Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.11.2012, Az. 2 AZR 570/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 1089

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) KIRCHE KÜNDIGUNG

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Restitutionsklage - festgestellter Konventionsverstoß


Leitsatz

Die in § 35 EGZPO (juris: ZPOEG) getroffene Stichtagsregelung knüpft an den rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens vor den nationalen Gerichten und nicht an den Zeitpunkt an, in dem ein endgültiges, eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle feststellendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vorliegt.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2011 - 7 [X.] 1427/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil beendeten Verfahrens. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien vorab über die Zulässigkeit der Restitutionsklage.

2

Der 1957 geborene Kläger war seit 1983 bei der beklagten [X.] Kirchengemeinde als Organist und Chorleiter tätig. [X.] trennte er sich einvernehmlich von seiner damaligen Ehefrau, mit der er zwei gemeinsame Kinder hat. Die Trennung teilte er der Beklagten im Januar 1995 mit.

3

Mit Schreiben vom 15. Juli 1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1998. Zur Begründung gab sie an, der Kläger lebe - obwohl verheiratet - in eheähnlicher Gemeinschaft mit einer anderen Frau, die zudem ein Kind von ihm erwarte. Damit habe er gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen und seine Loyalitätsobliegenheiten ihr - der Beklagten - gegenüber grob verletzt. Das aus der neuen Partnerschaft des [X.] hervorgegangene Kind wurde Ende 1997 geboren. Im August 1998 wurde seine Ehe geschieden.

4

Mit Urteil vom 9. Dezember 1997 gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des [X.] statt, weil diesem vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung habe erteilt werden müssen. Die Berufung der Beklagten wies das [X.] mit der Begründung zurück, es sei nicht erwiesen, dass diese - wie nach Art. 5 Abs. 1 der maßgebenden Grundordnung geboten - vor der Kündigung versucht habe, den Kläger zur Beendigung seines außerehelichen Verhältnisses zu bewegen. Nachdem das zweitinstanzliche Urteil auf die Revision der Beklagten durch das [X.] wegen eines [X.] aufgehoben worden war, wies das [X.] die Klage nach neuer Verhandlung und Entscheidung mit Urteil vom 3. Februar 2000 ab. Zur Begründung führte es aus, nach Vernehmung des Vorsitzenden der Beklagten stehe fest, dass diese das Verfahren nach Art. 5 der Grundordnung eingehalten habe. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wurde am 29. Mai 2000 durch Beschluss des [X.]s als unzulässig verworfen. Am 8. Juli 2002 beschloss das [X.], die Verfassungsbeschwerde des [X.] nicht zur Entscheidung anzunehmen.

5

Bereits am 22. Dezember 1997 hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut ordentlich zum 30. Juni 1998 gekündigt. Gegen diese Kündigung setzt sich der Kläger in einem anderen Verfahren zur Wehr. Der Rechtsstreit wurde nach Abweisung der Klage in erster Instanz durch das [X.] ausgesetzt.

6

Am 11. Januar 2003 erhob der Kläger mit Blick auf die Entscheidungen über die Kündigung vom 15. Juli 1997 beim [X.] gegen die [X.]. Mit Urteil vom 23. September 2010 stellte der Gerichtshof (Kammer der 5. Sektion) einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([X.]) fest (- 1620/03 - [X.] 2010, 560 = [X.] 2011, 279). Die Interessenabwägung der [X.] Arbeitsgerichte stehe nicht in Einklang mit der Konvention; die Gerichte hätten nicht hinreichend dargelegt, warum die Belange des kirchlichen Arbeitgebers das Recht des [X.] auf Achtung seines Privat- und Familienlebens nach Art. 8 [X.] bei weitem übertroffen hätten. Mit Urteil vom 28. Juni 2012 erkannte der Gerichtshof dem Kläger gemäß Art. 41 [X.] eine Entschädigung iHv. 40.000,00 Euro zu.

7

Im Oktober 2010 hat der Kläger beim [X.] die vorliegende Restitutionsklage erhoben. Er hat geltend gemacht, das rechtskräftige Urteil des [X.]s vom 3. Februar 2000 beruhe auf einer festgestellten Konventionsverletzung. Damit liege ein Restitutionsgrund iSd. § 580 Nr. 8 ZPO vor. § 35 EGZPO stehe dem nicht entgegen. Soweit danach der bezeichnete Wiederaufnahmegrund nur auf Verfahren anwendbar sei, die seit dem 31. Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossen worden seien, sei diese Voraussetzung erfüllt. Abzustellen sei insoweit nicht auf den rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens, sondern auf die Entscheidung im Beschwerdeverfahren vor dem [X.]. Das gebiete die [X.] und verfassungskonforme Auslegung der Übergangsvorschrift. Auch der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts verlange eine wirksame Umsetzung der Entscheidung des Gerichtshofs. Im Streitfall sei diese nur durch eine Wiederaufnahme des [X.] zu erreichen. Die Restitutionsklage sei auch nicht mit Blick auf die fünfjährige Ausschlussfrist des § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO unzulässig. Diese Bestimmung sei - falls sie überhaupt auf den Restitutionsgrund der Konventionsverletzung Anwendung finde - so auszulegen, dass die Frist erst mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu laufen beginne.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

das Urteil des [X.]s Düsseldorf vom 3. Februar 2000 - 7 [X.]/98 - aufzuheben und seiner Kündigungsschutzklage mit dem dort gestellten Antrag stattzugeben;

        

hilfsweise,

        

das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des Arbeitsvertrags von 1983 in seiner zuletzt bestehenden Fassung einschließlich des [X.] mit einem Beschäftigungsumfang von 100 vH im Wege der Wiedereinstellung ab dem 23. September 2010 fortzusetzen.

