Bundessozialgericht, Urteil vom 22.03.2012, Az. B 4 AS 16/11 R

4. Senat | REWIS RS 2012, 7821

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Angemessenheit der Unterkunftskosten - Wohnflächengrenze für einen Zweipersonenhaushalt in Baden-Württemberg - Fehlen eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers - Anwendung der Wohngeldtabelle nur bei fehlenden Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts - Sicherheitszuschlag von 10%


Leitsatz

Kosten der Unterkunft nach dem SGB 2 können nur dann nach der Wohngeldtabelle unter Berücksichtigung eines Zuschlags in Höhe von 10 vH festgesetzt werden, wenn ein Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten für den konkret bestimmten Vergleichsraum festgestellt worden ist.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 22. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung im [X.]raum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006.

2

Die verheirateten Kläger leben seit 24 Jahren in der [X.]emeinde [X.] (ca 11 000 Einwohner) im [X.]. [X.] grenzt direkt an das [X.]gebiet der [X.] [X.] (ca 220 000 Einwohner), die den [X.]kreis [X.] bildet. Die Kläger bewohnen seit 2004 eine knapp 80 qm große, ihrem [X.] gehörende Drei-Zimmer-Wohnung, für die sie eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 572 Euro entrichten. Der Beklagte bewilligte seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem S[X.]B II unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU und Heizung (Bescheid vom 27.11.2004), wies die Kläger aber gleichzeitig darauf hin, dass die Wohnung unangemessen teuer sei und die tatsächlichen Unterkunftskosten nur für eine Übergangszeit von längstens sechs Monaten übernommen werden könnten. Ab [X.] könne nur noch ein Betrag in Höhe von 306,60 Euro entsprechend einem Mietpreis von 5,11 Euro/qm für eine 60 qm große Wohnung in einem Zweipersonenhaushalt als Kaltmiete anerkannt werden. Einen erneuten Hinweis auf die für angemessen erachtete Miete sowie zur Senkung der Unterkunftskosten enthielt der Bescheid des Beklagten vom [X.], mit dem Leistungen für die [X.] vom 1.6.2005 bis 30.11.2005 bewilligt wurden. Der Antrag der Kläger auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 11.11.2005 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006, mit dem der Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2005 bis [X.] nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro monatlich zuzüglich Nebenkosten bewilligte, war ohne Erfolg (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom [X.] bis 30.11.2006 erkannte der Beklagte gleichfalls nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro an (Bescheid vom 24.5.2006; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

3

Das S[X.] hat den Beklagten unter Änderung der Bewilligungsbescheide und Aufhebung des Bescheids vom [X.] in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem S[X.]B II für den [X.]raum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 572 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom [X.]). Ihnen sei es nicht möglich gewesen, die Wohnkosten auf das tatsächlich angemessene Maß zu senken, weil sie von dem Beklagten nicht zutreffend belehrt worden seien.

4

Das LS[X.] hat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des S[X.] verurteilt, den Klägern im [X.]raum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem S[X.]B II unter Zugrundelegung von Unterkunftskosten einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von monatlich 446,25 Euro zu gewähren, im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung liege vor. Der Beklagte habe in dem vorliegend streitigen [X.]raum aber kein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen KdU und Heizung. Der von ihm angenommene Quadratmeterpreis beruhe auf Erfahrungen, Bestätigung durch die sozialhilferechtliche Rechtsprechung zum BSH[X.], Beobachtung des Wohnungsmarktes und der Berücksichtigung des [X.]er Mietspiegels. Für den [X.] existiere kein Mietspiegel. Für den streitigen [X.]raum von 12/2005 bis 11/2006 könne der Beklagte - auch unter Mithilfe des [X.]erichts - ein schlüssiges Konzept nicht mehr erarbeiten oder ein bisheriges Konzept durch Verfeinerung bzw Ergänzung der Datenerhebung verändern. Auch das [X.]ericht könne unter Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und -mittel im Rahmen der Amtsermittlung, insbesondere auch Einholung eines Sachverständigengutachtens, für die inzwischen vier bzw fünf Jahre zurückliegenden [X.]räume weder ein schlüssiges Konzept noch eine entsprechende Datengrundlage ermitteln. Es seien daher grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen der Kläger, "nach oben" begrenzt durch die Tabellenwerte zu § 8 Wo[X.][X.] (Höchstbetrag der Tabelle), maßgebend, die um einen - hier angemessenen fünfprozentigen - "Sicherheitszuschlag" zu erhöhen seien. Für die Höhe des Zuschlags sei maßgeblich, dass der Ort [X.] einerseits zu einem eher ländlich geprägten [X.] im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehöre und andererseits die bestehende räumliche und infrastrukturelle Verbindung zur [X.]roßstadt [X.] aufweise. Ein Vergleich mit dem Mietspiegel der [X.] [X.] ergebe, dass der Zuschlag angemessen sei. Soweit die Aufwendungen der Kläger den angemessenen Mietpreis von 446,25 Euro überstiegen, handele es sich um unangemessene Kosten, die grundsätzlich nicht mehr übernommen würden. Der Senat habe den von den Klägern im Schriftsatz vom 21.6.2010 sowie in der mündlichen Verhandlung vom [X.] gestellten Beweisanträgen nicht nachgehen müssen, weil diese unzulässig seien.

