Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2022, Az. StB 40/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5607

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Gegenstand

Durchsuchungsanordnung wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland ("Islamischer Staat")


Tenor

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des [X.] vom 28. Juni 2022 (2 [X.] 371/22) und vom 5. Juli 2022 (2 [X.] 382/22) wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Der [X.] führt gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen [X.] ("[X.]"), strafbar nach § 129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 StGB. Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des [X.] am 28. Juni 2022 die Durchsuchung der Person des Beschuldigten und von ihm genutzter Wohn- und Nebenräume sowie am 5. Juli 2022 diejenige seines Kraftfahrzeugs nach näher beschriebenen Beweismitteln angeordnet. Letztere betreffen eine mögliche Beteiligung des Beschuldigten an der ausländischen terroristischen Vereinigung "[X.]" ([X.]), insbesondere durch Teilnahme als Kommandant an den Kämpfen gegen die [X.] ([X.]) und deren Verbündete in M.     /[X.] zwischen März und Juni 2014.

2

Nach Vollzug der Durchsuchung am 15. Juli 2022 hat der Beschuldigte gegen die Durchsuchungsbeschlüsse mit der Begründung Beschwerde eingelegt, er habe mit dem [X.] nichts zu tun. Der Ermittlungsrichter des [X.] hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

3

Das zulässige Rechtsmittel erweist sich als unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnungen (§§ 102, 105 [X.]) lagen vor.

4

1. Es bestand ein auf konkreten Tatsachen beruhender Verdacht einer Straftat.

5

a) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, NJW 2007, 1443 Rn. 15; [X.], Beschlüsse vom 9. Februar 2021 - StB 9/20 u.a., juris Rn. 9 mwN; vom 5. Juni 2019 - StB 6/19, juris Rn. 7 mwN; vom 30. November 2021 - StB 37/21, juris Rn. 6; [X.]/[X.], [X.], 27. Aufl., § 103 Rn. 1). Ein solcher ausreichend konkreter Verdacht kann grundsätzlich auch durch ein Behördenzeugnis begründet werden (st. Rspr.; [X.], Beschlüsse vom 5. Juni 2019 - StB 6/19, juris Rn. 8; vom 6. Februar 2019 - 3 StR 280/18, [X.], 546 mwN; vom 28. Juni 2018 - StB 7/18 Rn. 6), zumal die Durchsuchung dazu dienen kann, die Qualität der Angaben zu überprüfen, und neben der Belastung zugleich zur Entlastung des Beschuldigten beizutragen vermag.

6

b) Nach diesen Maßstäben lagen zureichende Gründe für den Verdacht vor, der Beschuldigte habe sich im [X.] in [X.] dem [X.] angeschlossen und im [X.] als Kommandant am Kampf um M.     gegen die [X.] und andere Gruppierungen teilgenommen.

7

aa) Der Anfangsverdacht stützt sich vornehmlich auf ein Behördenzeugnis des [X.] vom 27. April 2021, demzufolge "aus nachrichtendienstlichem Aufkommen" bekannt geworden sei, dass sich der Beschuldigte im [X.] dem [X.] angeschlossen habe und als Kommandant am Kampf um M.     gegen die [X.] beteiligt gewesen sei. [X.] Bestätigung findet diese - für sich genommen eher pauschale - Mitteilung darin, dass ausweislich eines Gutachtens des [X.] aus dem Februar 2015 mit dem Titel "Der '[X.]' in [X.] und im [X.]" tatsächlich zu dem genannten Zeitpunkt in dem genannten Gebiet Kampfhandlungen unter Beteiligung des [X.] und unter anderem der [X.] stattgefunden haben sollen. Im Verlauf der Kämpfe sei es zudem zu Hinrichtungen [X.] verletzter Kämpfer der Gegenseite durch den [X.] gekommen.

8

bb) In rechtlicher Hinsicht ist die Tat, derer der Beschuldigte verdächtig ist, als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen [X.] gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB zu beurteilen.

9

c) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern des [X.] liegt vor.

d) Die Zuständigkeit des [X.]s und damit diejenige des Ermittlungsrichters des [X.] ist gemäß § 142a Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG gegeben.

2. Die Anordnungen der Durchsuchung entsprachen - auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Beschuldigten - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

a) Sie waren zur Ermittlung der Tat geeignet und erforderlich, da - wie der Ermittlungsrichter des [X.] zutreffend ausgeführt hat - unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Gegenständen führen würde, mit deren Hilfe eine Strafbarkeit des Beschuldigten nachgewiesen werden konnte.

b) Die angeordnete Durchsuchung stand zudem in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der aufzuklärenden Straftat und der Stärke des aufgezeigten Tatverdachts. Das Gewicht des in Rede stehenden Delikts ist erheblich. Die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB stellt ein Verbrechen dar und eröffnet einen Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.

[X.]

Meta

StB 40/22

05.10.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 5. Juli 2022, Az: 2 BGs 382/22

§ 102 StPO, § 105 StPO, § 129a Abs 1 Nr 1 Alt 2 StGB, § 129b Abs 1 S 1 StGB, § 129b Abs 1 S 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2022, Az. StB 40/22 (REWIS RS 2022, 5607)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5607

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3 StR 280/18

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