Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.11.2014, Az. II ZB 15/13

2. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1691

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Gegenstand

Berufungsbeschwer im Prozess auf Nichtigerklärung eines Beschlusses über die Ausschließung der Komplementär-GmbH aus einer GmbH & Co. KG


Leitsatz

Wird ein mit der Geschäftsführung beauftragter, am Gesellschaftsvermögen aber nicht beteiligter Gesellschafter einer Personen- oder Personenhandelsgesellschaft (hier: eine Komplementär-GmbH) aus der Gesellschaft ausgeschlossen, richtet sich das der Bewertung nach §§ 3 ff. ZPO zugrunde zu legende wirtschaftliche Interesse dieses Gesellschafters an der Nichtigerklärung des Ausschließungsbeschlusses der Gesellschaft nach dem Wert der ihm nach den vertraglichen Vereinbarungen zustehenden Vergütungen (hier: Geschäftsführungs- und Haftungsvergütung).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 7. Zivilsenats des [X.] vom 11. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 538.537,85 € (34.537,85 + 12.000 x 12 x 3,5; §§ 3, 9 ZPO).

Gründe

1

I. Die Klägerin, die weder eine Einlage geleistet hat noch am [X.]svermögen beteiligt ist, wurde als persönlich haftende [X.]erin der beklagten [X.] durch Beschluss der [X.]erversammlung der [X.] vom 4. Oktober 2011 aus wichtigem Grund ausgeschlossen. Außerdem wurde beschlossen, den zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsführungsvertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Die Klägerin meint, dieser Beschluss sei unwirksam.

2

Das [X.] hat die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses der [X.]erversammlung mit Urteil vom 28. Januar 2013 abgewiesen. Den Streitwert hat das [X.] auf 10.000 € festgesetzt.

3

Gegen das Urteil des [X.]s hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat den Streitwert für das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 26. April 2013 vorläufig auf 100 € festgesetzt, weil für den Streitwert der Wert des [X.] maßgeblich sei. Da die Klägerin keine Einlage erbringen müsse, sei ein substantieller materieller Wert ihres [X.] nicht erkennbar. Mit Beschluss vom 7. Juni 2013 hat das Berufungsgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass es die Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für unzulässig halte, weil der Wert des [X.] € nicht übersteige. Mit Beschluss vom 11. Juni 2013 hat es die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 100 € festgesetzt. Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

4

II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, [X.]. ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Januar 2013 - [X.] 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn. 4; Beschluss vom 25. September 2013 - [X.] 200/13, NJW 2014, 77 Rn. 4).

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Wert des Interesses der Klägerin an der Nichtigerklärung des [X.] den Betrag von 600 € nicht übersteigt.

7

a) Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend gesehen, dass sich der Wert der Klage eines [X.]ers gegen einen Ausschließungsbeschluss nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in der Regel nach dem Wert seiner Beteiligung an der [X.], also nach dem Wert des Geschäfts- bzw. [X.] des ausgeschlossenen [X.]ers richtet (vgl. nur [X.], Beschluss vom 8. Dezember 2008 - [X.], [X.] 2009, 518 Rn. 2; Beschluss vom 24. Juni 2014 - [X.], juris Rn. 4). Dabei wird das Interesse eines [X.]er-Geschäftsführers, weiterhin Geschäftsführer der [X.] zu sein und damit die Lenkungs- und Leitungsmacht in der Hand zu behalten, durch den Wert seines [X.] begrenzt, mit anderen Worten, das Interesse des sich gegen seinen Ausschluss wehrenden [X.]er-Geschäftsführers liegt nicht deshalb über dem Wert seines Geschäftsanteils, weil er gleichzeitig die Geschäftsführerfunktion ausübt bzw. ausgeübt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juni 2011 - [X.], [X.] 2011, 911; Beschluss vom 2. März 2009 - [X.], GmbHR 2009, 995 Rn. 3, 4).

