Bundessozialgericht, Urteil vom 16.04.2013, Az. B 14 AS 81/12 R

14. Senat | REWIS RS 2013, 6634

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Kindergeld für ein volljähriges Kind - Weiterleitung an das im Heim untergebrachte behinderte Kind - keine Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft - sozialgerichtliches Verfahren - Zulässigkeit eines Grundurteils im Höhenstreit


Leitsatz

Kindergeld ist auch für nicht in Ausbildung befindliche Kinder dann nicht als Einkommen der leistungsberechtigten Person zu berücksichtigen, wenn es nachweislich an das nicht im Haushalt der leistungsberechtigten Person lebende Kind weitergeleitet wird.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten.

Die Verurteilung des Beklagten zu Verschuldenskosten durch das [X.] wird aufgehoben.

Tatbestand

1

Umstritten ist die [X.]öhe von Leistungen nach dem [X.] ([X.]), insbesondere die Berücksichtigung von Kindergeld als Einkommen vom 1.10.2007 bis 31.3.2008.

2

Die im Jahr 1961 geborene Klägerin ist die Mutter des 1986 geborenen [X.] Bei diesem sind eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die [X.], aG, [X.], [X.] festgestellt. In der [X.] war der [X.] vollstationär in einem [X.]eim in [X.] untergebracht und besuchte von dort aus die Schule. In 14-tägigen Abständen holte die Klägerin ihren [X.] an den Wochenenden nach [X.]ause, ebenso in den Schulferien und versorgte ihn mit [X.]ilfe eines [X.]. Die Klägerin bezog pro Monat neben ihrer Witwenrente Kindergeld für ihren [X.] in [X.]öhe von 154 [X.]. Dieses wurde auf das Konto des [X.]es überwiesen, von dem per Dauerauftrag 80 [X.] pro Monat an das [X.]eim gingen für Körperpflegemittel, Friseur oder Ausflüge. Im Übrigen wurde das Geld für einen erhöhten Bedarf an entsprechender Kleidung, orthopädischen Schuhen usw benötigt. Die Kosten der [X.]eimunterbringung des [X.]es, der eine [X.]albwaisenrente sowie Blindengeld bezog, wurden im Übrigen vom zuständigen Sozialhilfeträger übernommen.

3

Die Wohnung der Klägerin, die seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem [X.] erhielt, hatte in der [X.] eine Größe von 61 qm, obwohl ihr nach Ansicht des beklagten [X.] nur 45 qm zustanden. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten der Wohnung ging der Beklagte aber von zwei Personen aus, weil sich der [X.] zeitweise in ihrem [X.]aushalt aufhalte. Der Beklagte rechnete neben der Witwenrente das für den [X.] gezahlte Kindergeld als Einkommen der Klägerin an und bewilligte der Klägerin als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts pro Monat vom 1.10. bis zum 31.12.2007 insgesamt 202,66 [X.] und vom 1.1. bis zum 31.3.2008 insgesamt 278,88 [X.] (Bewilligungsbescheid vom 11.9.2007, Widerspruchsbescheid vom 1.10.2008).

4

Das Sozialgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das [X.] (L[X.]) hat auf die Berufung der Klägerin den Beklagten verurteilt, ihr vom 1.10.2007 bis zum 31.3.2008 Leistungen nach dem [X.] unter Außerachtlassung des für den [X.] gezahlten Kindergeldes zu bewilligen, und dem Beklagten Verschuldenskosten in [X.]öhe von 800 [X.] auferlegt (Urteil vom 12.6.2012). Zur Begründung hat das L[X.] im Wesentlichen ausgeführt: Das Kindergeld sei nicht Einkommen der Klägerin, sondern ihres [X.]es nach § 1 Abs 1 [X.] der [X.] ([X.]). Nach dieser Vorschrift sei das Kindergeld nicht als Einkommen des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen, "soweit es nachweislich an das nicht im [X.]aushalt des [X.]ilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird". Der [X.] habe nicht im [X.]aushalt der Klägerin gelebt. Aus den 14-tägigen Besuchen am Wochenende und den in den Ferien folge nichts anderes. Das Kindergeld sei unstreitig direkt auf das Konto des [X.]es überwiesen worden. Dass das Kindergeld nicht auf die an den [X.] erbrachten Sozialhilfeleistungen angerechnet worden sei, könne keine andere Beurteilung begründen.