9

Die Beklagte hat - sinngemäß - beantragt, die Klage als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Restitutionsklage sei sowohl mit Blick auf § 35 EGZPO als auch nach § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO aF unzulässig. Beide Regelungen knüpften an die Rechtskraft des Urteils im Ausgangsverfahren an. Ein anderes Normverständnis sei ausgeschlossen.

Das [X.] hat die abgesonderte Verhandlung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Wiederaufnahmebegehrens angeordnet. Sodann hat es die Restitutionsklage durch Endurteil als unzulässig verworfen. Den Hilfsantrag hat es für diesen Fall als nicht gestellt angesehen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der Kläger, die Restitutionsklage für zulässig zu erklären.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das [X.] hat die Restitutionsklage des [X.] zu Recht als unzulässig verworfen. Nach § 35 EGZPO ist der [X.] des § 580 Nr. 8 ZPO auf Verfahren, die vor dem 31. Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossen worden sind, nicht anzuwenden. Um ein solches Verfahren handelt es sich hier. Ob der Kläger - wie das [X.] angenommen hat - außerdem die Ausschlussfrist des § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO versäumt hat und ob seine Restitutionsklage deshalb noch aus einem anderen Grund unzulässig ist, bedarf keiner Entscheidung.

I. [X.]en des Revisionsverfahrens sind ausschließlich der Kläger und die beklagte Kirchengemeinde. Das [X.] hat keine Tatsachen festgestellt, aus denen sich ergäbe, dass sich das [X.], dem der Kläger im Ausgangsverfahren den Streit verkündet hatte, am Restitutionsverfahren beteiligt und hierauf bezogen Prozesshandlungen vorgenommen hat.

II. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Zwischenstreit der [X.]en über die Zulässigkeit der Restitutionsklage. Das [X.] hat hierüber gemäß § 590 Abs. 2 iVm. § 280 Abs. 1 ZPO abgesondert verhandelt und entschieden. Soweit es sich dabei mit dem Hilfsantrag befasst und angenommen hat, über diesen sei im Fall der Unzulässigkeit der Restitutionsklage nicht zu befinden, greift der Kläger das Urteil nicht an. Er will mit der Revision lediglich erreichen, dass die Restitutionsklage für zulässig erklärt wird. In diesem Fall wäre das Verfahren über die angekündigten [X.] vor dem [X.] fortzusetzen.

III. Die Revision ist zulässig. Der Kläger hat das Rechtsmittel, anders als die [X.]eklagte meint, iSd. § 74 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO ordnungsgemäß begründet (zu den Anforderungen an die Revisionsbegründung im Einzelnen vgl. [X.] 16. Dezember 2010 - 2 [X.] - Rn. 16, [X.] 2012, 269; 27. Juli 2010 - 1 [X.] - Rn. 13, [X.] 2010, 1446).

1. In seiner Revisionsbegründung stellt der Kläger den Ausführungen des [X.]s zur Auslegung und Anwendung von § 35 EGZPO und § 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO sein eigenes [X.] entgegen. Er führt aus, beide Vorschriften hätten „im Lichte des [X.] und der dazu ergangenen Entscheidung des [X.]“ nicht „zur formellen Unzulässigkeit seines [X.] führen dürfen“. Die Regelungen seien, soweit sie einer wirksamen Umsetzung der Urteile des [X.]s im innerstaatlichen Recht entgegenstünden, unanwendbar. Im Ergebnis sei deshalb an den Zeitpunkt der [X.]ekanntgabe der Entscheidung über seine Menschenrechtsbeschwerde und nicht an den der letzten inländischen Entscheidung anzuknüpfen.

2. Mit dieser [X.]egründung hat der Kläger eine auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnittene Sachrüge erhoben, die erkennen lässt, in welchen Punkten und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sein soll. Der Angriff erfasst sämtliche das [X.]erufungsurteil tragenden [X.]egründungen (zu dieser Voraussetzung vgl. [X.] 16. Dezember 2010 - 2 [X.] - Rn. 18, [X.] 2012, 269). Soweit der Kläger auf Schriftsätze verweist, die er beim [X.] eingereicht habe, haben diese [X.]ezugnahmen nur ergänzenden Charakter und stehen der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht entgegen.

IV. Die Revision ist unbegründet. Der Wiederaufnahmeantrag ist unzulässig. Der Kläger hat einen [X.] iSv. § 580 ZPO nicht aufgezeigt.

1. Die Zulässigkeit des Wiederaufnahmebegehrens scheitert nicht daran, dass der [X.] dem Kläger im Zusammenhang mit dem [X.]eschwerdeverfahren gemäß Art. 41 [X.] eine „gerechte Entschädigung“ zugesprochen hat. Entschädigung und Restitution in natura schließen einander nicht aus (vgl. [X.] 30. Juni 2009 - 32772/02 - [Verein gegen [X.] Nr. 2] Rn. 85, NJW 2010, 3699; [X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 580 Rn. 31; [X.]raun NJW 2007, 1620).

