Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.03.2022, Az. 1 WB 37/21

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2022, 2373

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Gegenstand

Anordnung häuslicher Quarantäne nach einem Auslandseinsatz


Leitsatz

Die Weisung Nr. 5 "Weisung für Maßnahmen bei Ein- und Ausreisen für im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung tätigen Personals im Zusammenhang mit der Lage COVID-19" vom 11. April 2020 ist keine unmittelbar anfechtbare truppendienstliche Maßnahme.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Befehl des Kommandeurs und ärztlichen Direktors des [X.] ..., der Antragsteller habe sich nach seiner Rückkehr aus dem Einsatzland [X.] vom 12. Juni 2020 bis zum 25. Juni 2020 in häusliche Absonderung zu begeben, rechtswidrig gewesen ist.

Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem [X.] einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem [X.] auferlegt.

Tatbestand

1

Der Antrag betrifft die Anordnung häuslicher [X.] nach einem Auslandseinsatz.

2

Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat und Facharzt für ... Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem März ... enden. Im November ... wurde er zum Oberfeldarzt befördert. Seit Juni 2006 wird er beim [X.] ... - derzeit als Oberarzt der Klinik ... im Funktionsbereich ... - verwendet. Er war mehrfach zu Auslandseinsätzen kommandiert, zuletzt vom 29. April 2020 bis zum 11. Juni 2020 nach Masar-e-Sharif.

3

Nach seiner Rückkehr aus [X.] befand sich der Antragsteller vom 12. Juni 2020 bis zum 25. Juni 2020 in häuslicher Absonderung. Nach eigenen Angaben ist ihm am 14. April 2020 vor seiner Abreise in den Einsatz durch das Lagezentrum des [X.]es ... mündlich mitgeteilt worden, er habe sich nach der Rückkehr nach [X.] in [X.] zu begeben.

4

Dem lag die Weisung Nr. 5 "Weisung für Maßnahmen bei Ein- und Ausreisen für im Geschäftsbereich des [X.] tätigen Personals im Zusammenhang mit der Lage [X.]" vom 11. April 2020 zugrunde. Diese lautet auszugsweise:

"3. Durchführung

a. (...)

[X.] (...)

I[X.] Bei Rückkehr aus Einsätzen, Missionen, [X.] sowie [X.] aus dem Ausland ist das Personal als Selbstbeschränkung der [X.] grundsätzlich und unverzüglich in Verantwortung der truppendienstlichen Vorgesetzten in eine 14-tägige häusliche [X.] zu nehmen.

(...)

c. Maßnahmen zur Koordinierung

(1) Einzelbestimmungen:

• Grundsätzlich können Rückkehrende aus Einsätzen, Missionen oder [X.] sowie [X.] aus dem Ausland mit Erreichen des [X.] und erfolgter Erfassung/Belehrung in der zentralen Aufnahmeorganisation [X.] direkt und unter Beachtung der [X.] den [X.] übergeben und in die 14-tägige häusliche [X.] gem. [X.]. 4 entlassen werden (z.B. Abholung durch Familienangehörige),

• Eine i.U./[X.] erfolgt für Angehörige [X.] unter Überwachung durch die jeweils zuständige ÜbwStÖffRechtlAufgaben des [X.] im Zusammenwirken mit den regionalen Sanitätseinrichtungen (RegSanEinr),

• Rückkehrende ohne die Möglichkeit der Wahrnehmung einer häuslichen [X.] (bspw. wegen eines Risikofalls in der eigenen Familie o.ä.) werden auf Antrag der [X.] in eine alternative (häusliche) [X.] (z.B. unter Nutzung [X.]) durch [X.] eingeschleust und betreut,

• (...)

• Ausnahmen von der i.U./häuslichen [X.] im Sinne dieser Weisung sind bei [X.] [X.] zu beantragen."

