Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2018, Az. StB 7/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 6982

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:280618BSTB7.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 7/18

vom
28. Juni
2018
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.]

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und seines Verteidigers am 28. Juni 2018 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:

Die
Beschwerde des
Beschuldigten
gegen den
Beschluss
des Ermittlungsrichters des [X.] vom
27. November
2017
-
5 [X.] 211/17 -
wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
I.
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschwerdeführer ein [X.] wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen [X.]. Auf Antrag
des General-bundesanwalts
hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit
Beschluss vom 27. November 2017 (5 [X.] 211/17) die Durchsuchung der

Person
des Beschuldigten, der von ihm
mitgeführten Sachen und der jeweils von ihm genutzten Räumlichkeiten der mit seiner Mutter und zwei Brüdern
geteilten Wohnung nach näher umschriebenen Beweismitteln angeordnet. Die Durchsuchung ist am 21. Dezember 2017 vollzogen worden; die Durchsicht der aufgefundenen Papiere und Datenträger
dauert noch an. Am 29. März 2018, eingegangen beim [X.] am 31. März 2018, hat der
Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung eingelegt. 1
-
3
-
Er beanstandet im Wesentlichen, dass bei Erlass des Beschlusses ein
Anfangsverdacht nicht vorgelegen habe und die dem Beschwerdeführer vorge-worfene Straftat nicht nach [X.] Recht strafbar sei. Der Ermittlungsrichter des [X.] hat der Beschwerde mit Beschluss vom 3. April 2018 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung übersandt.
II.
Das Rechtsmittel erweist sich als unbegründet.
1.
Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) sind
gegeben.
a)
Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen durchzuführenden Durchsuchung genügt der über bloße [X.] hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in
Betracht kommt. Eines hinreichen-den oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es -
unbeschadet der Frage
der Verhältnismäßigkeit -
nicht (st. Rspr.; vgl. [X.],
Beschluss vom
7. September 2006 -
2 BvR 1219/05, [X.], 1443; [X.], Beschlüsse

vom 18. Dezember 2008 -
StB 26/08, [X.], 142, 143; vom
12. August 2015 -
StB 8/15, NStZ
2016, 370, 371).
b)
Gemessen hieran liegen sachlich zureichende Gründe für die Anord-nung der Durchsuchung vor. Insbesondere besteht
der Anfangsverdacht, dass der Beschwerdeführer sich an der [X.] "[X.]", einer 2
3
4
5
-
4
-
Unterorganisation des "[X.]", und damit an einer ausländi-schen terroristischen [X.] (§§ 129a, 129b StGB) als Mitglied beteiligte.
Es liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei der maßgeblich vom [X.] aus agierenden Gruppierung "Kaukasisches
Emirat" hinsichtlich der insoweit geforderten Organisationsstruktur, Zielsetzung und Aktivitäten um eine ausländische terroristische [X.] (§
129b Abs.
1 Satz 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB) handelt. Diese ergeben sich aus dem Auswertebericht des [X.] vom 10. August 2011, dem
[X.] des [X.] vom 24. April 2013 und
einem Gutachten der Sachverständigen Dr. H.

und Dr. L.

vom
2. Dezember 2013. Danach hat sich die von [X.] geleitete [X.] zum Ziel gesetzt, die nordkaukasischen Republiken aus der [X.] auszugliedern und auf ihrem Gebiet einen
Gottesstaat islamistischer Prägung unter Geltung der Scharia zu errichten. Zur Erreichung dieses Ziels unternahm die [X.] unter Inkaufnahme
auch ziviler Opfer Anschläge in der gesamten [X.]. Die
Gruppierung ist hierarchisch organisiert. Ihr steht ein als [X.]" bezeichneter Anführer vor, bei dem es sich zur [X.] um [X.] alias Scheich
Ali Abu Mukhammad handelt. Das vom "[X.]" beanspruchte
Territorium ist in Gebiete unterteilt, in denen jedenfalls im [X.] jeweils mehrere Gruppen von Kämpfern ("Jamaate") bestanden. Dies stützt den [X.], dass es sich bei dem von Hinweisgebern der [X.] Behörden
benannten "[X.]" um eine im Bezirk [X.] der [X.] agierende Kampfgruppe der [X.] "Kaukasisches
Emirat" handelt (vgl. [X.] des [X.]
vom
21.
Dezember 2016; vgl. auch [X.] des Bundesamtes für
Verfassungsschutz vom 15.
August 2017).
6
-
5
-
Es besteht auch
ein Anfangsverdacht, dass der damals in diesem
Bezirk lebende Beschwerdeführer sich an dieser Gruppierung als Mitglied
beteiligte, wobei es insbesondere seine Funktion war, als Hilfsperson Lebens-mittel, militärische Ausrüstung bzw. "Dienstkleidung" und andere Gegenstände
für
die Kämpfer zu verschaffen und so die "Lebensfunktion" der [X.] aufrecht zu erhalten. Konkrete Anhaltspunkte für diesen Verdacht ergeben
sich aus den Auslieferungsunterlagen, die die [X.] Behörden ihrem
den Beschwerdeführer betreffenden Auslieferungsersuchen beigefügt
haben. Danach betreiben die Ermittlungsbehörden der zur Russischen
Föderation gehörenden [X.] gegen den Beschwerdeführer ein -
inzwischen bis zur Anklageerhebung gediehenes -
Ermittlungsverfahren wegen Teilnahme an einer illegalen bewaffneten Formation. Zwar lagen diese Unterlagen zunächst in einer nahezu unverständlichen Übersetzung vor. Doch ist inzwischen eine sehr viel besser
verständliche
Übersetzung nachgeliefert worden, so dass sich ihr Inhalt nachvollziehen lässt. Auch wenn die vorgelegten "Beschlüsse" über die Einleitung der Ermittlungen vom 5. April 2013, über die Ausschreibung zur Fahndung vom 5. Mai 2013 und zur Verhaftung vom
23. September 2014 sowie über die Erhebung der Anklage vom 6. Juli 2014 regelmäßig wenig mehr als den oben aufgeführten Vorwurf enthalten, ohne dies im Einzelnen mit [X.] zu belegen, lassen
sich der [X.] immerhin der Tatzeitraum (seit Herbst 2012) und der Tatort (das
Flachland des [X.] in der [X.]) sowie -
wenn auch allgemein umschrieben -
die [X.] des Beschwerdeführers entnehmen. Insbesondere ergibt sich daraus auch, dass jedenfalls drei Zeugen den
Beschwerdeführer als unter dem Decknamen "M.