5

Mit der - vom [X.] (B[X.]) zugelassenen - Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht geltend, die Anwendung des § 1 Abs 1 [X.] [X.] durch das L[X.] widerspreche der Begründung des [X.], nach der sich die Regelung nur auf in Ausbildung befindliche Kinder beziehen solle. Es habe verhindert werden sollen, dass Eltern, die ihre in Ausbildung befindlichen Kinder unterstützen, schlechter stehen als Auszubildende mit Leistungsbezug nach dem [X.] ([X.]), denen das Kindergeld nicht als Einkommen angerechnet werde. Der [X.] der Klägerin werde in der Einrichtung voll versorgt und sei auch wirtschaftlich nicht selbstständig. Das L[X.] habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt auch nicht hinreichend aufgeklärt, der [X.] sei in der Einrichtung nicht polizeilich gemeldet gewesen, sondern in der damaligen Wohnung der Klägerin. Dies sei auch nicht unstreitig Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen und auch nicht protokolliert worden. Der [X.] sei zum 1.9.2008 in eine andere Einrichtung umgezogen und habe in [X.] keinen Wohnsitz iS des § 30 Abs 3 [X.] ([X.]B I) gehabt, sondern nur einen vorübergehenden Aufenthalt zum Besuch der Schule. Aus der Tatsache, dass der [X.]eimvertrag ohne zeitliche Befristung abgeschlossen gewesen sei, folge nichts anderes, da er zum Ablauf eines Kalendermonats habe gekündigt werden können.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer [X.]s vom 12. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 23. März 2009 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der [X.] sei in der [X.] in der Einrichtung polizeilich gemeldet gewesen. Er habe dort nicht nur vorübergehend verweilt, sei ständig auf fremde [X.]ilfe angewiesen gewesen und habe den Schwerpunkt seiner Lebensführung in der Einrichtung gehabt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist als in der Sache unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Das [X.] hat zu Recht den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des [X.] und Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin vom 1.10.2007 bis zum 31.3.2008 Leistungen nach dem [X.]B II ohne Berücksichtigung des für den [X.] gezahlten Kindergeldes als Einkommen zu zahlen.

1. Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass ein Grundurteil nach § 130 Abs 1 [X.]G zulässig ist, weil die Klägerin mit ihrer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1, 4 [X.]G keinen bezifferten Betrag, sondern (nur) höhere Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes begehrt. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit eines solchen Grundurteils in einem Höhenstreit gehen - anknüpfend an die Rechtsprechung zur Arbeitslosenhilfe (B[X.] vom 9.12.2004 - B 7 AL 24/04 R - B[X.]E 94, 109 = [X.]-4220 § 3 [X.], RdNr 5 mwN) - die für Streitigkeiten nach dem [X.]B II zuständigen Senate des B[X.] übereinstimmend in ständiger Rechtsprechung aus (B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.]/06 R - B[X.]E 97, 231 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]6; B[X.] vom 16.5.2007 - B 11b [X.] - B[X.]E 98, 243 = [X.]-4200 § 12 [X.], Rd[X.]5; B[X.] vom 27.1.2009 - [X.]/7b [X.] - [X.]-4200 § 21 [X.] Rd[X.]1; B[X.] vom 12.7.2012 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 111, 234 = [X.]-1500 § 54 [X.]8, Rd[X.]9; B[X.] vom [X.] AS 167/11 R - Rd[X.]2). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Grundurteils im Höhenstreit ist nach dieser Rechtsprechung, damit es sich nicht um eine unzulässige Elementfeststellungsklage handelt, eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der Klage gefolgt wird.

Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Ausgehend von den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) erfüllt die Klägerin die Grundvoraussetzungen für Leistungen nach dem [X.]B II nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II (bestimmtes Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt in [X.]), während ein [X.] (vgl § 7 Abs 1 Satz 2, §§ 4, 5 [X.]B II) nicht vorliegt. Der Beklagte hat der Klägerin auch grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der strittigen [X.] bewilligt; Anhaltspunkte, die einer Leistungsgewährung entgegenstehen, sind nicht zu erkennen. Umstritten ist nur, ob die Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen hat, weil das Kindergeld für den [X.] bei ihr als Einkommen nicht berücksichtigt werden darf.

Trotz des Tenors des [X.], Leistungen unter Außerachtlassung des Kindergeldes "zu bewilligen", handelt es sich nicht um einen hinter dem Leistungsantrag der Klägerin zurückbleibenden Verpflichtungstenor, weil das [X.] ausweislich seiner Entscheidungsgründe, den Beklagten nicht nur zum Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes, sondern zu einer höheren Leistung verurteilen wollte.

2. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten und vom [X.] zugesprochenen Anspruch auf höhere - da ohne Anrechnung des Kindergeldes für den [X.] zu erbringende - Leistungen nach dem [X.]B II sind § 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II. Dass die Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf diese Leistungen in der strittigen [X.] dem Grunde nach erfüllt, wurde schon festgestellt.

Um zu entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf höhere Leistungen hat, muss zunächst geklärt werden, ob die Klägerin mit anderen Personen eine Bedarfsgemeinschaft bildet (dazu 3.), dann muss der Bedarf ermittelt (dazu 4.) und diesem die [X.], insbesondere das zu berücksichtigende Einkommen gegenübergestellt werden (dazu 5.).

3. Die Klägerin bildet mit keiner anderen Person eine Bedarfsgemeinschaft. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] war sie nicht verheiratet und lebte - abgesehen von den Besuchen des [X.]es - alleine in der Wohnung.

Es bestand auch keine Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit ihrem [X.]. Grundvoraussetzung für eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 [X.] oder 4 [X.]B II zwischen Eltern und Kind ist ein gemeinsamer Haushalt. Ein Haushalt stellt sich als Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) dar (vgl nur B[X.] vom 14.3.2012 - [X.] AS 17/11 R - B[X.]E 110, 204 ff = [X.]-4200 § 9 [X.]0, Rd[X.]9, 26 ff).

Dass der [X.] in der strittigen [X.] nicht im Haushalt der Klägerin lebte, zeigt sich deutlich an dem örtlichen und materiellen Merkmal. Dies folgt aus den Feststellungen zu den Aufenthaltszeiten des [X.]es in dem Heim einerseits - grundsätzlich immer - und den nur besuchsweisen Aufenthalten bei der Klägerin an jedem zweiten Wochenende und in den Ferien. Der [X.] hatte angesichts dessen seinen Lebensmittelpunkt und gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs 3 [X.]B I) unabhängig von seiner polizeilichen Meldung nicht in der Wohnung der Klägerin, sondern in dem Heim in [X.], denn dort wurde er entsprechend seinen Behinderungen umfassend versorgt. Aus einem von der Revision behaupteten späteren Umzug des [X.]es von diesem in ein anderes Heim folgt keine Zugehörigkeit zum Haushalt der Klägerin in der strittigen [X.], zumal der [X.] nach den nicht umstrittenen Feststellungen des [X.] seit Anfang des Jahres 2005 ohne zeitliche Unterbrechung - abgesehen von den Besuchen bei der Klägerin - in dem Heim wohnte, zu Beginn der strittigen [X.] am 1.10.2007 also schon über zweieinhalb Jahre. Gründe für eine weitere Sachverhaltsaufklärung in dieser Hinsicht sind entgegen dem Vorbringen der Revision, die insofern auch kein konkretes Beweisthema benannt hat, nicht zu erkennen, zumal der polizeilichen Meldung angesichts der aufgeführten anderen Aspekte keine ausschlaggebende Bedeutung beikommt.

Es lag auch keine sogenannte temporäre Bedarfsgemeinschaft (vgl nur B[X.] vom 2.7.2009 - [X.] [X.]/08 R - [X.]-4200 § 7 [X.]3 Rd[X.]5) zwischen der Klägerin und ihrem [X.] vor, weil die in der genannten Entscheidung angeführten Gründe für eine dahingehende Auslegung des § 7 Abs 3 [X.]B II zur Sicherstellung einer "[X.]B II-immanenten Lösung" hinsichtlich der Kosten des Umgangs, wie insbesondere das durch Art 6 Abs 1 Grundgesetz geschützte Umgangs- und Sorgerecht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder, vorliegend nicht gegeben sind, da der [X.] in der strittigen [X.] während seines stationären Aufenthalts im Heim Leistungen nach dem [X.] ([X.]B XII) bezog und schon volljährig war.

4. Da nur die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umstritten ist, kann dahingestellt bleiben, wie hoch der Gesamtbedarf der Klägerin in der strittigen [X.] war, weil nur der Beklagte Rechtsmittel eingelegt hat und die Klägerin nicht mehr als die vom [X.] zugesprochene Erhöhung aufgrund der Nichtberücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen erhalten kann.

5. Dem Bedarf der Klägerin sind die [X.] nach § 9 [X.]B II gegenüberzustellen. Hier kommt allein die Berücksichtigung von Einkommen in Betracht (§ 11 [X.]B II in der für die strittige [X.] geltenden Fassung des [X.] vom 24.12.2003, [X.] 2954, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.12.2006, [X.] 2748, im Folgenden [X.]B II aF).

