Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.03.2024, Az. VIII B 4/23

8. Senat | REWIS RS 2024, 1426

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Ablehnung einer Terminsaufhebung im Anschluss an eine Mandatsniederlegung


Leitsatz

NV: Im Anschluss an die Mandatsniederlegung einer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vor der mündlichen Verhandlung kann ein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung trotz dauerhafter Erkrankung des sich danach selbst vertretenden Klägers fehlen, wenn der Kläger die Mandatsniederlegung als Geschäftsführer der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH selbst verursacht hat.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des [X.] vom 24.10.2022 - 1 K 77/22 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

Gründe

1

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet und daher insgesamt als unbegründet zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der [X.]sordnung --[X.]O--). Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 [X.]O werden entweder nicht ordnungsgemäß dargelegt oder liegen nicht vor.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O zuzulassen.

3

a) Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung vom 09.03.2023 insoweit die Revisionszulassung begehrt, fehlt es an der Darlegung einer abstrakt klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage.

4

Der Kläger meint, es sei klärungsbedürftig, ob die Anordnung der Außenprüfung sich dadurch erledigt habe, weil der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) nach deren Erlass für mehr als sechs Monate nicht mit der Außenprüfung begonnen habe und diese gemäß § 171 Abs. 4 Satz 2 der Abgabenordnung ([X.]) unterbrochen gewesen sei. Die aufgeworfene Frage ist jedoch einzelfallabhängig und damit nicht abstrakt klärungsbedürftig; im Übrigen hat die Außenprüfung noch nicht begonnen, was einer Unterbrechung entgegensteht.

5

Die weiter aufgeworfene Frage, ob die Prüfungshäufigkeit kleinerer und mittlerer Betriebe im Sinne des § 4 Abs. 3 der Betriebsprüfungsordnung und die mehrfache Prüfung bestimmter Betriebe durch [X.]prüfungen sowie die Nichtprüfung anderer Betriebe die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt, wird ebenfalls nicht ordnungsgemäß nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O dargelegt. Der Kläger setzt sich nicht mit der zu dieser Frage bereits vorliegenden Rechtsprechung auseinander und legt auch keine neuen Gesichtspunkte dar, die zu einer erneuten höchstrichterlichen Prüfung dieser Frage Anlass geben könnten (s. im Einzelnen Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 13.12.2018 - VIII B 114/18, [X.], 385, Rz 7 ff.; vom 15.10.2021 - VIII B 130/20, [X.], 97, Rz 3 ff.; vom 07.06.2022 - VIII B 105/21, [X.], 929, Rz 3 ff., jeweils auch zu den Darlegungsanforderungen des [X.] der grundsätzlichen Bedeutung).

6

b) Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung im Stile einer Revisionsbegründung ausführt, die Vorentscheidung sei aus diversen Gesichtspunkten heraus rechtsfehlerhaft, wirft er keine abstrakten Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, sondern rügt die Rechtsanwendung des [X.]s ([X.]) im Streitfall als Einzelfall.

7

2. Aus den unter 1. dargelegten Gründen ist die Revision auch nicht zur Rechtsfortbildung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O zuzulassen, da es sich insoweit um einen besonderen Fall des [X.] der grundsätzlichen Bedeutung handelt, der ebenfalls voraussetzt, dass der Kläger eine klärungsbedürftige und im konkreten Streitfall klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft (vgl. [X.] vom 13.12.2018 - VIII B 114/18, [X.], 385, Rz 3). Daran fehlt es hier.