2. Zur Zulässigkeit der Restitutionsklage gehört die Darlegung eines gesetzlichen [X.]es ([X.] 29. September 2011 - 2 [X.] - Rn. 18, EzA ZPO 2002 § 580 Nr. 2; 20. Juni 1958 - 2 [X.] - zu II 1 c der Gründe, [X.]E 6, 95). Der Restitutionskläger muss, um dieser Anforderung zu genügen, einen Anfechtungsgrund iSv. § 580 ZPO nachvollziehbar behaupten. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Der Kläger beruft sich ausschließlich auf eine durch den [X.] festgestellte Konventionsverletzung, auf der die Entscheidung des [X.]s vom 3. Februar 2000 beruhe. Der damit angesprochene [X.] des § 580 Nr. 8 ZPO wurde durch Art. 10 Nr. 6 des [X.] mit Wirkung vom 31. Dezember 2006 in die Zivilprozessordnung eingefügt. Gemäß § 35 EGZPO ist die Vorschrift „[auf Verfahren], die vor dem 31. Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossen worden sind, […] nicht anzuwenden“. Die Überleitungsvorschrift knüpft an die formelle Rechtskraft des (Ausgangs-)Verfahrens und nicht an den Zeitpunkt an, in dem ein endgültiges, eine Konventionsverletzung feststellendes Urteil des [X.]s vorliegt. Eine andere Auslegung ist [X.] nicht möglich. Mit diesem Inhalt ist § 35 EGZPO weder konventions- noch verfassungswidrig. Auch der Grundsatz der Effektivität des [X.]srechts ist nicht verletzt. Insbesondere steht das in Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 [X.] zum Ausdruck gebrachte Ziel der wirksamen Umsetzung der [X.] der Nichtanwendung von § 580 Nr. 8 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden nicht entgegen.

a) § 35 EGZPO stellt für die Anwendbarkeit des § 580 Nr. 8 ZPO auf den Zeitpunkt ab, zu dem die Entscheidung im Ausgangsverfahren iSd. § 19 EGZPO, § 705 ZPO formelle Rechtskraft erlangt hat. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift (im Ergebnis - zumeist ohne [X.]egründung - ebenso: [X.]VerwG 22. Oktober 2009 - 1 C 26/08 - Rn. 17, [X.]VerwGE 135, 137; [X.] ZPO 71. Aufl. § 580 Rn. 27; HK-ZPO/[X.] 5. Aufl. § 580 Rn. 16; [X.]/[X.] 3. Aufl. EGZPO § 35 Rn. 1; Prütting/Meller-Hannich 3. Aufl. ZPO § 580 Rn. 16; [X.]/[X.]/[X.] 33. Aufl. ZPO § 580 Rn. 23; [X.]/[X.]/[X.] Aufl. EGZPO § 35 Rn. 1; [X.]/[X.] 29. Aufl. EGZPO § 35 Rn. 2; aA offenbar [X.] 9. Aufl. ZPO § 580 Rn. 24).

aa) Für das dargelegte [X.] spricht bereits der Wortlaut der Überleitungsvorschrift. Zwar ist der [X.]egriff „Verfahren“ - isoliert betrachtet - neutral; er kann sich sowohl auf den Ausgangsrechtsstreit als auch auf das Verfahren der Individualbeschwerde vor dem [X.] beziehen. Dem Kontext nach geht es in § 35 EGZPO aber um solche „Verfahren“, auf die § 580 Nr. 8 ZPO anzuwenden ist. Damit ist zweifelsfrei der zivilrechtliche Ausgangsrechtsstreit angesprochen.

bb) Sprachlich wird der [X.]ezug zum Ausgangsverfahren ferner dadurch hergestellt, dass die in § 35 EGZPO enthaltene Stichtagsregelung auf den Zeitpunkt abstellt, zu dem das Verfahren „rechtskräftig“ abgeschlossen ist. Mangels entgegenstehender Hinweise für eine unterschiedliche [X.]edeutung ist davon auszugehen, dass der [X.]egriff der „Rechtskraft“ im Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung einheitlich gebraucht wird. Es gilt somit § 19 EGZPO. Nach Abs. 1 der Vorschrift sind [X.] rechtskräftig, welche mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden können. Gemäß Abs. 2 der [X.]estimmung sind ordentliche Rechtsmittel diejenigen, welche an eine von dem Tage der Verkündung oder Zustellung des Urteils laufende Notfrist gebunden sind. In diesem Sinne „ordentliche Rechtsmittel“ stellen weder die Verfassungsbeschwerde ([X.] 18. Januar 1996 - 1 [X.]vR 2116/94 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 93, 381) noch die Individualbeschwerde iSd. Art. 34 [X.] dar. Durch diese besonderen Rechtsbehelfe zum Schutz individueller Menschenrechte und sonstiger Grundrechte wird die Rechtskraft der angegriffenen Entscheidung nicht gehemmt, der rechtskräftige Abschluss des Verfahrens also nicht verzögert. Die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung ist vielmehr in der Regel gerade Zulässigkeitsvoraussetzung der Verfassungsbeschwerde ([X.] 16. Januar 2003 - 2 [X.] [X.] I 2 a bb (1) der Gründe, [X.] ZPO § 322 Nr. 38 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 166) und der Individualbeschwerde beim [X.]. Auch diese kommt nach Art. 35 Abs. 1 [X.] erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe in [X.]etracht. Das Verfahren vor dem [X.] stellt sich zudem inhaltlich nicht als Fortsetzung des innerstaatlichen Verfahrens dar. Die Individualbeschwerde richtet sich nicht gegen die im Zivilprozess obsiegende [X.], sondern gegen die [X.]undesrepublik Deutschland. Stellt der [X.] eine Konventionsverletzung fest, kommt der Entscheidung dementsprechend keine die zivilprozessuale Rechtslage unmittelbar gestaltende Wirkung zu ([X.] 11. Oktober 1985 - 2 [X.]vR 336/85 - zu 1 der Gründe, NJW 1986, 1425). Hinzu kommt, dass die [X.] nicht den Terminus der „Rechtskraft“ verwendet, wenn es um den Abschluss des Verfahrens vor dem [X.] geht, sondern von der „endgültigen“ (engl./franz. Sprachfassung: „[X.]“) Entscheidung spricht (vgl. Art. 44, Art. 46 [X.]).

