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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Strafverfahren wegen versuchten Mordes: Gefühlsregungen als niedrige Beweggründe; Rücktritt vom Tötungsversuch
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. November 2009 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen sowie mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur Schuldfähigkeit bestehen,
b) im Rechtsfolgenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen sowie mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es eine Maßregelanordnung nach §§ 69, 69a StGB getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Verfahrensrüge ist, wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, unbegründet. Mit der Sachrüge hat das Rechtsmittel in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Annahme des [X.] der niedrigen Beweggründe bezüglich der versuchten Tötung der Zeugin [X.] begegnet schon in objektiver Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Beweggründe zu einem Tötungsverbrechen sind "niedrig", wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des [X.] maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 1987 - 2 StR 559/87, [X.]St 35, 116, 127; Beschluss vom 21. Dezember 2000 - 4 StR 499/00, [X.], 571).
b) Das [X.] begründet die Annahme, der Angeklagte habe die Zeugin [X.] aus niedrigen Beweggründen töten wollen, damit, dass der Angeklagte in erster Linie aus krankhaft übersteigerter Eifersucht gehandelt habe. Er habe die Zeugin "als ihm gehörend, als sein Eigentum und damit lediglich als Objekt" betrachtet, "das er bestrafen und lieber tot sehen wollte, als zuzulassen, dass sie ihn noch einmal verließ" ([X.], 83).
Das [X.] hat dabei nicht bedacht, dass Gefühlsregungen wie Eifersucht, aber auch Rache, Wut und Hass nach ständiger Rechtsprechung nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kommen, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren (vgl. [X.], Urteil vom 6. März 1992 - 2 StR 551/91, [X.]R § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 22; Beschluss vom 21. Dezember 2000 - 4 StR 499/00 aaO, jeweils m.w.[X.]; vgl. auch Fischer StGB 57. Aufl. § 211 Rn. 19 m.w.[X.]).
Die vom [X.] zum Verhalten der Zeugin [X.] gegenüber dem Angeklagten getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Bewertung der Eifersucht als "krankhaft übersteigert" nicht, denn danach bestand für den Angeklagten mehrfach begründeter Anlass zur Eifersucht, weil die Zeugin Kontakte zu anderen Männern suchte und sich zweimal wegen einer neuen Bekanntschaft kurzzeitig vom Angeklagten getrennt hatte. Auch während des der Tat vorangegangenen [X.], für dessen Kosten - wie stets - der Angeklagte aufkam, flirtete sie intensiv mit dem Zeugen [X.], außerdem verursachte sie eine ungewöhnlich hohe Zeche, die nahezu zwei Fünftel des monatlichen Einkommens des Angeklagten betrug. Im Rahmen der Strafzumessung bezeichnet das [X.] die Empörung des Angeklagten über das Verhalten seiner Verlobten als nachvollziehbar und hält dem zur Tatzeit alkoholisierten Angeklagten zugute, dass dieser sich in einer in gewisser Weise sogar noch verständlichen Aufwallung von [X.], Enttäuschung, Wut aber auch Angst davor, verlassen zu werden, zur Tat entschlossen habe.
Diese Erwägungen hätte das [X.] auch in die Prüfung des [X.] der niedrigen Beweggründe einbeziehen müssen. Dies wird der neue Tatrichter nachzuholen haben.
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes zum Nachteil des Zeugen [X.] hat keinen Bestand, weil die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts durch das [X.] rechtlicher Prüfung nicht standhält.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte seine damalige Verlobte, die Zeugin [X.], die nach einem gemeinsamen Diskothekenbesuch infolge einer Kreislaufschwäche auf einem Parkplatzgelände lag, sowie die Zeugen S. und [X.], die ihr helfen wollten und neben ihr knieten, mit seinem Kastenwagen vorsätzlich an, wobei er schwere, auch tödliche Verletzungen der drei Personen in Kauf nahm. Die Zeugen [X.] und S. wurden von dem Fahrzeug überrollt und erlitten schwere Verletzungen, der Zeuge [X.] wurde lediglich "streifend am Arm" erfasst und nur geringfügig verletzt. Bevor sich der Angeklagte vom [X.] entfernte, betrachtete er die beiden Schwerverletzten. Er unternahm weder einen weiteren Angriff noch sorgte er für ärztliche Hilfe.
Zur Frage eines strafbefreienden Rücktritts hat das [X.] ausgeführt, dass es aus der Sicht des Angeklagten nicht nötig gewesen sei, seinen Opfern weitere Verletzungen beizubringen, "da [X.] [X.] bereits offenbar schwer verletzt und vor Schmerzen laut schreiend auf dem Boden lag und er also sein Ziel, [X.] [X.] für ihr Verhalten ihm gegenüber zu bestrafen, schon erreicht hatte. Die Frage eines etwaigen Rücktritts stellt sich damit nicht, der [X.] war bereits beendet" (UA 83).
b) Dies hält, soweit es die Tat zum Nachteil des Zeugen [X.] betrifft, rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Urteilsfeststellungen nicht belegen, dass insoweit ein beendeter Versuch vorlag.
aa) Für die Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. auch [X.], Urteil vom 3. Dezember 1982 - 2 StR 550/82, [X.]St 31, 170, 175; Urteil vom 22. August 1985 - 4 [X.], [X.]St 33, 295, 299; Beschluss vom 19. Mai 1993 - [X.], [X.]St 39, 221, 227) oder sich keine Gedanken darüber macht, ob sein bisheriges Verhalten ausreicht, um den Erfolg herbeizuführen (vgl. [X.], Urteil vom 2. November 1994 - 2 StR 449/94, [X.]St 40, 304).
