Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.02.2022, Az. 26 W (pat) 28/21

26. Senat | REWIS RS 2022, 9627

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Gegenstand

Markenbeschwerdesache – Verfallsverfahren - Wiedereinsetzungsverfahren "KARTTEL (Wort-/Bildmarke)" – unzulässige Beschwerde – Einlegung einer Beschwerde unter einer Bedingung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 025 487 – 0290/21 Lösch

(hier: Verfallsverfahren)

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 1. Februar 2022 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], des Richters [X.] und der Richterin kraft Auftrags Dr. Rupp-Swienty

beschlossen:

1. [X.] wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag der Markeninhaberin auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Erklärung des Widerspruchs gegen den [X.] wird als unzulässig verworfen.

3. Der [X.] der Markeninhaberin wird als unzulässig verworfen.

4. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke (Blau, Rot, [X.]) Abbildung Telekommunikation" der Klasse 38.

2

Am 29. März 2021 hat die Beschwerdegegnerin die Erklärung des Verfalls und der Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 49 [X.] beantragt. Dieser Antrag nebst Aufforderung vom 21. April 2021, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung mitzuteilen, ob der beantragten Erklärung widersprochen werde, ist am 23. April 2021 als Übergabeeinschreiben an die Antragsgegnerin abgesandt worden. Ein Widerspruch ist nicht eingegangen.

3

Mit Beschluss vom 3. August 2021 hat die Markenabteilung 3.4 des [X.] die Eintragung der angegriffenen Marke für verfallen erklärt und gelöscht, weil die Markeninhaberin dem Antrag auf Erklärung des Verfalls nicht widersprochen habe. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen habe kein Anlass bestanden. Dieser Beschluss ist am 6. August 2021 als Übergabeeinschreiben an die Antragsgegnerin abgesandt und von ihr laut Sendungsverfolgung am 12. August 2021 abgeholt worden.

4

Mit Schriftsatz vom 20. August 2021, der vorab als Telefax beim [X.] an demselben Tag eingegangen ist, hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und "aus äußerster anwaltlicher Vorsorge" "hilfsweise, für den Fall, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung … zurückgewiesen werden sollte, hilfsweise" Beschwerde eingelegt, deren Gebühr am 23. August 2021 entrichtet worden ist. Zur Begründung führt hat sie ausgeführt, sie habe weder das Anschreiben des [X.] vom 21. April 2021 mit dem Antrag auf Erklärung des Verfalls und der Löschung ihrer Marke noch eine Benachrichtigung über eine Hinterlegung eines Einschreibens erhalten. Zur Glaubhaftmachung hat sie eine eidesstattliche Versicherung vom 19. August 2021 sowie den seit dem 17. März 2021 bis zum 22. Juli 2021 mit der Gegenseite geführten anwaltlichen Schriftwechsel wegen Markenverletzung vorgelegt.

5

Mit Schriftsatz vom 6. September 2021, beim [X.] eingegangen am 7. September 2021, hat die Markeninhaberin unter Bezugnahme auf ihren Antrag vom 20. August 2021, ihre "aus äußerster anwaltlicher Vorsorge" "hilfsweise, für den Fall, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung … zurückgewiesen werden sollte" "eingelegte hilfsweise Beschwerde" begründet. Sie ist der Ansicht, dass die Beschwerde gar nicht durchzuführen sei, weil der Wiedereinsetzungsantrag Erfolg habe. Deshalb sei die [X.] zu erstatten. Aufgrund des bösgläubigen und sittenwidrigen Vorgehens der Antragstellerin, die die angegriffene Marke aufgrund einer Lizenzvereinbarung mit der Antragsgegnerin zuletzt seit März 2016 für "Distribution, Marketing und Promotion von Telekommunikationsprodukten sowie Handel mit Waren aller Art, insbesondere elektronische Artikel und Zubehör, soweit keine besondere Genehmigung erforderlich ist" durchgehend benutzt habe, seien die Kosten des Verfahrens der Beschwerdegegnerin vollständig aufzuerlegen.

