Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.11.2011, Az. VIII R 5/08

8. Senat | REWIS RS 2011, 1224

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Gegenstand

(Gewinnbegriff des § 4 Abs. 4a EStG - Wechsel der Gewinnermittlungsart - Ungleichbehandlung - Verfassung)


Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Personengesellschaft (GbR), die im Streitjahr 1999 von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --[X.]--) zur Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 [X.]) überging und (zunächst) einen festzustellenden Gewinn von 312.967,22 DM erklärte. Dieser Gewinn beruhte u.a. auf der Einnahmenüberschussrechnung, in der Schuldzinsen in Höhe von [X.] DM als Betriebsausgaben abgezogen waren, sowie der Ermittlung eines --unstreitigen-- Übergangsverlustes wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart in Höhe von 606.285,72 DM.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) ging (zunächst) davon aus, dass der erklärte Gewinn um einen Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a [X.] in Höhe von 37.083,65 DM zu erhöhen sei (Gewinn 312.967,32 [X.] Entnahmen 931.028,21 DM = Überentnahmen 618.060,89 DM x 6 % = 37.083,65 DM). Demgemäß stellte er die Einkünfte im erstmaligen Feststellungsbescheid 1999 unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung auf 350.050 DM fest.

3

Die Klägerin beantragte, den Bescheid unter Ansatz eines Gewinns ohne die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a [X.] zu ändern. Insgesamt seien [X.] in Höhe von 67.617,78 DM entstanden. Der Übergangsverlust sei bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a [X.] nicht einzubeziehen. Ferner seien Einlagen aus Sonderbilanzen der Gesellschafter (79.392,95 DM) zu berücksichtigen.

4

Das [X.] lehnte den Änderungsantrag ab. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte nur teilweise Erfolg. Das [X.] stellte die Einkünfte mit seiner Einspruchsentscheidung --weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung-- auf 347.980,34 DM fest. Es ging dabei von einem Gesamtgewinn vor Anwendung des § 4 Abs. 4a [X.] in Höhe von 313.851,34 DM aus und erhöhte ihn um einen Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a [X.] in Höhe von 34.129 DM. Den Hinzurechnungsbetrag ermittelte das [X.] ausgehend von der bereits um Einlagen gekürzten "Summe der Entnahmen" (882.667,95 DM), dem Gewinn vor Anwendung des § 4 Abs. 4a [X.] (313.851,34 DM) und den sich daraus ergebenden Überentnahmen für das Streitjahr 1999 (568.816,61 DM). Die dagegen erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) als unbegründet ab.

5

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Selbst wenn man von der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a [X.] ausgehe, müsse die Vorschrift teleologisch dahingehend ausgelegt werden, dass bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 [X.] Entnahmen auch in der Höhe zulässig seien, in der Gewinne wirtschaftlich bereits erwirtschaftet worden seien, aber als Betriebseinnahme nach § 11 [X.] noch nicht hätten erfasst werden können.

6

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Feststellungsbescheid für 1999 vom 15. Dezember 2004 unter Aufhebung des [X.] vom 19. April 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2004 in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte i.S. des § 18 [X.] in Höhe von 313.851,34 DM festgestellt werden und der Gewinn entsprechend dem erstinstanzlich gestellten Antrag auf die Feststellungsbeteiligten verteilt wird.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat § 4 Abs. 4a [X.] zutreffend angewendet.

9

1. Nach § 4 Abs. 4a [X.] i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999) vom 22. Dezember 1999 ([X.], 2601, [X.], 13) sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert ermittelt mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen).

Mit der inzwischen ständigen Rechtsprechung geht der erkennende Senat zunächst davon aus, dass § 4 Abs. 4a [X.] verfassungsgemäß ist (vgl. Urteile des [X.] --BFH-- vom 21. September 2005 [X.], [X.], 227, [X.], 504; vom 17. August 2010 VIII R 42/07, [X.], 424, [X.], 1041; [X.] vom 13. Februar 2009 [X.]/08, [X.], 920 unter Bezugnahme auf Beschluss des [X.] vom 15. Januar 2008  2 BvL 12/01, [X.] 120, 56, [X.], 481).

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin unterscheidet sich der [X.] in § 4 Abs. 4a [X.] mangels einer besonderen Bestimmung in dieser Vorschrift nicht von dem allgemeinen [X.] in § 4 Abs. 1 [X.] und § 4 Abs. 3 [X.] (BFH-Urteile vom 21. September 2005 [X.], [X.], 238, [X.], 125; vom 7. März 2006 [X.], [X.], 501, [X.], 588; [X.] vom 12. Dezember 2007 XI B 158/06, juris; ebenso Schreiben des [X.] --BMF-- vom 17. November 2005 [X.], [X.], 1019 [X.]. 8; [X.], § 4 [X.] [X.] 840; [X.]/[X.], [X.], 24. Aufl., § 4 [X.] 523; [X.] in Kirchhof, [X.], 7. Aufl., § 4 [X.] 163; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 4 [X.] [X.] 1057; Nacke in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, §§ 4, 5 [X.], [X.] 1657; [X.], [X.] --[X.]-- 2000, 417, 423, 424; [X.], [X.] 2000, 957, 960; [X.]/Querbach, [X.], 408, 411; [X.], [X.], 301, 303; Eggesiecker/ [X.], [X.] 2000, 689, 692; a.[X.], [X.], Fach 3, S. 11167, 11172). Für diese Auslegung der Vorschrift sprechen der Wortlaut der Bestimmung und der Sinn und Zweck des Gesetzes (vgl. BFH-Urteil in [X.], 501, [X.], 588).

