Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.11.2013, Az. B 9 SB 5/13 B

9. Senat | REWIS RS 2013, 1138

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz - Übergehen eines Beweisantrags - Asperger-Syndrom - barrierefreie Begutachtung - Unzumutbarkeit eines standardisierten Explorationsgesprächs in einer Klinik - fernschriftliche Kommunikation aus vertrauter Umgebung - Mitwirkungspflicht - Schwerbehindertenrecht


Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der 1976 geborene Kläger begehrt von dem beklagten Land, bei ihm unter Aufhebung des [X.]escheides vom [X.] in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheides vom 21.9.2007 ab dem [X.] einen höheren [X.]rad der [X.]ehinderung ([X.]d[X.]) als 50 sowie die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "[X.]", "[X.]", "[X.]" und "[X.]" festzustellen und diese Feststellungen auch für die [X.] seit seiner [X.]eburt zu treffen.

2

Auf den Antrag des [X.] vom [X.] (eingegangen am [X.]) stellte das [X.] in [X.] mit [X.]escheid vom [X.] einen [X.]d[X.] von 50 wegen Autismus ab Antragstellung fest und lehnte die Zuerkennung von Merkzeichen ab. [X.]rundlage dieser Feststellung war der [X.]efundbericht der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie [X.] vom [X.] mit der Darstellung des Symptomenkomplexes eines Asperger-Syndroms sowie die versorgungsärztliche Stellungnahme des Diplommediziners [X.] vom [X.] Im anschließenden Widerspruchsverfahren hat [X.] mit Schreiben vom [X.] ausgeführt, der Kläger leide unter einer angeborenen seelischen Erkrankung, deren Einschränkungen lebenslang bestehen würden, wobei er insbesondere in seinem sozialkommunikativen Verhalten eingeschränkt sei. Aus diesem [X.]rund falle es ihm schwer, mit Menschen direkt Kontakt aufzunehmen. Ihm sei die Möglichkeit einzuräumen, Angelegenheiten mit [X.]ehörden ausschließlich schriftlich zu erledigen.

3

Eine nach versorgungsmedizinischer Stellungnahme vom [X.] für erforderlich gehaltene nervenärztliche [X.]egutachtung des [X.] durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie [X.] scheiterte, weil der Kläger nach den Ausführungen des [X.] vom [X.] eine persönliche Untersuchung abgelehnt habe. Weiter vertrat [X.] die Ansicht, der psychiatrische [X.]efundbericht von [X.] enthalte keinen aussagekräftigen psychischen [X.]efund, der es ermögliche, ein [X.]utachten nach Aktenlage zu erstellen. Unter [X.]erücksichtigung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme der Ärztin S vom [X.] wies das [X.] mit Widerspruchsbescheid vom 21.9.2007 den Widerspruch zurück.

4

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (S[X.]) [X.] (S 1 S[X.] 249/07) hat der Kläger die rückwirkende Feststellung der Merkzeichen "[X.]", "[X.]", "[X.]" und "[X.]" sowie die Feststellung eines [X.]d[X.] ab seiner [X.]eburt und eines höheren [X.]d[X.] als 50 ab [X.] geltend gemacht. Dabei hat er darauf hingewiesen, dass künftig barrierefrei mit ihm zu kommunizieren sei, nicht aber durch unzumutbare Telefonate, schnelle schriftliche Kommunikation per E-Mail, Fax, Internetjet oder ähnliche Mittel mit zeitnaher Abfolge. Nach Vorlage weiterer Arztberichte von [X.] vom 1. und 24.4.2008 sowie einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Diplommediziners Schö vom 16.7.2008 hat das S[X.] mit [X.]eweisanordnung vom [X.] (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie in M) mit der Erstattung eines [X.]utachtens auf psychiatrischem Fachgebiet nach Aktenlage, gegebenenfalls nach ambulanter Untersuchung, falls erforderlich auch im Wege eines [X.]ausbesuchs beauftragt. Nachdem [X.] eine Untersuchung in der Wohnung des [X.] abgelehnt hatte und eine ambulante Untersuchung bei [X.] wegen unterschiedlicher Auffassungen hinsichtlich einer [X.]arrierefreiheit gescheitert war, hat der Sachverständige mit [X.]utachten nach Aktenlage vom [X.] [X.] ausgeführt, dass bei dem Kläger seit der Antragstellung vom [X.] von einem Ausprägungsgrad eines Asperger-Syndroms im [X.]d[X.]-[X.]ereich von etwa 70 bis 80 auszugehen sei, allerdings unter dem Vorbehalt der Vorlage eines detaillierten Lebenslaufes mit ausführlicher Darstellung der schulischen Entwicklung einschließlich des begonnenen Studiums und der in diesem Zusammenhang realisierten Mobilität bzw sonstiger [X.] Aktivitäten einschließlich der [X.]ewältigung der notwendigen Alltagsleistungen. Eine rückwirkende Anerkennung mit gradueller Abstufung im [X.]verlauf sei ohne detaillierte biografische Informationen nicht möglich. Eine Anhebung des [X.]d[X.] auf 80 impliziere die Zuerkennung der Merkzeichen "[X.]" und "[X.]". Dazu hat sich der [X.]eklagte durch Vorlage einer am [X.] von Dr. J abgegebenen versorgungsmedizinischen Stellungnahme geäußert, wonach Menschen mit Asperger-Syndrom im allgemeinen ein eigenständiges Leben führen könnten.

