Bundessozialgericht, Urteil vom 14.02.2018, Az. B 14 AS 17/17 R

14. Senat | REWIS RS 2018, 14009

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen - Leistungsversagung bzw -entziehung für das volljährige Kind als Mitglied der Bedarfs- bzw Haushaltsgemeinschaft aufgrund fehlender Mitwirkung


Leitsatz

Allein die Versagung von Leistungen für eine von mehreren in einer Wohnung lebenden Personen wegen deren fehlender Mitwirkung bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit rechtfertigt keine Abweichung vom Kopfteilprinzip zugunsten der anderen Personen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des [X.] vom 9. Februar 2017 aufgehoben und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 10. Februar 2014 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu zwei Dritteln, im Übrigen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind - nach einem Teilvergleich der Beteiligten im Termin vor dem Senat - höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Kläger im Januar und Februar 2011.

2

Die miteinander verheirateten Kläger lebten gemeinsam mit ihrem unverheirateten 21-jährigen [X.] in einer nur von ihnen gemieteten Wohnung. Alle drei bezogen zunächst als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] vom beklagten Jobcenter. Nachdem der [X.] ein Gewerbe angemeldet hatte, war er vom Beklagten vergeblich zur Abgabe einer Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit aufgefordert worden. Wegen fehlender Mitwirkung des [X.]s versagte der Beklagte zunächst allen dreien Leistungen ab Oktober 2010 (Bescheid vom [X.]). Auf die Widersprüche der Kläger hiergegen bewilligte er ihnen vorläufig [X.] (Bescheid vom 15.10.2010 für die [X.] vom 1.10.2010 bis [X.], [X.] vom 10.2.2011 und 26.3.2011). Dabei berücksichtigte der Beklagte bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung weiterhin nur den jeweiligen Kopfteil der Kläger an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, nicht den "fehlenden" Kopfteil ihres [X.]s. Deren hiergegen erhobene Widersprüche, mit denen sie höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für sich wegen der [X.] gegenüber ihrem [X.] begehrten, blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Für Januar und Februar 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern abschließend [X.] (Änderungsbescheid vom [X.]), erneut ohne Berücksichtigung des Kopfteils des [X.]s als Bedarf der Kläger. Seit März 2011 leben die Kläger ohne ihren [X.] in einer anderen Wohnung.

3

Die auf Übernahme der tatsächlichen [X.] gerichteten Klagen hat das [X.] abgewiesen (Urteil vom 10.2.2014). Auf die Berufungen der Kläger hat das L[X.] das [X.]-Urteil aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu bewilligen (Urteil vom 9.2.2017): Deren Anspruch auf Leistungen für die tatsächlichen, angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sei nicht durch das Kopfteilprinzip begrenzt. Zur Vermeidung einer Bedarfsunterdeckung sei wie bei einem Wegfall der Leistungen für [X.] im Rahmen von Sanktionen (§§ 31 ff [X.]; Hinweis auf B[X.] vom [X.] - B 4 [X.]/12 R - B[X.]E 113, 270 = [X.] 4-4200 § 22 [X.]) auch bei einer Versagung wegen fehlender Mitwirkung (§ 66 [X.]B I) eine Abweichung vom Kopfteilprinzip erforderlich.

4

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]. Entgegen der Auffassung des L[X.] sei die Rechtsprechung des B[X.] zur Abweichung vom Kopfteilprinzip bei Sanktionen vorliegend nicht auf die Versagung übertragbar, denn wegen seiner fehlenden Mitwirkung sei ungewiss, ob der [X.] seinen Kopfteil an den [X.] aus eigenem Einkommen habe tragen können.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 9. Februar 2017 aufzuheben und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 10. Februar 2014 zurückzuweisen.

6

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.]n ist begründet und das Urteil des [X.] ist aufzuheben. Auf die Revision des [X.]n sind die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des [X.] zurückzuweisen (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G), weil ihnen kein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zusteht.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das Urteil des [X.], das auf die Berufungen der Kläger das Urteil des [X.] aufgehoben und den [X.]n zur Bewilligung weiterer Leistungen verurteilt hat, und das klageabweisende Urteil des [X.], dessen Wiederherstellung der [X.] durch Zurückweisung der Berufungen der Kläger erstrebt. Mit ihren Klagen begehren die Kläger höhere als die ihnen zuletzt bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II (zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitgegenstands auf die Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]0 ff). [X.] Zeitraum ist nach dem Teilvergleich der Beteiligten vor dem Senat nur noch Jan[X.]r und Febr[X.]r 2011.