6

Am 9. September 2021 hat das [X.] die Beschwerde dem [X.] vorgelegt.

7

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

8

1. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Erklärung des Widerspruchs gegen den [X.] zu gewähren;

9

2. die Rückzahlung der [X.] anzuordnen;

hilfsweise,

1. den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 3. August 2021 aufzuheben;

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragstellerin hat sich weder im Amts- noch im Beschwerdeverfahren geäußert.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 16. November 2021 sind die Verfahrensbeteiligten auf die vorläufige Rechtsansicht des Senats hingewiesen worden. Keiner der Verfahrensbeteiligten hat hierzu Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die "aus äußerster anwaltlicher Vorsorge" "hilfsweise, für den Fall, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung … zurückgewiesen werden sollte," eingelegte Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Einlegung von dem Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht worden ist.

a) Die Beschwerde ist wie andere Rechtsmittel bedingungsfeindlich ([X.] (pat) 28/16 – Computereingabegerät; 12 W (pat) 14/12 – [X.] und [X.]). Generell dürfen Verfahrenserklärungen, insbesondere verfahrenseinleitende, wie z. B. Klage oder Beschwerde, nicht an Bedingungen geknüpft werden, da im Interesse der Rechtssicherheit klar sein muss, ob die Erklärung wirksam ist oder nicht. Zulässig sind nur Bedingungen, die von einem innerprozessualen Vorgang abhängig sind. Eine solche innerprozessuale Bedingung liegt hier nicht vor, denn bei der Bedingung, dass das [X.] den Wiedereinsetzungsantrag zurückweist, handelt es sich nicht um einen Vorgang innerhalb eines Verfahrens. Mit dem Beschluss des [X.] als Behörde ist das Verwaltungsverfahren vor der Exekutive beendet worden und mit der Vorlage an das [X.] hat ein neues, nunmehr gerichtliches Verfahren der Judikative begonnen.

b) Im Hinblick auf die eindeutige und wiederholte anwaltliche Erklärung sowohl im Schriftsatz vom 20. August 2021 als auch in der Beschwerdebegründung vom 6. September 2021, dass hilfsweise, für den Fall, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen werden sollte, Beschwerde eingelegt werde, ist eine Auslegung in eine unbedingte Beschwerdeeinlegung nicht möglich. Um eine Erklärung auslegen zu können, bedarf es gewisser Unsicherheiten im Ausdruck, die dann unter Zuhilfenahme weiterer Anhaltspunkte ausgelegt oder interpretiert werden können. Eine solche auslegungsfähige Willenserklärung liegt hier nicht vor.

c) Die Entrichtung der [X.] innerhalb der Beschwerdefrist kann ebenfalls nicht als unbedingte Beschwerdeeinlegung ausgelegt werden.

aa) Der als Übergabeeinschreiben am 6. August 2021 abgesandte Beschluss ist der Markeninhaberin am 12. August 2021 zugegangen. Gemäß § 94 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] gilt ein mittels Einschreiben übersandtes Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Da die Antragsgegnerin den Beschluss laut Sendungsverfolgung am 12. August 2021 abgeholt hat, ist von diesem späteren Zustellungszeitpunkt auszugehen. Die einmonatige Frist zur Zahlung der [X.] gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG hat mit der Beschlusszustellung am 12. August 2021 zu laufen begonnen und, da das Ende der Frist auf Sonntag, den 12. September 2021, gefallen ist, erst am Montag, dem 13. September 2021, geendet (§§ 82 Abs. 1 Satz 1 [X.], 222 ZPO i. V. m.§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB). Die [X.] ist mit Wertstellung vom 23. August 2021, also innerhalb dieser Monatsfrist und damit fristgemäß überwiesen worden.

bb) Aus dieser fristgerechten Einzahlung der [X.] kann aber nichtgeschlossen werden, dass die Beschwerde entgegen dem eindeutigen Wortlaut nicht hilfsweise eingelegt sein soll ([X.] a. a. O. –Automatische Döner- und [X.]).

