Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.09.2013, Az. I B 17/13

1. Senat | REWIS RS 2013, 2916

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verwendbares Eigenkapital und ausschüttbarer Gewinn - Berücksichtigung des verschmelzungsbedingt entstandenen negativen EK 04


Leitsatz

1. NV: Ein negativer Bestand an EK 04 ist nicht als Anfangsbestand des Einlagekontos zu berücksichtigen.

2. NV: Der Endbetrag von EK 02 ist nicht um einen Endbetrag von negativem EK 04 zu kürzen.

3. NV: Zur Frage der Zulässigkeit einer Modifikation der Differenzberechnung des § 38 Abs. 1Satz 4 KStG 1999 n.F..

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob ein im Zeitpunkt des Systemwechsels vom [X.] zum sog. Halbeinkünfteverfahren bestehender negativer Betrag des sog. Eigenkapitals (EK) 04 bei der Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns der Körperschaft (§ 27 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 i.d.[X.] und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000, [X.], 1433, [X.], 1428 --KStG 1999 n.[X.]--) unberücksichtigt bleibt und dadurch auf der Grundlage der Gegebenheiten im Streitfall für eine Vorabausschüttung des [X.] 2001 ein Teilbetrag des [X.] als verwendet gilt, was zur Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 Abs. 1 KStG 1999 n.[X.] führt.

2

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, ist ein --bis zum 31. Dezember 1990 gemeinnütziges-- Wohnungsbauunternehmen. Nach dem Übergang in die Steuerpflicht verfügte sie über einen erheblichen Bestand an verwendbarem Eigenkapital ([X.]) als [X.] (§ 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1999). Eine Beteiligungsgesellschaft (ein anderes vormals gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen) wurde auf sie im Jahr 1995 verschmolzen. Dies führte zur Addition der jeweiligen Teilbeträge des [X.] (entsprechend § 38 Abs. 1 Satz 1 KStG 1999). Da die Summe der zusammengerechneten Teilbeträge infolge des Wegfalls von Anteilen an der übertragenden Kapitalgesellschaft das maßgebliche [X.] der Klägerin überstieg, erfolgte bei der seinerzeitigen Feststellung des [X.] der Klägerin ein Ausgleich bei dem Teilbetrag nach § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 (s. § 38 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999). Dies führte zu einem negativen Bestand des [X.] in Höhe von 11.616.593 DM. Die Endbestände des [X.] wurden nach § 36 Abs. 7 KStG 1999 n.[X.] mit 0 DM ([X.]), 4.601.601 DM ([X.]), 364.138.604 DM ([X.]) und ./. 11.616.593 DM ([X.]) festgestellt.

3

Die Gesellschafterversammlung der Klägerin beschloss im Dezember 2001 eine Vorabausschüttung für dieses Geschäftsjahr in Höhe von 4.600.000 DM (Fälligkeit: 28. Dezember 2001). Zur Festsetzung der Körperschaftsteuer des [X.] sah der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) EK 02 als für die Ausschüttung nach § 38 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999 n.[X.] verwendet an und berücksichtigte eine Körperschaftsteuererhöhung von 1.007.975 €. Das [X.] ermittelte den (verminderten) ausschüttbaren Gewinn i.S. von § 38 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 27 KStG 1999 n.[X.] wie folgt:

Eigenkapital laut Steuerbilanz

373.523.611 DM

./. gezeichnetes Kapital

15.000.000 DM

./. positiver Bestand des [X.]. [X.]

0 DM   

= ausschüttbarer Gewinn

358.523.611 DM

./. positiver Bestand EK 02

364.138.604 DM

verminderter ausschüttbarer Gewinn

./. 5.614.933 DM

4

Die gegen die Steuerfestsetzung und die Feststellungen gemäß § 36 Abs. 7 KStG 1999 n.[X.] bzw. gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 KStG 1999 n.[X.] erhobene Klage blieb erfolglos ([X.], Urteil vom 6. November 2012  6 K 384/10 K,F,[X.], abgedruckt in [X.] 2013, 770).

5

Die Klägerin verweist auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und beantragt, die Revision zuzulassen.

6

Das [X.] beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. [X.] ist nicht begründet und daher zurückzuweisen. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) zuzulassen.

8

1. Bei der Rechtsfortbildungsrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) handelt es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O). In den Fällen, in denen eine Entscheidung des Revisionsgerichts der Rechtsfortbildung dient, liegt deshalb regelmäßig auch eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vor (z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 31. März 2010 IV B 131/08, [X.], 1487, m.w.[X.]). Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den [X.] aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den [X.] erforderlich machen. [X.] ist eine Rechtsfrage aber nicht schon dann, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist; vielmehr ist erforderlich, dass ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (z.B. [X.]-Beschluss vom 1. September 2010 IV B 132/09, [X.]/NV 2011, 27, m.w.[X.]).