5

Ein undatiertes, vom Kommandeur und Ärztlichen Direktor des [X.]es ... unterzeichnetes Schreiben zum Betreff "Anordnung häuslicher [X.] nach Rückkehr aus dem Einsatzgebiet" gibt als Beginn der [X.] des Antragstellers den 12. Juni 2020 und als ihr Ende den 25. Juni 2020 an. Bemühungen des [X.], das Datum dieses Schreibens und seine Aushändigung an den Antragsteller festzustellen, sind ohne Erfolg geblieben.

6

Unter dem 29. Juni 2020 beschwerte sich der Antragsteller mit einem an den Kommandeur des [X.]es ... adressierten und bei diesem am 1. Juli 2020 eingegangenen Schreiben gegen seine häusliche Absonderung. Diese sei ein Eingriff in seine Grundrechte insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Form eines Hausarrestes. Die Generalklausel des § 28 [X.] rechtfertige dies nicht. Er werde anders behandelt als zivile Einreisende. Die Maßnahme sei nicht angemessen. Die [X.] sei durch § 54a [X.] nicht zu dieser Maßnahme ermächtigt.

7

Mit Bescheid vom 10. September 2020 wies der Kommandeur Gesundheitseinrichtungen im [X.] die Beschwerde zurück. Die Beschwerde richte sich gegen die undatierte Anordnung des Kommandeurs des [X.]es ... Wann diese dem Antragsteller bekanntgegeben worden sei, sei nicht feststellbar. Die Beschwerde gegen den [X.] sei aber fristgerecht. Trotz der Erledigung durch Zeitablauf sei sie nach § 19 Abs. 1 Satz 2 [X.] zulässig. Sie sei aber unbegründet. Der Kommandeur sei als Vorgesetzter dem Antragsteller [X.] gewesen. Der Befehl habe dienstlichen Zwecken - dem Schutz der Einsatzfähigkeit der [X.] - gedient, nicht gegen die Menschenwürde verstoßen und stehe im Einklang mit der Rechtsordnung, insbesondere mit § 30 Abs. 1 [X.], der nach § 54a [X.] durch die Weisung Nr. 5 konkretisiert werde. Der Befehl sei verhältnismäßig gewesen.

8

Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 28. September 2020 wies der Inspekteur des Sanitätsdienstes der [X.] mit Bescheid vom 26. Oktober 2020 zurück. Die isolierte Unterbringung des Antragstellers sei nach § 30 Abs. 1 Satz 2 [X.] rechtmäßig gewesen, weil der Kommandeur des [X.]es ... als zuständiger Vorgesetzter den Antragsteller als ansteckungsverdächtig im Sinne von § 2 Nr. 7 [X.] habe betrachten können. Jedenfalls sei die Maßnahme nach § 28 Abs. 1 Satz 1 [X.], der Maßnahmen auch gegen [X.] erlaube, gerechtfertigt. Die [X.] sei nach § 54a Abs. 1 Nr. 1 [X.] auch zuständig, da die Anordnung während der [X.] erfolgt sei und sich deshalb auch auf den Zeitraum außerhalb der [X.] erstrecken dürfe. Ein anderes Verständnis der Norm würde zu einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes führen. Die Voraussetzungen nach der Weisung Nr. 5 seien erfüllt. Der Kommandeur des [X.]es ... sei der zuständige Vorgesetzte.

9

Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 5. November 2020 hat das [X.] ... mit Beschluss vom 10. August 2021 an das [X.] verwiesen. Dieses sei sachlich zuständig, weil der Antragsteller sich gegen die Anordnung häuslicher [X.] in der Weisung Nr. 5 des [X.] wende und nicht gegen einen entsprechenden Befehl des Kommandeurs des [X.]es. Selbst wenn es ihn gegeben hätte, hätte er keine eigenständige Regelung enthalten.