3. Diese Maßgeblichkeit des Gewinns i.S. des § 4 Abs. 1 und 3 [X.] für die Anwendung des Absatzes 4a kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch dann keine Einschränkung erfahren, wenn dieser wegen Wechsels der Gewinnermittlungsart einen Übergangsgewinn oder --wie im [X.] einen Übergangsverlust umfasst.

a) Dagegen spricht schon, dass eine solche Sonderbehandlung von [X.] in § 4 Abs. 4a [X.] nicht vorgesehen ist, im Übrigen aber jeweils unterschiedliche Ausnahmen von der Bindungswirkung an den allgemeinen [X.] in § 4 Abs. 4a Satz 3 [X.] sowohl in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung als auch i.d.[X.] zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2001) vom 20. Dezember 2001 ([X.], 3794, [X.], 4) benannt werden.

b) Des Weiteren weisen derartige Übergangsverluste keine Besonderheiten auf, die eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 4a [X.] im Sinne des Klagebegehrens nahe legen.

aa) Die Einbeziehung solcher Übergangsverluste --wie auch ggf. entstehender Übergangsgewinne-- dient allein dem Zweck, den Gewinn für das Wirtschaftsjahr des Wechsels der Gewinnermittlungsart so zu ermitteln, dass das Gesamtergebnis des unternehmerischen Erfolgs durch den Wechsel nicht verfälscht, sondern durch Korrekturen derart festgestellt wird, dass dem Steuerpflichtigen durch den Übergang weder steuerliche Vor- oder Nachteile erwachsen (BFH-Urteil vom 4. August 1977 IV R 119/73, [X.], 154, [X.] 1977, 866, zum Übergang vom [X.] zur Überschussrechnung). Mit diesen Gewinnkorrekturen wird lediglich sichergestellt, dass betriebliche Vorgänge wie Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben erfasst werden, die ohne diese Korrekturen wegen der unterschiedlichen Systematik des [X.]s einerseits und der Einnahmenüberschussrechnung andererseits nicht oder aber doppelt erfasst würden (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1973 [X.], [X.], 404, [X.] 1974, 315; zur entsprechenden Behandlung des Übergangsgewinns bei Wechsel von der Einnahmenüberschussrechnung zum [X.] s. BFH-Urteil vom 13. September 2001 [X.], [X.], 546, [X.] 2002, 287, m.w.N.).

bb) Der so durch Übergangsgewinne oder -verluste korrigierte Gewinn ist "Gewinn" i.S. des § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 [X.] und als solcher für alle einkommensteuerrechtlichen Regelungen maßgeblich, die an den "Gewinn" anknüpfen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 1990 IV R 39/89, [X.], 502, [X.] 1990, 495, zur Maßgeblichkeit für die Steuerermäßigung des § 34e [X.]; zur entsprechenden Maßgeblichkeit für die Berechnung des begünstigten nicht entnommenen Gewinns nach § 10a [X.] a.F. s. auch BFH-Urteil vom 25. Juni 1970 [X.], [X.], 531, [X.] 1970, 755).

cc) Für den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a [X.] gilt nichts anderes. Entgegen der Auffassung der Klägerin muss die Regelung nämlich nicht bei der Gewinnermittlung durch [X.] und der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 [X.] stets zum gleichen Ergebnis führen. § 4 Abs. 4a [X.] ist auf die Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 [X.] sinngemäß anzuwenden (§ 4 Abs. 4a letzter Satz [X.]). Durch die unterschiedliche Gewinnermittlung ergeben sich in einzelnen Jahren unterschiedliche Beträge. Daher sind beim Wechsel der Gewinnermittlungsart anfallende Übergangsgewinne zu berücksichtigen (BFH-Urteil in [X.], 424, [X.], 1041; ebenso BMF-Schreiben in [X.], 1019 [X.]. 8). Soweit ein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlung besteht, obliegt es dem Steuerpflichtigen, das für ihn günstige Verfahren zu wählen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Folgen der Anwendung des § 4 Abs. 4a [X.] auf nach § 4 Abs. 1 oder nach § 4 Abs. 3 [X.] ermittelte Gewinne (BFH-Urteile in [X.], 227, [X.], 504; in [X.], 424, [X.], 1041), mit der Folge, dass die von der Klägerin gerügte Ungleichbehandlung durch die Wahl der Gewinnermittlungsart vermieden werden kann und schon deshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu verneinen ist.

Meta

VIII R 5/08

22.11.2011

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 22. März 2007, Az: 16 K 4797/04 F, Urteil

§ 4 Abs 4a EStG 1999 vom 22.12.1999, Art 3 Abs 1 GG, § 4 Abs 1 EStG 1999, § 4 Abs 3 EStG 1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.11.2011, Az. VIII R 5/08 (REWIS RS 2011, 1224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1224

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