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist jedoch auch kein weiteres Einkommen, insbesondere nicht das Kindergeld für den [X.] zu berücksichtigen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind (alle) Einnahmen in Geld oder Geldeswert (§ 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II aF) mit bestimmten Ausnahmen wie den Leistungen nach dem [X.]B II, der Grundrente nach dem [X.] und entsprechend anwendbarer Gesetze einschließlich des Bundesentschädigungsgesetzes, den Absetzbeträgen nach § 11 Abs 2 [X.]B II aF sowie zweckbestimmte Einnahmen, Schmerzensgeld usw (vgl § 11 Abs 3 bis 4 [X.]B II aF). Weitere Ausnahmen vom zu berücksichtigenden Einkommen enthält § 1 [X.] in ihren verschiedenen Fassungen.

Von daher bestehen gegen die - nicht umstrittene - Berücksichtigung der Witwenrente der Klägerin als Einkommen keine Bedenken.

Das für den [X.] der Klägerin von der Familienkasse gezahlte Kindergeld ist hingegen nicht als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen.

a) Kindergeld wurde in der strittigen [X.] ebenso wie heute nach §§ 31, 32, 62 ff Einkommensteuergesetz (EStG) gezahlt - außer in den vorliegend nicht einschlägigen Fallgestaltungen des Bundeskindergeldgesetzes ([X.]), die im Wesentlichen nur Personen, die nach dem EStG nicht unbeschränkt steuerpflichtig oder gleichgestellt sind, also nicht im Inland ihren Wohnsitz haben, oder Vollwaisen, die für sich selbst Kindergeld beziehen, betreffen (§ 1 Abs 1, 2 [X.]). Anspruchsberechtigt für das Kindergeld ist nicht das Kind, sondern die Eltern oder ein anderer Berechtigter, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat (§ 64 EStG, auch zum Verhältnis mehrerer Berechtigter zueinander). Selbst wenn der Kindergeldberechtigte zB seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt und das Kindergeld an das Kind ausgezahlt wird (§ 74 EStG), ändert dies nichts an der [X.]. Kindergeld ist daher - vorbehaltlich abweichender Normen - auch im [X.]B II als Einkommen der Eltern anzusehen (B[X.] vom 23.11.2006 - B 11b [X.] - B[X.]E 97, 265 = [X.]-4200 § 20 [X.], Rd[X.]3 f; B[X.] vom 6.12.2007 - [X.]/7b [X.] - Rd[X.]2 ff).

b) Als solche abweichende Norm ordnet für die strittige [X.] vom 1.10.2007 bis heute § 11 Abs 1 Satz 2, 3 [X.]B II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom [X.] ([X.] 558) an: "Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird." Die Voraussetzungen dieser Regelung sind vorliegend nicht erfüllt, weil der [X.] der Klägerin mit ihr - wie ausgeführt - keine Bedarfsgemeinschaft bildete.

c) Eine weitere abweichende Norm enthält § 1 Abs 1 [X.]/[X.] vom 20.10.2004 ([X.] 2622 - [X.]) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der [X.] vom [X.] ([X.] 2499), die am 1.10.2005 in [X.] getreten ist, in die [X.] vom 17.12.2007 ([X.] 2942) übernommen wurde, bis heute gilt und für die strittige [X.] anordnet, dass nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist "Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird". Die durch die Erste Verordnung zur Änderung der [X.] vom 18.12.2008 ([X.] 2780) erfolgte Streichung des Adjektivs "volljährig" ist vorliegend ohne Bedeutung.

Der Beklagte meint zwar, dass die Regelung sich nur auf in Ausbildung befindliche Kinder beziehe; dass der Wortlaut der Norm eine solche Beschränkung enthält, wird jedoch auch vom Beklagten - zu Recht - nicht behauptet. Vielmehr bezieht die Regelung sich auf das Kindergeld für alle Kinder des Hilfebedürftigen, die nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen leben und an die das Kindergeld nachweislich weitergeleitet wird - ohne weitere Einschränkungen.

