Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2020, Az. XI ZR 39/19

11. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 818

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Gegenstand

Kommissionsgeschäft: Haftung des Kommissionärs im Falle der Aufhebung des Ausführungsgeschäfts im börslichen Freiverkehr wegen Mistrade


Leitsatz

Zur Haftung des Kommissionärs im Falle der Aufhebung des Ausführungsgeschäfts im börslichen Freiverkehr wegen Mistrade.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 20. Dezember 2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Haftung der beklagten Bank als Kommissionärin nach der Aufhebung eines börslichen Wertpapiergeschäfts wegen Mistrade.

2

Die Parteien unterhielten Geschäftsbeziehungen, denen die Sonderbedingungen der [X.] für Wertpapiergeschäfte zugrunde lagen (künftig: [X.]; soweit hier von Bedeutung inhaltsgleich [X.], 1768 ff.). Der Kläger ist beruflich mit dem Handel von Wertpapieren und Derivaten befasst, so bei der [X.] mit "Aktienderivate Sales". Er tätigte nach eigenem Vortrag seit dem [X.] über die Beklagte jährlich 100 bis 150 Wertpapiertransaktionen mit einem jährlichen Volumen von rund 15 Mio. €. Am 3. Juni 2011 vereinbarte er mit der [X.], sie solle auf eigenen Namen, aber für seine Rechnung 5.000 Stück Wertpapiere ([X.]: [X.] …          ) mit der Bezeichnung "[X.]             " der [X.] (künftig: Emittentin) erwerben. Die Beklagte betraute die [X.] (künftig: [X.]) mit der Ausführung, die die Wertpapiere noch am 3. Juni 2011 um 10:22 Uhr an der [X.] (künftig auch: [X.]) im Freiverkehr ("[X.] Premium Trading") zum Preis von 40,14 € pro Stück erwarb.

3

Die Emittentin stellte nach Abschluss des Geschäfts einen Antrag auf Aufhebung von Geschäften (Mistrade-Antrag) nach § 24 der Bedingungen für Geschäfte an der [X.] (Stand: 23. Mai 2011; künftig: Bedingungen). Zur Begründung machte sie geltend, das Geschäft sei zu einem offensichtlich nicht marktgerechten Preis zustande gekommen. [X.] sei ein Preis von 51,50 €. Die Geschäftsführung der [X.] gab dem Antrag statt und hob das Geschäft am 3. Juni 2011 wegen offensichtlicher Preisabweichung auf. Die Beklagte unterrichtete den Kläger. Daraufhin wies der Kläger die Beklagte an, gegen diese Entscheidung vorzugehen, ohne konkrete Weisungen zu erteilen. Ein Mitarbeiter der [X.] äußerte noch am 3. Juni 2011 telefonisch gegenüber einem Mitarbeiter der [X.], der Kläger sei mit der Aufhebung des Geschäfts nicht einverstanden. Er versandte an Bedienstete der [X.] am 10. Juni 2011 nach einem neuerlichen Telefonat mit dem Kläger eine E-Mail mit einem vom Kläger konkret vorgegebenen Text, die wie folgt lautete:

"Sehr [X.] und Herren,

wir weisen Sie rein vorsorglich darauf hin, dass unser Kunde, wie wir bereits am 03.06.11 telefonisch mitgeteilt [haben], mit der Aufhebung des Geschäftes nicht einverstanden ist.

Freundliche Grüße"

4

Ein weiterer Mitarbeiter der [X.] richtete vom Kläger aufgefordert am 23. November 2011 eine weitere E-Mail an Bedienstete der [X.], die folgenden Wortlaut hatte:

"Sehr geehrte […],

am 03.06.2011 um 10.22 Uhr erwarb unser Kunde 5000 Silberzertifikate (…           ) des Emittenten M.      zu je 40,14 Euro an der [X.] Börse [X.]. Dieser Geschäftsabschluss wurde nachträglich wieder aufgehoben, womit unser Kunde jedoch nicht einverstanden war, was wir Ihnen sowohl telefonisch am 03.06.2011 als auch schriftlich per email vom 10.06.2011 15.55 Uhr mitgeteilt haben.