Der Antragsteller macht geltend, seine Beschwerde richte sich gegen seine häusliche Absonderung. Einen schriftlichen Befehl des Kommandeurs des [X.]es ... habe er nicht erhalten. Er habe aber am 14. April 2020 im Lagezentrum des [X.]es ... mündlich die Anweisung seines Vorgesetzten erhalten, sich nach Rückkehr aus dem Auslandseinsatz in häusliche Absonderung zu begeben. Auf Nachfrage sei ihm hierzu die Weisung Nr. 5 des [X.] als Grundlage der Befehlsgebung übermittelt worden. Unklar sei, auf welche Rechtsgrundlage die Maßnahme gestützt werde. Das [X.] jedenfalls rechtfertige seine Absonderung nicht. Nach § 54a Abs. 1 Nr. 1 oder [X.] [X.] in der damals geltenden Fassung sei die [X.] nicht zu der Maßnahme befugt gewesen. Er sei auch nicht ansteckungsverdächtig im Sinne von § 2 Nr. 7 [X.] gewesen. Zum Zeitpunkt seiner Rückkehr aus dem Einsatz sei [X.] noch kein Risikogebiet gewesen. Er habe sich im Einsatzland in einer Enklave [X.] Rechts im Feldlager [X.] aufgehalten und dort der Überwachung des Infektionsschutzes unterlegen. Die Pandemielage im Feldlager sei nicht mit der Lage im übrigen Land vergleichbar. Vor seinem Rückflug sei er ärztlich untersucht worden. Bei einer Erkrankung bzw. einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht hätte er das Flugzeug gar nicht besteigen dürfen. Ein abstraktes, minimales Restrisiko rechtfertige seine Absonderung nicht. Die Voraussetzungen des § 30 [X.] lägen nicht vor. Neben dieser Spezialregelung sei § 28 [X.] nicht mehr anwendbar. Die Maßnahme sei zudem unverhältnismäßig. Er werde außerdem schlechter gestellt als zivile Einreisende aus [X.], für die es damals keine [X.]pflicht gegeben habe. Die "[X.] zu [X.]maßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus" vom 8. April 2020 und die bei seiner Einreise geltende Corona-Einreiseverordnung des [X.] ... seien zudem davon ausgegangen, dass Soldaten nach [X.] von der [X.] ausgenommen seien. Ein nicht auf das [X.] gestützter Befehl zur Absonderung verstoße gegen § 10 Abs. 4 [X.].

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die ihm gegenüber getroffene Anordnung einer häuslichen Absonderung nach Rückkehr aus einem Auslandseinsatz in [X.] rechtswidrig gewesen sei.

Das [X.] beantragt,

die Sache an das [X.] ... zurückzuverweisen,

hilfsweise den Antrag zurückzuweisen.

Der Verweisungsbeschluss sei im Sinne von § 18 Abs. 3 [X.] fehlerhaft. Gegenstand des Rechtsstreits sei der Befehl des Kommandeurs des [X.]es ... Mit der Übergabe des Schriftstückes "Anordnung häuslicher [X.] nach Rückkehr aus dem Einsatzgebiet" habe dieser dem Antragsteller einen Befehl erteilt. Zwar sei die Aushändigung an den Antragsteller nicht feststellbar. Dieser müsse aber zumindest in sonstiger Weise von dem Befehl erfahren haben. Andernfalls sei nicht erklärbar, wieso er die [X.] absolviert habe. Die Weisung Nr. 5 sei keine unmittelbar gegen den Antragsteller wirkende Maßnahme. Sie werde erst durch inhaltliche Adaption seitens des truppendienstlichen Vorgesetzten inhaltlich hinreichend bestimmt. Diesem komme Ermessen über Ort, Beginn und Ende der häuslichen Isolierung zu. Spielraum bestehe nicht nur hinsichtlich des "ob", sondern auch des "wie" der Maßnahme. Im Übrigen sei die häusliche [X.] durch den hierfür zuständigen truppendienstlichen Vorgesetzten auch nach § 10 Abs. 4 i.V.m. § 6 [X.] auf der Grundlage der Weisung Nr. 5 rechtmäßig befohlen worden. Die Anordnung sei zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der [X.] geeignet und erforderlich sowie angemessen gewesen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Akten des [X.] und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

