Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2021, Az. XI ZB 25/19

11. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 9643

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Gegenstand

Wahrung der Berufungsbegründungsfrist: Übermittlung des Schriftsatzes per Telefax in 2 Teilen mit zeitlichem Abstand von 2 Minuten


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des [X.] vom 9. November 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert beträgt 1.244,28 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.244,28 € wegen einer von einem Mitarbeiter der Beklagten erteilten - nach Ansicht des [X.] unzutreffenden - Auskunft in Anspruch.

2

Das Amtsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Gegen das Urteil, das seinem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 16. März 2019 zugestellt worden ist, hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt.

3

Am 16. Mai 2019, dem letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist, hat die zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte des [X.] per Telefax einen elfseitigen, auf der letzten Seite unterschriebenen Schriftsatz an das [X.] übermittelt, den sie in zwei Sendungen aufgeteilt hat. Nach den vom Absendergerät erstellten Sendeberichten sind die Seiten 1 bis 5 um 16.50 Uhr mit einer Übertragungsdauer von 1 Minute und 37 Sekunden und weitere sechs Seiten um 16.54 Uhr mit einer Übertragungsdauer von 1 Minute und 58 Sekunden übermittelt worden. Die vom Empfangsgerät des [X.]s ausgedruckten Seiten 1 bis 5 sind zur Gerichtsakte gelangt. Die zweite Faxsendung ist dem hiesigen Verfahren nicht zugeordnet worden. Der Verbleib dieser Seiten ist ungeklärt.

4

Das Original der Berufungsbegründung ist am 20. Mai 2019 bei dem [X.] eingegangen.

5

Mit Verfügung vom 10. August 2019 hat der Vorsitzende der Berufungskammer den Kläger darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung zu verwerfen, weil am 16. Mai 2019 per Fax lediglich die - nicht mit einer Unterschrift versehenen - ersten fünf Seiten der Berufungsbegründung eingegangen seien. Nach diesem Hinweis hat der Kläger zum Nachweis der Übermittlung der Berufungsbegründung die beiden Sendeberichte vom 16. Mai 2019 vorgelegt und vorsorglich den Antrag gestellt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Hierzu hat er vorgetragen, der Schriftsatz sei aufgrund einer technischen Besonderheit des Faxgerätes in zwei Faxvorgänge von 5 bzw. 6 Seiten aufgeteilt worden. Die Sendeberichte hätten angezeigt, dass alle 11 Seiten ordnungsgemäß übertragen worden seien. Das Faxgerät sei inzwischen durch ein anderes Gerät ausgetauscht worden.

6

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und zugleich die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es liege kein Schriftsatz vor, der vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei und den Anforderungen nach § 130 Nr. 6 ZPO i.V.m. § 520 Abs. 5 ZPO genüge. Werde die Berufungsbegründung per Telefax übermittelt, setze die Wirksamkeit dieser Prozesshandlung voraus, dass nicht nur die Kopiervorlage von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben worden sei, sondern dessen Unterschrift auch auf der [X.] wiedergegeben werde. Die ersten fünf Seiten der Berufungsbegründung, die zur Gerichtsakte gelangt seien, enthielten keine Unterschrift. Die restlichen Seiten seien zwar bei Gericht eingegangen und schlössen mit der Unterschrift der Prozessbevollmächtigten des [X.] ab. Diese Seiten wiesen aber nicht auf das vorliegende Berufungsverfahren hin und seien als Berufungsbegründung in dieser Sache nicht erkennbar. Dementsprechend seien sie nicht zur hiesigen Gerichtsakte gelangt. Sie seien ganz offensichtlich nicht dem hiesigen Verfahren zugeordnet worden. Da es sich bei dem [X.] Düsseldorf um ein größeres [X.] handele, bei dem naturgemäß damit zu rechnen sei, dass täglich in kürzester Abfolge eine Vielzahl an Schriftsätzen per Telefax eingereicht werde, könne auch bei einer zeitlichen Differenz von nur wenigen Minuten nicht darauf vertraut werden, dass nicht zwischenzeitlich andere Schreiben und Schriftsätze eingehen, die eine Zuordnung späterer Sendungen verhinderten. Die Einreichung eines nur11-seitigen Schriftsatzes in zwei Teilen sei absolut unüblich und technisch nicht erforderlich. Soweit das Faxgerät der Prozessbevollmächtigten des [X.] die Übersendung des Schriftsatzes in einem Vorgang technisch nicht erlaubt habe, hätte es durch ein anderes Gerät ersetzt werden müssen.

