Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.10.2012, Az. 2 StR 529/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 2180

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Gegenstand

Voraussetzungen eines Bandendiebstahls: Annahme eines Bandendiebstahls auch bei Ausführung des Diebstahls durch nur zwei von drei Bandenmitgliedern; Abgrenzung zur Mittäterschaft


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. Juni 2011 werden als unbegründet verworfen.

Die Angeklagten B.     und E.     haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten [X.]die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]     wegen schweren [X.]s in zehn Fällen, versuchten schweren [X.]s in drei Fällen, Diebstahls in zwei Fällen und [X.]ihilfe zum Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten E.    wegen schwerer räuberischer Erpressung, schweren [X.]s in vier Fällen und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten S.     wegen schwerer räuberischer Erpressung, schweren [X.]s in sieben Fällen, versuchten schweren [X.]s, Diebstahls in vier Fällen, Wohnungseinbruchsdiebstahls und versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg. Der frühere Mitangeklagte [X.].    hat sein Rechtsmittel zurückgenommen.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s begingen die Angeklagten E.    und S.      sowie der gesondert verfolgte [X.] am 30. Dezember 2009 einen Überfall auf den [X.] in [X.]     , bedrohten mehrere Mitarbeiter mit einer Scheinwaffe und erzwangen die Herausgabe von 18.520 Euro (Fall [X.] der Urteilsgründe).

3

Im Zeitraum vom 7. November 2010 bis zum 7. Januar 2011 kam es zu einer Reihe von [X.], die zum Teil bandenmäßig begangen wurden. Zur [X.] und der bandenmäßigen Tatbegehung hat das [X.] festgestellt:

4

Die Angeklagten sowie der frühere Mitangeklagte [X.].    wohnten alle in [X.]    , kannten sich seit Jahren und verbrachten weitgehend die Freizeit miteinander sowie mit weiteren Heranwachsenden. Im [X.] 2010 waren sich die Angeklagten [X.]    , E.     und S.    , ab einem Einbruch in eine Postfiliale in [X.]    in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember 2010 (Fall [X.]II.12 der Urteilsgründe) auch der frühere Mitangeklagte [X.].   , stillschweigend darüber einig, dass sie bei sich bietenden Gelegenheiten, gegebenenfalls in wechselnder [X.]teiligung und unter Mitwirkung weiterer [X.]teiligter, [X.] begehen wollten, um sich eine laufende Einnahmequelle zu verschaffen. Die Taten sollten vornehmlich unter Einbruch in Bäckereien oder anderen gewerblich genutzten Gebäuden begangen werden, in denen [X.] vermutet wurde. [X.] wurden im Auto oder an für die Bandenmitglieder zugänglichen Orten bereitgehalten. Einbrüche wurden mit unterschiedlicher [X.]teiligung der Bandenmitglieder, zum Teil auch unter Mitwirkung weiterer Personen, begangen. Teils wurden die [X.] gezielt ausgewählt, teils erfolgten die Einbrüche aus einem spontanen Entschluss heraus.

5

Daneben wurden vollendete oder versuchte [X.] oder [X.] von einzelnen der Angeklagten begangen, ohne dass es sich dabei um Bandentaten handelte. Das [X.] hat insgesamt 24 [X.] der verschiedenen Kategorien festgestellt. Ab Fall [X.]II.4 der Urteilsgründe hat es schweren [X.] im Sinne von § 244a StGB oder versuchten schweren [X.] angenommen, soweit mindestens zwei der Angeklagten oder der frühere Mitangeklagte [X.]. als Bandenmitglied am Tatgeschehen beteiligt waren. Im Übrigen ist das [X.] von [X.] nach §§ 242, 243 Abs. 1, 244 StGB ausgegangen.

6

Unter anderem hat das [X.] im Fall [X.]II.12 der Urteilsgründe versuchten schweren [X.] des Angeklagten [X.]     und - dann erstmals als Bandenmitglied - auch des früheren Mitangeklagten [X.].   angenommen. In diesem Fall hatten [X.]     und [X.].    sowie die gesondert verfolgten H.   [X.]    und [X.]in der Nacht vom 13. zum 14. Dezember 2010 vor der Postfiliale in [X.]     eine Schneeballschlacht veranstaltet. Dabei ging eine Fensterscheibe zu Bruch. Die Gruppe beschloss, die Gelegenheit zu einem Einbruch zu nutzen. Telefonisch wurde der gesondert verfolgte [X.]   O.    herbeigerufen, der zusammen mit [X.].   Schmiere stand, während der Angeklagte [X.]     und H.   [X.]     sowie [X.]das Fenster mit der zerbrochenen Scheibe öffneten und in die Postfiliale eindrangen. Dort versuchten sie, eine Bürotür mit einem Gullydeckel aufzubrechen, was aber misslang. Ferner versuchten sie, mit einem vorgefundenen Hubwagen [X.] der Postfiliale aufzubrechen, was gleichfalls fehlschlug. Schließlich verließen sie den [X.], wobei der Angeklagte [X.]      zwei [X.] ergriff, deren Inhalt er dann aber wegwarf.