cc) Für die Anknüpfung an die formelle Rechtskraft des Ausgangsrechtsstreits iSd. § 19 EGZPO, § 705 ZPO sprechen überdies systematische Erwägungen sowie Sinn und Zweck der Übergangsregelung. Der [X.]egriff „Verfahren“ wird sowohl in der Überschrift des Vierten [X.]uchs der ZPO als auch in der Grundnorm des § 578 Abs. 1 ZPO verwandt, nach der die Wiederaufnahme eines durch „rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen“ kann. [X.]eide Klagen sind auf die Überwindung der Rechtskraft des Ausgangsverfahrens gerichtet. Darauf nimmt § 35 EGZPO [X.]ezug. Die Regelung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. [X.]T-Drucks. 16/3038 S. 36) sicherstellen, „dass eine Anwendung des neuen [X.]es (…) erst für diejenigen Entscheidungen in [X.]etracht kommt, die nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung rechtskräftig abgeschlossen werden (vgl. § 578 Abs. 1 ZPO). Die Nennung der zivilprozessualen Grundnorm in der Gesetzesbegründung bringt erkennbar den Willen zum Ausdruck, mit der Stichtagsregelung an die Rechtskraft des Ausgangsrechtsstreits und nicht an die [X.]eendigung des [X.]eschwerdeverfahrens vor dem [X.] anzuknüpfen. Mit ihr soll, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, [X.]elastungen Rechnung getragen werden, die mit der [X.] eines neuen [X.] für die betroffene gegnerische [X.] verbunden sind, und soll eine aus Sicht des Gesetzgebers unzulässige rückwirkende Anwendung der Regelung des § 580 Nr. 8 ZPO vermieden werden.

dd) Eine von diesen Vorgaben abweichende Auslegung der Übergangsregelung in dem Sinne, dass es für die Anwendbarkeit des § 580 Nr. 8 ZPO auf den Zeitpunkt ankäme, zu dem ein iSd. Art. 44, Art. 46 [X.] endgültiges Urteil des [X.]s vorliegt, scheidet aus. Sie stünde in Widerspruch zum zeitlich klar eingegrenzten Anwendungsbereich des in Rede stehenden [X.]es. Sie wäre auch mit dem in § 35 EGZPO zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen unvereinbar, der betroffenen gegnerischen [X.] trotz der festgestellten Konventionsverletzung Vertrauensschutz in die zu ihren Gunsten ergangene Ausgangsentscheidung zu gewähren, sofern diese bei Inkrafttreten des [X.] bereits in Rechtskraft erwachsen war. Für das vom Kläger favorisierte Verständnis ist deshalb selbst dann kein Raum, wenn es den Vorgaben der Konvention besser entspräche oder gar geboten wäre, um ihnen gerecht zu werden. Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung nicht mehr vertretbar erscheint ([X.] 4. Mai 2011 - 2 [X.]vR 2333/08 ua. - [Sicherungsverwahrung] Rn. 93 f. [X.], [X.]E 128, 326; zu den Grenzen der Gesetzesauslegung siehe auch [X.] 25. Januar 2011 - 1 [X.]vR 918/10 - Rn. 50 f. [X.], [X.]E 128, 193). Selbst um einer effektiveren Durchsetzung der einen [X.] feststellenden Entscheidung des [X.] können sich [X.] Gerichte im Wege der Auslegung nicht von der rechtsstaatlichen Kompetenzordnung und der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) lösen ([X.] 25. Januar 2011 - 1 [X.]vR 918/10 - Rn. 50, aaO).

ee) Ein anderer Nichtigkeits- bzw. [X.] iSd. § 580 ZPO greift nicht ein. Der Kläger beruft sich auf einen solchen auch nicht. Soweit einige Stimmen im Schrifttum dafür eintreten, bei erfolgreicher Individualbeschwerde der im Zivilprozess rechtskräftig unterlegenen [X.] zu deren Gunsten einen der in § 580 Nr. 1 bis Nr. 7 [X.]uchst. b ZPO normierten Wiederaufnahmegründe - insbesondere den [X.] des nachträglichen Auffindens einer Urkunde (§ 580 Nr. 7 [X.]uchst. b ZPO) - im Wege der Analogie heranzuziehen (zum [X.] vgl. GMP/Prütting 7. Aufl. [X.]. Rn. 90 ff.; Schlosser [X.] 79 (1966), 164, 186 ff.; [X.] [X.] 2006, 126), ist derartigen Überlegungen spätestens seit Inkrafttreten des [X.] und der Einfügung von § 580 Nr. 8 ZPO iVm. § 35 EGZPO die Grundlage entzogen.

b) Mit dem aufgezeigten Inhalt ist § 35 EGZPO mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (zum Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes bei der Einführung von Stichtagsregelungen vgl. [X.] 20. April 2011 - 1 [X.]vR 1811/08 - Rn. 6, [X.]/SG[X.] 2011, 337; 27. Februar 2007 - 1 [X.]vL 10/00 - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 117, 272). Das gilt auch unter [X.]erücksichtigung der Garantien der [X.] und der Rechtsprechung des [X.], die auf [X.] des Verfassungsrechts als Auslegungshilfe dienen (vgl. dazu [X.] 4. Mai 2011 - 2 [X.]vR 2333/08 ua. - [Sicherungsverwahrung] Rn. 90 ff. [X.], [X.]E 128, 326).