8

b) Das Berufungsgericht ist jedoch rechtsirrig davon ausgegangen, dass der Beteiligung der Klägerin an der [X.] deshalb kein den Betrag von 600 € übersteigender Wert zukommt, weil sie keine Einlage zu erbringen hat und nicht am [X.]svermögen beteiligt ist. Das der Bewertung nach § 3 ZPO zugrunde zu legende Interesse des [X.]ers am Erhalt seiner [X.]erstellung kann sich nur dann nach dem Wert seiner Beteiligung am [X.]svermögen bestimmen, wenn der [X.]er nach den seiner Beteiligung an der [X.] zugrundeliegenden Vereinbarungen überhaupt an dem [X.]svermögen beteiligt sein soll. Dies ist zwar in der Regel der Fall, erforderlich ist eine solche vermögensmäßige Beteiligung eines [X.]ers aber nicht. Mit der [X.]erstellung ist es ohne weiteres vereinbar, dass ein [X.]er keine Einlage erbringt, am Gewinn und Verlust sowie am [X.]svermögen nicht beteiligt ist, sich sein Beitrag vielmehr auf die Geschäftsführung und seine Beteiligung am Geschäftsergebnis auf einen bestimmten Betrag beschränkt (vgl. nur [X.], Urteil vom 6. April 1987 - [X.], [X.], 909, 910 f.; [X.], [X.]srecht, 4. Aufl., § 47 III 1 b, [X.]; [X.] in Baumbach/[X.], HGB, 36. Aufl., § 120 Rn. 23), wie es hier bei der Beteiligung der Klägerin an der [X.] der Fall ist.

9

Die Klägerin ist nicht am [X.]svermögen der [X.] beteiligt. Ihre [X.]erstellung hat sie nur deshalb inne, weil es der im Personengesellschaftsrecht geltende Grundsatz der [X.] erfordert, dass die organschaftliche Geschäftsführung der [X.] durch einen [X.]er ausgeübt wird. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann die gesellschafterliche Geschäftsführungsbefugnis nicht ohne [X.]santeil einem Dritten übertragen werden (vgl. nur [X.], Urteil vom 8. Februar 2011 - [X.]/09, [X.]Z 188, 233 Rn. 21 mwN). Wird einem solchen mit der Geschäftsführung beauftragten, am [X.]svermögen aber nicht beteiligten [X.]er wie hier der Klägerin die [X.]er- und Geschäftsführerstellung entzogen, richtet sich das der Bewertung nach §§ 3 ff. ZPO zugrunde zu legende wirtschaftliche Interesse dieses [X.]ers an der Nichtigerklärung des [X.] der [X.] nach dem Wert seiner Geschäftsführer- und Haftungsvergütung. Diese verliert er mit dem Entzug der [X.]erstellung und in deren Höhe ist er daher durch die Abweisung der Klage gegen den Ausschließungsbeschluss im Sinn des § 511 ZPO beschwert.

Hier stehen der Klägerin nach dem [X.]svertrag als Vergütung 0,3 % [X.] Umsatzsteuer auf die Summe der [X.] zum 31.12. eines jeden Geschäftsjahres und (jedenfalls) 12.000 € monatlich zu (§ 7 GV). Die Summe der [X.] betrug zum 31. Dezember 2011 unstreitig 11.512.615,33 €. 0,3% hiervon sind 34.537,85 € netto. Hinzu kommt gemäß § 9 ZPO der 3,5-fache Wert eines [X.]. Damit übersteigt das wirtschaftliche Interesse der Klägerin den [X.] von 600 € um ein Vielfaches. Die Berufung ist zulässig.

c) Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, dass das Berufungsgericht es von seinem Rechtsstandpunkt aus [X.] unterlassen hat, die Entscheidung nach § 511 Abs. 4 ZPO nachzuholen (st. Rspr. seit [X.], Urteil vom 14. November 2007 - [X.], [X.], 218 Rn. 12).

3. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es sich nunmehr im Rahmen der Begründetheit des Rechtsmittels mit der Frage der Wirksamkeit des Ausschlusses der Klägerin befassen kann.

[X.]

                   Reichart                     Sunder

Meta

II ZB 15/13

04.11.2014

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 11. Juli 2013, Az: 7 U 908/13, Beschluss

§ 3 ZPO, §§ 3ff ZPO, § 511 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.11.2014, Az. II ZB 15/13 (REWIS RS 2014, 1691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1691

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