Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.12.2020, Az. 2 C 12/20

2. Senat | REWIS RS 2020, 4358

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Gegenstand

Ausschluss von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen bei rechtmäßigem Abbruch des Auswahlverfahrens


Leitsatz

1. Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistet einem Bewerber, dass über die Vergabe eines öffentlichen Amtes nur nach Maßgabe der dort genannten Kriterien entschieden wird. Verletzt der Dienstherr durch eine Auswahlentscheidung diesen Bewerbungsverfahrensanspruch, stellt die vom unterlegenen Bewerber veranlasste einstweilige Anordnung sicher, dass dieses Amt für eine weitere, dann fehlerfreie Auswahlentscheidung zur Verfügung steht. Durch die vorläufige Untersagung der Vergabe des Amtes ist dem Bewerbungsverfahrensanspruch in vollem Umfang Rechnung getragen, so dass dem Bewerber wegen der Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs durch die erste fehlerhafte Auswahlentscheidung kein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch zusteht.

2. Bricht der Dienstherr das Auswahlverfahren im Anschluss an die einstweilige Anordnung wegen nicht behebbarer Fehler des bisherigen Verfahrens ab, liegt ein sachlicher Grund für den Abbruch des Verfahrens vor. Da der Dienstherr insofern rechtmäßig handelt, ist ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch gegen den Dienstherrn ausgeschlossen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 7. November 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Folgen eines behördlichen Fehlers im Auswahlverfahren für die Vergabe einer von der beklagten [X.] ausgeschriebenen Professur. Dieser Fehler führte zunächst zur vorläufigen gerichtlichen Untersagung der Ernennung des ausgewählten Bewerbers und schließlich - mittelbar - zum Abbruch des Auswahlverfahrens.

2

Die Klägerin, eine habilitierte Semitistin, bewarb sich auf die im Juli 2011 ausgeschriebene W2-[X.]sprofessur für ... im Fachbereich ... der beklagten [X.]. Die für diese Ausschreibung vom zuständigen Fachbereich der [X.]n bestellte Berufungskommission wählte aus den eingegangenen Bewerbungen zehn Bewerber aus, darunter auch die Klägerin, und forderte diese Bewerber auf, schriftliche Arbeiten einzureichen. Anfang Dezember 2011 beschloss die Berufungskommission aufgrund der Bewertung der vorgelegten wissenschaftlichen Arbeiten der Klägerin, diese im weiteren Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen. Dementsprechend wurde die Klägerin nicht mehr zu einer Lehrprobe und zu einem Vortrag eingeladen.

3

Nach Abschluss des hochschulinternen Berufungsverfahrens übersandte das Präsidium der [X.]n die vom Fachbereichsrat beschlossene [X.] als Berufungsvorschlag an die Senatsverwaltung des [X.]. Die Senatorin erteilte den Ruf an den Erstplatzierten der [X.]. Mit Schreiben vom 5. April 2013 teilte die [X.] der Klägerin mit, dass der erfolgreiche Bewerber den Ruf auf die Professur angenommen habe.

4

Der Antrag der Klägerin, der [X.]n im Wege der einstweiligen Anordnung die Ernennung des ausgewählten Bewerbers vorläufig zu untersagen, scheiterte zunächst vor dem Verwaltungsgericht und dem [X.]. Diese Entscheidungen wurden vom [X.] (Kammerbeschluss vom 3. März 2014 - 1 BvR 3606/13 - NVwZ 2014, 785) aufgehoben; die Sache wurde an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Im [X.] hieran untersagte das Verwaltungsgericht der [X.]n im Wege der einstweiligen Anordnung, die Stelle mit dem ausgewählten Bewerber vor einer erneuten Entscheidung über die Bewerbung der Klägerin zu besetzen (Beschluss vom 18. Juli 2014 - 5 L 91.14 -). Das Verwaltungsgericht beanstandete, die Berufungskommission sei im Hinblick auf das Abstimmungsergebnis über den Ausschluss der Klägerin aus dem weiteren Auswahlverfahren der Dokumentationspflicht nicht nachgekommen, die die [X.] in ihrem Leitfaden für das Verfahren für die Berufung von Professoren vorgegeben habe.