aa) Durch die in § 35 EGZPO enthaltene Stichtagsregelung werden [X.]en hinsichtlich der Möglichkeit, aufgrund einer festgestellten Konventionsverletzung die Wiederaufnahme ihres rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu erreichen, unterschiedlich behandelt. Die Vorschrift differenziert danach, in welcher Prozesslage sich der Ausgangsrechtsstreit bei Inkrafttreten des § 580 Nr. 8 ZPO befand, ob er nämlich seinerzeit bereits rechtskräftig abgeschlossen war oder nicht.

bb) Zwischen den beiden Gruppen besteht der wesentliche Unterschied, dass die im Ausgangsverfahren obsiegende [X.] vor Inkrafttreten des § 580 Nr. 8 ZPO am 31. Dezember 2006 mit einer Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreits wegen festgestellter Konventionsverletzung nicht zu rechnen brauchte. Eine nachträgliche Änderung der Rechtslage geriete in Konflikt mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Das Prinzip der Rechtssicherheit wiederum ist ein zentrales Element der Rechtsstaatlichkeit. Auf ihm beruht die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit rechtskräftiger Entscheidungen.

cc) Gerät im Einzelfall der Grundsatz der Rechtssicherheit mit dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit in Widerstreit, so ist es Sache des Gesetzgebers, ggf. der Rechtsprechung, das jeweilige Gewicht, das diesen Prinzipien in der zu regelnden Konstellation zukommt, zu bemessen und darüber zu befinden, welchem der Vorzug gegeben werden muss. [X.]ei überwiegendem Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens darf die Rechtsordnung in Kauf nehmen, dass eine materiell unrichtige Entscheidung für den fraglichen Einzelfall endgültig [X.]estand hat ([X.] 30. April 2003 - 1 P[X.]vU 1/02 - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.]E 107, 395; 8. Oktober 1992 - 1 [X.]vR 1262/92 - zu 1 der Gründe [X.], NJW 1993, 1125).

dd) Die Entscheidung des [X.]n Gesetzgebers, der Rechtssicherheit in Fällen, in denen das zivile Ausgangsverfahren bei Inkrafttreten des [X.] bereits rechtskräftig abgeschlossen war, Vorrang vor der Möglichkeit einer Wiederaufnahme dieses Verfahrens einzuräumen, hält sich im Rahmen des daraus resultierenden Gestaltungsspielraums.

(1) Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns als Grundlage des Rechtsfriedens erfordert es, die Voraussetzungen, unter denen gerichtliche Entscheidungen einer Überprüfung unterliegen, hinreichend klar zu bestimmen ([X.] 10. Juni 2005 - 1 [X.]vR 2790/04 - zu II 2 a aa (2) (a) (aa) der Gründe, NJW 2005, 2685). Die [X.], die im Zivilprozess eine formell rechtskräftige Entscheidung zu ihren Gunsten erwirkt hat, darf auf deren [X.]estand vertrauen und mit [X.]lick hierauf ggf. weitere Dispositionen treffen. Mit einer [X.]eseitigung der Rechtskraft durch andere als klar vorgegebene Mittel - eine entsprechende verfassungsgerichtliche Entscheidung (§ 95 Abs. 2 iVm. § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.]G) oder das Eingreifen eines in der Zivilprozessordnung enumerativ aufgeführten [X.] - muss sie nicht rechnen. Die Überleitungsvorschrift des § 35 EGZPO nimmt auf diesen Unterschied [X.]ezug. Zugleich lehnt sie sich an den allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Verfahrensrechts an, nach dem eine Änderung des Prozessrechts grundsätzlich (nur) anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst (vgl. dazu [X.] 7. Juli 1992 - 2 [X.]vR 1631/90 und 1728/90 - zu [X.] II 2 a der Gründe, [X.]E 87, 48; [X.] 28. Mai 2009 - 2 [X.] - Rn. 12, [X.]E 131, 105; 14. April 2005 - 1 [X.] 840/04 - zu 2 b aa der Gründe, [X.]E 114, 200).

(2) Der [X.] Gesetzgeber war bei der Einführung des § 580 Nr. 8 ZPO nicht mit [X.]lick auf die [X.]indung der Vertragsstaaten an die Vorgaben der [X.] gehalten, gleichwohl dem Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit Vorrang vor dem der Rechtssicherheit einzuräumen. Die [X.] verpflichtet die Vertragsstaaten nicht, im Fall der Konventionsverletzung die Möglichkeit der Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Ausgangsverfahren vorzusehen. [X.]ei einem festgestellten [X.] durch eine nationale Gerichtsentscheidung zwingt die [X.] deshalb nicht dazu, dem entsprechenden Urteil des [X.] eine die Rechtskraft der konventionswidrigen Entscheidung beseitigende Wirkung beizumessen ([X.] 14. Oktober 2004 - 2 [X.]vR 1481/04 - zu [X.] 3 b bb der Gründe, [X.]E 111, 307; 11. Oktober 1985 - 2 [X.]vR 336/85 - zu 1 der Gründe, NJW 1986, 1425).

