies sei hier der Fall. Für die Prüfung der Asylzweitanträge der [X.] sei nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 der hier auch anzuwendenden [X.] die [X.] zuständig (geworden). In [X.] sei über die Asylanträge der [X.] nicht endgültig entschieden worden, weil ihnen lediglich [X.] nach nationalem Recht zuerkannt worden sei. Für die auf die Flüchtlingsanerkennung gerichteten Aufstockungsanträge sei nach der [X.] [X.] zwar zunächst zuständig und wiederaufnahmepflichtig gewesen. Die erklärte [X.] sei indes nicht ausgenutzt worden, so dass die Zuständigkeit durch Ablauf der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen sei. Wegen der Asylantragstellung vor dem 20. Juli 2015 sei auch noch die Altfassung der [X.] anzuwenden, so dass eine Zuerkennung subsidiären Schutzes unerheblich sei. Art. 25 Abs. 2 Richtlinie 2005/85/[X.] lasse die Abweisung eines Asylantrages ohne materielles Prüfungsverfahren nur zu, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt habe. Auf den Zuständigkeitsübergang könnten sich die [X.] auch berufen, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine (fortwirkende) [X.] [X.]s vorlägen. Die Abschiebungsanordnung sei wegen der Rechtswidrigkeit der Feststellung nach §§ 26a, 31 Abs. 4 [X.] rechtswidrig.

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 26a [X.] i.V.m. § 31 Abs. 4 [X.]. Sie macht geltend, dass die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts unzutreffend sei, dass auch ein nach Antragstellung in [X.] im Lauf des weiteren Aufenthalts eintretender Zuständigkeitsübergang den Tatbestand von § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 [X.] erfülle. § 26a [X.] sei anwendbar und mit den Vorgaben der Richtlinie 2005/85/[X.] vereinbar. Eine Ablehnung auf der Grundlage des § 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] sei im Vergleich zu einer durch Art. 25 Richtlinie 2005/85/[X.] bzw. Art. 33 Richtlinie 2013/32/[X.] eröffneten Möglichkeit der Ablehnung ohne inhaltliche Antragsprüfung eine für den Antragsteller günstigere Bestimmung, die nach Art. 5 Richtlinie 2005/85/[X.] beibehalten werden könne. Denn anders als eine Ablehnung nach Art. 25 Richtlinie 2005/85/[X.]/Art. 33 Richtlinie 2013/32/[X.] verpflichte § 26a Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Prüfung, ob der Staat, aus dem der Ausländer nach [X.] eingereist ist, ein sicherer [X.] ist. [X.] sei auch die Beschränkung der [X.] auf eine reine Anfechtungsklage. Mit weiterem [X.] vom 29. Mai 2017 hat das [X.] die Asylanträge der [X.] (erneut) als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 [X.] hinsichtlich der [X.] und der Republik [X.] nicht vorliegen, die [X.] zur Ausreise aufgefordert und ihnen für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die [X.] oder nach [X.] angedroht.

8

Die [X.] verteidigen die angegriffene Entscheidung.

9

Mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss vom 1. Juni 2017 hat das [X.] das vorliegende Verfahren der beiden [X.] von dem zuvor gemeinsam mit dem Ehemann der Klägerin zu 2 geführten Verfahren 1 C 22.16 abgetrennt. Die Beteiligten haben das Revisionsverfahren in der mündlichen Verhandlung am 1. Juni 2017 übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt, nachdem die Beklagte den [X.] vom 23. Juni 2014 aufgehoben hatte, soweit dieser die Abschiebung der [X.] nach [X.] angeordnet hatte (Ziffer 2 des [X.]es).

Entscheidungsgründe

Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben; insoweit sind das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2015 und das Urteil des [X.] vom 21. April 2016 unwirksam.

Im Übrigen ist die Revision der [X.]n nicht begründet. Das Urteil des [X.] steht, soweit es in Bezug auf die Klägerinnen mit der Revision angegriffen worden ist, im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO) mit Bundesrecht im Einklang. [X.] kann, ob die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zutrifft, § 26a [X.] sei hier bereits deswegen nicht anwendbar, weil die [X.] international zuständig geworden sei. Der Bescheid ist jedenfalls deswegen auf die hier allein statthafte Anfechtungsklage (dazu 2.) hin aufzuheben, weil er nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gestützt werden kann (dazu 3.1) und eine Umdeutung in einen rechtmäßigen Bescheid, der den Asylantrag aus anderem Rechtsgrund als unzulässig ablehnt, nicht möglich ist (dazu 3.2).

1. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom 23. Juni 2014 gerichteten [X.] und damit auch der Revision richtet sich nach dem Asylgesetz ([X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 ([X.]), zuletzt geändert durch das am 10. November 2016 in [X.] getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung ([X.] 50) vom 4. November 2016 ([X.] I S. 2460); die Änderungen durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögenabschöpfung vom 13. April 2017 ([X.] I S. 872) treten erst am 1. Juli 2017 in [X.]. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des [X.] - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte. Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen. Dazu gehört auch die durch das [X.] vom 31. Juli 2016 ([X.] I S. 1939) mit Wirkung vom 6. August 2016 geschaffene Neufassung des § 29 [X.].

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nach der Trennung des Verfahrens von dem Verfahren 1 [X.] 22.16 das Urteil des [X.] allein insoweit, als es den Bescheid des [X.] vom 23. Juni 2014 aufhebt, soweit dieser die Klägerinnen betrifft. Der Bescheid des [X.] vom 29. Mai 2017 hat Ziffer 1 des Bescheids weder ausdrücklich noch konkludent aufgehoben, so dass sich der Rechtsstreit nicht auch insoweit erledigt hat. Der neue Bescheid ist auch nicht kraft Gesetzes oder durch die Erklärung der [X.]n im Schriftsatz vom 31. Mai 2017 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden, diese Entscheidung und deren Begründung wurden "zum Gegenstand des Revisionsverfahrens" gemacht. Eine gesetzliche Erweiterung des Prüfungsgegenstandes des Revisionsverfahrens auf diesen zusätzlichen, selbstständig neben den Bescheid vom 23. Juni 2014 tretenden Bescheid scheidet mangels Rechtsgrundlage aus. Die Klägerinnen haben auch keine Erklärung abgegeben, dass sie (zusätzlich) diesen Bescheid in dem vorliegenden Verfahren angreifen wollen. Einer solchen Erklärung hätte überdies das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren entgegengestanden (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

2. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) die Anfechtungsklage gegen den Bescheid als (allein) statthaft angesehen und hinsichtlich des [X.] die weitergehende Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen; das Berufungsurteil ist in dem Aufhebungsausspruch daher nicht schon deswegen aufzuheben, weil die Klägerinnen die Abweisung der Verpflichtungsklage haben rechtskräftig werden lassen.

Die Feststellung in dem Bescheid vom 23. Juni 2014, dass sich die Klägerinnen aufgrund ihrer Einreise aus [X.], einem sicheren [X.] im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 2 [X.] i.V.m. [X.] zum [X.] nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen können und in solchen Fällen grundsätzlich auch weder über das Vorliegen der Voraussetzungen der Zuerkennungen des internationalen Schutzes noch über das Vorliegen von [X.] nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] zu entscheiden ist, stellt sich nach Inkrafttreten des [X.]es der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] dar. Nach der neueren Rechtsprechung des [X.] (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 [X.] 4.16 - [X.] 2017, 162 = juris Rn. 17 ff.) sind jedenfalls seit der Zusammenfassung der verschiedenen Unzulässigkeitsgründe in § 29 Abs. 1 [X.] Bescheide, die einen Asylantrag ohne Prüfung der materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, als unzulässig ablehnen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen; insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter [X.] in Betracht. Das Gericht hat vor der Aufhebung einer rechtswidrigen [X.] lediglich zu prüfen, ob diese auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden [X.] aufrechterhalten bleiben kann. Dies gilt auch für die Klage gegen eine auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] i.V.m. § 26a [X.] gestützte [X.] wegen der Einreise aus einem sicheren [X.].

3. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend den Bescheid vom 23. März 2014 zu Ziffer 1 aufgehoben. Der Bescheid kann nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gestützt werden, weil die Republik [X.] bei unionsrechtskonformer Auslegung im Sinne des § 26a [X.] kein sicherer [X.] sein kann. (3.1). Dieser Bescheid kann auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (3.2).