1. Der Antragsteller hat einen konkreten Antrag formuliert. Dieser ist im Lichte seines Sachvortrages so auszulegen, dass seinem Begehren nach einer gerichtlichen Prüfung in der Sache möglichst umfangreich Rechnung getragen werden kann (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO). Dem Vorbringen des Antragstellers im Beschwerde- und im gerichtlichen Verfahren ist zu entnehmen, dass er sich gegen die Maßnahme wendet, die Grundlage seiner häuslichen Absonderung ist. Dies ist aber der dem Antragsteller mündlich erteilte Befehl seines Disziplinarvorgesetzten und nicht die Weisung [X.] des [X.], die daher auch nicht unmittelbar Gegenstand des Verfahrens ist. Mit Schriftsatz vom 6. März 2022 hat der Antragsteller klargestellt, dass sich sein Antrag nicht unmittelbar gegen diese Weisung richten soll.

Die Weisung [X.] kann nicht unmittelbar mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angegriffen werden, weil es sich nicht um eine truppendienstliche Maßnahme handelt. [X.] Anordnungen oder Weisungen, die sich an eine nachgeordnete militärische Stelle oder an einen nachgeordneten Vorgesetzten richten und gegenüber dem einzelnen Soldaten erst in Gestalt der Entscheidung des Vorgesetzten wirksam werden, stellen eine truppendienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] dar, wenn die Anordnung oder Weisung der nachgeordneten Stelle keinen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum mehr belässt (BVerwG, Beschlüsse vom 31. Januar 2018 - 1 [X.] 12.17 - [X.] 449 § 30c [X.] Nr. 2 Rn. 32 m.w.N. und vom 30. Juli 2020 - 1 [X.] 28.19 - [X.] 449 § 30c [X.] Nr. 4 Rn. 19 m.w.N.).

Eine derartige Dienstvorschrift oder Allgemeinverfügung steht hier aber nicht in Rede. Denn nach dem Wortlaut der Weisung [X.] statuiert diese nicht unmittelbar eine Pflicht von Soldaten, sich nach Rückkehr aus einem Auslandseinsatz in häusliche Absonderung zu begeben. Sie sieht vielmehr eine Pflicht truppendienstlicher Vorgesetzter vor, diese Soldaten "grundsätzlich und unverzüglich" in häusliche Absonderung "zu nehmen". Damit begründet sie unmittelbar nur die Pflicht der Vorgesetzten, die Vorgabe des [X.] in jedem konkreten Einzelfall umzusetzen. Hierbei bestehen auch Ermessensspielräume. Denn die zur Umsetzung verpflichteten Vorgesetzten haben zum einen in zeitlicher Hinsicht zu konkretisieren, wann die Absonderung beginnt und endet. Wann eine Maßnahme "unverzüglich" - also ohne schuldhaftes Verzögern - zu beginnen hat, ist von konkreten Umständen des Einzelfalles wie etwa dem genauen [X.]punkt der Rückkehr ins Inland, der Übergabe an die [X.] und der Dauer der Reise an den Wohnort abhängig. Zum anderen haben sie aber auch sachlich zu prüfen, ob die Absonderung in der privaten Häuslichkeit der Familienwohnung oder an einem anderen Ort zu erfolgen hat. Denn nach Punkt 3 c der Weisung [X.] ist auch eine anderweitige Unterbringung - etwa in einem Hotel - möglich, wenn die [X.] - etwa wegen der Erkrankung eines Familienmitgliedes - nicht in der eigenen Häuslichkeit stattfinden kann.

2. Der gegen den Befehl des Kommandeurs des [X.]krankenhauses ... gerichtete Antrag ist zulässig.

a) Der Rechtsstreit ist durch das [X.] zu entscheiden. Denn der Verweisungsbeschluss des [X.] ist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 [X.] i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 [X.] bindend.