Hält er den [X.] für möglich, so ist der Versuch beendet. In diesem Fall setzt ein strafbefreiender Rücktritt voraus, dass der Täter den [X.] durch eigene Tätigkeit verhindert oder sich, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt, darum bemüht.
Rechnet der Täter dagegen nach der letzten Ausführungshandlung (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolges, so ist der Versuch unbeendet, wenn die Vollendung aus Sicht des [X.] noch möglich war. In diesem Fall genügt das bloße Aufgeben weiterer Tatausführung, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat.
bb) Dafür, dass der Angeklagte den Tod des Zeugen [X.], der von dem Fahrzeug nicht wie die anderen Geschädigten überrollt, sondern nur am Arm leicht erfasst worden ist, für möglich hielt, ergeben sich aus den Urteilsgründen keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Das Urteil verhält sich zwar nicht ausdrücklich dazu, wo sich dieser Zeuge befand, als der Angeklagte die beiden Schwerverletzten betrachtete und ob der Angeklagte dessen vergleichsweise geringe Verletzungen bemerkte. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist aber zu entnehmen, dass der Angeklagte sowohl im Augenblick des Überrollens als auch beim Anblick der beiden Schwerverletzten erkannte, dass er nur zwei und nicht drei Personen überfahren hat. Entsprechend äußerte er sich zudem unmittelbar nach der Tat gegenüber seinen Eltern (UA 29).
cc) Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass sich in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen treffen lassen, die der Annahme eines strafbefreienden Rücktritts entgegenstehen könnten. Deshalb sieht er von einer eigenen Entscheidung in der Sache, wie sie vom [X.] angeregt wurde, ab.
3. Hinsichtlich der versuchten Tötungsdelikte zum Nachteil der Zeugen [X.] und S. ist das [X.] dagegen zu Recht von einem beendeten Versuch ausgegangen. Die getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte nach dem Überfahren dieser beiden Opfer deren Tod für möglich hielt. Er hat beide mit einem relativ schweren Fahrzeug und einer Anstoßgeschwindigkeit von etwa 30 km/h überrollt, wodurch ein deutlicher Ruck in der Fahrbewegung und sogar ein Querversatz des Fahrzeugs ausgelöst wurden. Nachdem er sein Fahrzeug angehalten hatte, erkannte er an dem Zustand der beiden Geschädigten, dass diese offenbar erheblich verletzt waren. Vor dem Hintergrund der vom Angeklagten wahrgenommenen Auswirkungen seiner äußerst gefährlichen Vorgehensweise ist die Schlussfolgerung des [X.]s, der Angeklagte habe mit tödlichen Verletzungen der Zeugen [X.] und S. gerechnet, nicht zu beanstanden.
Da der Angeklagte keine Bemühungen unternommen hat, den [X.] zu verhindern, hat das [X.] einen strafbefreienden Rücktritt insoweit im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die zum Teil missverständlichen Formulierungen in den Ausführungen zum Rücktritt stehen dem nicht entgegen.
4. Die festgestellten Rechtsfehler zwingen zur Aufhebung der - für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellten - tateinheitlich mit den beiden Mordversuchen begangenen Taten (vgl. [X.], Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 [X.], [X.]R StPO § 353 Aufhebung 1).
5. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur Schuldfähigkeit können aufrechterhalten werden, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen sind. Ergänzende Tatsachenfeststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
6. Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob hinsichtlich des versuchten Tötungsdelikts zum Nachteil der Zeugin [X.] das Mordmerkmal der Heimtücke in Betracht kommt, das dem Angeklagten in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage auch hinsichtlich dieser Geschädigten zur Last gelegt worden war. Zwar war die Zeugin [X.] selbst nicht auf Grund ihrer Arglosigkeit wehrlos, sondern infolge der erlittenen Kreislaufschwäche. Das Mordmerkmal der Heimtücke kann, worauf der [X.] in seiner Antragsschrift, auf die der Senat insoweit Bezug nimmt, hingewiesen hat, auch dadurch erfüllt sein, dass ein Täter die Arglosigkeit einer schutzbereiten Person zur Tatausführung ausnutzt (vgl. [X.], Beschluss vom 29. April 1997 - 4 StR 158/97, [X.]R StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 24 m.w.[X.]).
[X.] |
Solin-Stojanović |
Ri'in[X.] Roggenbuck |
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[X.] |
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Ri[X.] Dr. Mutzbauer |
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[X.] |
Bender |
Meta
22.07.2010
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 11. November 2009, Az: JK I KLs 601 Js 36892/09, Urteil
§ 22 StGB, § 23 StGB, § 24 StGB, § 211 StGB, § 212 StGB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.07.2010, Az. 4 StR 180/10 (REWIS RS 2010, 4528)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 4528
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
4 StR 180/10 (Bundesgerichtshof)
1 StR 399/22 (Bundesgerichtshof)
Tötung eines Kleinkindes: Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe; Vorliegen eines Motivbündels
2 StR 113/18 (Bundesgerichtshof)
Strafbefreiender Rücktritt vom Versuch
2 StR 445/21 (Bundesgerichtshof)
Mord: Anforderungen an das Mordmerkmal der Heimtücke
5 StR 124/20 (Bundesgerichtshof)
Strafverfahren wegen Tötungsdelikt: Feststellung von Heimtücke bei von langer Hand geplanter und vorbereiteter Tat
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