(a) Die Konvention selbst trägt in Art. 41 [X.] der Möglichkeit Rechnung, dass die innerstaatlichen Gesetze der Vertragspartner eine „vollkommene Wiedergutmachung“ der eingetretenen Völkerrechtsverletzung nicht gewährleisten. In einem solchen Fall hat der [X.] dem von der Konventionsverletzung [X.]etroffenen ggf. eine „gerechte Entschädigung“ zuzubilligen. Damit gestattet es Art. 41 [X.] den Vertragsstaaten gerade, rechtskräftige Entscheidungen, von denen festgestellt worden ist, dass sie unter Verstoß gegen das Völkerrecht zustande gekommen sind, als solche unangetastet zu lassen ([X.] 11. Oktober 1985 - 2 [X.]vR 336/85 - zu 2 bb der Gründe, NJW 1986, 1425). Das gilt umso mehr, als auch der Grundsatz der Rechtssicherheit [X.]estandteil des Konventionsrechts ist und eine [X.]egrenzung der Verpflichtungen der Konventionsstaaten aus einem Urteil des [X.]s rechtfertigt (Pache [X.] 2004, 393, 404). Ob dies auch dann gilt, wenn die (weitere) tatsächliche Vollstreckung einer konventionswidrigen innerstaatlichen Gerichtsentscheidung in Frage steht (vgl. dazu [X.] 11. Oktober 1985 - 2 [X.]vR 336/85 - zu 1 der Gründe, aaO), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Um einen solchen Sachverhalt handelt es sich hier nicht.

(b) Die Einräumung der Möglichkeit einer Wiederaufnahme ist, anders als der Kläger meint, nicht nach Art. 13 [X.] geboten. Die Regelung gewährleistet demjenigen, der geltend macht, er sei in einem durch die Konvention garantierten Recht verletzt worden, eine „wirksame [X.]eschwerde bei einer innerstaatlichen Instanz“. Dies war dem Kläger unbenommen. Er hatte die Möglichkeit, vor den nationalen Gerichten bis hin zum [X.]undesverfassungsgericht geltend zu machen, dass sein Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens im Rahmen der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Einen Anspruch auf die Erweiterung der innerstaatlichen Gründe für die Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Zivilverfahren enthält Art. 13 [X.] nicht ([X.] 11. Oktober 1985 - 2 [X.]vR 336/85 - zu 2 bb der Gründe, NJW 1986, 1425).

(c) Der jüngeren Rechtsprechung des [X.] ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.

(aa) Danach hat die wirksame Durchführung von Urteilen des [X.]s nach Art. 46 [X.] im System der [X.] allerdings große [X.]edeutung (vgl. [X.] 30. Juni 2009 - 32772/02 - [Verein gegen [X.] Nr. 2] Rn. 83, NJW 2010, 3699). Die Vertragsstaaten haben sich verpflichtet, endgültige Entscheidungen iSv. Art. 44 [X.], in denen eine Konventionsverletzung festgestellt worden ist, zu befolgen (Art. 19, Art. 46 Abs. 1 [X.]). Dabei erschöpft sich die [X.]efolgung regelmäßig nicht in der Zahlung von Geldbeträgen, die dem [X.]eschwerdeführer vom [X.] als gerechte Entschädigung zugesprochen wurden. Erforderlich sind vielmehr individuelle und ggf. allgemeine Maßnahmen in der jeweiligen Rechtsordnung, die es ermöglichen, die vom [X.] festgestellte Konventionsverletzung zu beenden und ihre Folgen im Rahmen einer Naturalrestitution wiedergutzumachen ([X.] 30. Juni 2009 - 32772/02 - [Verein gegen [X.] Nr. 2] Rn. 85 [X.], aaO; siehe auch 8. April 2004 - 71503/01 - [[X.]/[X.]] Rn. 146 ff. [X.], NJW 2005, 2207).

(bb) Gleichwohl kann es auch aus Sicht des [X.]s Umstände geben, unter denen ein Staat von der Wiederherstellung des früheren Zustands ganz oder teilweise absehen darf. Außerdem ist der beteiligte Staat frei in den Mitteln, mit denen er seine Verpflichtung nach Art. 46 Abs. 1 [X.] erfüllen will, solange sie mit den Schlussfolgerungen im betreffenden Urteil des [X.]s vereinbar sind ([X.] 30. Juni 2009 - 32772/02 - [Verein gegen [X.] Nr. 2] Rn. 88 [X.], NJW 2010, 3699). Der [X.] kann infolgedessen eine Wiederaufnahme des Ausgangsverfahrens nicht anordnen. Er kann lediglich aussprechen, dass die Wiederaufnahme auf Antrag des [X.]etroffenen ein angemessenes Mittel wäre, die festgestellte Konventionsverletzung zu beseitigen. Dies entspricht den Hinweisen des Ministerkomitees des [X.], das in seiner Empfehlung R (2000) 2 die Vertragsstaaten aufgefordert hat, im staatlichen Recht Mechanismen zur Wiederaufnahme des Ausgangsverfahrens zu schaffen ([X.] 30. Juni 2009 - 32772/02 - [Verein gegen [X.] Nr. 2] Rn. 89, aaO). Derartige Erklärungen sind nicht bindend. Sie zwingen deshalb nicht zu der Annahme, dass die [X.] in ihrer Auslegung durch den [X.] die Möglichkeit einer Wiederaufnahme notwendig verlange (Meyer-Ladewig/[X.] NJW 2005, 15, 18 f.).