Die Bindungswirkung ist grundsätzlich unabhängig von der sachlichen Richtigkeit der Verweisung; eine Überprüfung der Entscheidung des Truppendienstgerichts findet insoweit nicht statt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. September 2014 - 1 [X.] 50.13 - juris Rn. 9 und vom 31. März 2021 - 1 [X.] 12.20 - juris Rn. 20 sowie zu § 83 VwGO Beschluss vom 29. Juli 1996 - 1 [X.] 25.96 - juris Rn. 15). Eine Ausnahme von der Bindungswirkung kommt nach der Rechtsprechung nur ausnahmsweise bei [X.] in Betracht, die "jeder rechtlichen Grundlage entbehren" (so zu § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 1999 - 1 [X.] 80.98 - [X.] 300 § 17a GVG Nr. 16 S. 1 f., vom 15. Oktober 2013 - 1 [X.] 46.12 - [X.] 300 § 17a GVG Nr. 32 Rn. 23 und vom 31. März 2021 - 1 [X.] 12.20 - juris Rn. 21).

Von einem derart gravierenden Rechtsverstoß kann vorliegend nicht die Rede sein. Denn der Verweisungsbeschluss ist sorgfältig erarbeitet, in sich stimmig und rechtlich vertretbar.

b) Der gegen die - nach Angaben des Antragstellers am 14. April 2020 mündlich übermittelte - Anweisung des Kommandeurs und Ärztlichen Direktors des [X.]krankenhauses ..., sich im fraglichen [X.]raum in [X.] zu begeben, gerichtete Antrag ist statthaft. Die fragliche Anweisung kam hiernach nämlich von seinem truppendienstlichen Vorgesetzten nach § 1 VorgV. Daher handelt es sich um eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten durch einen militärischen Vorgesetzten mit Anspruch auf Gehorsam, mithin um einen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG.

c) Der Antragsteller kann geltend machen, durch den angegriffenen Befehl zumindest möglicherweise in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt zu sein und ist daher antragsbefugt. Im Falle eines ausgeführten oder anders erledigten Befehls ist ein Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 2 [X.] (hier in weiterer Verbindung mit § 22 [X.]) unabhängig davon zulässig, ob der betroffene Antragsteller ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dargelegt hat.

d) Der Senat ist nicht deshalb an einer Sachprüfung gehindert, weil der streitgegenständliche Befehl mangels fristgerechter Beschwerde bestandskräftig geworden wäre. Es kommt hier nicht auf die Frage an, ob der Antragsteller binnen eines Monats nach der nach seinen Angaben am 20. April 2020 erfolgten Bekanntgabe des streitgegenständlichen Befehls diesen hätte anfechten müssen oder ob er den Befehl als "[X.]" während dessen gesamter Geltungsdauer fristgerecht anfechten konnte. Denn über seine Beschwerde ist in der Sache entschieden worden, ohne dass sich die für die Entscheidung über seine Beschwerde oder die weitere Beschwerde zuständige Stelle auf die Verfristung berufen hätten. Ein etwaiger Fristmangel wäre daher jedenfalls unbeachtlich (BVerwG, Beschlüsse vom 31. August 2017 - 1 [X.] 1.16 - Rn. 18 ff. und vom 28. Februar 2019 - 1 [X.] 40.18 - juris Rn. 12).

3. Der Antrag ist auch begründet.

[X.] war zum für die rechtliche Bewertung maßgeblichen [X.]punkt seines Erlasses rechtswidrig und verletzte den Antragsteller auch in dessen Rechten (§ 19 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

a) Die Anordnung häuslicher Absonderung war nicht als Maßnahme nach dem [X.] gerechtfertigt. Denn der Kommandeur des [X.]krankenhauses ... war nicht nach § 54a Abs. 1 Satz 1 [X.] für den Vollzug des [X.]es im Geschäftsbereich des [X.] zuständig gewesen. Deshalb durfte er nicht auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 Satz 1 [X.] die häusliche Absonderung des Antragstellers wegen eines Ansteckungsverdachtes (§ 2 Nr. 7 [X.]) anordnen.