8

3. Die geltend gemachte Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O wird nicht ordnungsgemäß dargelegt. Der Kläger nimmt zur Begründung des [X.] insoweit auf sein Vorbringen zur Darlegung des [X.] der grundsätzlichen Bedeutung Bezug. Dieses erschöpft sich wie schon ausgeführt darin, die fehlerhafte Rechtsanwendung des [X.] im Streitfall und die vom Kläger gesehene Verfassungswidrigkeit der Regelungen zum Erlass einer Prüfungsanordnung gemäß § 193 Abs. 1 i.V.m. § 5 [X.] ohne Auseinandersetzung mit der insoweit schon vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu behaupten. Dem klägerischen Vorbringen ist nicht --wie es für eine Divergenz erforderlich wäre-- zu entnehmen, mit welchem die Vorentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz das [X.] von einem ebensolchen Rechtssatz in einer Divergenzentscheidung abgewichen sein soll; der Kläger bezeichnet schon keine konkreten vermeintlichen Divergenzentscheidungen (zu den Voraussetzungen der Divergenz s. z.B. [X.] vom 24.10.2023 - VIII B 70/22, [X.], 34, Rz 14).

9

4. Auch kommt die Zulassung der Revision wegen eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O nicht in Betracht. Zwar führt der Kläger unter Gliederungspunkt [X.] der Beschwerdebegründung vom 09.03.2023 an, die Prüfungsanordnung beruhe aus seiner Sicht auf sachfremden und [X.] des [X.], was das [X.] verkannt habe. Er setzt sich aber nicht mit der Begründung des [X.], das dies verneint hat, auseinander. Somit verdeutlicht er nicht, dass die vom [X.] in der Vorentscheidung gegebene Begründung willkürlich oder greifbar gesetzeswidrig sein könnte (vgl. zu den Voraussetzungen des [X.] eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers [X.] vom 24.10.2023 - VIII B 70/22, [X.], 34, Rz 9).

5. Der vom Kläger in der Beschwerdebegründung vom 09.03.2023 unter [X.] gerügte Verstoß gegen die ordnungsgemäße Besetzung des [X.] (§ 119 Nr. 1 [X.]O) greift nicht durch.

a) [X.] ist unsubstantiiert, soweit der Kläger eine nicht ordnungsgemäße Besetzung des 4. [X.]s des [X.] behauptet. Der Streitfall wurde aber vom 1. [X.] des [X.] entschieden.

b) Der [X.] versteht die weiteren Ausführungen als Rüge eines Verstoßes gegen die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts (§ 119 Nr. 1 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O). Der Kläger macht geltend, dass [X.] am [X.], der als Vorsitzender in der mündlichen Verhandlung mitgewirkt hat, entgegen § 45 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]O trotz der Ablehnung durch den Kläger zu Unrecht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und den [X.] habe. Ein Verfahrensmangel ist insoweit aber nicht erkennbar.

aa) Das [X.] hat ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters am [X.] über den am Morgen des Tags der mündlichen Verhandlung gestellten Ablehnungsantrag entschieden, diesen durch unanfechtbaren Beschluss abgelehnt, der den erschienenen Vertreterinnen des [X.] in der mündlichen Verhandlung bekannt gegeben wurde. Erst danach hat [X.] am [X.] als Vorsitzender an der Sitzung teilgenommen.

bb) Der die Ablehnung des [X.] zurückweisende Beschluss des [X.] vom 24.10.2022 führt nicht zu einer Revisionszulassung wegen eines [X.]. Dies käme nur dann in Betracht, wenn die Zurückweisung des [X.] willkürlich wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 17.08.2023 - V B 3/22, [X.]NV 2023, 1224, Rz 14). Der Kläger legt jedoch nicht dar, aus welchen Gründen dies der Fall sein könnte. Er wiederholt seine Vorwürfe aus dem Ablehnungsgesuch, setzt sich jedoch in seiner Beschwerdebegründung mit der Begründung des [X.] im Beschluss über das Ablehnungsgesuch nicht näher auseinander.