Bisher ist eine Reaktion Ihrerseits nicht erfolgt, weshalb unser Kunde Sie hiermit letztmalig auffordert, eine Verschaffung der 5000 Stück zum damaligen Kaufpreis von je 40,14 Euro zu veranlassen. Gleichzeitig erteilt unser Kunde einen unlimitierten Verkaufsauftrag über diese 5000 Stück zum heutigen Kassakurs an der [X.] Börse [X.], bzw. zum aktuellen Geldkurs.

Freundliche Grüße"

5

Die [X.] reagierte auf diese Äußerungen nicht.

6

Die Klage auf Zahlung der Differenz zwischen dem zuerst gültigen Kaufpreis von 40,14 € und einem vom Kläger unterstellten Verkaufspreis eines fiktiven Verkaufs am 23. November 2011 von 49,25 €, insgesamt auf Zahlung von 45.550 € nebst Zinsen, und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Kosten der Rechtsverfolgung hat das [X.] abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.], mit der er sein Klagebegehren gestützt auf die Delkrederehaftung der [X.] und ihre Haftung wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten nach Aufhebung des [X.] weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

A.

7

Die Revision ist im Umfang des Revisionsangriffs statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Weder aus der Entscheidungsformel des Berufungsurteils noch aus den Gründen ergibt sich insoweit eine Einschränkung der Zulassung. Die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Kläger eine Zulassung erstrebt, soweit das Berufungsgericht die Delkrederehaftung der [X.] nicht in Gänze zum Gegenstand seiner Zulassung gemacht haben sollte, ist damit gegenstandslos (vgl. Senatsurteil vom 22. November 2016 - [X.], [X.], 52 Rn. 6).

B.

8

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, weder greife die Delkrederehaftung noch sei die Beklagte dem Kläger wegen der Verletzung einer Vertragspflicht nach Aufhebung des [X.] zur Zahlung verpflichtet.

I.

9

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ([X.], [X.], 126 ff.) - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt:

Eine Delkrederehaftung der [X.] sei nicht eröffnet. Zwar sei zwischen den Parteien ein Kommissionsvertrag zustande gekommen. Die Haftung nach § 394 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit Nr. 9 [X.] setze indessen eine wirksame Verbindlichkeit aus dem Ausführungsgeschäft voraus. Daran fehle es, weil aufgrund der bestandskräftigen Aufhebung des [X.] eine Forderung gegen den Handelspartner nicht bestehe.

Die Beklagte sei dem Kläger auch nicht wegen einer schuldhaften Verletzung einer Vertragspflicht nach Aufhebung des [X.] zum Schadensersatz verpflichtet. Der Kommissionär sei grundsätzlich nicht verpflichtet, den Kommittenten darüber zu beraten, wie er gegen die Aufhebung des [X.] vorgehen könne. Die Beklagte habe weder gegen eine Weisung des [X.] noch gegen eine Warn- oder Hinweispflicht noch gegen eine sonstige vertragliche Verpflichtung verstoßen.

Das [X.] habe mit [X.] festgestellt, dass der Kläger einen Mitarbeiter der [X.] zunächst angewiesen habe, gegen die Entscheidung der [X.] vorzugehen, ohne zu erklären, was genau zu tun sei. Nach dem Vortrag der [X.] in der mündlichen Verhandlung erster Instanz habe der Kläger stets ganz konkrete Angaben, also auch hinsichtlich des Telefonats, gemacht. Der Mitarbeiter der [X.] habe daraufhin entsprechend der Anweisung mit der [X.] telefoniert und mitgeteilt, dass der Kläger mit der Aufhebung des Geschäfts nicht einverstanden sei. Der Kläger habe am 10. Juni 2011 erneut mit dem Mitarbeiter der [X.] telefoniert und ihn angewiesen, eine E-Mail mit einem vom Kläger konkret vorgegebenen Text an die Beklagte zu versenden. Dies habe der Mitarbeiter der [X.] getan. Ebenso sei ein weiterer Mitarbeiter der [X.] am 23. November 2011 verfahren. Damit habe die Beklagte exakt die Maßnahmen ergriffen, die der Kläger von ihr verlangt habe.