5

Nach Ankündigung einer Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger zur [X.]arrierefreiheit in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben von [X.] vom 15.4.2011 vorgelegt, in dem diese [X.] ausführt, dass der Kläger aufgrund seiner festgestellten [X.]ehinderung als dauerhaft verhandlungsunfähig in [X.]ezug auf mündliche Verhandlungen bei [X.]ericht zu betrachten sei. Seine [X.]ehinderung sei auch nicht therapierbar oder ende irgendwann. [X.]ei dieser Art von [X.]ehinderung sei es allerdings möglich, die [X.]etroffenen auf schriftlichem Weg, z[X.] mittels Telefax, E-Mail oder [X.]rief, zu befragen. Aufgrund dieser [X.]ehinderung könnten die [X.]etroffenen in bestimmten Sit[X.]tionen, wie sie eine mündliche Verhandlung vor [X.]ericht darstelle, nicht in adäq[X.]ter Weise ihre eigenen Interessen vertreten. Sie könnten sich nicht in geeigneter Weise ausreichend [X.]ehör verschaffen, da in dieser Art der Vortrag nicht möglich sei. Außerdem könnten derartige Sit[X.]tionen aufgrund der Reizüberflutung zu Störungen in der Reizverarbeitung einschließlich psychischer Schmerzen führen. Mit Urteil vom 28.7.2011 hat das S[X.] nach mündlicher Verhandlung in Abwesenheit des [X.] die Klage abgewiesen und ist im Wesentlichen der [X.]egründung des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2007 gefolgt.

6

Dagegen hat der Kläger beim [X.] (LS[X.]) [X.]erufung eingelegt und die fehlende [X.]arrierefreiheit beim erstinstanzlich bestellten [X.]utachter gerügt. Im Übrigen habe [X.] festgestellt, dass ein [X.]d[X.] von 50 unter [X.]erücksichtigung der vorliegenden [X.]eschreibung der Symptomatik zu niedrig und die Zuerkennung der Merkzeichen "[X.]" und "[X.]" möglich sei. Nach [X.]eiziehung eines [X.]efundberichts der Nervenärztin [X.] vom [X.] hat das LS[X.] mit [X.]eweisanordnung vom [X.] (Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des [X.] ) zum [X.]utachter auf psychiatrischem Fachgebiet ernannt und diesen darum gebeten, das [X.]utachten auf der [X.]rundlage eines [X.]ausbesuchs zu erstatten. Im [X.]inblick auf die Weigerung des Sachverständigen, einen [X.]ausbesuch durchzuführen, hat das LS[X.] mit [X.]eschluss vom 22.6.2012 angeordnet, das [X.]utachten nach ambulanter Untersuchung zu erstatten. Der Kläger ist am 15.8.2012 zum Untersuchungstermin erschienen, hat aber die Klinik wieder verlassen, nachdem seiner [X.]egleitperson versagt worden war, bei der Untersuchung anwesend zu sein. Am selben Tage hat der Kläger dem LS[X.] mitgeteilt, dass er künftig grundsätzlich keine [X.]egutachtung mehr annehmen werde, bei der die ausführenden Personen nicht im Vorfeld schriftlich bestätigten, dass der [X.] fernschriftlich barrierefrei absolviert werden könne. Der Sachverständige hat dem LS[X.] am 17.8.2012 [X.] mitgeteilt, dass prinzipiell für die ärztliche [X.]egutachtung die persönliche Anwesenheit des Patienten bzw Probanden unabdingbar sei, sowohl für das Ausfüllen der Textbögen als auch für das Interview, einschließlich Anamnese bzw diagnostisches [X.]espräch. Dabei gelte es, eine potentielle Einflussnahme durch "Dritte" beim [X.]espräch zu vermeiden. [X.]ierzu hat der Kläger [X.] mit Schreiben vom [X.] ausgeführt, dass er keine [X.]egutachtung unrechtmäßig verweigert habe. Er habe nie behauptet, dass eine [X.]egutachtung vor Ort nicht möglich sei, sondern dass eine [X.]arrierefreiheit gewährleistet werden müsse.