6. Die Revision ist nicht wegen der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O als Verfahrensfehler gerügten Verstöße des [X.] gegen den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs zuzulassen oder die Vorentscheidung aus diesem Grund gemäß § 116 Abs. 6 [X.]O aufzuheben und der Streitfall zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

a) Das [X.] hat den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 [X.]O und Art. 103 Abs. 1 GG) nicht dadurch verletzt, dass es den Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.10.2022 ohne den Kläger durchgeführt und im [X.] daran über den Streitfall durch Verkündung des Urteils verfahrensabschließend entschieden hat.

aa) Der Kläger hatte mehrfach vor dem vom [X.] frühzeitig festgesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung (24.10.2022) dessen Verlegung aufgrund einer dauerhaften Erkrankung, die zu seiner fehlenden Reisefähigkeit und teilweisen Arbeitsunfähigkeit führe, beantragt. Das [X.] hat die Aufhebung des Termins jeweils abgelehnt. Am 06.10.2022 beantragte der Kläger erneut die Terminsaufhebung und legte dar, er werde am 20.10.2022 operiert und danach stationär behandelt. Das [X.] teilte dem Kläger in einem Schreiben vom 17.10.2022 mit, er habe seine krankheitsbedingte mangelnde Reisefähigkeit bereits durch die während des Verfahrens eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung glaubhaft gemacht, werde aber durch eine [X.] vertreten, deren Geschäftsführer er sei. Der Termin sei von dem neben dem Kläger bestellten weiteren Geschäftsführer wahrzunehmen, es sei denn, dass auch dessen Verhinderung am Tag der mündlichen Verhandlung nachgewiesen werde. Der als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätige Kläger zeigte dem [X.] daraufhin gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO die Mandatsniederlegung der [X.] an und erklärte, er vertrete sich nunmehr selbst. Am 18.10.2022 reichte der Kläger beim [X.] Unterlagen ein, aus denen der OP-Termin am 20.10.2022 und die Kostenübernahme der Krankenversicherung für den anschließenden stationären Aufenthalt hervorgingen. Das [X.] antwortete dem Kläger mit Schreiben vom 19.10.2022, es werde den Termin nicht aufheben. Über das besondere elektronische Anwaltspostfach des [X.] wurden dem [X.] am 24.10.2022 um 07:43 Uhr Unterlagen übermittelt, unter denen sich eine ärztliche Bescheinigung vom 21.10.2022 befand, nach der der Kläger für mindestens drei Wochen nicht reisetauglich sei. Nach der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung erschien für den Kläger niemand. Das [X.] lehnte den am Tag der mündlichen Verhandlung durch die [X.] gestellten weiteren Terminverlegungsantrag ab, da eine Verhinderung des weiteren Geschäftsführers nicht glaubhaft gemacht worden sei. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und Wiederaufruf der Sache wies es die Klage durch Verkündung des Tenors ab. Im angefochtenen Urteil stützte das [X.] die Ablehnung des [X.] darauf, dass die Verhinderung eines Prozessvertreters nicht als erheblicher Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO anzusehen sei, wenn die Prozessvollmacht einer Sozietät erteilt worden sei und der betreffende Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden könne. Dies gelte auch, wenn es sich bei dem Prozessbevollmächtigten um eine [X.] mit mehreren Geschäftsführern handele. Eine anderweitige Vertretungsmöglichkeit sei im Streitfall gegeben, da keine Gründe vorgetragen worden seien, dass die Vertretung durch einen anderen Sachbearbeiter unzumutbar sei. Die Verhinderung des [X.] am Sitzungstag sei zwar behauptet, aber nicht glaubhaft gemacht worden. Die behauptete Mandatsniederlegung durch die [X.] sei zur Unzeit erfolgt und damit unbeachtlich. Die Niederlegung des Mandats im Streitfall sei auch rechtsmissbräuchlich, da sie offenbar dazu gedient habe, das Gericht zur Terminsaufhebung zu bewegen und der Kläger trotz der Mandatsniederlegung weiter die Infrastruktur der [X.] im Verfahren zur Übermittlung von Schriftsätzen genutzt habe.

