Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2004, Az. 5 StR 94/04

5. Strafsenat | REWIS RS 2004, 1911

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5 [X.]/04BUNDESGERIC[X.]TS[X.]OFIM [X.] DES VOLKESURTEILvom 17. August 2004in der Strafsachegegen1.2.wegen [X.] 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 17. [X.] 2004, an der teilgenommen haben:[X.] [X.] Vorsitzender,[X.],[X.]in [X.],[X.] Dr. [X.]um,[X.] [X.] beisitzende [X.],[X.]in am [X.] Vertreterin der [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger für den Angeklagten [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger für den Angeklagten [X.],Rechtsanwalt Saals Vertreter der Nebenklägerin,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht [X.] Auf die Revisionen der Nebenklägerin wird das Urteil [X.] vom 14. August 2003 mit den Fest-stellungen aufgehoben; davon ausgenommen werden [X.] zum äußeren Tatgeschehen; diese blei-ben aufrechterhalten.2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vor-bezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben.3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung, auch über [X.] der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichts-kammer des [X.] zurückverwiesen.[X.] Von Rechts wegen [X.]G r ü n d eDas [X.] hat die Angeklagten wegen Totschlags zu Freiheits-strafen von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. [X.] sich die unbeschränkten Revisionen der Ehefrau des Getöteten, diesich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen hat und Verurteilun-gen wegen Mordes erstrebt. Die von der Staatsanwaltschaft eingelegten Re-visionen sind jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Sie [X.] [X.] vertreten. Alle Rechtsmittel haben Erfolg.- 4 -I.Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen: Der 30 Jahrealte Angeklagte [X.] und der 27 Jahre alte Angeklagte [X.]stammenaus dem Gebiet der ehemaligen [X.]. Sie sprachen dem [X.] zu, ohne abhängig zu sein. Die Angeklagten besuchten gegen [X.] 26. Januar 2003 den ihnen bekannten wesentlich älteren [X.] in dessen Wohnung in [X.]. Sie trafen dort auf die [X.] [X.] und [X.]; letzterer entfernte sich alsbald. Nach reichlichemGenuß von Rotwein und Wodka verletzten die Angeklagten den [X.]zwi-schen 18.00 und 19.00 Uhr zunächst wie folgt: [X.] rammte dem nebenihm sitzenden Wohnungsinhaber völlig unvermittelt seinen rechten Ellenbo-gen in die seitliche [X.]alsgegend. [X.] trat [X.] mit dem beschuhten Fußkräftig ins Gesicht. [X.] schubste den Zeugen [X.] zur Seite, der [X.]vor einem Angriff schützen wollte. [X.] schlug [X.]mit der Faust auf dasrechte Auge. Nachdem der Zeuge [X.] im Badezimmer die von [X.]verursachten Wunden ausgewaschen hatte, schlug dieser Angeklagte erneutmehrfach mit der [X.] und gegen den rechten Kieferbe-reich. Der Angeklagte [X.] schlug ebenfalls mehrmals mit den Fäustenauf den jetzt wieder blutenden Verletzten ein.Nunmehr faßten die Angeklagten den Entschluß, [X.]zu töten. [X.] - packte das Opfer an den [X.]aaren und schlug dessen Kopf gegen dieWand. Er urinierte auf den an der Stirn, aus der Nase und am Ohr blutendenSchwerverletzten. Um diesen noch stärker zu erniedrigen, rasierten ihm [X.] die Kopfhaare teilweise ab. Unter dem Ausruf: —Mal sehen, wiewiderstandsfähig er [X.] würgte einer der Angeklagten ihr Opfer, während derandere mit äußerster Gewalt die Nase zuhielt und so stark an ihr zerrte, daßder [X.]. In der sicheren Erwartung, der Schwerverletztewerde in Kürze versterben, verließen die Angeklagten dessen Wohnung. [X.] verstarb dann auch [X.] an Kopf und Körper schwer verletzt [X.]- 5 -an einer [X.]ung unter die harte [X.]irnhaut im Zusammenhang mit einer [X.]irn-schwellung und der Einatmung von [X.].Das [X.] hat nicht ausschließen können, daß die Angeklagtenwegen des in großem Umfang genossenen Alkohols in ihrer [X.] erheblich eingeschränkt waren. Das Schwurgericht hat die Strafendem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 Abs. 1StGB entnommen, weil es nicht hat feststellen können, daß die Angeklagtenwußten, daß sie unter [X.] zu (vergleichbaren) Straftaten neigen.II.Die Revisionen der Nebenklägerin führen zum Nachteil der Ange-klagten zur Aufhebung der Schuldsprüche.1. Ihre Rechtsmittel sind zulässig. Zwar enthält die Begründung derRevisionen keine ausdrückliche Erklärung im Sinne von § 344 Abs. 1 StPO,inwieweit die Beschwerdeführerin das Urteil anfechte und dessen Aufhebungbeantrage. Solches ergibt sich vorliegend aber schlüssig aus der innerhalbder [X.] ausgeführten Sachrüge, mit der dargelegtwird, daß die Angeklagten wegen Mordes hätten verurteilt werden müssen(vgl. BG[X.]R StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 2). Damit hat die Nebenklägerinauch [X.] wie von § 400 Abs. 1 StPO geboten [X.] klargestellt, daß sie das Urteilmit dem Ziel einer Änderung der Schuldsprüche wegen einer Gesetzesver-letzung anfechte, die zum Anschluß als Nebenkläger berechtigt (vgl. BG[X.]RStPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 5).2. Den Revisionen der Nebenklägerin ist auch der Erfolg nicht zu ver-sagen. Die Begründung, mit der das Schwurgericht den Tatbestand [X.] abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das[X.] hat insoweit den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt unddas Merkmal der niedrigen Beweggründe nicht erörtert. Angesichts des Tat-- 6 -bildes hätte sich dies hier aber aufgedrängt, auch wenn das [X.] [X.] der Tötung nicht hat feststellen können ([X.] 9).Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein Tö-tungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auftiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies derFall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstän-de der Tat, die Lebensverhältnisse des [X.] und seine Persönlichkeit [X.] (BG[X.]St 47, 128, 130 m.w.N.). Da das [X.] meinte, kein Mo-tiv für die Tötung des [X.] feststellen zu können, hätte es sich [X.] auseinandersetzen müssen, daß ein niedriger Beweggrund auch danngegeben sein kann, wenn der Täter in dem Bewußtsein handelt, keinenGrund für eine Tötung zu haben oder zu brauchen. Eine solche Einstellung,bei der der Täter meint, nach eigenem Gutdünken über das Leben des [X.] verfügen zu können, steht auf sittlich tiefster Stufe und ist besondersverachtenswert. Die Tötung eines Menschen, zu welcher der Täter [X.] das Verhalten des Opfers noch durch sonstige, außerhalb seiner Per-son liegende Umstände veranlaßt worden ist, läßt in der Regel auf das [X.] von niedrigen Beweggründen schließen. Denn derjenige, der einenanderen Menschen zum Objekt seiner Wut und Gereiztheit, an deren Entste-hung der andere nicht im geringsten Anteil hat, macht, beweist ein außeror-dentliches Maß an Mißachtung der körperlichen Integrität seines Opfers.Darin kommt eine Gesinnung zum Ausdruck, die Lust an körperlicher Miß-handlung und willkürliches Aufwerfen über die körperliche Unversehrtheitanderer zum Inhalt hat und deshalb sittlich auf tiefster Stufe steht, somit alsniedrig gewertet werden muß (BG[X.]St aaO S. 132 m.w.[X.] fehlerfrei getroffenen Feststellungen des [X.] bieten [X.] tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme niedriger Be-weggründe. Sie hätten eingehenderer Erörterung bedurft. Die Angeklagtenverletzten zunächst ihren Gastgeber [X.] gegen den Widerstand eines Nothel-fers [X.] ohne jeden Grund. Sie setzten ihre Verletzungshandlungen nach [X.] 7 -provisorischen Wundbehandlung des Opfers fort und führten ihren Tötung-sentschluß unter offensichtlich menschenverachtenden Begleitumständen[X.] Urinieren auf das blutende Opfer und Abrasieren eines Teiles der Kopfhaa-re [X.] aus, wobei sie durch den Ausruf: —Mal sehen, wie widerstandsfähig er[X.] auch eine Lust an körperlicher Mißhandlung offenbarten.Danach bedürfen die für den Schuldspruch erforderlichen subjektivenTatumstände erneuter Aufklärung und Bewertung (vgl. [X.] 10: —mögli-cherweise nicht ganz uneigennützige Gastfreundschaftfi des Opfers). Diefehlerfrei zustandegekommenen Feststellungen zum äußeren Tatablauf [X.] bestehen bleiben.III.Auch die wirksam auf die Rechtsfolgenaussprüche beschränkten Re-visionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Das [X.] hat den sichaus § 212 Abs. 1 StGB ergebenden Strafrahmen nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGBgemildert, ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob die mit der vermindertenSchuldfähigkeit verbundene verminderte [X.] durch andere schulder-höhende Umstände aufgewogen wird (vgl. BG[X.]R StGB § 21 Strafrahmen-verschiebung 12, 3). Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß vorliegenddie besondere kriminelle Energie und Brutalität der Angeklagten, Dauer undUnbarmherzigkeit ihrer Gewalttätigkeiten und die Tatumstände hätten erwo-gen werden müssen, die oben im [X.]hmen der Erörterung niedriger Beweg-gründe näher dargestellt wurden. Dies gilt auch, soweit diese Umstände ihreUrsache in der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit [X.] daher den Angeklagten nur eingeschränkt [X.] aber nicht etwa überhauptnicht [X.] anzulasten sind (vgl. [X.]/[X.], StGB 52. Aufl. § 46 Rdn. 28, 33m.w.[X.] 8 -Bei dieser Sachlage kommt es für den Erfolg der Revision auf dieweiteren gegen die Strafzumessung geltend gemachten Beanstandungennicht mehr an.[X.] der erfolgten Teilaufhebung der Feststellungen muß das neue Tat-gericht auch über die Frage eines [X.]anges der Angeklagten im Sinne des§ 64 StGB neu befinden.Sollte die neue [X.]auptverhandlung ergeben, daß die Angeklagten in-folge übermäßiger Alkoholisierung lediglich nicht in der Lage waren, tatsäch-liche Umstände, welche niedrige Beweggründe ausmachen, gedanklich zubeherrschen und mit ihrem Willen zu steuern (vgl. BG[X.]St 47, 128, 133; BG[X.]NJW 2004, 1466, 1467), wird das mordähnliche Tatbild bei der Prüfung [X.] nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB bei dem dann anzu-wendenden § 212 Abs. 1 StGB maßgeblich zu berücksichtigen sein (vgl.BG[X.], Urteil vom 30. März 2004 [X.] 5 [X.], [X.]). Zum Gebotenseineiner Strafrahmenverschiebung infolge alkoholbedingter verminderter- 9 -Schuldfähigkeit im übrigen nimmt der Senat Bezug auf sein Urteil vom [X.] (5 [X.], zur [X.] in BG[X.]St [X.] [X.]äger Gerhardt[X.]um Brause

Meta

5 StR 94/04

17.08.2004

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.08.2004, Az. 5 StR 94/04 (REWIS RS 2004, 1911)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1911

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