(d) Auch die den Kläger betreffenden Entscheidungen des [X.]s vom 23. September 2010 und vom 28. Juni 2012 (jeweils zum Aktenzeichen 1620/03 - [[X.] Deutschland]) enthalten keine Anordnungen, aus denen sich eine Verpflichtung der [X.]undesrepublik Deutschland ergäbe, zumindest im Fall der Kündigung die Wiederaufnahme eines zu Lasten des Arbeitnehmers rechtskräftig beendeten [X.] ohne Rücksicht auf schutzwürdige [X.]elange des Arbeitgebers zu eröffnen. Zwar hat der [X.] in seinem Urteil vom 28. Juni 2012, mit dem er dem Kläger eine Entschädigung zuerkannt hat, ausgesprochen (Rn. 17), eine Wiederaufnahme des arbeitsrechtlichen Verfahrens und eine Prüfung des Falls im Licht seiner Entscheidung stellten grundsätzlich ein angemessenes Mittel dar, um die festgestellte Konventionsverletzung zu beheben. In seiner weiteren [X.]egründung verweist er aber darauf (Rn. 18), dass angesichts der Fristen - ua. derjenigen in der EGZPO - eine Wiederaufnahme nicht mehr möglich sein dürfte. Das lässt nicht erkennen, dass er die Überleitungsvorschrift des § 35 EGZPO, soweit sie in Fällen wie dem vorliegenden zur Unzulässigkeit der Restitutionsklage führt, für konventionswidrig erachtet. Der Ausschluss der Wiederaufnahmemöglichkeit aus Rechtsgründen mag zur Folge haben, dass der Arbeitnehmer sein originäres, auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung gerichtetes Prozessziel trotz der festgestellten Konventionsverletzung nicht mehr wird verwirklichen können. Auch wenn ihm auf diese Weise - unterstellt, eine die Erwägungen des [X.]s einbeziehende Interessenabwägung hätte zu seinen Gunsten ausgehen müssen - eine vollkommene Wiedergutmachung dauerhaft versagt bliebe, führte dies mit [X.]lick auf Art. 41 [X.] und in Ansehung der [X.]edeutung der Rechtskraft sowie der sich daraus ergebenden schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers nicht zu einem für die Rechtsordnung schlechthin unerträglichen Ergebnis. Das gilt umso mehr als die Achtung der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen nicht nur ein zentraler [X.]estandteil der [X.]n Rechtsordnung ist (vgl. [X.] 8. Oktober 1992 - 1 [X.]vR 1262/92 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1125), sondern auch den Schutz der Konvention genießt (vgl. [X.] 18. September 2007 - 52336/99 - zu [X.] 4 der Gründe, KirchE 50, 160).

(3) Der in § 35 EGZPO vom [X.]n Gesetzgeber gewählte Stichtag trägt überdies dem Umstand Rechnung, dass das Individualbeschwerdeverfahren insbesondere bei zivilrechtlichen Ausgangsverfahren die Rechtspositionen und Interessen der [X.]eteiligten möglicherweise nicht vollständig abdeckt (zu diesem Aspekt siehe auch [X.] 14. Oktober 2004 - 2 [X.]vR 1481/04 - zu [X.] 3 c der Gründe, [X.]E 111, 307). [X.] Verfahrensbeteiligter vor dem [X.] ist neben dem [X.]eschwerdeführer nur der jeweilige Vertragsstaat, nicht auch der Prozessgegner im Ausgangsverfahren. Die bloße Möglichkeit, als Dritter an dem [X.]eschwerdeverfahren beteiligt zu werden (vgl. Art. 36 Abs. 2 [X.]), ist kein institutionelles Äquivalent für dessen Position als [X.] oder weiterer [X.]eteiligter im nationalen Ausgangsverfahren ([X.] 14. Oktober 2004 - 2 [X.]vR 1481/04 - zu [X.] 3 c der Gründe, aaO). Darauf durfte der Gesetzgeber bei der Einführung des [X.] der festgestellten Konventionsverletzung und seiner [X.]eschränkung auf seinerzeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren [X.]edacht nehmen. Er durfte berücksichtigen, dass die Prozessgegner an dem Verfahren vor dem [X.] in der Vergangenheit regelmäßig nicht beteiligt wurden und erst die Eröffnung einer Wiederaufnahmemöglichkeit ihnen sehr viel mehr Anlass gäbe, auf die Möglichkeit einer Drittbeteiligung im [X.]eschwerdeverfahren vor dem [X.] zu drängen und ihre Interessen dort deutlicher zu vertreten als bisher (zu diesem Aspekt vgl. [X.]T-Drucks. 16/3038 S. 40). Soweit der Kläger gemeint hat, die im Ausgangsverfahren obsiegende [X.] sei in ihrem Vertrauen auf den rechtskräftigen [X.]estand einer mit einer Konventionsverletzung behafteten Entscheidung von vorneherein nicht schutzwürdig, übersieht er, dass es die Verpflichtung zur Schaffung einer Wiederaufnahmemöglichkeit bei festgestelltem [X.] - wie dargelegt - nicht gibt.

(4) Im Übrigen folgt aus der Stichtagsregelung des § 35 EGZPO und der Nichtgeltung von § 580 Nr. 8 ZPO für vor dem 31. Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossene Ausgangsverfahren nicht, dass die festgestellte Konventionsverletzung für die Rechtsbeziehung der an einem solchen Ausgangsverfahren beteiligten [X.]en in jeder Hinsicht folgenlos bleiben müsste. So kann das vom [X.] angenommene Abwägungsdefizit in Fällen wie dem vorliegenden unter Umständen im Rahmen eines Wiedereinstellungsbegehrens des Arbeitnehmers [X.]edeutung gewinnen. Einem solchen Antrag stünde die materielle Rechtskraft der im Kündigungsschutzprozess ergangenen klageabweisenden Entscheidung nicht entgegen. Zwar steht ihretwegen mit [X.]indungswirkung zwischen den [X.]en fest, dass über den in der Kündigung mitgeteilten Termin hinaus kein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen bestanden hat ([X.] 23. Oktober 2008 - 2 [X.] - Rn. 18 [X.], [X.] KSchG 1969 § 23 Nr. 43 = EzA KSchG § 23 Nr. 33). Das schließt eine Verurteilung des Arbeitgebers zu einer Wiedereinstellung aber nicht aus. Ob es sich dabei um eine Sachlage handelt, bei der die [X.]n Gerichte, wenn nicht über die res iudicata, so doch über einen Gegenstand zu entscheiden haben, zu dem der Europäische [X.] für Menschenrechte einen [X.] festgestellt hat (vgl. [X.] 14. Oktober 2004 - 2 [X.]vR 1481/04 - zu [X.] 3 b bb der Gründe, [X.]E 111, 307), kann nicht für alle denkbaren Fallgestaltungen im Vorhinein beantwortet werden. Es erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, im Rahmen eines beim dafür zuständigen Gericht angebrachten Wiedereinstellungsantrags dem [X.]estreben, der festgestellten Konventionsverletzung auch in natura abzuhelfen, angemessen Rechnung tragen zu können.