bb) Einem Verfahrensbeteiligten wird das rechtliche Gehör zu Unrecht versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl der Beteiligte einen Antrag auf Terminverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend und glaubhaft gemacht hat (§ 155 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO). Zu diesen erheblichen Gründen gehört grundsätzlich auch die krankheitsbedingte Verhinderung eines sich selbst vertretenden [X.] ([X.] vom 04.11.2019 - X B 70/19, [X.]NV 2020, 226, Rz 9; vom 15.02.2013 - IX B 178/12, [X.]NV 2013, 762, Rz 2 bis 4; vom 21.04.2023 - VIII B 144/22, [X.]NV 2023, 859, Rz 4). Trotz der nachgewiesenen krankheitsbedingten Verhinderung des sich selbst vertretenden [X.] am Tag der mündlichen Verhandlung hat das [X.] im Streitfall eine Terminsaufhebung mangels eines erheblichen Grunds im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

aaa) Welche Gründe als erheblich im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse des betroffenen Beteiligten und gegebenenfalls seines Prozessbevollmächtigten sind bei der Prüfung ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das [X.] die einzige Tatsacheninstanz ist und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Sache in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen. Die in § 227 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessensfreiheit kann sich zu einer Rechtspflicht verdichten, das heißt der Termin muss zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Verlegung verzögert wird ([X.] vom 16.06.2020 - VIII B 151/19, [X.], 534, [X.], 715, Rz 9, m.w.N.).

bbb) Eine Terminsaufhebung kann geboten sein, wenn der bisherige Prozessbevollmächtigte kurz vor der mündlichen Verhandlung in einer Sache, die in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach ist, sein Mandat niederlegt, ohne dass den Kläger daran ein Verschulden trifft und der Kläger dies glaubhaft macht (vgl. [X.] vom 16.06.2020 - VIII B 151/19, [X.], 534, [X.], 715, Rz 11, 13). Dies gilt entsprechend, wenn der Kläger sich nach einer unverschuldeten Mandatsniederlegung seines Prozessbevollmächtigten selbst vertritt und am Tag der mündlichen Verhandlung krankheitsbedingt verhandlungs- oder reiseunfähig ist.

ccc) Andernfalls ist im Fall einer dauerhaften Erkrankung eines Beteiligten, der einen Bevollmächtigten bestellt hat und damit fachkundig vertreten ist, ein Termin nur in Ausnahmefällen aufzuheben (vgl. [X.] vom 31.10.2023 - VIII B 110/22, [X.], 22, Rz 10, m.w.N.). Das [X.] hat bei einer dauerhaften Erkrankung eines vertretenen Beteiligten zwar zu prüfen, ob eine Vertagung zweckmäßig sein kann, beispielsweise weil eine Stabilisierung des Gesundheitszustands in einem vertretbaren Zeitrahmen vorstellbar ist; allerdings verlangt ein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung in einem solchen Fall, dass weder der Kläger persönlich (aus gesundheitlichen Gründen) noch der bestellte Prozessbevollmächtigte (wegen fehlender Möglichkeit zur fachlichen Kommunikation mit diesem) in der Lage ist, in der mündlichen Verhandlung fundiert zur Sache vorzutragen ([X.] vom 31.10.2023 - VIII B 110/22, [X.], 22, Rz 11).