3.1 § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] scheidet als Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheides aus. Dabei bedarf die zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren umstrittene Frage keiner Entscheidung, ob - wie vom Berufungsgericht bejaht - § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 [X.] auch dann greift, wenn die internationale Zuständigkeit erst nach der Einreise und der Antragstellung auf die [X.] übergegangen ist, oder - so die [X.] - Fälle eines nachträglichen Zuständigkeitsübergangs nicht erfasst sind. Denn auf eine Einreise aus der Republik [X.], einem Mitgliedstaat der [X.], ist § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] (i.V.m. § 26a Abs. 1 Satz 1 [X.], Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG) nicht anwendbar, weil "sicherer [X.]" in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der [X.] ist (BVerwG, Beschluss vom 23. März 2017 - 1 [X.] 17.16 - juris Rn. 13 ff.). Hierzu hat der Senat in diesem Beschluss, der den Beteiligten bekannt ist und an dem der Senat festhält, ausgeführt:

"Zwar ist die [X.]enregelung des § 26a [X.], an die § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] anknüpft, weiter gefasst. Sichere [X.]en sind gemäß § 26a Abs. 2 [X.], der Art. 16a Abs. 2 GG entspricht, nämlich alle Mitgliedstaaten der [X.] sowie die in [X.] zum Asylgesetz bezeichneten [X.], zu denen derzeit nur [X.] und die [X.] zählen. Dieser weite Anwendungsbereich der [X.] [X.]enregelung steht jedoch nicht im Einklang mit der Richtlinie 2013/32/[X.]. Er ist wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dahin einzuschränken, dass der Verweis auf einen sicheren [X.] jedenfalls bei der Versagung internationalen Schutzes nur hinsichtlich der [X.] der [X.] möglich ist. In Bezug auf die Mitgliedstaaten der [X.] darf hingegen von dem im nationalen Recht geregelten Konzept sicherer [X.]en kein Gebrauch gemacht werden. Diese Vorgabe des Unionsrechts ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/[X.], der die Gründe, aus denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, abschließend aufzählt. Danach kommen als unionsrechtliche Grundlage für eine nationale [X.]enregelung Art. 33 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2013/32/[X.] in Betracht. Diese Vorschriften verweisen auf die in Art. 35 und 38 der Richtlinie geregelten Konzepte des [X.] bzw. des sicheren [X.]s, erklären diese jedoch jeweils nur in Bezug auf [X.] für anwendbar, die keine Mitgliedstaaten sind. Ob das Konzept des [X.] sicheren [X.]s nach Art. 39 der Richtlinie ebenfalls zu einer [X.] berechtigt, obwohl es in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie nicht genannt ist, kann der Senat offenlassen. Denn auch dieses Konzept zielt nicht auf die Mitgliedstaaten der [X.], sondern auf europäische [X.], die (noch) nicht deren Mitglied sind (vgl. [X.], in: [X.]/[X.] , [X.] Immigration and Asylum Law, [X.], [X.]. 39 Rn. 3). Kein anderes Ergebnis ergäbe sich, wenn im vorliegenden Fall noch auf die Richtlinie 2005/85/[X.] vom 1. Dezember 2005 über [X.] in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft abzustellen sein sollte. Die Anwendung der dort vorgesehenen Konzepte des sicheren [X.]s und des [X.] war ebenfalls auf [X.] beschränkt, die keine Mitgliedstaaten sind (vgl. Art. 25 Abs. 2 Buchst. b und [X.]/[X.]).

Von dieser Begrenzung auf [X.]en im Sinne des Unionsrechts ist wohl auch der [X.] Gesetzgeber bei Erlass des § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ausgegangen, wenngleich er dies nicht durch eine Änderung von § 26a Abs. 2 [X.] zum Ausdruck gebracht hat. Denn aus den Materialien zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] geht hervor, dass mit [X.]en im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nur solche [X.] gemeint sind, die durch Aufnahme in [X.] des Asylgesetzes als sicherer [X.] eingestuft worden sind (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, [X.]. 18/8883 S. 7). Dies schließt die Mitgliedstaaten der [X.] aus, da diese keiner Eintragung bedürfen."