7

Das LS[X.] hat sodann auf die mündliche Verhandlung vom 19.12.2012, zu der der Kläger unter [X.]inweis auf die fehlende [X.]arrierefreiheit nicht erschienen ist, nach Lage der Akten entschieden und die [X.]erufung zurückgewiesen. Das Asperger-Syndrom ([X.]) werde in der aktuellen [X.] als Störung von unsicherer nosologischer Validität durch dieselbe Form q[X.]litativer Abweichungen der wechselseitigen [X.] Interaktionen, wie für den Autismus typisch, charakterisiert, zusammen mit einem eingeschränkten, stereotypen, sich wiederholenden Repertoire von Interessen und Aktivitäten. Die Anhaltspunkte für die ärztliche [X.]utachtertätigkeit im [X.] Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (A[X.]P) und die Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) sähen für autistische Syndrome als besondere im Kindesalter beginnende psychische [X.]ehinderung in leichter Form (z[X.] Typ Asperger) einen [X.]d[X.]-Rahmen von 50 bis 80 vor, sonst von 100. Zur Einschätzung eines höheren [X.]d[X.] als 50, auch rückwirkend ab der [X.]eburt, und für die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen reichten die vorliegenden [X.]efunde nicht aus. Der Kläger habe nur einmalig am [X.] in [X.]erlin bei [X.] persönlich vorgesprochen. Dazu habe er eine ausführliche Anamnese und Selbstbeschreibung mitgebracht. Weitere sowohl medizinische als auch andere Unterlagen zur [X.]eurteilung seines [X.]esundheitszustandes habe der Kläger weder der Verwaltungsbehörde noch dem S[X.] oder dem LS[X.] zugänglich gemacht. Eine entsprechende Mitarbeit habe der Kläger gegenüber der [X.] abgelehnt. Die [X.]egründung für die Ablehnung der [X.]egutachtung durch den Kläger sei gleichfalls nicht nachvollziehbar. Dies gelte insbesondere für das [X.]egehren, im Rahmen einer ärztlichen [X.]egutachtung die [X.]e "fernschriftlich bei [X.]arrierefreiheit" zu absolvieren. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger 12 oder 13 Jahre die Schule besucht habe und sich auch bei der Psychiaterin [X.] habe persönlich vorstellen können. Entgegen der Auffassung des [X.] habe auch [X.] den [X.]d[X.] für das Asperger-Syndrom nicht mit 70 bis 80 bemessen, sondern diese Einschätzung unter dem Vorbehalt der Vorlage bestimmter Unterlagen gestellt, die der Kläger jedoch nicht eingereicht habe. Da für das Asperger-Syndrom ein [X.]d[X.]-Rahmen von 50 bis 80 vorgesehen sei, könne bei fehlendem objektivierbaren [X.]efund lediglich der Mindest-[X.]d[X.] von 50 zum Ansatz gebracht werden. Aufgrund dieser Umstände habe auch nicht festgestellt werden können, ob der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die von ihm begehrten Merkzeichen erfülle. Damit sei der Kläger letztlich seinen Mitwirkungspflichten bei der Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen nicht nachgekommen und habe sich trotz Aufforderung grundlos geweigert, dem [X.]ericht nähere Angaben zu machen. Daher seien keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen anzustellen. Der Kläger trage letztlich die objektive [X.]eweislast für das Vorliegen eines höheren [X.]d[X.] als 50 ab [X.], eines [X.]d[X.] seit seiner [X.]eburt und der Voraussetzungen der Merkzeichen "[X.]", "[X.]", "[X.]" und "[X.]" seit seiner [X.]eburt.