ddd) Nach diesen Maßstäben ist die Ablehnung der Terminsaufhebung durch das [X.] im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Streitfall betrifft die Frage, ob eine Prüfungsanordnung für das freiberufliche Einzelunternehmen des [X.] mit mehreren Standorten nichtig oder rechtswidrig ist, weil diese von einem unzuständigen Finanzamt erlassen wurde. Der Kläger ist während des gesamten Verfahrens durch die [X.] vertreten worden, er war jedoch als deren Geschäftsführer auch der maßgebliche Sachbearbeiter des Verfahrens, jedenfalls wurden die verfahrensgegenständlichen Schriftsätze in Gestalt einer Paraphe des [X.] unterzeichnet. Insoweit ist das Interesse des [X.] anzuerkennen, den Streitfall vor dem [X.] als fachkundiger Beteiligter selbst zu vertreten und selbst in der mündlichen Verhandlung zur Sache vorzutragen. Andernfalls weist der Rechtsstreit keinen hohen Schwierigkeitsgrad auf und die dauerhafte Erkrankung und fehlende Reisefähigkeit des [X.] standen seit längerem fest. Die Vertretung des Streitfalls durch den weiteren Geschäftsführer der [X.] war zumutbar und auch deshalb möglich, weil zu den streitigen Fragen während des Klageverfahrens schon umfassend vom Kläger vorgetragen worden war. Ein Ausnahmefall, in dem nach dem oben dargelegten Maßstab bei einer dauerhaften Erkrankung trotz der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten eine Terminverlegung geboten ist, ist nicht gegeben. Angesichts dessen ist die Würdigung des [X.] nicht zu beanstanden, dass die vom Kläger selbst und bewusst herbeigeführte Mandatsniederlegung der [X.] trotz der Erkrankung einen erheblichen Grund für die Terminsaufhebung ausschließt. Denn die Mandatsniederlegung ist dem Kläger anzulasten (vgl. z.B. [X.] vom 31.01.2012 - IV B 22/11, [X.]NV 2012, 766, Rz 1; vom 04.06.2014 - VII B 8/14, [X.]NV 2014, 1755, Rz 6, 7). Der Kläger, dem der Termin zur mündlichen Verhandlung frühzeitig bekannt war, hätte angesichts seiner dauerhaften krankheitsbedingten Verhinderung dafür Sorge tragen können und müssen, den weiteren Geschäftsführer der [X.] in den Streitstand einzuführen, damit dieser die Vertretung in der mündlichen Verhandlung sachkundig wahrnehmen kann und deren Mandat nicht niederlegen dürfen (vgl. zur Vorsorgepflicht bei dauerhafter Erkrankung [X.] vom 04.03.2014 - VII B 189/13, [X.]NV 2014, 1057, Rz 7).

Auf die weitere Begründung des [X.], dass der Kläger sich auch rechtsmissbräuchlich verhalten habe, kommt es nicht an. Der [X.] lässt angesichts des Umstands, dass im Streitfall zwar wiederholt die Terminsaufhebung beantragt wurde, es jedoch um die erste vom [X.] terminierte mündliche Verhandlung ging, offen, ob er sich dieser Beurteilung anschließen könnte.

Eine Verhinderung des weiteren Geschäftsführers der [X.], der gemäß § 87 Abs. 2 ZPO weiter Prozesshandlungen für den Kläger in der mündlichen Verhandlung hätte ausführen können, hat der Kläger zwar im Antrag vom 24.10.2022 behauptet. Sie wurde aber nicht glaubhaft gemacht und daher vom [X.] abgelehnt. Mit der Begründung des ablehnenden Beschlusses, die in der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wiedergegeben worden ist, setzt der Kläger sich vorliegend nicht auseinander.

eee) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das [X.] zwar einen erheblichen Grund für eine Terminverlegung wegen der vom Kläger selbst verursachten Mandatsniederlegung verneint und den Kläger gleichwohl als Prozessbevollmächtigten behandelt hat. Die Annahme einer verschuldeten Mandatsniederlegung, die einen erheblichen Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO ausschließt (vgl. unter 6.a [X.]), führt nicht dazu, die Mandatsniederlegung als prozessual unwirksam ansehen zu müssen. Insoweit liegt der in der Beschwerdebegründung vom 09.03.2023 unter I.1.3 gerügte Verfahrensmangel nicht vor.

b) Das [X.] hat den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch nicht dadurch verletzt, dass es dem Kläger nicht gestattet hat, sich gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 [X.]O am Tag der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und von dort im Wege einer Videokonferenz Verfahrenshandlungen vorzunehmen.