Soweit der Kläger nunmehr vortrage, es sei aus seiner Weisung am 3. Juni 2011 für die Beklagte erkennbar gewesen, dass sie die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen habe, könne dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Kläger ausweislich seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung erster Instanz selbst nicht gewusst habe, auf welchem Weg gegen die Aufhebung des [X.] vorzugehen sei. Ob er lediglich einen Anruf bei der [X.] oder die Einlegung eines "formellen Widerspruchs" gewollt habe, sei seiner Anweisung nach eigenen Angaben nicht eindeutig zu entnehmen gewesen. Verantwortlich für den Widerspruch sei der Kläger selbst und nicht die Beklagte gewesen. Die Beklagte habe weder eine Rechtsberatung geschuldet noch "die Einlegung eines formellen Widerspruchs gegen die Entscheidung" der [X.]. Es überspanne die Anforderungen an die Beklagte als Kommissionärin im Rahmen der ihr obliegenden Interessenwahrnehmungspflicht, sie ohne konkrete Weisung zu verpflichten, für den Kläger als Kommittenten formell Widerspruch einzulegen. Darauf, ob sie eine konkrete Weisung hätte einholen können, komme es angesichts der letztlich konkret erteilten Weisungen des [X.] hinsichtlich der Versendung der von ihm verfassten E-Mails nicht an. Die konkrete Übernahme der Aufgabe, schriftlich Widerspruch gegen die Aufhebung des [X.] einzulegen, habe der Kläger weder vorgetragen noch sei sie sonst ersichtlich. Auch nach den Angaben des [X.] sei zum Zeitpunkt der Gespräche der Parteien über ein Vorgehen gegen die Entscheidung der [X.] weder dem Kläger noch der [X.] klar gewesen, was konkret zu unternehmen sei.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangt, die Beklagte sei dem Kläger nicht nach § 394 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit Nr. 9 [X.] zur Zahlung verpflichtet.

a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, zwischen den Parteien sei ein Kommissionsvertrag im Sinne der §§ 383 ff. [X.] vereinbart worden. Dies weist Rechtsfehler zum Nachteil des [X.] nicht auf.

b) Das Berufungsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, aus § 394 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit Nr. 9 [X.] lasse sich eine Haftung der [X.] schon dem Grunde nach nicht herleiten, weil die Beklagte gemäß § 394 Abs. 2 Satz 1 [X.] einwenden könne, dass eine wirksame Verbindlichkeit aus dem Ausführungsgeschäft nicht bestehe (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 2002 - [X.], [X.], 1687, 1688).

aa) Nach § 394 Abs. 1 [X.] hat der Kommissionär für die Erfüllung der Verbindlichkeit des [X.] einzustehen, wenn dies von ihm übernommen oder am Ort seiner Niederlassung Handelsbrauch ist. Die Delkrederehaftung der [X.] beruht auf der vertraglichen Übernahme der Einstandspflicht gemäß Nr. 9 [X.] (Ensthaler/[X.], GK-[X.], 8. Aufl., § 394 Rn. 1), auf die auch der Kläger sein Begehren stützt.

bb) In der Übernahme der Delkrederehaftung nach Nr. 9 [X.] liegt keine Erweiterung der Haftung über das gesetzlich in § 394 Abs. 2 Satz 1 [X.] Vorgesehene hinaus.