5

Am 24. Januar 2014 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag Klage erhoben, die [X.] unter Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2013 zu verurteilen, über die Besetzung der Professur für ... erneut zu entscheiden. Im [X.] an den Beschluss des [X.] vom 18. Juli 2014 hat die [X.] erklärt, es sei geplant, die Klägerin anzuhören und auf dieser Basis über ihre Bewerbung rückwirkend bezogen auf die Konkurrenzsituation im [X.] zu entscheiden. In einem Erörterungstermin Anfang 2015 hat der Vorsitzende der Kammer des [X.] darauf hingewiesen, dass dieses geplante Vorgehen rechtlichen Bedenken begegne. Es würden die jedenfalls teilweise aktuellen Leistungen der Klägerin in Beziehung gesetzt zu den mindestens drei Jahre alten Leistungen ihrer Mitbewerber. Seien die Bewertungen der Bewerber nicht auf einem einheitlichen Stand, drohten wiederum Fehler des Auswahlverfahrens und der neuen Auswahlentscheidung. Unter Berufung hierauf hat die [X.] das Auswahlverfahren im August 2015 abgebrochen. Der dagegen gerichtete Antrag der Klägerin, der [X.]n im Wege der einstweiligen Anordnung die Fortsetzung dieses Besetzungsverfahrens aufzugeben, ist in zwei gerichtlichen Instanzen erfolglos geblieben.

6

Nach dem Abbruch des Auswahlverfahrens hat die Klägerin ihre Klage vor dem Verwaltungsgericht auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses umgestellt. Anfang Januar 2017 hat die Klägerin vor dem [X.] Klage gegen die [X.] auf Schadensersatz sowie gegen das [X.] auf Schadensersatz im Wege der Amtshaftung erhoben; das [X.] hat das dortige Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausgesetzt. Vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin letztlich beantragt festzustellen, dass sie für die Besetzung der bei der [X.]n ausgeschriebenen Professur für ... hätte ausgewählt werden müssen, hilfsweise, festzustellen, dass die Ablehnung ihrer Bewerbung mit Schreiben vom 5. April 2013 rechtswidrig war.

7

Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die [X.] im Zeitpunkt des Abbruchs des Auswahlverfahrens verpflichtet gewesen ist, über die Bewerbung der Klägerin für die Besetzung der ausgeschriebenen Professur für ... erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der zuletzt gestellte Verpflichtungsfortsetzungsantrag gehe über das Begehren hinaus, das die Klägerin vor dem Abbruch des Auswahlverfahrens geltend gemacht habe. In seinem überschießenden Umfang sei er deshalb unzulässig. Zulässig sei der Antrag demgegenüber in Bezug auf den [X.], der in dem nunmehr erweiternd gestellten Verpflichtungsfortsetzungsantrag enthalten sei. Insoweit habe die Klägerin auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, weil die Klage auf Schadensersatz wegen amtspflichtwidriger Nichtberufung nicht offensichtlich aussichtslos sei. Die Klage sei auch begründet, weil die Klägerin bis zum Zeitpunkt des Abbruchs des Auswahlverfahrens die Neubescheidung ihrer Bewerbung habe verlangen können. Die mit der [X.] bekannt gegebene Entscheidung, die ausgeschriebene Stelle mit einem Mitbewerber zu besetzen, sei zu diesem Zeitpunkt weiterhin rechtswidrig gewesen und habe die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

8

Auf Antrag der [X.]n hat das Berufungsgericht die Berufung gegen das Urteil des [X.] zugelassen, soweit darin der Klage stattgegeben wurde. Auf die Berufung der [X.]n hat das [X.] das Urteil des [X.] geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

9

Das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren sei als Fortsetzungsfeststellungsbegehren unzulässig. Der zulässige Übergang von einem [X.] zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag wegen zwischenzeitlich eingetretener Erledigung setze voraus, dass der Streitgegenstand nicht ausgewechselt oder erweitert werde. Der zuletzt gestellte Hauptantrag gehe über den ursprünglichen Klageantrag hinaus. Der Bescheidungsfeststellungsantrag sei auch nicht als "minus" in dem von der Klägerin gestellten Feststellungsantrag enthalten. Der gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag sei auch deshalb unzulässig, weil der [X.] offensichtlich aussichtslos sei. Für einen [X.] fehle es jedenfalls wegen des Abbruchs an einem bei der Klägerin eingetretenen Schaden, der adäquat-kausal durch ein fehlerhaftes Auswahlverfahren der [X.]n verursacht worden sei.

Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie beantragt,

das Urteil des [X.]s Berlin-Brandenburg vom 7. November 2019 aufzuheben und die Berufung der [X.]n gegen das Urteil des [X.] Berlin vom 24. August 2018 zurückzuweisen.

Die [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zwar verstoßen die Erwägungen des [X.] zu dem beim Verwaltungsgericht gestellten Hauptantrag der Klägerin auf Feststellung, dass sie für die Besetzung der bei der Beklagten ausgeschriebenen Professur für ... hätte ausgewählt werden müssen, gegen § 125 Abs. 1, §§ 88 und 121 VwGO (1.). Mit seinen entscheidungstragenden Ausführungen zum fehlenden Interesse der Klägerin an der Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet war, über die Bewerbung der Klägerin für die Besetzung der bei ihr ausgeschriebenen Professur für Semitistik neu zu entscheiden, verletzt das Berufungsurteil Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) aber nicht (2.).

1. Hinsichtlich des Antrags der Klägerin festzustellen, dass sie für die Besetzung der ausgeschriebenen Professur hätte ausgewählt werden müssen, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen ist die Klägerin nicht mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung vorgegangen, so dass das klageabweisende Urteil des [X.] insoweit rechtskräftig geworden ist (§ 121 VwGO). Auch mangels eines entsprechenden Antrags der Klägerin in der Berufungsinstanz, die dort lediglich die Zurückweisung der Berufung der Beklagten beantragt hat, hätte sich das Oberverwaltungsgericht nicht mehr mit dem ursprünglichen weitergehenden Antrag der Klägerin befassen dürfen (§ 125 Abs. 1 und § 88 VwGO).

2. Die Klage der Klägerin auf Feststellung, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Abbruchs des Auswahlverfahrens verpflichtet gewesen ist, über ihre Bewerbung für die Besetzung der ausgeschriebenen Professur erneut zu entscheiden, ist unzulässig. Dabei kann offenbleiben, ob dies auch daraus folgt, dass die Klägerin nach dem Abbruch des Auswahlverfahrens mit ihrem Feststellungsantrag zielgerichtet über den Gegenstand des ursprünglichen Klageantrags hinausgegangen ist (a). Die Klage ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil die Klägerin kein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung hat. Denn die beim [X.] erhobene Amtshaftungsklage, zu deren Erfolg die vor den Verwaltungsgerichten erstrittene Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten beitragen soll, ist offensichtlich aussichtslos. Zwar hat die Beklagte durch den Beschluss der Berufungskommission vom 2. Dezember 2011, die Klägerin im weiteren Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen, deren Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt. Diesem Anspruch der Klägerin ist jedoch durch die vorläufige gerichtliche Untersagung der Vergabe der ausgeschriebenen Professur auf der Basis der - fehlerhaften - Auswahlentscheidung Rechnung getragen worden. Der anschließende Abbruch des Auswahlverfahrens kann nicht zu einem Amtshaftungsanspruch der Klägerin führen, weil er rechtmäßig ist (b). Diese Erwägungen gelten auch für den Hilfsantrag (c).

a) Der [X.] kann dahingestellt sein lassen, ob die Klage der Klägerin auf Feststellung der Verpflichtung zur Neubescheidung ihrer Bewerbung wegen der Änderung des [X.] im [X.] an den Abbruch des Auswahlverfahrens unzulässig ist. Dafür spricht, dass die Klägerin nach dem Abbruch des Auswahlverfahrens mit ihrem Feststellungsantrag im Interesse der Erfolgsaussichten ihrer beim [X.] erhobenen Amtshaftungsklage den Gegenstand des ursprünglich gestellten Antrags auf Neubescheidung bewusst überschritten hat. Denn zunächst hatte die Klägerin in der Hauptsache gerade nicht einen Anspruch auf Ernennung geltend gemacht, sondern lediglich den Anspruch auf erneute Entscheidung über ihre Bewerbung für die ausgeschriebene Professur. Die Fortsetzungsfeststellungsklage findet ihre Berechtigung gerade in der Erwägung, dass der Rechtsschutzsuchende durch die Erledigung nicht um die Ergebnisse der bisherigen Prozessführung gebracht werden soll; sie dient dagegen nicht dazu, ein über das bisherige Prozessieren hinausgehendes Rechtsschutzziel zu verfolgen.

b) Die Klage auf Feststellung, dass die Beklagte im Zeitpunkt des Abbruchs des Auswahlverfahrens verpflichtet gewesen ist, über die Bewerbung der Klägerin für die Besetzung der ausgeschriebenen Professur erneut zu entscheiden, ist jedenfalls wegen des fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig.