aa) Gemäß § 91a Abs. 3 Satz 2 [X.]O ist der ablehnende Beschluss des [X.] vom 17.10.2022 unanfechtbar und damit gemäß § 124 Abs. 2 [X.]O der Überprüfung im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich entzogen. Eine Gehörsverletzung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O kann aufgrund der Ablehnung jedoch vorliegen, wenn das Erscheinen am Gericht für den Kläger unzumutbar ist, die technischen Voraussetzungen für eine Videokonferenz vorliegen und auch sonst keine wesentlichen Belange gegen die Durchführung der Videokonferenz sprechen ([X.] vom 12.02.2019 - VIII B 53/18, [X.], 568, Rz 16). Es sprechen wesentliche Belange gegen die Durchführung einer Videokonferenz, wenn die von § 91a Abs. 1 [X.]O geforderten technischen Voraussetzungen beim Gericht nicht gegeben sind, um die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an einen anderen Ort und in das Sitzungszimmer zu übertragen und einem Beteiligten im Rahmen der Übertragung die Vornahme von Verfahrenshandlungen zu ermöglichen. Ein Anspruch auf Schaffung der technischen Voraussetzungen ergibt sich aus § 91a [X.]O nicht ([X.] vom 12.05.2021 - IV R 31/18, [X.]NV 2021, 1079, Rz 6).

bb) Danach hat die [X.] des [X.] keinen Erfolg. Das [X.] hat seinen Ablehnungsbeschluss darauf gestützt, dass die von § 91a Abs. 1 [X.]O geforderten technischen Voraussetzungen beim [X.] nicht gegeben seien. Der Kläger ist zwar der Auffassung, dass für das [X.] gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG eine Verpflichtung bestand, eine Videokonferenzanlage vorzuhalten. Er setzt sich jedoch nicht mit der vom [X.] im ablehnenden Beschluss zitierten [X.]-Rechtsprechung auseinander, die eine solche Beschaffungspflicht verneint, wenn die entsprechende technische Ausstattung beim [X.] noch nicht vorhanden ist. Er legt insbesondere nicht dar, warum die sich auf die Gesetzesbegründung stützende Auslegung des [X.] zu § 91a [X.]O verfassungswidrig sein könnte.

c) Soweit der Kläger als Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend macht, das [X.] habe seinen Vortrag zur Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung und zur Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen in § 5 und § 193 Abs. 1 [X.] nicht zur Kenntnis genommen und nicht beschieden, liegt der Verfahrensmangel nicht vor.

aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 [X.]O verpflichtet das Gericht unter anderem, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit [X.] des Vorbringens auseinanderzusetzen. Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. Beschluss des [X.] vom 11.06.2008 - 2 BvR 2062/07, [X.], 1056). Das Gericht ist nach Art. 103 Abs. 1 GG auch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen des Beteiligten in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen ([X.] vom 27.05.1970 - 2 BvR 578/69, [X.] 28, 378; vom 10.06.1975 - 2 BvR 1086/74, [X.] 40, 101; vom 05.10.1976 - 2 BvR 558/75, [X.] 42, 364 und vom 15.04.1980 - 2 BvR 827/79, [X.] 54, 86). Dies bedeutet, dass im Einzelfall eine Begründung ganz entfallen oder sich das Gericht lediglich mit den seiner Ansicht nach wesentlichen Gesichtspunkten der Begründungsschrift auseinandersetzen kann. Vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten tatsächlich auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG-Beschluss vom 15.04.1980 - 1 BvR 1365/78, [X.] 54, 43). Im Einzelfall darf sich das Gericht lediglich mit den seiner Ansicht nach wesentlichen Gesichtspunkten der Begründungsschrift auseinandersetzen; allein der Umstand, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich befassen, rechtfertigt deshalb nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vollständig übergangen.

bb) Das [X.] hat das Vorbringen des [X.] zur vermeintlichen Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit der Prüfungsanordnung und zur vermeintlichen Verfassungswidrigkeit der Regelungen in § 5 und § 193 Abs. 1 [X.] wahrgenommen und hierzu auf Seite 12 der Vorentscheidung Stellung genommen. Es hat ausgeführt, die Anordnung einer Außenprüfung für einen freiberuflichen Betrieb sei grundsätzlich ermessensgerecht, es liege keine [X.]prüfung vor und Anhaltspunkte für eine schikanöse Anordnung der Außenprüfung seien nicht ersichtlich. Nach dem vorstehenden Maßstab für eine Gehörsverletzung und dem materiell-rechtlichen Standpunkt des [X.] ist nicht zu beanstanden, dass es sich zu einer etwaigen Verfassungswidrigkeit der genannten Regelungen, die es selbst für fernliegend hielt, in der Vorentscheidung nicht geäußert hat.