3.2 Die vom [X.] getroffene [X.]enentscheidung kann auch nicht in eine andere, nach § 29 Abs. 1 [X.] rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

a) Einer Umdeutung in einen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 [X.] steht entgegen, dass die [X.] selbst anerkannt hat, dass die Regelungen der [X.] ([X.]) Nr. 343/2003 (Dublin II-[X.]) auf den vorliegenden Fall anwendbar sind und hier zu einem Übergang der Zuständigkeit auf die [X.] geführt haben. Der Senat hält diese Rechtsanwendung für zutreffend und sieht keinen Anlass, hieran zu zweifeln. Insbesondere ergeben sich solche Zweifel nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 5. April 2017 ([X.]-36/17 [E[X.]LI:[X.]:[X.]:2017:273]). Den Klägerinnen des vorliegenden Verfahrens ist kein internationaler Schutz gewährt worden, ihre Anträge haben sie auch vor den in Art. 49 der Verordnung ([X.]) Nr. 604/2013 (Dublin III-[X.]) genannten Stichtagen und zudem vor dem Inkrafttreten sowohl dieser Verordnung als auch der Richtlinie 2013/32/[X.] des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, ABl. [X.] - Richtlinie 2013/32/[X.]) gestellt.

b) In einen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.] kann der Bescheid nicht umgedeutet werden, weil schon dessen Voraussetzung nicht erfüllt ist, dass den Klägerinnen in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gewährt worden ist.

c) Dass ein sonstiger [X.], der kein Mitgliedstaat der [X.] ist, zur Wiederaufnahme der Klägerinnen bereit ist und daher eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 [X.] in Betracht käme, ist nicht erkennbar und wird von den Beteiligten auch nicht vorgetragen.

d) In eine Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 [X.] kann der Bescheid schon deswegen nicht umgedeutet werden, weil es sich bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 [X.] i.V.m. §§ 71, 71a [X.] gestützten (Unzulässigkeits-)Entscheidung prozessual um einen anderen Streitgegenstand mit für die Klägerinnen ungünstigeren Rechtsfolgen handelte; denn sie hätte zur Folge, dass der (Folge/Zweit)-Antrag der Klägerinnen auch von keinem anderen Staat geprüft würde und die Klägerinnen grundsätzlich in jeden zu ihrer Aufnahme bereiten Staat einschließlich ihres Herkunftslands abgeschoben werden könnten (BVerwG, Urteile vom 16. November 2015 - 1 [X.] 4.15 - [X.] 451.902 Europ. [X.] u. Asylrecht Nr. 78 Rn. 26 ff. und vom 9. August 2016 - 1 [X.] 6.16 - BVerwGE 156, 9 Rn. 21). Dies anerkennt letztlich auch der (neuerliche) Bescheid der [X.]n vom 29. Mai 2017, in dem überdies in erheblichem Umfange entscheidungserhebliche Tatsachen herangezogen werden, zu denen keine tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts getroffen worden sind. Eine Umdeutung ist zwar auch noch im Revisionsverfahren möglich, setzt aber u.a. voraus, dass die das Revisionsgericht bindenden tatrichterlichen Feststellungen ausreichen (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 [X.] 4.15 - [X.] 451.902 Europ. [X.] u. Asylrecht Nr. 78 Rn. 30).

4. Die Kostenentscheidung folgt, soweit das Verfahren eingestellt worden ist, aus § 161 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt, dass die [X.] insoweit den angegriffenen Bescheid aufgehoben hat. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung mit Blick auf die erfolgte Abtrennung, die hier auch bei der Kostenentscheidung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und vor dem Oberverwaltungsgericht zu berücksichtigen ist, für das Revisionsverfahren aus § 154 Abs. 2 VwGO und in Bezug auf die Vorinstanzen aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 [X.]. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 [X.] liegen nicht vor.

Meta

1 C 9/17

01.06.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 21. April 2016, Az: OVG 3 B 16.15, Urteil

§ 26a Abs 1 S 3 Nr 2 AsylVfG 1992, § 26a Abs 2 AsylVfG 1992, § 29 Abs 1 Nr 3 AsylVfG 1992, § 60 Abs 7 AufenthG, § 60 Abs 5 AufenthG, Art 33 Abs 2 EURL 32/2013, Art 49 Abs 2 EUV 604/2013, Art 16a Abs 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 01.06.2017, Az. 1 C 9/17 (REWIS RS 2017, 10014)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10014

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