Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2007, Az. VI ZR 144/07

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 775

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] Verkündet am: 20. November 2007 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Die Revision des [X.]n gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 25. September 2003 wird zurückgewiesen, soweit der [X.] verurteilt worden ist, die Behauptung zu unterlassen, der Brancheninformations-dienst "[X.]" habe das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin als Bauernfängerei bezeichnet. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und die Kosten des [X.] haben die Klägerin zu 2/3 und der [X.] zu 1/3 zu tragen. Von den Gerichtskosten der beiden Revisionsverfahren und den außergerichtlichen Kosten des ersten Revisionsverfahrens tragen die Klägerin und der [X.] jeweils die Hälfte aus einem Streit-wert von 26.000,00 •. Die außergerichtlichen Kosten des zweiten Revisionsverfahrens trägt der [X.] aus einem Streitwert von 13.000,00 •. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: 1 Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die sich auf dem Gebiet der [X.] betätigt. Sie finanziert u.a. Musterverfahren, mit denen durch Rechtsanwalt [X.] vertretene Kapitalanleger Schadensersatzansprüche gegen Banken wegen angeblich mangelnder Beratung bei Immobiliengeschäf-ten geltend machen. Dabei lässt sich die Klägerin jeweils die Hälfte des [X.] versprechen, den der betreffende Anleger in dem Prozess erstreitet. Am 21. Oktober 1998 erschien in der Ausgabe 43/1998 des [X.] "[X.]" ein Artikel, in dem darüber berichtet wurde, dass die Klä-gerin unter der Anwaltschaft eine Aktienbeteiligung akquiriere. Die Verfasser dieses Berichts gingen dabei irrtümlich von einer [X.] von drei Wochen aus. Wörtlich heißt es dort: "...Ohne hier die Frage prüfen zu wollen, ob es sich für Kläger tatsächlich lohnt, sich mit [X.]., deren Ziel es ist, Prozesse zu finanzieren, einzulas-sen, da im Fall des gewünschten Prozessgewinns 50 % der [X.] an [X.]. abzuführen sind, womit wir grundsätzlich Zweifel am [X.] von [X.]. äußern wollen, halten wir eine derart kurze Fristsetzung zur Aktienzeichnung, wie [X.]. sie derzeit praktiziert, für unse-riös. Potentiellen Kunden gegenüber mit der Wurst zu winken und gleich-zeitig zu suggerieren, die Wurst habe ein nach Stunden zu [X.], ist u.E. nichts anderes als Bauernfängerei..." Der [X.] ist Rechtsanwalt. Er vertritt Mandanten, die an der Vermitt-lung der betreffenden Immobiliengeschäfte beteiligt waren. Er verfasste eine Abhandlung mit dem Titel "Das Interesse an der Lüge - Auch im Zivilrecht?". Diese sandte er u.a. an verschiedene [X.]e, Redaktionen von Wirt-schaftszeitschriften, Staatsanwaltschaften, eine betroffene Bank, die [X.] und an die [X.]. Über die Klägerin heißt es darin: 2 - 4 - "Die öffentliche Resonanz ist gemischt: Der Brancheninformationsdienst [X.] (43/1998 Seite 2) bezeichnete dies als 'Bauernfängerei' und hat gerade im Fall [X.] recht damit:..." 3 Die Klägerin begehrt die Verurteilung des [X.]n zur Unterlassung einzelner in seiner Abhandlung enthaltener Äußerungen. Das [X.] hat der Klage teilweise stattgegeben und den [X.]n u.a. verurteilt, die Behaup-tung zu unterlassen, der Brancheninformationsdienst "[X.]" habe das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin als Bauernfängerei bezeichnet. [X.] dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] den [X.]n verurteilt, auch die Be-hauptung zu unterlassen, der Mandant, dessen Prozess durch die Klägerin [X.] wird, müsse sich zur Zahlung einer sehr hohen Vertragsstrafe für den Fall verpflichten, dass das gerichtliche Verfahren durch einen gerichtlichen Ver-gleich beendet werden soll, dem zwar die Klägerin zustimmt, den aber der Mandant ablehnt. Die Berufung des [X.]n hatte teilweise Erfolg und führte zur Klageabweisung, soweit er vom [X.] zur Unterlassung einer weite-ren Äußerung verurteilt worden war. Seine vom Berufungsgericht zugelassene Revision führte zur vollständigen Klageabweisung. Auf die Verfassungsbeschwerde der Klägerin hat das Bundesverfas-sungsgericht das Urteil des erkennenden Senats mit Beschluss vom 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - aufgehoben und die Sache an den [X.] zurückverwiesen, soweit die Klage auf Unterlassung der Behauptung abgewie-sen worden ist, der Brancheninformationsdienst "[X.]" habe die von der Klägerin angebotene Prozessfinanzierung als Bauernfängerei bezeichnet. In diesem Umfang verfolgt der [X.] sein Klageabweisungsbegehren mit der Revision weiter. 