Der von der Klägerin geltend gemachte Ersatzanspruch ist offensichtlich ausgeschlossen und der Amtshaftungsprozess ist damit offensichtlich aussichtslos (stRspr, vgl. etwa [X.], Urteile vom 26. September 2012 - 2 [X.] 74.10 - [X.]E 144, 186 Rn. 7 und 22 ff., vom 20. Juni 2013 - 8 [X.] 17.12 - [X.] 11 Art. 12 GG Nr. 286 Rn. 26, vom 20. September 2018 - 2 A 9.17 - [X.]E 163, 112 Rn. 57 und vom 9. Mai 2019 - 2 [X.] 1.18 - [X.]E 165, 305 Rn. 17). Bezogen auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der [X.] ist ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann ([X.], Urteile vom 18. Oktober 1985 - 4 [X.] 21.80 - [X.] 406.11 § 1 BBauG Nr. 28 S. 22 und vom 28. August 1987 - 4 [X.] 31.86 - [X.] 310 § 113 VwGO Nr. 173 S. 7). Dies gilt auch für die hier vorliegende Fallgestaltung, dass die Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs eines Bewerbers letztendlich der Grund für den dann rechtmäßigen Abbruch des Auswahlverfahrens ist.

Unbegründet ist der Einwand der Klägerin, der [X.] maße sich damit eine letztverbindliche Entscheidung über den von ihr geltend gemachten Amtshaftungsanspruch an, obwohl für diesen nach Art. 34 Satz 3 GG und § 17 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Denn die Verwaltungsgerichte entscheiden nicht über den Amtshaftungsanspruch als solchen, sondern lediglich über einzelne rechtliche Aspekte, die für etwaige Ersatzansprüche von Bedeutung sind. Hier geht es zum einen um den Gewährleistungsgehalt des grundrechtsgleichen Rechts der Klägerin aus Art. 33 Abs. 2 GG. Durch die vorläufige Untersagung der Vergabe der ausgeschriebenen Professur bis zu einer erneuten Entscheidung über die Bewerbung der Klägerin durch den Beschluss des [X.] ist dem Recht der Klägerin aus Art. 33 Abs. 2 GG in vollem Umfang Rechnung getragen. Die einstweilige Anordnung gewährleistete, dass die ausgeschriebene Professur für eine weitere, nunmehr fehlerfreie Auswahlentscheidung der Beklagten zur Verfügung stand (aa). Zum anderen schließt die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens die Annahme aus, die Klägerin sei in ihrem Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt worden (bb).

Nach der Rechtsprechung des [X.] sind Zivilgerichte im Amtshaftungsprozess an rechtskräftige Entscheidungen der Verwaltungsgerichte im Rahmen der [X.] (§ 121 VwGO) gebunden. Die Bindungswirkung erfasst in persönlicher Hinsicht die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (§ 63 VwGO) und ihre Rechtsnachfolger und ist sachlich auf dessen Streitgegenstand beschränkt. In diesem Rahmen folgt die Bindung der Zivilgerichte aus der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Gerichtszweige ([X.], Urteil vom 7. Februar 2008 - [X.]/07 - [X.]Z 175, 221 Rn. 10 m.w.N.).

Wird, wie durch die vorliegende Entscheidung des erkennenden [X.]s, die Klage durch ein Prozessurteil rechtskräftig abgewiesen, kommt diesem Urteil Bindungswirkung auch hinsichtlich der zur Klageabweisung führenden fehlenden Sachurteilsvoraussetzung zu, hier das fehlende Feststellungsinteresse ([X.], Beschluss vom 12. Dezember 1990 - [X.] - NJW 1991, 1116 f. und [X.], Beschluss vom 11. November 1998 - 8 [X.] - [X.] 428 § 1 VermG Nr. 164 S. 510 f.). An der Rechtskraft nehmen die tragenden Gründe für die Verneinung des Anspruchs teil ([X.], Urteil vom 19. Januar 1984 - 3 [X.] 88.82 - [X.]E 68, 306 <307, 309> und Beschlüsse vom 6. Mai 1993 - 4 N 2.92 - [X.]E 92, 266 <270> und vom 11. November 1998 - 8 [X.] - [X.] 428 § 1 VermG Nr. 164 S. 510 f.).