Denn zum [X.]punkt der Anordnung und während der Umsetzung der streitgegenständlichen Maßnahme galt § 54a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] noch nicht in der aktuell geltenden Fassung, nach der das [X.] gegenüber Soldaten sowohl während als auch außerhalb von deren Dienstausübung das [X.] vollzieht. Vielmehr waren nach der bis zum 18. November 2020 geltenden Fassung von § 54a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] (im Folgenden: a.F.) die zuständigen Stellen der [X.] für Maßnahmen nach dem [X.] nur zuständig, soweit es Soldaten während ihrer Dienstausübung betraf (Nr. 1) oder soweit Personen betroffen waren, die sich in ortsfesten oder mobilen Einrichtungen der [X.] aufhielten (Nr. 2). Nach § 54a Abs. 4 [X.] a.F. hatten außerhalb des Dienstes und außerhalb militärischer Liegenschaften die allgemein zuständigen zivilen Gebietskörperschaften die erforderlichen Maßnahmen nach dem 5. Abschnitt des Gesetzes - d.h. Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach §§ 24 bis 32 [X.] - im Benehmen mit den zuständigen Stellen der [X.] zu treffen.

Damit fiel die häusliche Absonderung eines Soldaten, die diesen gerade aus dem Dienstbetrieb herauslöste und - wie im Beschwerdebescheid vom 10. September 2020 erläutert - als [X.] entschuldigten Fernbleibens vom Dienst galt, nicht in die Kompetenz der [X.] zur Umsetzung des [X.]es. Eine häusliche [X.] betrifft Soldaten nicht nur während der Dienstausübung, sondern regelt einheitlich und unteilbar zugleich dessen Freizeit. Damit ist diese Maßnahme nicht allein durch die [X.] aus § 54a Abs. 1 [X.] abzudecken. Vielmehr verblieb eine häusliche [X.]anordnung nach damals geltendem Recht in der Zuständigkeit der zivilen [X.], die sich über diese Maßnahmen mit der [X.] ins Benehmen zu setzen hatten. Erst durch Art. 1 Nr. 19 des [X.] bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 ([X.]) ist mit Wirkung vom 19. November 2020 den zuständigen Stellen der [X.] der Vollzug des [X.]es auch übertragen worden, soweit er Soldaten außerhalb ihrer Dienstausübung betrifft. Die Begründung des entsprechenden Gesetzentwurfes weist aus, dass es sich keineswegs um eine deklaratorische Klarstellung der Zuständigkeiten handelte. Vielmehr war zur Sicherstellung der Einsatzbereitschaft der [X.] eine Erweiterung von deren Zuständigkeit zum Vollzug des [X.]es für Soldatinnen und Soldaten auch außerhalb ihrer Dienstausübung beabsichtigt ([X.]. 19/23944 S. 37).

Mangels [X.] der [X.] für Maßnahmen der vorliegenden Art im maßgeblichen [X.]raum kommt es auch nicht darauf an, ob diese statt auf § 30 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf § 28 [X.] gestützt werden könnte. Im Übrigen scheidet eine solche Rechtfertigung der Maßnahme schon deshalb aus, weil für eine Einreisequarantäne § 30 [X.] lex specialis ist und einen Rückgriff auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 [X.] ausschließt (vgl. [X.], [X.], 5. Aufl. 2021, § 30 Rn. 23a).

b) Der Befehl ist auch nicht nach § 10 Abs. 4 [X.] in Verbindung mit der Weisung [X.] rechtmäßig. Denn er war schon deswegen rechtswidrig, weil die Zuständigkeit für die häusliche [X.] nach dem [X.] dem örtlichen Gesundheitsamt zugewiesen war.