8

[X.]egen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim [X.]undessozialgericht ([X.]S[X.]) [X.]eschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.]) begründet. Das LS[X.] habe seine Amtsermittlungspflicht nach § 103 S[X.][X.] sowie seinen Anspruch auf rechtliches [X.]ehör verletzt.

9

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist zulässig. Der Kläger hat den geltend gemachten Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 S[X.][X.]).

Der Kläger hat zur [X.]egründung seiner auf eine Verletzung des § 103 S[X.][X.] gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nach Maßgabe des § 160 Abs 2 [X.] [X.]albs 2 S[X.][X.] einen prozessordnungsgerechten [X.]eweisantrag angegeben. Durch [X.]ezugnahme auf die gerichtliche [X.]eweisanordnung vom [X.] ist ein [X.]eweisthema iS des § 403 ZPO hinreichend dargetan worden. Ferner hat der Kläger auch dargelegt, dass das LS[X.] seinem Antrag, ein [X.]utachten unter Zugrundelegung der [X.]rundsätze der [X.]arrierefreiheit erstellen zu lassen, ohne hinreichende [X.]egründung nicht nachgekommen ist, obwohl es sich hierzu hätte gedrängt fühlen müssen.

Die [X.]eschwerde ist auch begründet. Das angegriffene Urteil des LS[X.] vom 19.12.2012 beruht iS des § 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.] auf dem vom Kläger bezeichneten Verfahrensmangel; es ist unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 S[X.][X.]) ergangen. Das LS[X.] ist dem von dem nicht anwaltlich vertretenen Kläger zuletzt mit Schriftsätzen vom 10.10. und 17.11.2012 gestellten "[X.]eweisantrag", bei ihm "eine geeignete barrierefreie [X.]egutachtung" durchzuführen, ohne hinreichende [X.]egründung, dh ohne hinreichenden [X.]rund ([X.]S[X.] [X.] 1500 § 160 [X.] 5), nicht gefolgt (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]albs 2 S[X.][X.]).

Das LS[X.] selbst ist davon ausgegangen, dass die [X.]ewertung des [X.]d[X.] und die Zuerkennung der begehrten Merkzeichen eine umfassende Feststellung aller vorliegenden, nicht nur vorübergehenden [X.]esundheitsstörungen erfordert (s zur Feststellung des [X.]d[X.] nur Urteil des [X.]S[X.] vom [X.] - [X.] 9 S[X.] 4/08 R - [X.] 4-3250 § 69 [X.] 10 Rd[X.] 18 ff). Auf dieser [X.]rundlage hat es sich auch von Amts wegen gedrängt gesehen, mit [X.]eweisanordnung vom [X.] zur [X.]eantwortung der darin gestellten [X.]eweisfragen ein [X.]utachten von [X.] erstatten zu lassen. Dabei ist zunächst ein [X.]ausbesuch und später laut Abänderungsbeschluss vom 22.6.2012 eine ambulante Untersuchung vorgesehen gewesen. Die Verpflichtung zur Aufklärung der danach für entscheidungserheblich und klärungsbedürftig gehaltenen Tatsachen hat das LS[X.] verletzt.