7

Soweit [X.].   in der Folgezeit an Bandentaten beteiligt war, beging er sie stets zusammen mit [X.]     als weiterem Bandenmitglied (Fälle [X.]II.14, 16, 19, 21, 22 der Urteilsgründe).

II.

8

Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.

9

1. Die Verfahrensrügen greifen aus den vom [X.] in seinen [X.] vom 14. November 2011 genannten Gründen nicht durch.

2. Auch die Sachbeschwerden decken keinen Rechtsfehler auf. Der Erörterung bedarf nur die Frage der Qualifikation von Taten als schwerer [X.] oder versuchter schwerer [X.].

a) Eine Bande setzt in den Fällen der §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 244a StGB den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten [X.]gehung einer noch unbestimmten Vielzahl von Diebstählen verbunden haben. Erforderlich ist eine [X.], bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur [X.]gehung von Straftaten in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun. Als Bandenmitglied ist danach anzusehen, wer in die [X.] eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt (vgl. [X.], [X.]schluss vom 16. März 2010 - 4 StR 497/09, [X.], 347 f.). Dagegen ist ein "gefestigter Bandenwille" oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" nicht erforderlich ([X.], [X.]schluss vom 22. März 2001 - [X.], [X.]St 46, 321, 325).

b) Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die Angeklagten eine [X.] getroffen haben. Diese Abrede muss nicht ausdrücklich getroffen werden; vielmehr genügt eine konkludente Vereinbarung, die im Einzelfall auch aus dem wiederholten Zusammenwirken mehrerer Personen abgeleitet werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 2007 - 2 [X.], [X.], 35, 36). Das Tatgericht hat in solchen Fällen in einer Gesamtschau aller aussagekräftigen Umstände, die für und gegen die Annahme eines gemeinsamen Willensentschlusses der [X.]teiligten zum fortgesetzten Zusammenwirken bei Diebstählen sprechen, zu prüfen, ob in diesem Sinne eine [X.] getroffen wurde, wer daran beteiligt war und worauf sie sich bezieht (vgl. Senat, [X.]schluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12).

Das angefochtene Urteil weist insoweit keinen Rechtsfehler auf. Es hat im Rahmen der [X.]weiswürdigung und bei der rechtlichen [X.]wertung das Handlungsmotiv der Angeklagten und des Nichtrevidenten, die Ausrichtung der Taten auf Einbrüche in Bäckereien oder andere gewerblich genutzte Objekte, in denen [X.] vermutet wurde, ferner eine eingespielte Vorgehensweise, bei der in der Regel keine ausdrückliche Verteilung der Rollen mehr erforderlich wurde, schließlich die große Zahl der Taten innerhalb eines kurzen Tatzeitraums sowie das Vorrätighalten von [X.]n als Anzeichen für eine [X.] gewertet. Gegenüber diesem Grundkonsens hat es den spontanen Tatentschluss in Einzelfällen, die Mitwirkung von bandenfremden [X.]teiligten sowie die fehlende [X.]utebeteiligung der nicht am eigentlichen Tatgeschehen mitwirkenden Bandenmitglieder als Gegenindizien berücksichtigt, aber nicht als Argumente gegen eine konkludente [X.] durchgreifen lassen. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.

Die Annahme einer bandenmäßigen Tatbegehung ist auch in den Fällen [X.]II.12, 14, 16, 19, 21, 22 der Urteilsgründe nicht zu beanstanden, an denen der Angeklagte [X.]     und der frühere Mitangeklagte [X.].   jeweils als einzige Bandenmitglieder beteiligt waren, nachdem [X.].   im Fall [X.]II.12 der [X.] beigetreten war. Dieser [X.]itritt zur [X.] konnte auch konkludent gegenüber dem einzigen tatbeteiligten Bandenmitglied [X.]      zum Ausdruck gebracht werden.

Eine [X.] setzt nicht voraus, dass sich alle [X.]teiligten gleichzeitig absprechen. Sie kann durch aufeinander folgende Vereinbarungen entstehen, die eine bereits bestehende Vereinigung von Mittätern zu einer Bande werden lassen, oder dadurch, dass sich zwei Täter einig sind, künftig Straftaten mit zumindest einem weiteren [X.]teiligten zu begehen, und der Dritte, der durch einen dieser beiden Täter über ihr Vorhaben informiert wird, sich der deliktischen Vereinbarung anschließt. Erst recht ist ein [X.] eines vierten [X.]teiligten an eine bereits bestehende Bande aus drei Mitgliedern möglich (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 [X.], NJW 2005, 2629, 2630). Dieser [X.]itritt wiederum kann auch durch konkludentes Verhalten stattfinden. Dies war nach den Feststellungen des [X.]s der Fall, da die drei Angeklagten schon zuvor eine Einbrecherbande gebildet und Bandentaten begangen hatten und der frühere Mitangeklagte [X.].   dieser bestehenden Bande ab Fall II.12 durch Mitwirkung am versuchten Einbruchsdiebstahl als Mittäter beigetreten ist.