5

Mit ihren Revisionen machen die Kläger eine Verletzung von § 22 S[X.]B II, §§ 103, 128 S[X.][X.] geltend. Der Beklagte habe im streitigen [X.]raum die tatsächliche Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 572 Euro zu übernehmen. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten festgesetzte [X.] fehlerhaft sei. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung, weil dieser Wert auch dort genannt werde mit der Folge, dass die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis komme, dass die fehlerhaft bezifferte [X.] "nicht ursächlich" dafür sei, dass sie keine angemessene Wohnung gefunden hätten, weil sie gar nicht versucht hätten, eine andere Wohnung zu finden oder die Kosten zu senken, sei dies schlicht falsch. Sie hätten sich - wie ihre Dokumentation belege - umfangreich um eine günstigere Wohnung bemüht. Das LS[X.] habe es versäumt, sachgerechte Ermittlungen zur Situation auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt im streitigen [X.]raum anzustellen, obwohl umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe (Hinweis auf [X.]utachten zum Mietspiegel 2007 der [X.] [X.] i.Br., [X.]emeinderatsdrucksache [X.]-09/024, Untersuchung des [X.] der [X.] [X.] i.Br. aus 2004, Untersuchung des "Runden Tisches" der [X.] [X.] i.Br. aus 2006 und Studie des [X.] von 2008). Ein Rückgriff auf § 8 Wo[X.][X.] sei deshalb unzulässig. Bei Auswertung der Erkenntnisquellen hätte das Berufungsgericht festgestellt, dass die tatsächlichen KdU angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 S[X.]B II gewesen seien.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des [X.] vom 22. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 18. Juli 2008 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LS[X.] im Wesentlichen für zutreffend. Die [X.] [X.] i.Br. sei als Referenz- und Vergleichsmaßstab für den [X.] nicht tauglich.

Entscheidungsgründe

9

Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 [X.] S[X.][X.]).

1. [X.]egenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom [X.] in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag der Kläger in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 11.11.2005 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 betreffend die KdU und Heizung für die [X.] vom 1.12.2005 bis [X.] abgelehnt hat. Weiterer Verfahrensgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 24.5.2006 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], wobei auch hier nur höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung für die [X.] vom [X.] bis 30.11.2006 im Streit sind. Bei den Leistungen der Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des [X.]esamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur [X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - [X.], 217 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8 f; vgl zur Nichtberücksichtigung der Neufassung des § 19 Abs 1 S[X.]B II durch das [X.]esetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011 zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte: [X.] vom 13.4.2011 - B 14 [X.]/10 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]1).

2. Ob die Kläger einen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des [X.] vom 11.11.2005 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 nach § 40 Abs 1 S 1 S[X.]B II iVm § 44 [X.] und damit verbundenen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die [X.] vom 1.12.2005 bis [X.] sowie für die [X.] vom [X.] bis 30.11.2006 in Abänderung des Bescheides vom 24.5.2006 in der [X.]estalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] haben, lässt sich aufgrund der Feststellungen des [X.] nicht abschließend entscheiden. Zwar sind die Kläger Berechtigte iS des § 7 Abs 1 S[X.]B II (idF des [X.] vom 30.7.2004, [X.]), weil dem [X.]esamtzusammenhang der Ausführungen des [X.] zu entnehmen ist, dass sie im streitigen [X.]raum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Abs 1 S 1 [X.] S[X.]B II), erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 [X.]) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 [X.]) waren und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] hatten (§ 7 Abs 1 S 1 [X.]). Es fehlen jedoch Feststellungen sowohl zu den KdU als auch zu den Heizkosten.

