Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.07.2011, Az. III S 50/10 (PKH)

3. Senat | REWIS RS 2011, 4934

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Gegenstand

Kein Kindergeld für ausländerrechtlich bzw. aufenthaltsrechtlich lediglich geduldete Ausländer


Leitsatz

NV: Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, einem Ausländer, dessen Aufenthalt ausländerrechtlich oder aufenthaltsrechtlich lediglich geduldet ist, einen Anspruch auf Kindergeld einzuräumen .

Gründe

1

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsvertreters wird abgelehnt.

2

1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

3

2. Die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dem Vorbringen der --anwaltlich vertretenen-- Klägerin und Antragstellerin (Klägerin) lassen sich keine Gründe entnehmen, die zur Zulassung der Revision führen könnten.

4

a) Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O). Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es z.B., wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den [X.] ([X.]) geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 23. März 2009 XI B 89/08, [X.]/NV 2009, 976, m.w.N.). Eine Frage ist auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht ([X.]) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Beschlüsse vom 6. Mai 2004 [X.], [X.]E 205, 416, [X.] 2004, 748, und vom 26. Mai 2004 [X.]/03, [X.]/NV 2004, 1221). Allein der Umstand, dass zu einer bestimmten Rechtsfrage noch keine Entscheidung des [X.] vorliegt, rechtfertigt noch nicht die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (z.B. [X.]-Beschluss vom 14. Mai 2008 [X.]/07, [X.]/NV 2008, 1438).

5

aa) Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, einem Ausländer, dessen Aufenthalt ausländerrechtlich oder aufenthaltsrechtlich lediglich geduldet ist, keinen Anspruch auf Kindergeld einzuräumen (z.B. Senatsurteile vom 15. März 2007 [X.]/03, [X.]E 217, 443, [X.] 2009, 905; vom 22. November 2007 [X.], [X.]E 220, 45, [X.] 2009, 913; vom 21. Oktober 2010 [X.]/09, [X.]/NV 2011, 248). Auch das [X.] ([X.]) hält es in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2009  2 BvR 1957/08 ([X.], 292) für naheliegend, dass eine Ungleichbehandlung von Ausländern, die sich lediglich geduldet in der [X.] aufhalten, gegenüber denjenigen Ausländern, denen ein Anspruch auf Kindergeld aus § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zukommt, schon deswegen gerechtfertigt sein könnte, weil der Aufenthalt lediglich geduldeter Ausländer nicht rechtmäßig ist und dass es gerechtfertigt sein kann, Personengruppen, die nicht abgeschoben werden können und die ihrer Ausreisepflicht auch nicht freiwillig nachkommen, von Sozialleistungen auszuschließen, wenn ihr Existenzminimum --wie hier im Streitfall durch Leistungen nach dem [X.] ([X.] anderweitig gesichert wird.

6

Im Urteil in [X.]E 220, 45, [X.] 2009, 913 hat der Senat zudem dargelegt, weshalb er die im Vorlagebeschluss des [X.] Köln vom 9. Mai 2007  10 K 1690/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1247) vorgebrachten Bedenken gegen die Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern in § 62 Abs. 2 EStG (s. Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006, [X.], 2915, [X.], 62) nicht teilt. Das [X.] hat inzwischen die Vorlage des [X.] Köln als unzulässig beurteilt (Beschluss vom 6. November 2009  2 BvL 4/07, [X.]/NV 2010, 153, red. Leitsatz).

7

Dem Vorbringen der Klägerin lassen sich keine neuen Gesichtspunkte entnehmen, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der durch den [X.] bereits geklärten Rechtsfragen geboten erscheinen lassen.

8

bb) Sinngemäß hält die Klägerin ferner die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob es gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ([X.]) verstoße, dass bei Bezug von Leistungen nach dem [X.] ein Kindergeldanspruch für Kinder [X.] Staatsangehörigkeit zwar dann bestehe, wenn ihre Eltern ebenfalls die [X.] Staatsangehörigkeit haben, nicht aber auch dann, wenn die Eltern, wie hier die Klägerin, Ausländer seien. Insoweit würden [X.] Kinder ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.

