Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 12.02.2020, Az. 2 BvR 718/18

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2020, 2661

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Ablehnung der Auslagenerstattung nach Erledigterklärung einer mangels Rechtswegerschöpfung unzulässigen Verfassungsbeschwerde - kein Rechtsschutzbedürfnis für Gegenstandswertfestsetzung - hier: Beschwerdeerhebung vor fachgerichtlicher Rechtswegerschöpfung


Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der Erstattung seiner notwendigen Auslagen wird abgelehnt.

Der Antrag des Beschwerdeführers, den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 1.570.000 Euro festzusetzen, wird verworfen.

Gründe

1

1. Über die Verfassungsbeschwerde ist aufgrund der Erledigungserklärung des Beschwerdeführers vom 16. Juli 2019 nicht mehr zu entscheiden (vgl. [X.] 7, 75 <76>; 85, 109 <113>).

2

2. Der Antrag des Beschwerdeführers, die Erstattung seiner notwendigen Auslagen anzuordnen, ist unbegründet.

3

a) Nach Erledigung der Hauptsache ist über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 [X.] nach [X.] zu entscheiden (vgl. [X.] 85, 109 <114>; 133, 37 <38 Rn. 1>). Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände vorzunehmen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, Rn. 2; Beschluss der [X.] des [X.] vom 28. Oktober 2019 - 2 BvR 962/19 -, juris, Rn. 2). Mit Blick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des [X.] findet eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung nach § 34a Abs. 3 [X.] grundsätzlich nicht statt (vgl. [X.] 33, 247 <264 f.>; 85, 109 <115 f.>; 87, 394 <398>; 133, 37 <38 f. Rn. 2>). Eine Erstattung von Auslagen kommt allerdings in Betracht, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Frage bereits geklärt ist (vgl. [X.] 85, 109 <115 f.>; 133, 37 <38 Rn. 2>). So kann es insbesondere dann billig sein, dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft und deshalb davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt gehalten hat (vgl. [X.] 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>; 91, 146 <147>; 133, 37 <38 Rn. 2>). Die Auslagenerstattung entspricht hingegen regelmäßig nicht der Billigkeit, wenn die Verfassungsbeschwerde vom Zeitpunkt ihrer Einlegung bis zur Erledigung durch die Abhilfe im fachgerichtlichen Verfahren unzulässig war (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 13. April 2011 - 1 BvR 689/11 -, juris, Rn. 4; Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Oktober 2014 - 2 BvR 550/14, juris, Rn. 3; Beschluss der [X.] des [X.] vom 28. Oktober 2019 - 2 BvR 962/19 -, juris, Rn. 2).

4

b) Danach kommt eine Auslagenerstattung im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

5

aa) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Arrestanordnung des [X.] vom 25. Oktober 2013 in Gestalt des abändernden Beschlusses des [X.] vom 6. Juni 2016 sowie die nachfolgend ergangenen Entscheidungen des [X.] vom 13. September 2017 und des [X.] vom 16. November 2017 und 19. Februar 2018 richtete, war sie vom Zeitpunkt ihrer Einlegung an unzulässig. Nach eigenem, rechtlich zutreffendem Vortrag war und ist der Beschwerdeführer durch die Arrestanordnung nicht beschwert.

6

Mit dem Beschluss vom 6. Juni 2016 wechselte das [X.] den Arrestgläubiger in der Arrestanordnung aus, wodurch das Pfandrecht des [X.] an der hinterlegten [X.] erlosch. Die abgeänderte Arrestanordnung wurde in der Folge jedoch nicht zugunsten der neuen Arrestgläubigerin, der [X.], vollstreckt. Weder erfolgte zu ihren Gunsten eine Hinterlegung der [X.] noch wurde für sie eine Pfändung des Anspruchs der [X.] auf Herausgabe der [X.] ausgebracht. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] am 1. März 2017 - und damit vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde am 21. März 2018 - trat das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 [X.] ein, so dass eine Vollstreckung der Arrestanordnung seither unzulässig ist. Dass das [X.] und das [X.] die Arrestanordnung auf die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers dennoch nicht aufgehoben haben, führt vor diesem Hintergrund - wie der Beschwerdeführer selbst ausführt -nicht zu einer Beschwer.

7

bb) [X.] war der Beschwerdeführer bei Einreichung der Verfassungsbeschwerde allerdings durch den Umstand, dass die [X.] weiterhin beim [X.] hinterlegt und nicht an ihn ausgezahlt worden war. Das Auszahlungsbegehren erledigte sich sodann durch den Beschluss des [X.] vom 23. Januar 2019 sowie die daraufhin am 24. Juni 2019 getroffene Herausgabeanordnung des [X.] und die Gutschrift der 1,2 Millionen Euro zugunsten des Massekontos am 1. Juli 2019. Der Beschwerdeführer erreichte dies im fachgerichtlichen Rechtsweg, der ihm in Form eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 111k Abs. 3 StPO (vormals § 111f Abs. 5 StPO a.F.) und der Beschwerde gegen die den Antrag ablehnende Entscheidung des [X.] offen stand. Diesen Rechtsweg beschritt er jedoch erst nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde, die deshalb mangels Erschöpfung des Rechtswegs von Anfang an unzulässig war (§ 90 Abs. 2 [X.]).

8

3. Der Antrag des Beschwerdeführers, den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 1.570.000 Euro festzusetzen, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

9

a) Wird eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, über sie also nicht inhaltlich befunden, kommt für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren ein höherer Gegenstandswert als der gesetzliche Mindestwert nach § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Höhe von 5.000 Euro im Regelfall nicht in Betracht. In diesen Fällen besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Festsetzung des Gegenstandswerts (vgl. [X.] 79, 365 <369>; [X.], Beschluss des [X.] vom 25. Mai 1999 - 2 BvR 1790/94 -, Rn. 2). Gleiches gilt im Falle der Rücknahme der Verfassungsbeschwerde (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 10. April 2018 - 1 BvR 2119/17 -, Rn. 2; Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. Juni 2018 - 2 BvR 2263/16 -, Rn. 2) sowie in Fällen, in denen die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt wird, sie jedoch von Anfang an unzulässig war (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. Mai 2017 - 2 BvR 572/17 -, juris, Rn. 3 f.; Beschluss der [X.] des [X.] vom 28. Oktober 2019 - 2 BvR 962/19 -, juris, Rn. 3 und 5).

b) Im vorliegenden Fall war die Verfassungsbeschwerde im Zeitpunkt ihrer Erhebung mangels Beschwer beziehungsweise mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig, so dass es im Verfassungsbeschwerdeverfahren von vornherein keiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und den sich stellenden Rechtsfragen bedurfte. Es sind daher auch keine Umstände ersichtlich, die die Festsetzung eines über den Mindestwert des § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG hinausgehenden Gegenstandswerts rechtfertigen könnten.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 718/18

12.02.2020

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Dresden, 19. Februar 2018, Az: 1 Ws 289/17, Beschluss

§ 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 Abs 2 BVerfGG, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 111k Abs 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 12.02.2020, Az. 2 BvR 718/18 (REWIS RS 2020, 2661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2661

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