4 - 5 - Entscheidungsgründe:[X.] 5 Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Äußerung, der Branchenin-formationsdienst "[X.]" habe das Prozessfinanzierungssystem der Kläge-rin als Bauernfängerei bezeichnet, sei eine Tatsachenbehauptung, die unwahr sei. In dem zitierten Artikel beziehe sich der Ausdruck "Bauernfängerei" nämlich nicht auf das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin, sondern auf die [X.]. Der [X.] könne sich nicht damit rechtfertigen, dies anders verstanden zu haben. Der Wortlaut der Belegstelle sei sprachlich eindeutig und nicht misszuverstehen. I[X.] Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung des [X.]n zur Unterlassung der Behauptung wendet, der Brancheninforma-tionsdienst "[X.]" habe das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin als Bauernfängerei bezeichnet. 6 1. Das [X.] ist der Beurteilung des erkennenden Senats gefolgt, dass sich die beanstandete Äußerung in ihrer Gesamtheit be-trachtet als ein Zusammenspiel von Tatsachenbehauptung und Meinungsäuße-rung darstellt. Die Äußerung des [X.]n weist insoweit [X.] auf, als eine vermeintliche Bewertung der Geschäfte der Klägerin durch einen [X.] wiedergegeben wird. Sie erschöpft sich jedoch nicht in dieser tat-sächlichen Darstellung, sondern enthält eine eigene Wertung des [X.]n, die mit dem tatsächlichen Bestandteil der Äußerung untrennbar verbunden ist. 7 - 6 - 2. Das [X.] hat auch die Auffassung des erken-nenden Senats gebilligt, dass der [X.] selbst die Geschäftsmethoden der Klägerin als Bauernfängerei bezeichnen durfte. Es hat jedoch beanstandet, der [X.] habe verkannt, dass die Äußerung nicht lediglich eine ei-genständige Wertung des [X.]n darstelle, sondern zugleich die Tatsachen-behauptung enthalte, dass auch der Brancheninformationsdienst "[X.]" die Praxis der Prozessfinanzierung der Klägerin als Bauernfängerei bezeichnet habe. Allein diese mit der Meinungsäußerung verknüpfte tatsächliche Behaup-tung habe die Klägerin mit ihrer Klage angegriffen. 8 Wie das [X.] weiter ausgeführt hat, traf das Zitat des [X.]n nicht zu. Der Text des [X.] "[X.]", dem das Zitat entnommen ist, habe ausdrücklich in erster Linie die ver-meintlich kurze Zeichnungsfrist für Aktien zum Gegenstand. Diese werde als Bauernfängerei bezeichnet. Der Text des [X.]n erwecke demgegenüber den Eindruck, "[X.]" habe das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin als Bauernfängerei bezeichnet. Für die Zulässigkeit der Äußerung sei es nicht von vornherein ohne Belang, ob der [X.] das von ihm herangezogene Zitat richtig oder unrichtig wiedergegeben habe. Mit einem derartigen Zitat könne die Absicht verfolgt werden, der eigenen Meinungsäußerung durch den Hinweis auf die übereinstimmende Anschauung eines anderen ein größeres Gewicht zu verleihen. Das gelte insbesondere, wenn der zitierte Dritte als neutrale Instanz mit besonderer Vertrauenswürdigkeit herangezogen werde, um die Stichhaltig-keit der geäußerten Meinung zu untermauern. Deshalb sei der Wahrheitsgehalt des Zitats in die Abwägung der betroffenen Interessen einzustellen. 9 3. Die danach gebotene erneute Abwägung zwischen den Rechten der Klägerin und der Meinungsäußerungsfreiheit des [X.]n führt dazu, dass die grundrechtlich geschützten Interessen der Klägerin den Vorrang verdienen. 