Aus der vom Beklagten angeführten Begründung des Entwurfs zu der Änderungsverordnung vom [X.] folgt nichts anderes. In dieser Begründung wird zu der umstrittenen [X.] ausgeführt: "Nach Nummer 8 wird das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird, anrechnungsfrei gestellt. Es ist daher bei den hilfebedürftigen Eltern, die es als Berechtigte erhalten, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Ist allerdings das volljährige Kind hilfebedürftig, ist es diesem als Einkommen zuzurechnen. Mit dem [X.] vom 19. März 2001 wurde das Ziel verfolgt, den Personenkreis der nach dem [X.] ([X.]) zu fördernden Personen zu erweitern und die Einkommenslage der Auszubildenden zu verbessern. In diesem Zusammenhang wurde Kindergeld aus dem Einkommensbegriff des [X.] herausgenommen und damit generell anrechnungsfrei gestellt. Damit wurde der Nachteil beseitigt, dass Eltern von mit [X.] geförderten Kindern bzw. mit [X.]-Empfänger, an die das Kindergeld unmittelbar ausgezahlt wurde, zuvor vom Kindergeld nicht in voller Höhe profitieren konnten, da dieses wegen der teilweisen Anrechnung als Einkommen zu einer verminderten Förderung führte. Diese Entlastung wird nun im Falle volljähriger Kinder, an die die Eltern nachweislich das Kindergeld weiterleiten, auch im [X.]B II nachvollzogen. Es wird daher künftig nicht als Einkommen berücksichtigt, wenn die Eltern das Kindergeld nachweislich an die Auszubildenden weiterleiten." (abrufbar unter: www.bmwi.de).

Wie dieser Begründung entnommen werden kann, ist - insofern ist dem Beklagen zuzustimmen - Ausgangspunkt der umstrittenen Regelung in § 1 Abs 1 [X.] [X.] eine Harmonisierung zwischen dem [X.]B II und dem [X.]. Denn mit der Regelung soll die Nichtberücksichtigung des Kindergelds beim [X.] auf das [X.]B II in den Fällen übertragen werden, in denen das Kindergeld an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird.

Dass diese Regelung auf Kinder beschränkt sein soll, die [X.] beziehen, ist jedoch nicht nur dem Wortlaut der [X.] nicht zu entnehmen, vielmehr steht dem auch die angeführte Begründung entgegen. Denn deren dritter Satz lautet: "Ist allerdings das volljährige Kind hilfebedürftig, ist es diesem als Einkommen zuzurechnen." Dieser Satz ist nur dann sinnvoll, wenn das Kind nicht [X.] bezieht, sondern ggf selbst hilfebedürftig im Sinne des [X.]B II oder des [X.]B XII ist, womit auch in der Begründung der Änderungsverordnung entgegen der Ansicht des Beklagten davon ausgegangen wird, dass die Regelung sich gerade nicht nur auf Kinder bezieht, die sich in der Ausbildung befinden (vgl zum Verhältnis von [X.]-Bezug und Leistungen nach dem [X.]B II nur § 7 Abs 5 [X.]B II aF).

Die von dem Beklagten aufgestellte weitere Voraussetzung, dass das Kind "wirtschaftlich selbstständig" ist, ist weder dem [X.] noch der Begründung zu entnehmen.

d) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 [X.] [X.], dass das Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird, sind vorliegend erfüllt. Denn der volljährige [X.] der Klägerin wohnte in der strittigen [X.], wie oben festgestellt, nicht im Haushalt der Klägerin. Daran ändern auch die zeitweisen Besuche des [X.]es an jedem zweiten Wochenende und den Ferien nichts. Die Klägerin hat das Kindergeld für ihren [X.] auch an diesen weitergeleitet, denn das Kindergeld wurde nach den von Seiten des Beklagten nicht gerügten Feststellungen des [X.] auf ein Konto des [X.]es eingezahlt und ausschließlich für diesen verwandt.

e) Dass das Kindergeld vom Sozialhilfeträger nicht auf den Bedarf des [X.]es angerechnet wurde, ändert nichts an der Nichtberücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der Klägerin nach dem [X.]B II.

6. [X.] beruht auf §§ 183, 193 [X.]G. Die Auferlegung der Verschuldenskosten von Seiten des [X.] gegenüber dem Beklagten ist aufzuheben (§ 192 Abs 3 Satz 2, Abs 1 [X.]G), weil in dem Rechtsstreit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Auslegung des § 1 Abs 1 [X.] [X.] zu klären war.

Meta

B 14 AS 81/12 R

16.04.2013

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Altenburg, 23. März 2009, Az: S 31 AS 3837/08, Urteil

§ 7 Abs 3 Nr 2 SGB 2, § 7 Abs 3 Nr 4 SGB 2, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 24.12.2003, § 11 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 24.12.2003, § 11 Abs 1 S 3 SGB 2 vom 24.03.2006, § 1 Abs 1 Nr 8 AlgIIV 2008 vom 17.12.2007, § 1 Abs 1 Nr 8 AlgIIV vom 22.08.2005, § 30 Abs 3 S 2 SGB 1, § 62 EStG, §§ 62ff EStG, § 130 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.04.2013, Az. B 14 AS 81/12 R (REWIS RS 2013, 6634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6634

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