Nach § 394 Abs. 2 Satz 1 [X.] besteht eine Delkrederehaftung nur, soweit die Erfüllung aus dem Vertragsverhältnis vom Handelspartner gefordert werden kann (Senatsurteil vom 25. Juni 2002 - [X.], [X.], 1687, 1688; [X.], [X.], 2146, 2148; Ensthaler/[X.], GK-[X.], 8. Aufl., § 394 Rn. 6; [X.] in [X.][X.], [X.], 39. Aufl., § 394 Rn. 4; für die Erfüllungshaftung nach § 384 Abs. 3 [X.] auch Senatsurteil vom 23. Juni 2015 - [X.], [X.], 63 Rn. 16). Nr. 9 [X.], der eine Haftung "für die ordnungsgemäße Erfüllung des [X.]" anordnet, ändert nach seinem eindeutigen Wortlaut an der Akzessorietät der Delkrederehaftung nichts. Damit schützen § 394 Abs. 1 [X.], Nr. 9 SB Wp den Kunden nicht vor der Unwirksamkeit oder dem nachträglichen Wegfall des [X.] [X.] in [X.]/[X.]/Früh/[X.], Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., Rn. 17.321; [X.], [X.] 2020, 197, 198; [X.], [X.] 2016, 96, 97). Das gilt gemäß Nr. 3 Abs. 1 [X.] auch, soweit die Unwirksamkeit oder der nachträgliche Wegfall des im börslichen Freiverkehr geschlossenen [X.] auf börsenrechtlichen Regelungen beruht [X.], aaO, Rn. 17.253; [X.] in Bunte/[X.], [X.], [X.], Sonderbedingungen, 5. Aufl., [X.] Rn. 68; [X.] in [X.]/Schütze/[X.], Handbuch des [X.], 5. Aufl., § 13 Rn. 67; MünchKomm[X.]/Ekkenga, 4. Aufl., Effektengeschäft Rn. 541; [X.], aaO; [X.]/Vollmuth, [X.], 1263, 1276).

cc) Die Geschäftsführung der [X.] hat das Ausführungsgeschäft wirksam aufgehoben. Darauf, ob sie das Ausführungsgeschäft materiell zu Recht aufgehoben hat, kommt es für den Ausschluss der Delkrederehaftung der [X.] nicht an (vgl. [X.], [X.], 459, 462). Damit gehen die von der Revision insoweit erhobenen Verfahrensrügen ins Leere.

In der Aufhebung des [X.] durch die Geschäftsführung der [X.] lag ein wirksamer privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt (vgl. Kumpan in [X.][X.], [X.], 39. Aufl., § 24 [X.] Rn. 13; [X.], [X.] 2020, 197, 198; [X.], [X.] bei Börsengeschäften, 2013, [X.] ff.; [X.], [X.], 1708, 1714 f.; [X.], [X.], 2008, [X.] ff.). Er vernichtete das Ausführungsgeschäft. Sein verfügender Teil entfaltete [X.] (vgl. dazu zuletzt [X.], Urteil vom 4. August 2020 - [X.], [X.], 1728 Rn. 35 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in [X.]Z).

Der Geschäftsführung der [X.] als teilrechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts gemäß § 2 [X.] war die [X.] eröffnet (Kumpan in Schwark/[X.], [X.], 5. Aufl., § 2 [X.] Rn. 24). Die Geschäftsführung konnte sich bei der Aufhebung im Jahr 2011 auf § 15 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.] in der bis zum 2. Januar 2018 geltenden Fassung bzw. auf ihre Eilkompetenz nach § 7 Abs. 5 Satz 2 [X.] in Verbindung mit § 48 Abs. 3 Satz 2 [X.] in der vom 26. März 2009 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (künftig: aF) in Verbindung mit §§ 23 ff. der Bedingungen stützen ([X.], [X.], 2008, [X.] ff. zur Vorgängerregelung des § 7 Abs. 5 Satz 2 [X.] in § 4 Abs. 5 Satz 2 [X.]). Der Aufhebungsbescheid war und ist wirksam und inzwischen bestandskräftig.