7. Soweit der Kläger geltend macht, das [X.] habe seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt, da es wesentliches Vorbringen übergangen und hierdurch die Vorgaben gemäß § 96 Abs. 2 [X.]O verletzt habe, wird der Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargelegt. Der [X.] kann dem Vorbringen des [X.] schon nicht entnehmen, welcher konkrete Vortrag zu welchem aus Sicht des [X.] entscheidungserheblichen Umstand nicht berücksichtigt worden sein soll.

8. Ferner legt der Kläger auch den geltend gemachten Verstoß des [X.] gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) nicht ordnungsgemäß dar. Auch insoweit kann der [X.] dem klägerischen Vorbringen nicht entnehmen, welcher konkrete Beweisantrag vom [X.] übergangen worden sein soll oder welche weitere Beweiserhebung von Amts wegen zu welcher aus Sicht des [X.] entscheidungserheblichen Tatsache sich dem [X.] hätte aufdrängen müssen.

9. [X.] der fehlerhaften Sachverhaltsdarstellung im Tatbestand des [X.]-Urteils hat keinen Erfolg. Einwendungen gegen die Richtigkeit des Tatbestands sind nicht als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) im [X.] zu rügen, sondern müssen gegebenenfalls zum Gegenstand eines Antrags auf [X.] (§ 108 [X.]O) gemacht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 13.12.2023 - VII B 188/22, juris, Rz 22).

10. Das Vorbringen, in den Steuerbescheiden fehle ein Hinweis auf eine Abweichung von der [X.]-Rechtsprechung, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Es weist keinen Bezug zum Streitfall auf, dessen Gegenstand die Rechtmäßigkeit und Nichtigkeit der angefochtenen Prüfungsanordnung sind. Zudem macht der Kläger insoweit Fehler des [X.] geltend. Verfahrensfehler im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O können aber nur solche des [X.] sein.

11. Der [X.] kann über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheiden, ohne das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim [X.] unter dem Aktenzeichen VIII R 18/21 anhängigen Revisionsverfahrens aussetzen zu müssen.

Ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens kann von den Beteiligten zwar grundsätzlich auch im [X.] gestellt werden ([X.] vom 16.10.2018 - V B 30/18, [X.], 132, Rz 21). Insoweit fehlt es aber an übereinstimmenden Anträgen der Beteiligten (zu dieser Voraussetzung [X.] vom 23.08.2016 - V B 32/16, [X.]NV 2016, 1757, Rz 16).

Eine Aussetzung des Verfahrens auf Antrag des [X.] gemäß § 74 [X.]O setzt voraus, dass die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Dies ist für den [X.] nicht ersichtlich. Der Ausgang des Revisionsverfahrens VIII R 18/21 ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht vorgreiflich. In jenem Revisionsverfahren geht es um die Voraussetzungen, unter denen eine Außenprüfung durch ein beauftragtes Finanzamt gemäß § 195 Satz 2 [X.] rechtmäßig ist. Im Streitfall wurde die Durchführung der Außenprüfung nach der Entscheidung des [X.] durch das [X.] als gemäß § 195 Satz 1 [X.] originär zuständiges Finanzamt angeordnet.

12. Der [X.] sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab.

13. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 4/23

13.03.2024

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 24. Oktober 2022, Az: 1 K 77/22, Urteil

§ 87 Abs 1 ZPO, § 87 Abs 2 ZPO, § 227 Abs 1 ZPO, § 96 Abs 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 3 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.03.2024, Az. VIII B 4/23 (REWIS RS 2024, 1426)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1426

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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