9

Gegenstand des Verfahrens ist insoweit allein der Bescheid vom [X.], durch den der [X.] trotz seiner Bezeichnung als Änderungsbescheid für Jan[X.]r und Febr[X.]r 2011 eine abschließende Entscheidung über [X.] getroffen hat (zur Auslegung eines Änderungsbescheids als "abschließende Entscheidung" vgl B[X.] vom [X.] [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 40 [X.] RdNr 26; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-1500 § 86 [X.] Rd[X.]4), die die letzte vorläufige Entscheidung für diese Monate durch Änderungsbescheid vom 26.3.2011 nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom [X.] und noch vor Klageerhebung ersetzte und erledigte (§ 96 Abs 1 [X.]G, § 39 Abs 2 [X.]B X; vgl B[X.] vom [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4225 § 1 [X.] Rd[X.]4; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-1500 § 86 [X.] Rd[X.]5; zur Einbeziehung auch von Bescheiden zwischen Erlass des Widerspruchsbescheids und Klageerhebung vgl [X.] in jurisPK-[X.]G, 2017, § 96 RdNr 22; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 2, 3a).

2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die für Jan[X.]r und Febr[X.]r 2011 mit den insoweit statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G) begehrten höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Abweichung vom [X.].

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs der Kläger, die nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] die Grundvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II, aber keinen [X.] erfüllten und in Bedarfsgemeinschaft miteinander lebten, ist § 19 Abs 1 Satz 1 und 3 iVm § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II (in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung des [X.] [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011, [X.] 453; [X.], vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 f). Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Auf[X.]dungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

3. Nach den Feststellungen des [X.] waren die tatsächlichen Auf[X.]dungen für die (auch) von den Klägern genutzte Wohnung angemessen und sind vom [X.]n in voller Höhe im Bescheid vom [X.] als Bedarf anerkannt sowie der Berechnung des Leistungsanspruchs zugrunde gelegt worden. Indes lebten die beiden Kläger nach den Feststellungen des [X.] nicht allein in der Wohnung, sondern gehörte dem Haushalt als Dritter ihr gemeinsamer volljähriger, unter 25 Jahre alter [X.] an, weshalb ihnen als ihre beiden Kopfteile zu Recht nur zwei Drittel der gesamten Unterkunftsauf[X.]dungen bewilligt worden sind. Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] ist vorliegend von dem hinter dieser Aufteilung der Unterkunftsauf[X.]dungen stehenden [X.] nicht deshalb zugunsten der Kläger abzuweichen, weil ihrem [X.] wegen dessen fehlender Mitwirkung bei der Einkommensprüfung Leistungen versagt worden sind.

a) Das im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II anzu[X.]dende [X.] zielt bei der gemeinsamen Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen auf die grundsicherungsrechtliche Zuweisung individueller Bedarfe für alle Personen. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht nur für Personen anerkannt, soweit diese zu Zahlungen für Unterkunft und Heizung schuldrechtlich gegenüber [X.] verpflichtet sind, während für rechtlich hierzu nicht Verpflichtete keine Bedarfe anerkannt werden. Vielmehr soll durch die Aufteilung der Auf[X.]dungen für Unterkunft und Heizung nach [X.] für alle gemeinsam eine Wohnung nutzenden Personen die Zuweisung eines individuellen Bedarfs für Unterkunft und Heizung in grundsätzlich gleicher Höhe erreicht werden (vgl dazu und zu den Folgen für den individuellen Leistungsanspruch insbesondere von Kindern [X.] in jurisPR-[X.] 17/2013 [X.] 1).

b) Diese bedarfsbezogene Herleitung ist prägend für die Rechtsprechung des B[X.] zur An[X.]dung des [X.]s im [X.]B II wie auch zu dessen Ausnahmen (zur Rechtsprechung des [X.], an die das B[X.] anknüpfte, vgl [X.] vom 21.1.1988 - 5 C 68.85 - [X.]E 79, 17).