2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht außerdem einen Anspruch des [X.] auf Ersatz des Erfüllungsschadens wegen der Verletzung einer aus dem Kommissionsvertrag folgenden Vertragspflicht nach Aufhebung des [X.] gemäß § 280 Abs. 1 [X.], § 384 Abs. 1, § 385 Abs. 1 [X.] verneint. Jedenfalls aus diesem Grund steht der [X.] des verfügenden Teils des Aufhebungsbescheids im Verhältnis zur [X.] der Rechtsgedanke des § 162 Abs. 2 [X.] nicht entgegen.

a) Die Beklagte hat zunächst ihre aus dem Kommissionsvertrag resultierende Pflicht erfüllt, den Kläger gemäß § 384 Abs. 2 Halbsatz 1 [X.] und § 675 Abs. 1, § 666 [X.] über die Aufhebung des [X.] zu unterrichten (vgl. Senatsurteil vom 25. Juni 2002 - [X.], [X.], 1687, 1689; [X.], Urteil vom 9. Dezember 1958 - [X.], [X.], 269, 271; Ensthaler/[X.], GK-[X.], 8. Aufl., § 384 Rn. 9; [X.], [X.], 585, 590; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 384 Rn. 5; Schlegelberger/Hefermehl, [X.], 5. Aufl., § 384 Rn. 23). Eine von einer Weisung unabhängige Pflicht des Kommissionärs, der Aufhebung unverzüglich zu widersprechen, besteht entgegen der Rechtsmeinung der Revision nicht. Der Kommittent kann von Fall zu Fall ein Interesse daran haben, es ohne Rücksicht auf ihre Rechtmäßigkeit bei den Rechtsfolgen der Aufhebung durch eine staatliche Stelle zu belassen. Der Entscheidung des Kommittenten, die Aufhebung bestandskräftig werden zu lassen, darf der Kommissionär nicht vorgreifen.

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte der Weisung nach § 384 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.], die Aufhebung im Namen des [X.] telefonisch und per E-Mail zu beanstanden, entsprochen.

c) Eine Weisung, schriftlich für den Kläger, jedenfalls aber in Übereinstimmung mit § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. [X.], Urteil vom 5. April 2004 - 9 E 4690/02, juris Rn. 20 f.), gegen Kostenerstattung nach § 675 Abs. 1, § 670 [X.] (vgl. [X.], BeckRS 2015, 2380) und in der Form des § 70 Abs. 1 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung durch die [X.] als Adressatin des privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts Widerspruch einzulegen, hat der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erteilt, so dass die Beklagte nicht nach § 385 Abs. 1 [X.] haftet.

Der Inhalt einer Weisung, die auch konkludent erteilt werden kann, ist durch Auslegung nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 [X.]) zu ermitteln (Staub/[X.], [X.], 5. Aufl., § 384 Rn. 57). Die Auslegung des Inhalts der Weisung des [X.] obliegt als Individualerklärung dem Tatrichter. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentlichen Auslegungsstoff außer Acht gelassen hat (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 25. Juni 2002 - [X.], [X.], 1687, 1688, vom 12. April 2016 - [X.], [X.]Z 210, 30 Rn. 49 und vom 9. Januar 2018 - [X.], [X.]Z 217, 178 Rn. 36).