9

Auch insoweit kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Denn die erhobene Rüge genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O. Die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Norm reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus, vielmehr ist dazu --hier unterblieben-- eine an den Vorgaben des [X.] sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] orientierte Auseinandersetzung erforderlich (z.B. [X.]-Beschluss vom 13. Juni 2008 [X.]/08, [X.]/NV 2008, 1459).

Abgesehen davon liegt der behauptete Verfassungsverstoß auch nicht vor. Das Kindergeldrecht knüpft in § 62 EStG nicht an die Staatsangehörigkeit und den aufenthaltsrechtlichen Titel der Kinder, sondern ihrer Eltern an, denn es geht um die Kindergeldberechtigung der Eltern und nicht um die der Kinder. Die in § 62 EStG insoweit u.a. getroffene Unterscheidung zwischen Eltern mit [X.] Staatsangehörigkeit und Eltern, die, wie die Klägerin, nicht freizügigkeitsberechtigt und aufenthaltsrechtlich lediglich geduldet sind, ist jedoch sachlich gerechtfertigt (vgl. die Nachweise oben unter 2.a lit. aa).

cc) Sinngemäß hält die Klägerin ferner für klärungsbedürftig, ob die Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG mit Art. 14 i.V.m. Art. 8 der [X.] ([X.]) vereinbar sei. Auch insoweit kommt eine Zulassung der Revision jedoch nicht in Betracht.

Macht ein Beschwerdeführer geltend, eine Norm verstoße gegen Europarecht, so genügt es nicht, den Verstoß nur mit allgemeinen Wendungen zu behaupten. Erforderlich ist vielmehr eine substantiierte, an den Vorgaben des Europarechts und der einschlägigen Rechtsprechung (hier insbesondere des [X.] --[X.]-- zur [X.]) orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik (z.B. [X.]-Beschluss vom 15. Juli 2008 [X.]/08, nicht amtlich veröffentlicht). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht. Ihr Vortrag erschöpft sich insoweit in dem Hinweis auf die Entscheidung des [X.] vom 25. Oktober 2005 Az. 59140/00, [X.] ([X.]/NV 2006, Beilage 3, 357) sowie darauf, dass auch nach der gesetzlichen Neufassung "Beschränkungen im [X.] aufgrund des Umstands, dass bestimmte Aufenthaltsgenehmigungen vorhanden sind oder nicht" gelten würden.

b) Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge, das [X.] habe nicht geprüft, ob auch die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG gegen die [X.] verstoße, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des [X.] in [X.]/NV 2006, Beilage 3, 357 zur alten Fassung des Gesetzes ergangen sei. Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit dieser Rüge trifft die Behauptung der Klägerin nicht zu. Denn das [X.] hat seine Entscheidung insoweit u.a. darauf gestützt, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG der Aufforderung des [X.] nachgekommen sei, gegen die Neuregelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden und die Nichtgewährung von Kindergeld in einem Fall wie dem der Klägerin daher Art. 8 und Art. 14 der [X.] nicht widerspreche.

3. Kommt danach die Bewilligung von PKH nicht in Betracht, ist auch der Antrag der Klägerin, ihr Rechtsanwältin X nach § 142 [X.]O i.V.m. § 121 ZPO als Rechtsvertreter beizuordnen, abzulehnen.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis).

Meta

III S 50/10 (PKH)

11.07.2011

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

nachgehend BVerfG, 22. Oktober 2011, Az: 2 BvR 1872/11, Kammerbeschluss ohne Begründung

§ 62 Abs 2 EStG 2002 vom 13.12.2006, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.07.2011, Az. III S 50/10 (PKH) (REWIS RS 2011, 4934)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4934


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 1872/11

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1872/11, 22.10.2011.


Az. III S 50/10 (PKH)

Bundesfinanzhof, III S 50/10 (PKH), 11.07.2011.


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