10 - 7 - a) Das Zitat gibt den Wortlaut der Äußerung des [X.] "[X.]" unrichtig wieder. Die beanstandete Äußerung steht dort in einem anderen Zusammenhang und bezieht sich auf die vermeintlich kurze Zeichnungsfrist für Aktien der Klägerin. Mit der Wiedergabe des Ausdrucks "Bauernfängerei" erweckt der [X.] in unzulässiger Weise den Eindruck, das von ihm zitierte Informationsblatt habe das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin in dieser Weise kritisiert. Dies trifft nicht zu. Zwar heißt es im vorher-gehenden Satz des betreffenden Artikels, man wolle "grundsätzlich Zweifel am [X.]" der Klägerin äußern, doch wird dort nicht näher dargelegt, worin diese Zweifel bestehen. Eine Bewertung des Modells als [X.] lässt sich dem Artikel entgegen der Auffassung der Revision [X.] nicht entnehmen. 11 Ohne Erfolg macht die Revision geltend, Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug lägen nur dann außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn sie bewusst unwahr seien oder wenn die Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststehe, was vorliegend nicht der Fall sei. Nach der Rechtsprechung des [X.]s fällt der Wahrheitsgehalt bei der Abwägung ins Gewicht (vgl. [X.] NJW 1996, 1529; NJW 1999, 1322, 1324). Grundsätzlich tritt die Meinungsfreiheit bei unwahren Tatsachenbehauptungen hinter das Persönlichkeitsrecht zurück. Der gebotene Ausgleich zwischen den Anforderungen der Meinungsfreiheit und den Belangen des Persönlichkeitsschutzes wird dadurch hergestellt, dass demjenigen, der nachteilige Tatsachenbehauptungen über andere aufstellt, Sorgfaltspflichten auferlegt werden, deren Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls rich-tet. Die Abwägung hängt von der Beachtung dieser Sorgfaltspflichten ab. Da die Ermittlung der Wahrheit von Tatsachenbehauptungen oft schwierig ist, trifft [X.], der sich nachteilig über einen [X.] äußert, im Rechtsstreit außerdem eine erweiterte Darlegungslast, die ihn anhält, Belegtatsachen für seine [X.] - 8 - hauptung anzugeben (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1974 - [X.] ZR 112/73 - NJW 1974, S. 1710, 1711). Diesen Anforderungen ist der [X.] nicht gerecht ge-worden. Das von ihm wiedergegebene Zitat findet sich in dem Text des [X.] "[X.]" in einem anderen inhaltlichen Zusam-menhang und ist von dem [X.]n unter Außerachtlassung der bei dem Gebrauch von Zitaten objektiv gebotenen Sorgfalt als Beleg für die von ihm ge-übte Kritik an dem Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin verwandt worden. Die Klägerin braucht es nicht hinzunehmen, dass er sich in dieser Weise nega-tiv über ihre Geschäftsmethoden äußert. b) Dass die unrichtige Äußerung des [X.]n im Rahmen seiner Ab-handlung erfolgt ist, steht dem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Dem [X.]n wird nicht etwa verboten, seine Meinung zu dem [X.] der Klägerin zu äußern, sondern ihm wird die falsche, mit einer Belegstelle versehene Behauptung untersagt, der Brancheninformations-dienst "[X.]" habe sich in dieser Weise über das Modell der Klägerin [X.]. [X.] Zitate unterfallen nicht dem Schutzzweck des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. An der Wiedergabe von erwiesen unwahren Tatsachen gibt es kein schutzwürdiges Interesse (Senatsurteil BGHZ 139, 95, 101 f.; vgl. [X.]E 54, 208, 217 ff.; 61, 1, 8; 90, 241, 248 f., 253 m.w.N.). Etwas anderes ergibt sich nicht unter dem Blickwinkel der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) oder der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG). 13 c) Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch der Klägerin ge-mäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht verschuldensunabhängig. Die aufgrund der Verletzungshandlung zu bejahende Wiederholungsgefahr ist entgegen der Auffassung der Revision nicht schon aufgrund der seit der Äußerung mittlerwei-le verstrichenen Zeit entfallen und, wie das Berufungsgericht zutreffend ausge-führt hat, von dem [X.]n auch nicht ausgeräumt worden. 14 - 9 - II[X.] 15 [X.] beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. [X.] [X.] [X.] Pauge Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 23.01.2003 - 2/3 O 499/00 - [X.], Entscheidung vom 25.09.2003 - 16 U 15/03 -

Meta

VI ZR 144/07

20.11.2007

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2007, Az. VI ZR 144/07 (REWIS RS 2007, 775)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 775

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