Von seiner selbst erkannten Verpflichtung zur vollständigen Sachverhaltsaufklärung iS von § 103 S[X.][X.] ist das LS[X.] nicht ohne Weiteres dadurch frei geworden, dass der Kläger im Rahmen der beabsichtigten Exploration am 15.8.2012 die zunächst aufgesuchte Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des [X.] wieder verlassen hat, nachdem seine [X.]egleitung dem vorgesehenen [X.]espräch nicht beiwohnen durfte. Zwar verringern sich die Anforderungen der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht (§ 103 S[X.][X.]), wenn ein [X.]eteiligter seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt (vgl dazu [X.]S[X.] [X.] 4-1500 § 144 [X.] 1 Rd[X.] 10). Mangelnde Mitwirkung entbindet das [X.]ericht jedoch nicht von der Pflicht, die noch möglichen Ermittlungen anzustellen (vgl [X.]S[X.] [X.] 4-1500 § 103 [X.] 5 Rd[X.] 14 f). Dies gilt insbesondere, wenn die vom [X.]ericht als erforderlich angesehene Mitwirkung für den [X.]eteiligten aufgrund besonderer Umstände unzumutbar ist (vgl dazu § 65 Abs 1 [X.] 2 S[X.][X.] I, s auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], S[X.][X.], 10. Aufl 2012, § 103 Rd[X.] 14a). [X.]ier liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger aufgrund einer bei ihm bestehenden Erkrankung (Asperger-Syndrom) nicht die Fähigkeit besitzt, die von ihm bislang geforderte Art und Weise der Mitwirkung bei der vom LS[X.] veranlassten [X.]egutachtung zumutbar zu bewältigen. Eine ihm zumutbare [X.]eweiserhebung hat er ausdrücklich nicht abgelehnt.

Soweit es die [X.]eantwortung von Fragebögen betrifft, welche zur Testpsychologie erforderlich sind, hat der Kläger bereits mit Schreiben vom 17.11.2012 dem LS[X.] eine Kopie des "[X.] 10" vorgelegt, welches sich mit der "Notwendigkeit barrierefreier Kommunikation" befasst und als Mindestanforderungen beschreibt, dass die körperliche [X.]egutachtung getrennt von der Kommunikation vorzunehmen sei und letztere fernschriftlich aus der vertrauten Umgebung erfolgen müsse. Vor diesem [X.]intergrund hätte sich das LS[X.] im Vorhinein gedrängt sehen müssen, mit dem Sachverständigen diese ggf zu berücksichtigenden Umstände zu klären, insbesondere zu ermitteln, welche Art der Exploration für den Kläger zumutbar ist. Dazu hat [X.] bereits mit Schriftsatz vom 15.4.2011 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger aufgrund seiner festgestellten [X.]ehinderung als dauerhaft verhandlungsunfähig in [X.]ezug auf mündliche Verhandlungen bei [X.]ericht zu betrachten sei und nicht in adäq[X.]ter Weise seine eigenen Interessen vertreten könne, da bei [X.] Vortrag eine Reizüberflutung zu Störungen in der Reizverarbeitung einschließlich psychischer Schmerzen führen könne. Ebenso hat auch der Sachverständige [X.] mit Schreiben vom 17.8.2012 unter anderem ausgeführt, dass es sich bei der Diagnose "Autismus" um eine klinische Diagnose handele, die aufgrund einer klinischen Symptomatik von einem klinischen Experten gestellt werden müsse unter zusätzlicher Überprüfung eventuell weitergehender psychiatrischer [X.]runderkrankungen.

Diesen [X.]egebenheiten hat das LS[X.] nicht hinreichend Rechnung getragen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, um den Sachverhalt weiter aufzuklären. Insbesondere liegt es nahe, dass eine auf das Krankheitsbild des [X.] abgestimmte persönliche Untersuchung des [X.] verbunden mit einer entsprechenden Exploration und Testung durchgeführt werden kann.

Auf der Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 S[X.][X.]) kann das angefochtene Urteil iS des § 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.] beruhen, denn es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung einer weiteren [X.]eweisaufnahme der Rechtsstreit einer anderen, für den Kläger günstigeren Lösung hätte zugeführt werden können.

Auf das Vorliegen weiterer Verfahrensmängel kommt es unter diesen Umständen nicht an.

Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] S[X.][X.] vorliegen, macht der Senat von der ihm durch § 160a Abs 5 S[X.][X.] eröffneten Möglichkeit [X.]ebrauch, das angefochtene [X.]erufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LS[X.] zurückzuverweisen.

Das LS[X.] wird auch über die Kosten des [X.]eschwerdeverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 9 SB 5/13 B

14.11.2013

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Chemnitz, 28. Juli 2011, Az: S 1 SB 249/07, Urteil

§ 103 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 65 Abs 1 Nr 2 SGB 1, § 69 SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.11.2013, Az. B 9 SB 5/13 B (REWIS RS 2013, 1138)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1138

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