9

2. Nach diesen Maßstäben kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

a) [X.] ist der Ansicht, es bestehe ein abstraktes Interesse an der Klärung der Rechtsfragen, ob aus verfassungsrechtlichen und rechtssystematischen Gründen --erstens-- auch ein negativer Endbetrag des [X.] als Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos i.S. des § 27 KStG 1999 n.F. zu erfassen sei, ob --zweitens-- andernfalls der nach § 36 Abs. 7 KStG 1999 n.F. festzustellende Endbetrag von [X.] um einen gemäß § 38 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999 gebildeten Endbetrag von negativem [X.] zu kürzen sei, und ob --drittens-- anderenfalls im Rahmen der Differenzrechnung nach § 38 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999 n.[X.] Gewinn nur insoweit um den nach § 38 Abs. 1 Satz 1 KStG 1999 n.F. festgestellten Betrag von [X.] zu mindern sei, als das [X.] den Endbetrag von negativem [X.] i.S. von § 38 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999 n.F. übersteigt. Ein Klärungsbedürfnis hat die Beschwerde daraus abgeleitet, dass sich die Fragen nicht unmittelbar aus dem Gesetz beantworten würden; außerdem bestünden unterschiedliche Rechtsauffassungen zu den Fragen, was sich daran beweise, dass das [X.] einen abweichenden Standpunkt zu ihrer Rechtsmeinung eingenommen habe. Im Übrigen sei die Klärung der Rechtsfragen für sämtliche gleichgelagerten Sachverhalte bedeutsam.

b) Ein Klärungsbedürfnis im Allgemeininteresse besteht nicht.

Die erste und zweite der aufgeworfenen Rechtsfragen sind nach dem klaren Gesetzeswortlaut so zu beantworten, wie es das [X.] im angefochtenen Urteil unternommen hat. Der bestandskräftig festgestellte negative Bestand an [X.] konnte sich im Zuge des Systemwechsels weder als Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos auswirken noch kam eine Verrechnung mit dem Bestand des [X.] in Betracht. Zur dritten Rechtsfrage ergibt sich nach dem Gesetzeswortlaut kein anderer Befund. Allerdings hat die Klägerin insoweit darauf verwiesen, es bestehe nach den Grundsätzen des [X.] vom 11. Februar 2009 I R 67/07 ([X.]E 224, 296, [X.], 57) die --im angefochtenen Urteil erörterte, aber dort mit [X.] Möglichkeit einer teleologischen Reduktion des Wortlauts des § 38 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999 n.F. mit der Folge, dass die Differenzrechnung zu modifizieren sei (das [X.] hat insoweit allenfalls die Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung erwogen). In diesem Urteil hatte der [X.] entschieden, der ausschüttbare Gewinn sei nach § 38 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999 n.F. nur insoweit um den Bestand des [X.] zu vermindern, als das [X.] nicht bereits aufgrund einer vorangegangenen Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln als Abzugsposten bei der Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns (§ 27 Abs. 1 Satz 4 KStG 1999 n.F.) berücksichtigt worden sei. Dazu hat die Klägerin aber nicht ausreichend dargelegt, inwieweit eine vom Gesetzeszweck des möglichst steuerneutralen Übergangs geleitete Reduktion des Wortlauts durch eine --der (nachteiligen) Doppelberücksichtigung eines nach dem Gesetzeswortlaut in der dort angeführten Struktur der Differenzrechnung vorgesehenen Abzugspostens-- vergleichbare Situation im Streitfall vorliegt. Ein teleologisches Leitprinzip der vorrangigen Ausschüttbarkeit von neutralem Vermögen lässt sich der [X.]sentscheidung in [X.]E 224, 296, [X.], 57 nicht entnehmen.

c) Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass allein das Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung zu den aufgeworfenen Rechtsfragen noch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O auslöst (z.B. [X.]-Beschluss vom 31. März 2009 XI B 94/08, [X.]/NV 2009, 1134, m.w.[X.]). Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerde darlegt, das [X.] ([X.]) habe sich in seinem Beschluss zu Umgliederungsverlusten (Beschluss vom 17. November 2009  1 BvR 2192/05, [X.]E 125, 1) mit den hier strittigen Fragen einer gleichheitsgerechten Ausgestaltung der Regelungen zur Feststellung des [X.] von [X.] und des damit verbundenen [X.] noch nicht befasst. Dass der Gesetzgeber im Rahmen des Systemwechsels der besonderen streitgegenständlichen Fallgestaltung des positiven [X.]-Bestands bei gleichzeitig vorhandenem negativen [X.]-Bestand hätte Rechnung tragen müssen, wie die Beschwerde vorträgt, lässt sich nur folgern, wenn man den auch bei einem gesetzlichen Systemwechsel abzuwehrenden konkreten gesetzlichen Eingriff in ein bereits erwirtschaftetes Steuerminderungspotential (Situation des [X.]-Beschlusses in [X.]E 125, 1; s.a. [X.]surteil vom 20. April 2011 I R 65/05, [X.]E 234, 385, [X.], 983) einem zukünftigen abstrakten Steuerbelastungspotential gleichstellt. Dazu fehlen weiter gehende Ausführungen der Klägerin.

Meta

I B 17/13

11.09.2013

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 6. November 2012, Az: 6 K 384/10 K,F,AO, Urteil

§ 38 Abs 1 S 4 KStG 1999 vom 23.10.2000, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.09.2013, Az. I B 17/13 (REWIS RS 2013, 2916)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2916

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 51/09 (Bundesfinanzhof)

(Bindung an die Feststellungen des Bestands des steuerlichen Einlagekontos auch auf der Ebene der Gesellschafter …


2 BvR 1424/15 (Bundesverfassungsgericht)

Eigentumsgarantie schützt auch unter körperschaftssteuerrechtlichem Anrechnungsverfahren angesammeltes Körperschaftssteuerminderungspotential - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gleichheitssatz begrenzen die gesetzgeberische …


I R 43/09 (Bundesfinanzhof)

Verwendung des steuerlichen Einlagekontos bei Ausschüttungen, die noch unter das Anrechnungsverfahren fallen


I R 65/05 (Bundesfinanzhof)

(Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zur Umgliederung des vEK beim Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren - Wirkungsbereich …


I R 86/12 (Bundesfinanzhof)

(Aufgehobene Entscheidung I R 86/12 - Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zur Umgliederung des vEK beim Übergang …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.