§ 10 Abs. 4 [X.] wäre auch in Verbindung mit der Weisung [X.] keine verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Grundlage für [X.]- bzw. Absonderungsanordnungen. Seine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung erfasst daher solche Maßnahmen nicht.

Die Anordnung der häuslichen Absonderung verpflichtete den Antragsteller, für den vom Befehl erfassten [X.]raum, seine Wohnung grundsätzlich nicht zu verlassen. Sie stellt damit einen erheblichen Eingriff in die Freiheit der Person des Antragstellers nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dar. Zwar ist ein solcher Eingriff durch oder aufgrund eines Gesetzes zulässig. Dies setzt aber zunächst voraus, dass das den Eingriff ermöglichende Gesetz das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllt, wie dies etwa in § 148 [X.] für Maßnahmen nach der Wehrdisziplinarordnung oder in § 30 Abs. 2 Satz 3 [X.] für Absonderungen nach dem [X.] geschehen ist. Für die Zuständigkeit truppendienstlicher Vorgesetzter, Befehle an Untergebene zu erteilen, sieht das Soldatengesetz eine entsprechende Bestimmung aber nicht vor. § 17a Abs. 2 Satz 2 [X.] erfüllt zwar das Zitiergebot, betrifft aber allein Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

§ 10 Abs. 4 [X.] würde auch in Verbindung mit der Weisung [X.] den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG nicht gerecht werden.

Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf (vgl. [X.], Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - [X.]E 83, 130 <142> und Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 - [X.]E 116, 24 <58>, jeweils m.w.N.). Die Tragweite dieses Grundsatzes wird durch die - in Kurzform so bezeichnete - Wesentlichkeitstheorie näher bestimmt (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - [X.]E 84, 212 <226>). Die Wesentlichkeitstheorie beantwortet nicht nur die Frage, ob überhaupt ein bestimmter Gegenstand gesetzlich geregelt sein muss; sie ist vielmehr auch dafür maßgeblich, wie weit diese Regelungen im Einzelnen gehen müssen. Grundsätzlich können zwar auch Gesetze, die zu Rechtsverordnungen und Satzungen ermächtigen, den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, die wesentlichen Entscheidungen müssen aber durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst erfolgen ([X.], Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 - [X.]E 139, 19 Rn. 54 m.w.N.). Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Je erheblicher diese in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen müssen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden ([X.], Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - [X.]E 139, 19 Rn. 55 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - NJW 2018, 1185 Rn. 42). Eine die wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit einer [X.]anordnung regelnde gesetzgeberische Grundentscheidung findet sich in § 10 Abs. 4 [X.] nicht. Diese Norm enthält keine Vorgaben für den Inhalt eines Befehls. Solche Vorgaben für Absonderungs- oder [X.]maßnahmen sind auch § 17a [X.] nicht zu entnehmen. Für den fraglichen [X.]raum konnte der Vorgesetzte auch nicht auf die Befugnis zur Umsetzung des [X.]es rekurrieren, das in § 30 [X.] den Anforderungen aus dem Wesentlichkeitsprinzip genügt. Nähere Bestimmungen über Inhalt, Zweck und Ausmaß des in Rede stehenden Eingriffes finden sich zwar in der Weisung [X.] und ihren Anlagen. Eine Weisung des [X.] genügt den Anforderungen des Wesentlichkeitsprinzips allerdings nicht, weil es sich nicht um Entscheidungen des Gesetzgebers handelt.

4. [X.] beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.].

Meta

1 WB 37/21

31.03.2022

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 18 Abs 3 WBO, § 21 Abs 2 S 1 WBO, § 10 Abs 4 SG, § 11 SG, § 30 Abs 1 S 2 IfSG, § 54a IfSG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.03.2022, Az. 1 WB 37/21 (REWIS RS 2022, 2373)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2373

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

7 U 200/21

7 U 15/22

Zitiert

2 BvR 669/04

1 BvR 402/87

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