Nach dieser sind die Auf[X.]dungen für Unterkunft und Heizung ohne Rücksicht darauf, [X.] insoweit die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen treffen, im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, [X.]n die leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere mit anderen Familienangehörigen, nutzt, und es gilt dies unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Die individuelle Bedarfszuweisung nach [X.] ist verwaltungspraktikabel und folgt der Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Auf[X.]dungen für die Erfüllung des [X.] nicht zulässt (stRspr seit B[X.] vom 23.11.2006 - B 11b [X.] - B[X.]E 97, 265 = [X.] 4-4200 § 20 [X.], RdNr 28 f; vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 270 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8; B[X.] vom 22.8.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] RdNr 20 ff; B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]6; zur An[X.]dung des Prinzips auch bei Nachforderungen für Unterkunft und Heizung und selbst nach Auszug: B[X.] vom 30.3.2017 - [X.] [X.]/16 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]2 Rd[X.]6; anders, [X.]n der Nutzung andere bindende vertragliche Regelungen zugrunde liegen: B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] RdNr 25 ff; B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] AS 161/11 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]6; zur Kritik am [X.] vgl [X.], [X.]b 2010, 166; zur vom [X.] abweichenden Aufteilung beim Kinderzuschlag nach § 6a [X.] vgl B[X.] vom [X.] - [X.] KG 1/15 R - [X.] 4-5870 § 6a [X.] RdNr 23 ff).

c) Bei der Bedarfszuweisung durch Aufteilung der Auf[X.]dungen nach [X.] im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzend festgeschrieben ist (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 270 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]9; B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]7). Demgemäß hat das B[X.] schon mehrfach Abweichungen vom [X.] als möglich und not[X.]dig angesehen (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 270 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], RdNr 20 mwN; B[X.] vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] RdNr 27 f).

d) In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der 4. Senat des B[X.] für den Sonderfall, dass bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion nach §§ 31 ff [X.]B II die Leistungen für Unterkunft und Heizung weggefallen sind, eine Abweichung vom [X.] hinsichtlich der weiteren [X.]er aus bedarfsbezogenen Gründen bejaht. Diese könnten nicht darauf verwiesen werden, von einem [X.] seinen Anteil zu verlangen, [X.]n das Jobcenter mit bestandskräftigem Bescheid den vollständigen Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung verfügt und der Dritte auch kein Einkommen oder Vermögen habe, aus dem er seinen Anteil an den Auf[X.]dungen für Unterkunft und Heizung bestreiten könne (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 270 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]4, 21 f). Dem hat sich der erkennende Senat angeschlossen (B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]9).

Diese Abweichung vom [X.] und die aus ihr folgende Erhöhung der [X.] auf Leistungen für Unterkunft und Heizung setzt voraus, dass sie aus bedarfsbezogenen Gründen geboten ist (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 113, 270 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], RdNr 21 f; B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]4). Verfügt das dritte [X.], für das Leistungen für Unterkunftsauf[X.]dungen nicht erbracht werden, über Einkommen oder Vermögen, aus dem es seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann, ist insoweit eine Abweichung vom [X.] aus bedarfsbezogenen Gründen nicht geboten, denn es ist nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wirtschaftlich leistungsfähigen [X.] ein kostenfreies Wohnen zu ermöglichen (B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]4, 22).

Zur Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens des [X.] ist auf §§ 11 ff [X.]B II abzustellen, weil nur in Höhe der Differenz zwischen seinem Kopfteil und des von ihm einzusetzenden Einkommens oder Vermögens ein ungedeckter Bedarf vorliegt, der eine entsprechende Abweichung vom [X.] und höhere Leistungen an die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus den genannten bedarfsbezogenen Gründen rechtfertigt (B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] RdNr 23).

e) Aufgrund des Versagungsbescheids des [X.]n vom [X.] sind dem [X.] der Kläger zwar im Jan[X.]r und Febr[X.]r 2011 keine Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht worden. Doch war nach den Feststellungen des [X.] Anlass hierfür dessen fehlende Mitwirkung bei der Prüfung, ob und ggf in welchem Umfang er über zu berücksichtigendes Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit verfügte. Aufgrund dieser fehlenden, nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] zudem nicht nachgeholten Mitwirkung ist ungewiss, ob überhaupt und ggf in welchem Umfang der Kopfteil des [X.]s bei einer Abweichung vom [X.] bei den Klägern zu berücksichtigen sein könnte, ob und ggf inwieweit bei ihnen also ein ungedeckter Bedarf verblieben ist (vgl zum Kindergeld des sanktionierten volljährigen Kindes B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]).