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 S[X.]B II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche [X.] zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist ([X.], 231 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]4; [X.] [X.]-4200 § 22 [X.]7 , Rd[X.]5; [X.] vom 20.12.2011 - [X.] AS 19/11 R , Rd[X.]4, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen).

Zwar reichen die Feststellungen des [X.] zur angemessenen Wohnfläche (3) sowie zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts des [X.] (4) aus, nicht jedoch diejenigen zum Erkenntnisausfall zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (5). Das [X.] ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Kostensenkungsaufforderungen des [X.] nicht bereits zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit der Kostensenkung führen (6). Sollte das [X.] - nach weiterer Prüfung - auf die Tabellenwerte nach § 8 [X.] zurückgreifen, ist die Höhe des vom [X.] zu den Tabellenwerten erhobenen Zuschlags zu korrigieren (7).

3. Das [X.] ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Das [X.] hat keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift des [X.] zur Sicherung von Bindungen in der [X.] Wohnraumförderung vom 12.2.2002 ([X.]ABl [X.], idF vom [X.], [X.]ABl [X.]) für [X.] von einer Wohnfläche von 60 qm auszugehen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der [X.] nach § 22 Abs 1 S[X.]B II anzuknüpfen.

4. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 S[X.][X.]) lag dem von dem [X.] im streitigen [X.]raum im [X.] als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges Konzept zugrunde, das den Anforderungen der Rechtsprechung des [X.] gerecht wird (vgl nur [X.] 104, 192 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8 ff). Die weitere Feststellung des [X.], dass sich für den streitigen [X.]raum eine entsprechende Datengrundlage zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete nicht mehr ermitteln lässt und insofern ein Erkenntnisausfall vorliegt, reicht für eine Überprüfung durch den Senat aber nicht aus.

5. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des [X.]rundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich betont, dass es im Wesentlichen Sache der [X.]rundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept zu ermitteln ([X.] [X.]-4200 § 22 [X.]7 , Rd[X.]3; [X.] 104, 192 = [X.]-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]6; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - [X.] AS 19/11 R , Rd[X.]1). Insbesondere für weit zurückliegende [X.]räume (vgl zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten etwa durch [X.]ablauf [X.] 104, 192 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]7) brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden. Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der [X.]rundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das [X.]ericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat.

Hieran fehlt es vorliegend. Zwar können die Feststellungen des [X.], dass ein Mietspiegel und weitere Erkenntnismöglichkeiten und -mittel nicht vorhanden seien, insbesondere - hier - auch ein Sachverständigengutachten für die inzwischen mehrere Jahre zurückliegenden [X.]räume nicht mehr eingeholt werden könne, einen Rückgriff auf die Tabellenwerte des [X.] rechtfertigen. Den Ausführungen des [X.] kann jedoch nicht zweifelsfrei entnommen werden, auf welchen [X.] sich diese Feststellungen beziehen, inwieweit es im streitigen [X.]raum - also den Jahren 2005 und 2006 - konkret an einer hinreichenden Datengrundlage fehlt und hierauf aufbauend, warum hierdurch wiederum die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts für die hier denkbaren Vergleichsräume ausscheidet. Obgleich hierzu im sozialgerichtlichen Verfahren von den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen vertreten worden sind, hat das [X.] im Ergebnis offen gelassen, wie sich der [X.] im konkreten Fall darstellt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls die [X.]emeinde [X.] als Wohnort der Kläger Teil des [X.]s ist, muss das [X.] als Tatsacheninstanz anhand der allgemeinen rechtlichen Vorgaben für die Festlegung des [X.]s (vgl hierzu [X.] 102, 263 = [X.]-4200 § 22 [X.]9 , Rd[X.]0 ff; [X.] [X.]-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]4) bestimmen, ob hier weitere Umlandgemeinden, Teile von [X.] bzw das gesamte Stadtgebiet von [X.] in die Festlegung des [X.]s einzubeziehen sind. Nur vor diesem Hintergrund ist erkennbar, ob die Feststellung des Erkenntnisausfalls auf einem zutreffenden rechtlichen Maßstab zur Bestimmung eines [X.]s erfolgt ist. Das [X.] wird mithin im wiedereröffneten Berufungsverfahren zunächst den [X.] zu bestimmen haben.

6. Der Senat folgt dem Berufungsgericht aber darin, dass die Kostensenkungsaufforderung des [X.] nicht zur Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Kostensenkung führt.

Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene [X.] überschreiten, sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 [X.] S[X.]B II idF des Vierten [X.]esetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom [X.], B[X.]Bl I 2954, der durch die Einführung des neuen [X.] durch das [X.]esetz zur Fortentwicklung der [X.]rundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] - B[X.]Bl I 1706 - ohne inhaltliche Änderung zu [X.] wurde). Die Kläger wurden mit den [X.] vom 27.11.2004 und [X.] durch die Angabe der aus Sicht des [X.] angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 306,60 Euro sowie über die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die [X.]rundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des [X.] bereits mehrfach entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 [X.] S[X.]B II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen ([X.], 231 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]9; [X.] [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]0 ff; [X.] 102, 263 = [X.]-4200 § 22 [X.]9 , jeweils RdNr 40; [X.] [X.]-4200 § 22 [X.]7 , Rd[X.]6). Der Streit darüber, ob die vom [X.]rundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 S[X.]B II abstrakt angemessen sind ([X.] vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, Rd[X.]4).

7. Kommt das [X.] im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten [X.] nicht erarbeitet werden kann, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 [X.] (bzw für [X.]räume ab 1.1.2009 § 12 [X.]) im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im [X.] losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl § 5 Abs 1 [X.] aF bzw nunmehr § 9 Abs 1 [X.]) nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 [X.] auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen ([X.] [X.]-4200 § 22 [X.]9, Rd[X.]7 im [X.] an [X.], 254 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]3; [X.] [X.]-4200 § 22 [X.]6, Rd[X.]1). Der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden, wie hoch die angemessene [X.] tatsächlich ist ([X.] [X.]-4200 § 22 [X.]9, Rd[X.]7).

Vor diesem Hintergrund ist das [X.] vorliegend von unzutreffenden Kriterien zur Bestimmung des Zuschlags ausgegangen. Die in § 8 [X.] festgeschriebenen Werte erheben nicht den Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Sinn und Zweck des [X.] liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen Teil zu übernehmen (vgl [X.]/[X.]utekunst/ [X.]/Fröba, [X.], Loseblatt, 65. Lfg Mai 2011, § 12 Rd[X.]3). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 [X.] aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den [X.] und dem Einkommen. Übersteigt die tatsächliche Miete den in § 8 [X.] festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der [X.] außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 S[X.]B II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist.

Bei der Bestimmung des Zuschlages ist daher zu beachten, dass es sich nicht um eine einzelfallbezogene Anwendung auf einen konkreten, tatsächlichen Sachverhalt, die dem [X.] unter Beachtung der Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarktes obliegt, handelt. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien festzulegen. Ein Rückgriff auf die regionalen Verhältnisse kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil gerade erst der Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten im räumlichen Vergleichsgebiet zur Anwendung von § 8 [X.] führt. Bereits durch die jeweiligen im [X.] verankerten Mietenstufen fließen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden KdU ein. In Anbetracht dessen erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 8 [X.] (rechte Spalte) einen Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen, aber auch ausreichend (vgl [X.], 254 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]3; ebenfalls 10 % bejahend: [X.] Niedersachsen-Bremen Urteil vom [X.] - L 7 AS 494/05; Urteil vom 11.3.2008 - L 7 A[X.]32/07; [X.] Nordrhein-Westfalen Urteil vom [X.]> [X.] 37/07; [X.] Sachsen-Anhalt Urteil vom [X.] AS 4/08; Hessisches [X.] Urteil vom 20.12.2010 - L 9 A[X.]39/08; [X.] Sachsen Anhalt Urteil vom 3.3.2011 - L 5 AS 181/07; Schleswig-Holsteinisches [X.], Urteil vom 30.9.2011 - L 3 AS 17/09; [X.] Berlin-Brandenburg Urteil vom 8.12.2011 - L 25 AS 1711/07).

8. Da es das [X.] unterlassen hat, Feststellungen zu den angemessenen Heizkosten zu treffen, kann der Senat die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen für die Heizung nicht überprüfen. Das [X.] wird deshalb im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch die getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben.

Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 4 AS 16/11 R

22.03.2012

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 18. Juli 2008, Az: S 12 AS 3407/06, Urteil

§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 24.12.2003, § 8 Abs 1 WoGG 2 vom 07.07.2005, § 103 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 22.03.2012, Az. B 4 AS 16/11 R (REWIS RS 2012, 7821)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7821

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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