Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.03.2012, Az. III B 237/11

3. Senat | REWIS RS 2012, 8312

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Gegenstand

Auf Verfahrensfehler gestützte Nichtzulassungsbeschwerde


Leitsatz

1. NV: Mit der Rüge, ein --verkündetes-- Urteil sei "formal unwirksam", weil keine Ausfertigung zugegangen sei, wird kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt.

2. NV: Der Erledigungsvermerk des Urkundsbeamten ist eine öffentliche Urkunde (§ 418 ZPO). Ergibt sich aus diesem Vermerk, dass in einen --einem Beteiligten zugestellten-- Umschlag u.a. auch eine Urteilsausfertigung eingelegt wurde, reicht ein Bestreiten nicht aus, um die Zustellung einer Ausfertigung in Zweifel zu ziehen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Soweit die Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) überhaupt in einer den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Form geltend gemacht wurden, liegen sie nicht vor.

2

1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend macht, das Urteil sei "formal unwirksam", weil nur ein unbeglaubigtes Exemplar zugegangen sei und nicht die in dem Anschreiben des Finanzgerichts ([X.]) angeführte Ausfertigung und Abschrift, kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht.

3

Gemäß dem Protokoll hat das [X.] sein Urteil in dem Rechtsstreit 11 K 963/09 AO noch am Tag der mündlichen Verhandlung verkündet. Mit der Verkündung am 17. März 2011 ist das Urteil wirksam und damit bindend geworden (§ 155 [X.]O, § 318 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Das von den Berufsrichtern unterschriebene Original des Urteils wurde der Geschäftsstelle rechtzeitig übermittelt (§ 105 Abs. 4 Satz 1 [X.]O). Ausweislich des in der Akte befindlichen Erledigungsvermerks des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wurden in den dem Kläger gemäß [X.] am 8. April 2011 zugestellten Umschlag u.a. eine der drei von dem Urteil gefertigten Ausfertigungen sowie eine Abschrift eingelegt. Da der Erledigungsvermerk eine öffentliche Urkunde i.S. des § 418 ZPO darstellt (vgl. z.B. Beschluss des [X.] vom 15. November 2005  1 [X.], juris), reichte die bloße Behauptung, es sei nur ein unbeglaubigtes Exemplar zugegangen, und die in diesem Zusammenhang übersandten drei --augenscheinlich selbst ausgedruckten-- Seiten des Urteils nicht aus, um die Zustellung einer Ausfertigung in Zweifel zu ziehen. Vor diesem Hintergrund braucht der Senat auch nicht zu entscheiden, ob der geltend gemachte Mangel der Form des zuzustellenden Schriftstücks nach § 189 ZPO geheilt wurde (in diesem Sinn Beschluss des [X.] vom 6. Juli 2007  8 PKH 2/07, [X.], 1294; a.A. z.B. Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 189 Rz 8, 9 u. 13) oder die Zustellung erneut vorgenommen werden müsste.

4

2. Das [X.] hat den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O) nicht dadurch verletzt, dass es den Antrag auf Terminsverlegung ablehnte, die mündliche Verhandlung wie anberaumt durchführte und danach ein Urteil verkündete.

5

a) Die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung kann zwar eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen und damit ein Grund für die Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O sein. Die Aufhebung oder Verlegung eines Termins setzt einen erheblichen Grund voraus (§ 155 [X.]O, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO), der auf Verlangen des Vorsitzenden glaubhaft zu machen ist (§ 227 Abs. 2 ZPO). Liegt ein erheblicher Grund vor, so verdichtet sich das grundsätzlich dem Gericht eingeräumte Ermessen zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 19. November 2001 IX B 42/01, [X.] 2002, 515).

6

b) Im Streitfall ist die Entscheidung des [X.], den Termin nicht aufgrund der behaupteten Teilnahme des [X.] an dem [X.] aufzuheben, nicht zu beanstanden. Insoweit ist das [X.] zunächst davon ausgegangen, dass hierin durchaus ein hinreichender Grund für eine Terminsaufhebung hätte liegen können. Es hat dann indes maßgeblich darauf abgestellt, der Kläger habe den geltend gemachten Hinderungsgrund trotz Aufforderung nicht glaubhaft gemacht, weil der hierzu von ihm übersandte Anmeldebogen in Form einer ausgefüllten und sodann ausgedruckten [X.] nach den Recherchen des [X.] problemlos im [X.] habe ausgefüllt und ohne Absendung, mithin ohne tatsächliche Anmeldung, habe ausgedruckt werden können.

7

Dagegen wendet sich der Kläger auch gar nicht. Entgegen seiner Ansicht musste der Termin aber nicht deshalb verlegt werden, weil der Kläger --wie er geltend macht-- den entsprechenden Antrag bereits am 22. Februar 2011 gestellt und am 3. März 2011 wiederholt hatte. Nach den Akten haben diese Schreiben den Senat nicht erreicht. Auf Vertrauensschutz kann der Kläger sich insoweit nicht berufen. So hat er bereits nicht dargelegt, dass ihm die Glaubhaftmachung seiner Verhinderung allein aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen der --wie er vorträgt dritten-- Übermittlung des [X.] am 15. März 2011 um 22:23 Uhr und dem Verhandlungstermin am 17. März 2011 um 09:00 Uhr nicht gelungen ist. Auch musste er bis zu einer positiven Entscheidung seines Verlegungsantrags davon ausgehen, dass der Termin wie anberaumt stattfinden würde und sich hierauf einstellen. Da der Kläger selbst als Rechtsanwalt tätig war, musste er sich dessen bewusst sein.

8

3. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt auch nicht darin, dass das [X.] aufgrund der mündlichen Verhandlung trotz der schriftsätzlich beantragten Stellungnahmefrist entschieden hat.

