Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 01.12.2020, Az. 2 BvQ 93/20

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2020, 3109

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Erfolgloser Eilantrag auf Folgenbeseitigung einer vermeintlich rechtswidrigen Abschiebung, mithin auf Rückholung des Antragstellers - Unzulässigkeit des Antrags wegen Subsidiarität - kein Rechtsschutzbedürfnis für Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antrag auf Erstattung von Auslagen wird abgelehnt.

Der Antrag auf Festsetzung des [X.] wird verworfen.

Gründe

1

Der Antragsteller hatte zunächst beantragt, seine Abschiebung in den [X.] im Wege einstweiliger Anordnung zu untersagen. Der Antrag ist am 23. November 2020 per Fax von 10:53 bis 12:39 Uhr beim [X.] eingegangen. Am 23. November 2020 um 12:20 Uhr ist der Antragsteller in den [X.] abgeschoben worden. Mit Fax vom 25. November 2020 hat der Antragsteller seinen Antrag abgeändert und beantragt nunmehr, die Ausländerbehörde im Wege einstweiliger Anordnung dazu zu verpflichten, ihn aus dem [X.] zurückzuholen. Zudem beantragt er Auslagenerstattung und Gegenstandswertfestsetzung.

2

1. Der Eilantrag wird abgelehnt, da er den Subsidiaritätsanforderungen nicht genügt. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Auch im vorgelagerten verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren gilt jedoch der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 90 Abs. 2 [X.]). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 [X.] kommt daher nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 13. Februar 2020 - 2 BvR 168/20 -, Rn. 2; Beschluss der [X.] des [X.] vom 22. September 2016 - 2 BvQ 52/16 -, Rn. 2; Beschluss der [X.] des Erstens Senats vom 13. August 2019 - 1 BvQ 66/19 -, Rn. 2).

3

Der Antragsteller hat mit Blick auf seinen geänderten verfassungsgerichtlichen Eilantrag den fachgerichtlichen Rechtsweg nicht beschritten. Er begehrt nunmehr seine Rückholung aus dem [X.], mithin die Beseitigung der Folgen seiner (vermeintlich) rechtswidrigen Abschiebung. Einen derartigen Folgenbeseitigungsanspruch hat er vor den primär zuständigen Fachgerichten - im Haupt- wie im Eilrechtsschutz - allerdings noch nicht geltend gemacht.

4

Dass dem Antragsteller ein Zuwarten bis zu einer fachgerichtlichen (Eil-)Entscheidung unzumutbar ist, weil ihm ein schwerer oder unabwendbarer Nachteil drohte (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 2 [X.]), ist vor dem Hintergrund, dass bei Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 [X.] ein strenger Maßstab zugrunde zu legen ist (vgl. [X.]E 87, 107 <111>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. März 2014 - 1 BvQ 9/14 -, Rn. 3), nicht ersichtlich. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem [X.] ist - anders als der vorläufige Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren - nicht darauf angelegt, möglichst lückenlos vorläufigen Rechtsschutz zu bieten (vgl. [X.]E 94, 166 <216 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 11. März 1999 - 2 BvQ 4/99 -, Rn. 10; Beschluss der [X.] des [X.] vom 24. März 2014 - 1 BvQ 9/14 -, Rn. 3). Erst recht ist das Verfahren nach § 32 Abs. 1 [X.] nicht darauf angelegt, das fachgerichtliche Verfahren vorwegzunehmen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 22. September 2016 - 2 BvQ 52/16 -, Rn. 4).

5

2. Der Antrag auf Auslagenerstattung wird abgelehnt, weil die Voraussetzungen nach § 34a Abs. 3 [X.] nicht vorliegen. Besondere [X.] sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

6

3. Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes ist zu verwerfen. Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - [X.]) ist der Gegenstandswert unter Berücksichtigung der in§ 14Abs. 1[X.] genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen; er beträgt mindestens 5.000 Euro. § 14 Abs. 1 [X.] nennt als zu berücksichtigende Umstände den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, des Weiteren das anwaltliche Haftungsrisiko. Wird eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, über sie also nicht inhaltlich befunden, kommt für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren ein höherer Gegenstandswert als der gesetzliche Mindestwert im Regelfall nicht in Betracht. In diesen Fällen besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Festsetzung des Gegenstandswerts (vgl. [X.]E 79, 365 <369>; [X.], Beschluss des [X.] vom 25. Mai 1999 - 2 BvR 1790/94 -, Rn. 2; ähnlich [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 12. Februar 2020 - 2 BvR 718/18 -, Rn. 8 f.). Auf Anträge gemäß § 32 [X.] ist dieser Grundsatz entsprechend anzuwenden (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 23. September 2020 - 1 BvQ 63/20 -, Rn. 2).

7

Im vorliegenden Fall ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits unzulässig, so dass es keiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und den sich stellenden Rechtsfragen bedurfte. Anhaltspunkte, die es vorliegend rechtfertigen könnten, einen über den gesetzlichen Mindestbetrag hinausgehenden Gegenstandswert festzusetzen, wurden mit der Antragsbegründung nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich. In der Folge ist es nicht gerechtfertigt, hier über den gesetzlichen Mindestwert hinauszugehen. Dann besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis für die Festsetzung des Gegenstandswerts.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvQ 93/20

01.12.2020

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvQ

§ 32 Abs 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG, § 58 AufenthG 2004

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 01.12.2020, Az. 2 BvQ 93/20 (REWIS RS 2020, 3109)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3109

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