Die Argumentation der Klägerin, sie habe auf eigene Kosten und Risiko ein - aussichtsreiches - Gerichtsverfahren auf Verpflichtung der Beklagten auf Neubescheidung ihrer Bewerbung in Gang gesetzt und könne nicht im Falle des rechtmäßigen Abbruchs im [X.] an die Beanstandung der ersten Auswahlentscheidung durch ein Gericht zur "Aufgabe" dieses Verfahrens gezwungen sein, überzeugt nicht. Denn eine Bewerberin kann im [X.] an den Abbruch des Auswahlverfahrens das gerichtliche Hauptsacheverfahren, das sie mit dem Ziel der Verpflichtung des Dienstherrn zur erneuten Entscheidung über ihre Bewerbung eingeleitet hat, in der Hauptsache für erledigt erklären. Bei der dann nachfolgenden Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO kann der behördliche Fehler, der letztendlich zu dem Abbruch geführt hat, berücksichtigt werden.

aa) Verletzt der Dienstherr bei der Auswahlentscheidung den Bewerbungsverfahrensanspruch eines Bewerbers, so ist diesem aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Recht des Bewerbers in vollem Umfang Genüge getan, wenn dem Dienstherrn die Vergabe des Amtes auf der Basis der bisherigen - rechtswidrigen - Auswahlentscheidung durch eine vom erfolglosen Bewerber veranlasste einstweilige Anordnung vorläufig untersagt wird. Denn damit steht dieses [X.]. Art. 33 Abs. 2 GG weiterhin für eine erneute - dann fehlerfreie - Auswahlentscheidung des Dienstherrn zur Verfügung. Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistet dem Bewerber lediglich eine an den dort genannten Kriterien ausgerichtete Auswahlentscheidung.

Art. 33 Abs. 2 GG begründet für einen Bewerber grundsätzlich nicht den Anspruch auf Vergabe des öffentlichen Amtes (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - [X.]E 39, 334 <354>, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - [X.]E 108, 282 <295>, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - [X.]E 139, 19 Rn. 75). Selbst die Stellung desjenigen Bewerbers, der im Auswahlverfahren obsiegt, ist relativ schwach. Er hat nicht einmal eine Anwartschaft inne, weil er das Erstarken seiner Rechtsposition zum Vollrecht nicht selbst bewirken kann. Der Dienstherr kann das Verfahren auch noch nach der Auswahlentscheidung rechtmäßig abbrechen, z.B. wenn die Haushaltsmittel entfallen oder er aus anderen Gründen zu der Ansicht gelangt, dass das Amt doch nicht vergeben werden soll. Ausgehend davon, dass Art. 33 Abs. 2 GG primär dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dient, kann der Dienstherr seine Auswahlentscheidung auch revidieren, wenn nachträglich ein wesentlich besser geeigneter Interessent auftritt, der dem zunächst ausgewählten Bewerber nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 2 GG vorgeht. Ein Auswahlvermerk begründet insoweit ebenso wenig eine zeitliche Zäsur wie die Bewerbungsfrist die Berücksichtigung einer nach Ablauf der Frist eingegangenen Bewerbung ausschließt. Auch wenn der ausgewählte Bewerber nach der Auswahlentscheidung ein Dienstvergehen begeht, kann der Dienstherr von der ins Auge gefassten Beförderung absehen. Der Vollzug der Auswahlentscheidung kann auch dann unterbleiben, wenn der Bewerber nachträglich die gesundheitliche Eignung verliert.

Der Gewährleistungsgehalt von Art. 33 Abs. 2 GG ist auf das vom Dienstherrn bei der Vergabe des Amtes einzuhaltende Verfahren bezogen. Hat sich der Dienstherr zur Besetzung eines Amtes entschlossen, vermittelt Art. 33 Abs. 2 GG dem Bewerber grundsätzlich lediglich ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Der Bewerber kann verlangen, dass sich die Auswahlentscheidung allein an den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung orientiert ([X.], Beschlüsse vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - [X.]E 139, 19 Rn. 59, 76 und vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - [X.]E 141, 56 Rn. 31; [X.], Urteil vom 17. August 2005 - 2 [X.] 37.04 - [X.]E 124, 99 <102>). Wird dieses subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus regelmäßig nicht ein Anspruch auf Einstellung oder Beförderung, sondern nur das Recht auf eine erneute, dann fehlerfreie Auswahlentscheidung des Dienstherrn. Ausgehend vom Grundsatz der "Ämterstabilität" muss der unterlegene Bewerber das weitere Verfahren mit dem Ziel anhalten, die Übergabe der Ernennungsurkunde an den ausgewählten Bewerber zu verhindern. Der unterlegene Bewerber kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint ([X.], [X.] vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 - NVwZ 2003, S. 200 <201> und vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/04 - [X.] 2008, 164 Rn. 11). Mit der vorläufigen Untersagung der Vergabe des Amtes ist gewährleistet, dass das betreffende Amt weiterhin für eine den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechende Auswahlentscheidung zur Verfügung steht. Damit ist dem Gewährleistungsgehalt des Art. 33 Abs. 2 GG Genüge getan.

