Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.12.2019, Az. 4 B 22/19

4. Senat | REWIS RS 2019, 757

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Gegenstand

Erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz; Gebot der Rücksichtnahme in § 35 bzw. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB


Gründe

1

1. Der [X.]eigeladene hat seine [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 14. Februar 2019 mit [X.] vom 9. Juli 2019 zurückgenommen. Das [X.]eschwerdeverfahren ist deshalb in entsprechender Anwendung der § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2

2. Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde der [X.]eklagten bleibt ohne Erfolg.

3

a) Eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt. Hierzu ist erforderlich, dass die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz des revisiblen Rechts benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 und vom 13. Juli 1999 - 8 [X.] 166.99 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 9).

4

Die [X.]eklagte macht eine Abweichung vom Senatsurteil vom 27. Juni 2017 - 4 [X.] 3.16 - ([X.]VerwGE 159, 187) geltend. Sie entnimmt dieser Entscheidung den Rechtssatz, dass zur [X.]estimmung der Zumutbarkeit von Immissionen auch etwaige Vorbelastungen schutzmindernd zu berücksichtigen seien, die durch eine schon bestehende emittierende Nutzung in einem Gebiet vorhanden sind. Im Umfang dieser Vorbelastung seien Immissionen zumutbar, auch wenn sie sonst in einem vergleichbaren Gebiet nicht hinnehmbar wären (a.a.[X.] Rn. 13). Abweichend von dieser Rechtsprechung sei das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Vorhaben bereits dann das Gebot der Rücksichtnahme verletze, wenn die [X.]augenehmigung nicht hinreichend sicherstelle, dass die durch Richtlinien vorgegebenen Immissionsrichtwerte nicht überschritten werden.

5

Mit diesem Vortrag ist eine Divergenz nicht dargelegt. Denn die gegenübergestellten Entscheidungen sind nicht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift ergangen. Das Senatsurteil vom 27. Juni 2017 (a.a.[X.]) hatte die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Außenbereichsvorhabens nach § 35 [X.]auG[X.] zum Gegenstand, während das vom Oberverwaltungsgericht zu beurteilende Vorhaben des [X.]eigeladenen an § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] zu messen ist. Dass bei beiden Normen das Gebot der Rücksichtnahme zu beachten ist, genügt nicht für die Annahme einer Divergenz. Denn das Gebot der Rücksichtnahme ist kein generelles Rechtsprinzip des öffentlichen [X.]aurechts und verkörpert auch keine allgemeine Härteregelung, die über den speziellen Vorschriften des [X.] steht. Es ist vielmehr [X.]estandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des [X.]aurechts und als solches etwa in den Tatbestandsmerkmalen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] enthalten ([X.]VerwG, Urteil vom 27. Juni 2017 - 4 [X.] 3.16 - [X.]VerwGE 159, 187 Rn. 10).

6

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht keine Feststellungen zur Vorbelastung getroffen. Es ist damit offen, ob das angegriffene Urteil auf der geltend gemachten Abweichung beruht. Die bloße Möglichkeit einer Abweichung, die nicht im Revisionsverfahren, sondern erst im Wege der weiteren Sachaufklärung festgestellt werden könnte, genügt aber nicht für eine Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 13. April 1971 - 4 [X.] 61.70 - [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 76 S. 22).

7

b) Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) lassen sich dem [X.]eschwerdevortrag ebenfalls nicht entnehmen.

8

Nach Auffassung der [X.]eklagten hätte das Oberverwaltungsgericht die [X.]eteiligten zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung darüber aufklären müssen, dass und warum es von seiner in anderen Verfahren vertretenen Rechtsauffassung abweichen will. Damit ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt. Eine Entscheidung stellt eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die [X.]eteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 31. Mai 1983 - 4 [X.] 20.83 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 135 S. 24 und [X.]eschlüsse vom 23. Dezember 1992 - 5 [X.] 80.91 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 241 S. 91 sowie vom 13. Januar 2014 - 4 [X.] 37.13 - juris Rn. 11). Das Gericht muss die [X.]eteiligten aber grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des [X.] hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden [X.]eratung nach der mündlichen Verhandlung ergibt ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 [X.] 9.12 - NVwZ 2013, 1614 Rn. 38 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn sich das Gericht zuvor bereits in Eilverfahren zu den entscheidungserheblichen Fragen geäußert hat. Denn das Gericht entscheidet in der Hauptsache anhand anderer Prüfungsmaßstäbe und gegebenenfalls auch in anderer [X.]esetzung ohne [X.]indung an seine vorangegangene [X.]eurteilung in Eilverfahren ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 13. Januar 2014 - 4 [X.] 37.13 - juris Rn. 12 m.w.N.). Erst recht gilt es, wenn die Entscheidungen in Verfahren anderer [X.]eteiligter ergangen sind, die sich in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht von dem Verfahren des [X.] unterscheiden können.

9

Gemessen hieran ist eine unzulässige Überraschungsentscheidung nicht dargetan. Dass das Oberverwaltungsgericht entscheidungserhebliche rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte nicht erörtert hätte, behauptet die [X.]eklagte selbst nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 155 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 22/19

05.12.2019

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 14. Februar 2019, Az: 2 A 2584/14, Urteil

§ 34 Abs 1 S 1 BauGB, § 35 BauGB, § 108 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.12.2019, Az. 4 B 22/19 (REWIS RS 2019, 757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 757

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