c) Die [X.]wertung der vor diesem Hintergrund begangenen [X.] als Bandendelikte ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

[X.] und bandenmäßige Tatbegehung sind allerdings als selbständige Merkmale der Bandendelikte zu unterscheiden. Die Annahme eines vollendeten oder versuchten schweren [X.]s setzt nach der Rechtsprechung des [X.] neben der [X.] deshalb voraus, dass der Täter im Einzelfall gerade als Mitglied der Bande unter Mitwirkung mindestens eines weiteren Bandenmitglieds nach einem Einbruch stiehlt oder zu stehlen versucht (vgl. [X.], [X.]schluss vom 1. März 2011 - 4 StR 30/11, [X.], 521). Voraussetzung ist also, dass auch die konkrete Tat ein Ausfluss der [X.] ist und nicht losgelöst davon begangen wird (vgl. Senat, Urteil vom 28. September 2011 - 2 [X.] = NStZ-RR 2012, 132 f.). Jedoch kann die [X.] auch solchen [X.]n, die in wechselnder [X.]teiligung ohne Vorausplanung spontan vollendet oder versucht werden, zugrunde liegen, wenn unter der Tätergruppe eine Übereinkunft dahin besteht, in Zukunft sich ergebende günstige Situationen entsprechend auszunutzen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Dezember 2007 - 2 [X.], [X.], 35 f.). Ob dies der Fall ist, muss anhand der auf den Einzelfall zutreffenden Kriterien der [X.] geprüft werden. Insbesondere in Fällen, die auf einem spontanen Tatentschluss beruhen, an denen auch nicht alle Bandenmitglieder mitwirken, bei denen ferner die nicht unmittelbar mitwirkenden Bandenmitglieder keinen [X.]uteanteil erhalten sollen und bei denen schließlich keine Tatmittel der Bande verwendet werden, ist bei der notwendigen Gesamtwürdigung die Möglichkeit in [X.]tracht zu ziehen, dass ein Bandenmitglied aus einem eigennützigen Motiv heraus auch eine nicht bandenmäßig begangene Tat begangen haben kann (vgl. Senat, [X.]schluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12).

Die Gründe des angefochtenen Urteils lassen in ihrem Gesamtzusammenhang nicht besorgen, dass die [X.] die Möglichkeit der nicht bandenmäßigen Tatbegehung verkannt hat; denn das Fehlen einzelner der sonst für die bandenmäßige [X.]gehung sprechenden Kriterien lässt den [X.] dann nicht entfallen, wenn die übrigen immer noch dazu ausreichen, um die Einzeltat als Bandendelikt im Sinne der Abrede zu charakterisieren. Die hier abgeurteilten Taten sind namentlich durch ihre Eigenschaft als nächtliche [X.] durch jeweils mehrere [X.]teiligte in Bäckereien oder andere gewerblich genutzte Objekte, in denen [X.] vermutet wurde, charakterisiert.

Dies gilt auch für Fall [X.]II.12 der Urteilsgründe, in dem nach der Annahme des [X.]s zwei Bandenmitglieder und weitere nicht der Bande angehörende [X.]teiligte aufgrund eines spontanen Tatentschlusses den Diebstahlsversuch nach Einbruch in die Postfiliale begangen haben. In diesem Fall spielte zwar das Kriterium des Vorrätighaltens von [X.]n, die für die Bandenmitglieder verfügbar gewesen wären, keine Rolle, weil die Täter nur einen Gullydeckel von der Straße und einen in der Postfiliale vorgefundenen Hubwagen als Werkzeuge eingesetzt haben. Jedoch ging es auch in diesem Fall um das für die Taten der Bande typische Ziel, aus [X.] zu stehlen, der in einem nicht zu Wohnzwecken, sondern betrieblich genutzten Gebäude vermutet wurde.

III.

Eine Kompensation wegen rechtsstaatswidriger Verzögerung des Revisionsverfahrens ist entgegen der Ansicht des Angeklagten [X.]      nicht angezeigt. Aus der Dauer des Revisionsverfahrens ist für sich genommen noch nicht zu entnehmen, dass es unangemessen verzögert wurde. Die Tatsache, dass die Sache wiederholt im Senat beraten und schließlich eine Revisionshauptverhandlung erforderlich wurde, kann nicht als Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip bewertet werden.

Schmitt                                [X.]rger                     Krehl

                  Eschelbach                         Ott

Meta

2 StR 529/11

18.10.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 30. Juni 2011, Az: 22 KLs 5/11 - 664 Js 417/10

§ 244 Abs 1 Nr 2 StGB, § 244a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.10.2012, Az. 2 StR 529/11 (REWIS RS 2012, 2180)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2180

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