Der [X.] stellt klar, dass ausgehend von dieser Funktion des Art. 33 Abs. 2 GG der Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs ebenso für die Fallgestaltung gilt, bei der im [X.] an die vorläufige Untersagung der Vergabe des Amtes durch das Gericht wegen eines Fehlers der bisherigen Auswahlentscheidung das Verfahren mit einer erneuten Auswahlentscheidung fortgesetzt wird, in der aber wiederum nicht derjenige Bewerber obsiegt, der die erste - fehlerhafte - Auswahlentscheidung des Dienstherrn erfolgreich gerichtlich angegriffen hatte. Dem Bewerbungsverfahrensanspruch dieses Bewerbers ist dadurch Rechnung getragen worden, dass das Amt, das nach der Vorstellung des Dienstherrn in diesem Verfahren weiterhin vergeben werden soll, infolge der einstweiligen Anordnung nicht besetzt wurde, sondern für die erneute Auswahl zur Verfügung steht.

bb) Durch den rechtmäßigen Abbruch des Auswahlverfahrens ist die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt worden. Ist, wie hier, der Abbruch des Verfahrens sachlich geboten, ist im Hinblick auf diesen Abbruch ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen ([X.], Urteile vom 31. März 2011 - 2 A 2.09 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 48 LS und Rn. 16 und vom 29. November 2012 - 2 [X.] 6.11 - [X.]E 145, 185 Rn. 15). Denn der Dienstherr kann ein eingeleitetes Stellenbesetzungsverfahren aus einem sachlichen Grund jederzeit rechtmäßig beenden und von der ursprünglich geplanten Ernennung oder Beförderung absehen.

Nach dem Erlass der einstweiligen Anordnung durch den Beschluss des [X.] Berlin vom 18. Juli 2014 bestand der auf die konkrete Ausschreibung der Beklagten vom Juli 2011 bezogene Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin zunächst fort. Denn die Beklagte hat dieses Auswahlverfahren zumindest bis zum Erörterungstermin beim Verwaltungsgericht vom 12. Januar 2015 weitergeführt, in dem der [X.] auf die Risiken hinwies, die mit der von der Beklagten geplanten Fortsetzung des Verfahrens verbunden waren. In diesem fortgesetzten Verfahren ist der Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin nicht verletzt worden. Denn der Abbruch des Auswahlverfahrens durch den Beschluss des Präsidiums der Beklagten vom 3. August 2015 ist rechtmäßig (1.). Ein rechtmäßiger Abbruch eines Auswahlverfahrens lässt den Bewerbungsverfahrensanspruch mit der Folge untergehen, dass ein Ersatzanspruch ausgeschlossen ist (2.).

(1) (a) Die Fortsetzung eines vom Dienstherrn abgebrochenen Auswahlverfahrens kann ein Bewerber allein im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens, erreichen; ein entsprechendes Hauptsacheverfahren ist ausgeschlossen ([X.], Urteil vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - [X.]E 151, 14). Die Klägerin hat zwar einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, das Verwaltungsgericht und das Berufungsgericht haben diesen jedoch abgelehnt. Da damit die Rechtsschutzmöglichkeiten mit dem Ziel der Fortsetzung des Auswahlverfahrens mangels eines statthaften Hauptsacheverfahrens ausgeschöpft sind, ist rechtskräftig festgestellt, dass der Abbruch rechtmäßig ist.