7

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.].

II.

8

1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die Verwerfung der Berufung als unzulässig, weil es an einer form- und fristgerechten Begründung der Berufung fehle, verletzt den Kläger in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Denn das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, der Kläger habe die Berufung nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der gesetzlichen Form gemäß § 520 Abs. 5 ZPO in Verbindung mit § 130 Nr. 6 ZPO begründet.

9

Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] kommt es für den rechtzeitigen Eingang eines per Telefax übermittelten Schriftsatzes allein darauf an, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Empfangsgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) wurden, während der Zeitpunkt des Ausdrucks unerheblich ist ([X.], Beschlüsse vom 25. April 2006 - [X.], [X.]Z 167, 214 Rn. 15 ff., vom 8. Mai 2007 - [X.], NJW 2007, 2045 Rn. 12, vom 17. April 2012 - [X.], juris Rn. 19 und vom 24. September 2019 - [X.], juris Rn. 16). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind vorliegend sämtliche Seiten der Berufungsbegründung, einschließlich der unterschriebenen Seite 11, am 16. Mai 2019 von dem Faxgerät des Berufungsgerichts empfangen worden. Damit ist die Berufungsbegründung rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen (vgl. [X.], Urteil vom 1. März 2004 - [X.], [X.], 928, 930 f.). Dagegen ist unerheblich, wann bzw. ob der Ausdruck zur Geschäftsstelle gelangt und zur Gerichtsakte genommen worden ist (vgl. [X.], NJW 2013, 925; [X.], Beschluss vom 15. April 1982 - [X.], [X.], 673, Urteil vom 1. März 2004, aaO S. 931 und Beschluss vom 25. Januar 2017 - [X.] 567/15, NJW-RR 2017, 385 Rn. 7).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Umstand, dass die elf Seiten in zwei Teilen übermittelt worden sind, nicht zur Folge, dass die Vorgaben aus § 520 Abs. 5 ZPO in Verbindung mit § 130 Nr. 6 ZPO nicht eingehalten wären. Nach den vom Kläger vorgelegten Sendeberichten ist die Übermittlung innerhalb eines Zeitraums von sechs Minuten mit einem zeitlichen Abstand von etwa zwei Minuten erfolgt. Die Ausdrucke der in der Berufungsinstanz tatsächlich zur Akte genommenen Telefaxe enthalten am oberen Rand neben Datum und Uhrzeit der Übermittlung auch die Telefaxnummer und den Namen der Prozessbevollmächtigten des [X.]. Anhand dieser Angaben, des einheitlichen [X.], des [X.] auf Seite 1, der lesbaren Unterschrift mit maschinenschriftlicher Wiederholung des Namens der Rechtsanwältin auf der letzten Seite und angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs wäre es möglich gewesen, die zweite Sendung, die aufgrund der fortlaufenden Nummerierung der Seiten in der Fußzeile als Fortsetzung eines Schriftsatzes erkennbar war, der ersten Sendung zuzuordnen.

2. Da der Kläger demnach seine Berufung rechtzeitig und formgerecht begründet hat, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher nicht mehr zu entscheiden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. März 2017 - [X.], [X.], 831 Rn. 12 und vom 20. Juni 2017 - [X.], juris Rn. 11).

Ellenberger     

        

Grüneberg     

        

Matthias

        

Derstadt     

        

Schild von Spannenberg     

        

Meta

XI ZB 25/19

12.01.2021

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Düsseldorf, 9. November 2019, Az: 13 S 3/19

Art 103 Abs 1 GG, § 130 Nr 6 ZPO, § 520 Abs 2 S 1 ZPO, § 520 Abs 5 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2021, Az. XI ZB 25/19 (REWIS RS 2021, 9643)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9643

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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