" agierende Hilfsperson
des "[X.]" identifiziert haben, der den Kämpfern der Vereini-gung Lebensmittel und andere Gegenstände lieferte. Dies genügt zur Um-schreibung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat und zur Annahme 7
-
6
-
eines über bloße Vermutungen hinausgehenden, tatsachengestützten [X.]. Dabei kommt es entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht darauf an, ob der Beschuldigte von der [X.] als Beschaffer auch von Waffen (so etwa die erste Übersetzung des Haftbefehls des Richters des
Rayongerichts der [X.] vom 23. September 2014: "kauft
Waffen, Kriegssache und andere ... nötige Dinge") oder lediglich von
Nahrungsmitteln, "Dienstkleidung", Hygieneartikeln und Kommunikationsmitteln (so die deutlich besser verständliche
neue Übersetzung des Haftbefehls)
eingesetzt war. Als Beteiligungshandlungen kommen alle Aktivitäten in
Betracht, die die unmittelbaren Ziele der [X.] durchzusetzen
helfen und somit Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation
fördern (LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 106
mwN). Selbst wenn die vorgelegten Dokumente den Verdacht einer Mitgliedschaft des Beschuldigten an der Verei-nigung "[X.]" nicht belegen sollten, so wäre sein Verhalten jedenfalls als Unterstützung einer terroristischen [X.] zu werten. Denn insoweit genügt jede die [X.] als solche oder einzelne Mitglieder unter-stützende Tätigkeit, die als Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation -
und nicht nur für das einzelne Mitglied -
objektiv nützlich
ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt (vgl. [X.], Beschlüsse
vom 14. Dezember 2017 -
StB 18/17, NStZ-RR
2018, 72, 73
mwN; vom
28. Mai 2018 -
3 [X.], juris
Rn.
5).
2.
Es ist [X.] Strafrecht anwendbar. Dies folgt
jedenfalls
aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB, weil der Beschuldigte sich in
[X.] befindet (vgl. zum Strafanwendungsrecht nach § 129b Abs. 1
Satz 2 StGB: [X.], Beschluss vom 6. April 2017 -
AK 11-13/17, juris Rn. 16; vgl. auch [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2016 -
AK 52/16, juris Rn. 35 f.). Im übrigen liegen auch die Voraussetzungen des §
7 Abs.
2 Nr.
2 StGB vor.
8
-
7
-
Der Beschuldigte ist Staatsangehöriger der [X.]. Die ihm vorgeworfenen Straftaten, die er auf dem Gebiet der [X.] begangen haben soll, sind am Tatort mit Strafe bedroht, da die "Teilnahme an einer bewaffneten Organisation, die durch kein Föderalgesetz vorgesehen ist", nach Art. 208 Abs. 2 Variante 1 des [X.] Strafgesetzbuches strafbar ist. Eine Auslieferung kommt nach der Entscheidung des [X.] vom 7. Dezember 2016 wegen Vorliegens eines Auslieferungsverbots (politische Tat im Sinne des § 6 IRG) nicht in Betracht. Es liegt eine
Ermächtigung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucher-
schutz vom 4. Oktober 2017 zur strafrechtlichen Verfolgung von Taten des
Beschuldigten im Zusammenhang mit der ausländischen terroristischen Verei-nigung "[X.]" vor.
3.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Durch-suchungsanordnung ist geeignet, zur Klärung des Tatverdachts beizutragen. Die Anordnung der Durchsuchung steht auch in einem angemessenen Verhält-nis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts.
Gericke
Spaniol
Leplow
9

Meta

StB 7/18

28.06.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2018, Az. StB 7/18 (REWIS RS 2018, 6982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6982

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