f) Diese Ungewissheit über die Hilfebedürftigkeit nach dem [X.]B II bei [X.] nach § 66 [X.]B I wegen fehlender Mitwirkung bei der Feststellung zu berücksichtigenden Einkommens rechtfertigt, anders als beim durch das Jobcenter verfügten Wegfall des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunftsauf[X.]dungen nach §§ 31 ff [X.]B II, keine Abweichung vom [X.] aus bedarfsbezogenen Gründen. Ist die Hilfebedürftigkeit eines dritten [X.], bei deren Vorliegen dessen Kopfteil als Bedarf anerkannt und übernommen würde, ungeklärt, lässt dies den Bedarf der anderen Mitglieder unberührt. Dies unterscheidet [X.] von Sanktionen, weil aufgrund dieser vorübergehend trotz Hilfebedürftigkeit des [X.] dessen Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht übernommen wird. Die Folgen des "fehlenden" Kopfteils für die anderen Mitglieder des Haushalts aufgrund einer Versagung gegenüber einem dritten Mitglied, weil dieses die [X.] in §§ 60 ff [X.]B I iVm § 9 und §§ 11 ff [X.]B II zum Ausdruck kommenden Verhaltenserwartungen nicht erfüllt, sind nicht durch höhere [X.] der anderen Haushaltsmitglieder auszugleichen (dazu im Einzelnen 4. und 5.).

4. Dies gilt auch dann, [X.]n die Mitglieder des Haushalts mit dem [X.], ist dieser hilfebedürftig, eine Bedarfsgemeinschaft bilden würden. Werden die mit dem Konzept der Bedarfsgemeinschaft im [X.]B II verbundenen rechtlichen Erwartungen nicht erfüllt, "funktioniert" die Bedarfsgemeinschaft nicht (zum Begriff "funktionierende" Bedarfsgemeinschaft vgl B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 217 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]5; B[X.] vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.]4/06 R - B[X.]E 100, 186 = [X.] 4-4200 § 12 [X.]0, RdNr 41; B[X.] vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.] RdNr 48; zum Begriff "nicht-funktionierende" Bedarfsgemeinschaft vgl [X.] in [X.], [X.]B II, § 9 Rd[X.]2, Stand März 2016; jeweils zur Frage der Verteilung der Mittel in der Bedarfsgemeinschaft). Mit dem Konzept der Bedarfsgemeinschaft im [X.]B II als typisierte Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft ist verbunden, dass die häusliche familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein kann, weil anzunehmen ist, dass deren Mitglieder in besonderer Weise füreinander einstehen und bereit sind, ihren Lebensunterhalt auch jenseits zwingender rechtlicher Verpflichtungen gegenseitig zu sichern (vgl [X.] vom [X.] - 1 BvR 371/11 - [X.]E 142, 353 Rd[X.]3, 63; zu den Anforderungen an einen Haushalt von Eltern mit einem volljährigen Kind als eine Bedarfsgemeinschaft vgl B[X.] vom 14.3.2012 - [X.] AS 17/11 R - B[X.]E 110, 204 = [X.] 4-4200 § 9 [X.]0, RdNr 23 ff). Werden diese rechtlichen Erwartungen tatsächlich nicht erfüllt, führt dies grundsätzlich nicht zu höheren Leistungsansprüchen für einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Doch berechtigt dies zur Auflösung des gemeinsamen Haushalts und damit der Bedarfsgemeinschaft, selbst [X.]n das im Einzelfall zu höheren individuellen Leistungsansprüchen führen kann (vgl dazu [X.], aaO, Rd[X.]4 ff; B[X.], aaO, Rd[X.]0). Hierbei kommt auch die Inanspruchnahme der Beratung und Unterstützung durch das Jobcenter, insbesondere in den Fällen eines [X.], in Betracht (vgl dazu [X.] in [X.], [X.]B II, § 22 RdNr 8b, Stand September 2017).