9

a) Eine Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör erfordert sowohl, dass der Beschwerdeführer darlegt, was er bei (ausreichender) Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte, als auch, inwieweit dieser Vortrag zu einer für ihn günstigeren Entscheidung des [X.] hätte führen können (vgl. [X.] vom 12. Oktober 2010 [X.]/09, [X.] 2011, 291, m.w.N.).

b) Der Kläger hatte seit Erfassung des Verfahrens, das sich im zweiten Rechtsgang befindet, Ende März 2009 Gelegenheit, ergänzend zu seinen Ausführungen im ersten Rechtsgang vorzutragen. Hiervon hat er bis zur mündlichen Verhandlung am 17. März 2011 keinen Gebrauch gemacht. Auch in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde hat er nicht ausgeführt, was er bei Einräumung der begehrten weiteren Fristverlängerung noch vorgetragen hätte. Insoweit kann er sich --wie ursprünglich gegenüber dem [X.] geltend gemacht-- auch nicht mehr darauf berufen, eine Ergänzung seines Vortrags in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht sei ihm erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens über die von dem [X.] abgelehnte Einsicht in die diesem nicht vorliegenden Akten möglich. So hatte der [X.] die Beschwerde des [X.] mit Beschluss vom 14. Januar 2011 [X.]/10 ([X.] 2011, 630) als unbegründet zurückgewiesen, woraufhin das [X.] die mündliche Verhandlung am 17. März 2011 anberaumte, ohne dass der Kläger die ihm weiter gegebene Möglichkeit zur ergänzenden Stellungnahme genutzt hätte.

Soweit der Kläger geltend macht, auch die Entscheidung über die von ihm erhobene Anhörungsrüge hätte abgewartet werden müssen, hätte er nach seiner eigenen Sichtweise jedenfalls innerhalb der bis zum 8. Juli 2011 verlängerten Frist zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde ausreichend Gelegenheit gehabt, darzulegen, was er gegenüber dem [X.] noch vorgetragen hätte, da der diesbezügliche [X.] vom 3. Mai 2011 am 19. Mai 2011 zur Post gegeben wurde. Da er gleichwohl eine Ergänzung seines Vortrags weiter unterlassen hat, kann der Kläger sich auf eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs durch das [X.] bereits aus diesem Grund nicht berufen.

c) Soweit der Kläger rügt, das [X.] habe die Vereinbarung mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) vom 17. Januar 2007 sowie sein Schreiben vom 16. März 2011 einschließlich des beigefügten Schriftsatzes vom 12. Mai 2010 nicht berücksichtigt, zeigt er nicht in schlüssiger Weise einen Verfahrensfehler auf. Aus dem Vortrag des [X.] ergibt sich nicht, welches konkrete Vorbringen angeblich unberücksichtigt geblieben ist und dass es unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts möglicherweise zu einer abweichenden Entscheidung geführt hätte.

4. Soweit der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das [X.] geltend macht, kommt eine Zulassung der Revision ebenfalls nicht in Betracht.

a) [X.] gemäß § 76 Abs. 1 [X.]O erfordert, dass das [X.] Tatsachen und Beweismitteln nachgeht, die sich ihm in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls hätten aufdrängen müssen. Das [X.] darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen. Da die Sachaufklärungspflicht dazu dient, die Spruchreife der Klage herbeizuführen, hat das Gericht jedoch nur das aufzuklären, was aus seiner Sicht entscheidungserheblich ist (u.a. [X.] vom 23. September 2009 [X.]/08, [X.] 2010, 52, unter 2.a der Gründe, m.w.N.).

b) Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, welche entscheidungserheblichen Tatsachen im Hinblick auf die streitgegenständliche Prüfungsanordnung das [X.] versäumt haben soll aufzuklären. Dies ergibt sich auch weder aus der in diesem Zusammenhang wiederum in Bezug genommenen Vereinbarung vom 17. Januar 2007 noch aus der Wiedergabe der Schriftsätze vom 12. Mai 2010 und 16. März 2011.

aa) Aus der Vereinbarung vom 17. Januar 2007 versucht der Kläger einen Anspruch auf Ruhen des Verfahrens abzuleiten. In dem Schreiben vom 16. März 2011 legt er dar, warum das [X.] aus seiner Sicht (immer noch) verpflichtet sei, entsprechend der im ersten Rechtsgang getroffenen Vereinbarung, seinem [X.] zuzustimmen. Hiermit hat sich das [X.] in den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt und einen diesbezüglichen Anspruch verneint, so dass auch eine Verletzung rechtlichen Gehörs ersichtlich nicht vorliegt.

bb) Bei dem Schreiben vom 12. Mai 2010 handelt es sich um einen von dem Kläger im Rahmen des Beschwerdeverfahrens [X.]/10 gefertigten Schriftsatz betreffend sein vermeintliches Recht auf Beiziehung bestimmter, dem [X.] nicht vorliegender und von diesem nicht als entscheidungserheblich erachteter Akten sowie Einsichtnahme in diese. Insoweit hat der [X.]. Senat des [X.] bereits in seinem Beschluss in [X.] 2011, 630 ausgeführt, dass ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht nicht gegeben ist.

cc) Soweit der Kläger mit seinen diesbezüglichen Ausführungen geltend machen sollte, das [X.] habe den Rechtsstreit materiell-rechtlich falsch entschieden, kann hiermit eine Zulassung der Revision nicht begründet werden.

5. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

Meta

III B 237/11

09.03.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 17. März 2011, Az: 11 K 963/09 AO, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 96 Abs 2 FGO, § 76 Abs 1 FGO, § 418 ZPO, § 189 ZPO, § 227 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.03.2012, Az. III B 237/11 (REWIS RS 2012, 8312)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8312

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VIII B 56/10

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