(b) Ungeachtet der Annahme der Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens infolge der Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung des Berufungsgerichts (Beschluss vom 26. Juli 2016 - 4 S 48.15 -) beruht der Abbruch im Streitfall auf einem sachlichen, den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügenden Grund und ist damit rechtmäßig ([X.], [X.] vom 28. Februar 2007 - 2 BvR 2494/06 - [X.]K 10, 355 <358>).

Der Dienstherr kann ein von ihm eingeleitetes Bewerbungsverfahren aus einem sachlichen Grund beenden ([X.], Urteile vom 25. April 1996 - 2 [X.] 21.95 - [X.]E 101, 112 <114 f.> und vom 31. März 2011 - 2 A 2.09 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 48 Rn. 16). Soll das Amt unverändert bestehen bleiben und auch vergeben werden, betrifft der Abbruch nicht lediglich die der Organisationsgewalt des Dienstherrn vorbehaltene Entscheidung darüber, ob und welche Ämter er schaffen will. In diesen Fällen muss der vom Dienstherrn für den Abbruch vorgebrachte Grund den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügen ([X.], [X.] vom 28. Februar 2007 - 2 BvR 2494/06 - [X.]K 10, 355 <358>; [X.], Urteile vom 29. November 2012 - 2 [X.] 6.11 - [X.]E 145, 185 Rn. 17 und vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - [X.]E 151, 14 Rn. 19 sowie Beschluss vom 29. Juli 2020 - 2 VR 3.20 - juris Rn. 13). Ein solcher sachlicher Grund ist insbesondere gegeben, wenn das bisherige Auswahlverfahren fehlerhaft war und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann ([X.], Urteile vom 31. März 2011 - 2 A 2.09 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 48 Rn. 20, vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - [X.]E 141, 361 Rn. 27, vom 29. November 2012 - 2 [X.] 6.11 - [X.]E 145, 185 Rn. 17 und vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - [X.]E 151, 14 Rn. 19).

Gemessen hieran beruht der Abbruch des Auswahlverfahrens auf einem den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügenden und damit sachlichen Grund. Denn das Präsidium der Beklagten konnte sich bei seiner Entscheidung vom 3. August 2015, das im Juli 2011 begonnene Auswahlverfahren abzubrechen, an dem Hinweis des [X.] im Erörterungstermin der Hauptsache orientieren. Danach konnten die Fehler der Beklagten im bisherigen Auswahlverfahren nicht mehr durch die Fortsetzung dieses Auswahlverfahrens und eine erneute Entscheidung über die Bewerbung der Klägerin beseitigt werden (vgl. Vorlage zur Beschlussfassung des Präsidiums der Beklagten vom 30. Juli 2015, "nicht heilbare Verfahrensfehler").

(2) Der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Anspruch auf Berücksichtigung bei der Bewerberauswahl nach Maßgabe der dort genannten Kriterien ist auf dieses Auswahlverfahren bezogen. Dieser Bewerbungsverfahrensanspruch erlischt damit nicht nur durch die "rechtsbeständige" Ernennung eines Bewerbers, sondern auch dadurch, dass das Stellenbesetzungsverfahren ohne Ergebnis, d.h. ohne Ernennung eines Bewerbers aus sachlichem Grund und damit rechtmäßig abgebrochen wird ([X.], Urteile vom 29. November 2012 - 2 [X.] 6.11 - [X.]E 145, 185 Rn. 11 und vom 3. Dezember 2014 - 2 A 3.13 - [X.]E 151, 14 Rn. 17).

c) Die vorstehenden Erwägungen zum fehlenden Feststellungsinteresse der Klägerin gelten entsprechend für den von ihr hilfsweise gestellten Antrag festzustellen, dass die Ablehnung ihrer Bewerbung mit Schreiben vom 5. April 2013 rechtswidrig war. Auch die hilfsweise beantragte Feststellung soll der Durchsetzung des vor dem [X.] geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs dienen. Der von der Klägerin geltend gemachte Ersatzanspruch ist aber - aus den vorstehenden Gründen - offensichtlich ausgeschlossen, so dass der Amtshaftungsprozess damit offensichtlich aussichtslos ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

2 C 12/20

10.12.2020

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 7. November 2019, Az: OVG 4 B 19.18, Urteil

Art 33 Abs 2 GG, § 121 VwGO, § 88 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.12.2020, Az. 2 C 12/20 (REWIS RS 2020, 4358)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4358

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 L 1733/23

Zitiert

2 BvR 1436/02

2 BvR 1958/13

Zitieren mit Quelle:
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