c) Das [X.]srecht verlangt mit [X.]lick auf Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 [X.] keine andere [X.]ewertung. Die Nichtanwendbarkeit von § 580 Nr. 8 ZPO auf Sachverhalte wie den vorliegenden widerspricht nicht dem in Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 [X.] zum Ausdruck gebrachten Ziel einer wirksamen Umsetzung der [X.] auf dem Gebiet des [X.]srechts.

aa) Unabhängig von der Frage, ob der Sachverhalt in den Anwendungsbereich des [X.]srechts fällt, ergibt sich aus dem [X.] entgegen der Auffassung des [X.] keine neue Qualität des Vorrangs von [X.]srecht gegenüber nationalem Recht ([X.] 30. Juni 2009 - 2 [X.]vE 2/08 - Rn. 331, [X.]E 123, 267). Insbesondere lässt der in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] vorgesehene - noch nicht vollzogene - [X.]eitritt der [X.] zur [X.] nicht den Schluss zu, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Ausgangsverfahrens sei zur Umsetzung eines eine Konventionsverletzung feststellenden Urteils des [X.] zwingend geboten. Dagegen spricht schon die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Ihr zufolge ändert der [X.]eitritt nicht die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der [X.].

bb) Eine andere [X.]ewertung ist nicht deshalb geboten, weil die Grund- und Menschenrechte der [X.] nach Art. 6 Abs. 3 [X.] schon jetzt als allgemeine Grundsätze Teil des [X.]srechts sind und weil nach Art. 52 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen [X.] die in dieser enthaltenen Rechte, soweit sie den durch die [X.] garantierten Rechten entsprechen, die gleiche [X.]edeutung und Tragweite haben wie gemäß der Konvention. Zum einen ergibt sich aus Art. 46 [X.], wie ausgeführt, keine Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Zum anderen stellt die [X.], solange die [X.] ihr nicht beigetreten ist, nach der Rechtsprechung des [X.]s der Europäischen [X.] kein „Rechtsinstrument“ dar, das formell in die [X.]srechtsordnung übernommen worden ist. Die in Art. 6 [X.] enthaltene Verweisung auf die [X.] gebietet es einem nationalen Gericht nicht, im Fall eines Widerspruchs zwischen einer Regelung des nationalen Rechts und der Konvention die [X.]estimmungen der Konvention unmittelbar anzuwenden und eine mit dieser unvereinbare nationale Regelung unangewendet zu lassen ([X.] 24. April 2012 - [X.]/10 - [Kamberaj] Rn. 63, [X.] 2012, 950). Klärungsbedarf iSv. Art. 267 Abs. 3 A[X.] besteht in diesem Zusammenhang nicht.

d) Der Kläger kann sich demnach auf den [X.] des § 580 Nr. 8 ZPO nicht berufen. Die Vorschrift findet wegen § 35 EGZPO im Streitfall keine Anwendung. Das Ausgangsverfahren war weit vor dem 31. Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossen. Der [X.]eschluss des [X.]undesarbeitsgerichts vom 29. Mai 2000, durch den die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] gegen das Urteil des [X.]s vom 3. Februar 2000 zurückgewiesen wurde, ist dem Kläger im Juni 2000 zugestellt worden. Damit hat das [X.]erufungsurteil, dessen Aufhebung der Kläger im Wege der Restitutionsklage begehrt, formelle Rechtskraft erlangt.

V. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    [X.]erger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Nielebock    

                 

Meta

2 AZR 570/11

22.11.2012

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Essen, 9. Dezember 1997, Az: 6 Ca 2708/97, Urteil

§ 35 ZPOEG, § 19 ZPOEG, § 580 Nr 8 ZPO, § 705 ZPO, Art 13 MRK, Art 41 MRK, Art 44 MRK, Art 46 MRK, Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 EUVtr 2008, Art 6 Abs 3 EUVtr 2008

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.11.2012, Az. 2 AZR 570/11 (REWIS RS 2012, 1089)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1089


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 1488/14

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1488/14, 20.04.2016.


Az. 2 AZR 570/11

Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 570/11, 22.11.2012.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 BvR 1488/14 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Stichtagsregelung des § 35 EGZPO (juris: ZPOEG) - Ausschluss des …


7 Sa 1427/10 (Landesarbeitsgericht Düsseldorf)


XII ZB 511/13 (Bundesgerichtshof)

Umgangsrecht des biologischen Vaters: Wiederaufnahme vor dem 31. Dezember 2006 rechtskräftig abgeschlossener Umgangsrechtsverfahren bei später …


2 BvR 1170/14 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Keine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten durch Anwendung der Stichtagsregelung des § 35 …


XII ZB 511/13 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1380/08

5 Ca 2480/13

11 Sa 1484/13

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.