2. Der Antrag gemäß § 91 Abs. 1 [X.] auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Erklärung des Widerspruchs gegen den [X.] gemäß § 53 Abs. 4 [X.] ist unzulässig.

a) Über diesen Wiedereinsetzungsantrag konnte das [X.] nicht entscheiden, weil es wegen der justizförmigen Ausgestaltung des Verfahrens entsprechend § 318 ZPO an seinen eigenen erlassenen Beschluss gebunden war. Diese Bindung ergibt sich auch aus den [X.] über die Abhilfe (§§ 64 Abs. 3, 66 Abs. 5 Satz 1 [X.]). Hinzu kommt, dass mit der Vorlage der Beschwerde das Verfahren auf das [X.] übergegangen ist. Dieser Devolutiveffekt lässt jegliche Entscheidungskompetenz des [X.] entfallen ([X.] 33 W (pat) 232/98 – [X.]; [X.]E 48, 33, 40 – [X.]), so dass eine Rückgabe der Sache durch das [X.] an das [X.] zur Prüfung der Abhilfe, z. B. in Fällen beantragter Wiedereinsetzung, nicht möglich ist ([X.] in: [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 66 Rdnr. 86), zumal im vorliegenden zweiseitigen Verfahren auch eine Abhilfe durch das [X.] gemäß § 66 Abs. 5 Satz 2 [X.] ausgeschlossen war.

b) Nur bei einer unbedingt eingelegten Beschwerde hätte der Senat den angefochtenen Beschluss aufheben und die Sache zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag an das [X.] zurückverweisen oder selbst über den Wiedereinsetzungsantrag entscheiden können.

III.

1. Der Kostenantrag der Markeninhaberin ist unzulässig.

Aufgrund der Unzulässigkeit der Beschwerde, die einer Sachentscheidung entgegensteht, können weder die Kostenentscheidung des [X.] noch die Berechtigung des – auf ein angeblich bösgläubiges Vorgehen der Antragstellerin gestützten – Kostenantrags der Markeninhaberin überprüft werden.

2. Der Antrag auf Anordnung der Rückzahlung der [X.] hat keinen Erfolg.

a) Die Rückzahlung der [X.] ist gemäß § 71 Abs. 3 [X.] anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Besondere Umstände für eine Rückerstattung liegen beispielsweise vor, wenn die Beschwerdeführerin durch ein verfahrensfehlerhaftes und unzweckmäßiges Verhalten oder durch eine völlig unvertretbare Rechtsanwendung des [X.] zu einer Beschwerde veranlasst wurde, die bei sachgerechter Verfahrensweise mit gewisser Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können ([X.]E 50, 54, 60 – Markenumschreibung; 26 W (pat) 534/17 – [X.]/yogiMerino).

b) Vorliegend ist das [X.], wie bereits eingehend erörtert wurde, nicht befugt gewesen, über den Wiedereinsetzungsantrag der Markeninhaberin zu entscheiden, weil es wegen der justizförmigen Ausgestaltung des Verfahrens entsprechend § 318 ZPO an seinen eigenen bereits erlassenen Beschlussgebunden war. Dem [X.] kann daher kein Fehler vorgeworfen werden. Dies gilt auch für das Verfahren vor dem Amt. Denn das [X.] ist berechtigt gewesen, die Mitteilung nach § 53 Abs. 4 [X.] mit Übergabeeinschreiben gemäß § 94 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 [X.] zuzustellen und hatte bis zum angefochtenen Beschluss vom 3. August 2021 keinen Anlass anzunehmen, dass das am 23. April 2021 abgesandte Übergabeeinschreiben, das gemäß § 94 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] seit dem 26. April 2021 als zugestellt galt, die Antragsgegnerin nicht erreicht hat.

Meta

26 W (pat) 28/21

01.02.2022

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 91 MarkenG, § 53 MarkenG, § 66 MarkenG, § 71 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.02.2022, Az. 26 W (pat) 28/21 (REWIS RS 2022, 9627)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9627

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26 W (pat) 534/17

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