Dies ist entgegen den Einwänden der Revision nicht der Fall. Die von der Revision in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO). Die vom Berufungsgericht bei der Würdigung der Erklärungen des [X.] mit herangezogene und von ihm inhaltlich vorgegebene E-Mail vom 10. Juni 2011, die als [X.] den Sinngehalt der Erklärung vom 3. Juni 2011 erhellen konnte, legt mehr als nahe, der Kläger habe - wie aus der Bezugnahme auf das am 3. Juni 2011 geführte Telefonat in der von ihm vorformulierten E-Mail vom 10. Juni 2011 ersichtlich - bereits am 3. Juni 2011 von der [X.] nicht mehr und nichts anderes erwartet als eine fernmündliche Intervention in seinem Namen.

d) Eine Haftung der [X.] ist, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat, auch nicht deshalb begründet, weil die Beklagte nicht nach § 385 Abs. 2 [X.] und § 675 Abs. 1, § 665 Satz 2 [X.] von einer Weisung des [X.] abgewichen ist und schriftlich unter Verweis auf § 14 Abs. 1 Satz 1 HessVwVfG durch die [X.] als Adressatin form- und fristgerecht Widerspruch eingelegt oder die Äußerungen des [X.] nicht als Weisung verstanden hat, die Rechtslage zu prüfen und sodann aufgrund eigener rechtskundiger Entschließung durch die [X.] gegen die Aufhebung vorzugehen.

aa) Ob sich aus § 385 Abs. 2 [X.], § 665 Satz 2 [X.] nicht nur das Recht, sondern auch eine Pflicht zur Abweichung von einer Weisung - hier: einer Weisung zur telefonischen Weitergabe und Weitergabe per E-Mail einer eigenen Beanstandung des [X.] - ergeben kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls ([X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 665 Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], 79. Aufl., § 665 Rn. 6 a.E.). Diese sprechen hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dagegen. Weder war mit dem Aufschub bis zur Entschließung des Auftraggebers bei der Frage, wer in welcher Form einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel einlegen solle, im Verhältnis zu dem für die Beklagte ohne weiteres erreichbaren Kläger Gefahr verbunden (vgl. Ensthaler/[X.], GK-[X.], 8. Aufl., § 385 Rn. 3), noch musste sich der [X.] aufdrängen, dass ein förmlicher Widerspruch durch die [X.] vom Kläger gebilligt werde.

bb) Der Kommissionsvertrag bietet entgegen der Rechtsauffassung der Revision über die allgemeinen Nebenpflichten hinaus auch unabhängig davon, dass die Beklagte keine nach §§ 3, 5 Abs. 1 [X.] erlaubte Rechtsdienstleistung erbracht hätte, wenn sie sich mit der Prüfung der Voraussetzungen einer erfolgreichen Rechtsverteidigung gegen die Aufhebungsentscheidung und deren Durchführung gemäß der von ihr ermittelten Rechtslage hätte betrauen lassen, keine Grundlage für eine Rechtsberatung über die formellen Voraussetzungen eines Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels gegen privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte und deren materiell-rechtliche Erfolgsaussichten.

[X.]     

      

Joeres     

      

Matthias

      

Menges     

      

Schild von [X.]     

      

Meta

XI ZR 39/19

22.09.2020

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 20. Dezember 2018, Az: 5 U 279/18, Urteil

§ 384 Abs 1 HGB, § 385 Abs 1 HGB, § 394 Abs 1 HGB, § 394 Abs 2 S 1 HGB, § 280 Abs 1 BGB, § 2 BörsG vom 26.06.2012, § 7 Abs 5 S 2 BörsG vom 12.03.2009, § 15 Abs 4 S 1 BörsG vom 06.11.2012, § 15 Abs 4 S 2 BörsG vom 06.11.2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2020, Az. XI ZR 39/19 (REWIS RS 2020, 818)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 1453-1454 WM2020,2079 REWIS RS 2020, 818


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 U 279/18

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 5 U 279/18, 20.12.2018.


Az. B 2 U 25/20 B

Bundessozialgericht, B 2 U 25/20 B, 26.05.2020.


Az. XI ZR 39/19

Bundesgerichtshof, XI ZR 39/19, 22.09.2020.


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XI ZR 305/14

II ZR 174/19

XI ZR 386/13

XI ZR 434/15

XI ZR 17/15

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