Dies gilt auch vorliegend: Würde der [X.] der Kläger über seinen Bedarf deckendes Einkommen verfügt haben, wäre er nach § 7 Abs 3 Nr 4 [X.]B II nicht Mitglied ihrer Bedarfsgemeinschaft gewesen, gleichwohl aber Mitglied des gemeinsamen Haushalts, weshalb die Kläger weiterhin nur einen Anspruch auf zwei Drittel der Unterkunftsauf[X.]dungen gehabt hätten - soweit dem aufgrund der Einkommenshöhe nicht die Vermutung nach § 9 Abs 5 [X.]B II entgegen gestanden hätte, dass sie Leistungen vom [X.] erhalten. Würde dieser nicht oder nur teilweise über seinen Bedarf deckendes Einkommen verfügt haben, wäre er nach § 7 Abs 3 Nr 4 [X.]B II Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger gewesen und hätten diese einen Anspruch auf ihre beiden Kopfteile der Unterkunftsauf[X.]dungen gehabt. Würde in der ersten Konstellation der dem Haushalt angehörige, nicht hilfebedürftige [X.] seinen Kopfteil aus Einkommen nicht beigetragen haben, hätte dies den Leistungsanspruch der hilfebedürftigen Kläger nicht erhöht. Soweit der [X.] selbst bei Hilfebedürftigkeit in der zweiten Konstellation wegen der Versagung seinen Kopfteil aus Leistungen nicht beigetragen hat, ändert auch dies nichts am Anspruch der Kläger nur auf ihre Kopfteile. Auf den "fehlenden" Kopfteil, [X.]n dessen Tragung durch den [X.] aus Einkommen oder aus Leistungen nicht erreicht werden kann, ist in der einen wie der anderen Konstellation nicht durch höhere Leistungen für die Kläger zu reagieren. Das [X.] musste deshalb auch keine Ermittlungen hinsichtlich des Einkommens des [X.]s anstellen.

5. Die Ablehnung eines höheren Anspruchs der Kläger auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Abweichung vom [X.] steht weder im Widerspruch zur dargestellten Rechtsprechung des B[X.], die vorübergehend höhere Ansprüche bei Sanktionen gegenüber [X.]ern unter bestimmten Voraussetzungen zuerkannt hat, noch zur Rechtsprechung des Senats, nach der vom [X.] abzuweichen ist, [X.]n ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt, der auch zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a [X.]B II führt (Ortsabwesenheit eines [X.]s: B[X.] vom 19.10.2010 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]9; im Pflegeheim lebendes [X.]: B[X.] vom 16.4.2013 - [X.] AS 71/12 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.]2 RdNr 23).

Der Hintergrund für diese vom Kopfteil als Maßstab für die Aufteilung der Unterkunftsauf[X.]dungen bestehenden Ausnahmen ist die Sicherung des [X.], die in diesen Fällen nur über Ansprüche der jeweiligen leistungsberechtigten Person sichergestellt werden kann (B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-1500 § 75 [X.] RdNr 43). So liegt es vorliegend indes nicht. Denn in den streitigen Monaten lebte der [X.] der Kläger weiterhin mit diesen in einem Haushalt und nutzte gemeinsam mit ihnen die Wohnung, die seinen aktuellen Unterkunftsbedarf deckte, und bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit in diesen Monaten konnte sein aktueller anteiliger Unterkunftsbedarf durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem [X.]B II sichergestellt werden. Die Erbringung dieser Leistungen war zudem trotz der Versagung noch durch Nachholung der Mitwirkung erreichbar (§ 67 [X.]B I).

6. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger aus anderen Gründen als einer Abweichung vom [X.] Anspruch auf höhere als die ihnen bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung haben könnten, lassen sich weder den Feststellungen des [X.] noch dem Vorbringen der Beteiligten entnehmen. Insbesondere lässt sich den ungerügt gebliebenen Feststellungen des [X.] nicht entnehmen, dass der gemeinsamen Nutzung der Wohnung durch die Kläger und ihren [X.] bindende vertragliche Regelungen zwischen den Familienmitgliedern zugrunde lagen, die für eine Abweichung vom [X.] streiten könnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.]G. Der Teilkostenerstattung für das Widerspruchsverfahren liegt zugrunde, dass der [X.] zunächst auch gegenüber den Klägern wegen fehlender Mitwirkung ihres [X.]s Leistungen ganz versagt hatte, weshalb die auf deren Widersprüche hiergegen ergangene Leistungsbewilligung eine Teilabhilfe ist (vgl § 63 [X.]B X).

Meta

B 14 AS 17/17 R

14.02.2018

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Dresden, 10. Februar 2014, Az: S 17 AS 2229/11, Urteil

§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2, § 7 Abs 3 Nr 4 SGB 2, § 9 Abs 1 SGB 2, § 9 Abs 5 SGB 2, § 60 Abs 1 S 1 SGB 1, § 66 Abs 1 S 1 SGB 1, § 67 SGB 1

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.02.2018, Az. B 14 AS 17/17 R (REWIS RS 2018, 14009)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14009

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