Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.02.2011, Az. 3 StR 432/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 9921

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Gegenstand

Schwerer Bandendiebstahl: Abgrenzung zur Tatbeihilfe und Mittäterschaft


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Juli 2010, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben

a) im [X.]uldspruch

aa) hinsichtlich des Angeklagten S.     , soweit er im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Bandendiebstahls und im Fall II. 4. der Urteilsgründe wegen [X.] in drei Fällen verurteilt worden ist;

bb) hinsichtlich des Angeklagten [X.].      , soweit er im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Bandendiebstahls und im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist;

b) jeweils im gesamten Strafausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat gegen den Angeklagten S.     wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, [X.] in drei Fällen sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung dreier Urteile des [X.] eine Jugendstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verhängt. Gegen den Angeklagten [X.].       hat es wegen schweren Bandendiebstahls sowie versuchten schweren Bandendiebstahls jeweils in zwei Fällen auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

2

Mit ihren Revisionen rügen die Beschwerdeführer der Sache nach allein die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

Der [X.]uldspruch gegen den Angeklagten [X.]hält in den Fällen [X.] und 4., derjenige gegen den Angeklagten [X.].      in den Fällen [X.] und 3. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.

4

1. Nach den Feststellungen des [X.]s kamen die Angeklagten [X.]und [X.].      mit den gesondert Verfolgten [X.]       und [X.]      Ende 2009 / Anfang 2010 überein, ihre Einkommenssituation durch eine Vielzahl im Einzelnen noch unbestimmter Diebstähle dauerhaft zu verbessern. Die Taten sollten entsprechend ihren Fähigkeiten arbeitsteilig und unter wechselnder Mitwirkung der einzelnen Gruppenmitglieder sowie gegebenenfalls auch unter Beteiligung weiterer vertrauenswürdiger Personen begangen werden. Die Gruppe ging übereinstimmend davon aus, dass der Angeklagte [X.].       als einziger von ihnen in der Lage war, Tresore mit Hilfe eines Trennschleifers ("Flex") zu öffnen, um so deren Inhalt zu erbeuten. Die Entscheidung über das "Wann" und "Wo" eines Einbruchs trafen [X.]       und [X.]        . Widersprüche aus der Gruppe setzten sich nicht durch; insbesondere gelegentliche Vorschläge des Angeklagten [X.]zu möglichen [X.] wurden abgelehnt.

5

a) "Vor diesem Hintergrund" begaben sich die Angeklagten [X.] und [X.].      im Fall [X.] aufgrund eines gemeinsamen Tatplans in ein Geschäft, um dort einzubrechen und möglichst viele stehlenswerte Gegenstände für sich zu erlangen, wobei die erhoffte Beute in etwa hälftig geteilt werden sollte. Die Tat blieb ohne Erfolg; aufgrund der Störung durch einen Zeugen flüchteten die Angeklagten ohne Beute.

6

b) Im [X.] 3. begaben sich [X.]       und [X.]     zu einer Grundschule, um dort möglichst viele stehlenswerte Gegenstände für sich zu erlangen. Für den Fall, dass sich in der [X.]ule [X.] befinden sollte, wollten sie auf die Hilfe des Angeklagten [X.].       zurückgreifen, "der sich schon vor der Tat generell dazu bereit erklärt hatte, bei [X.] vorgefundene Tresore mit einer Flex aufzuschneiden".

7

[X.]       und [X.]        hebelten die Nebentür der Grundschule auf, brachen mehrere Türen innerhalb des Gebäudes auf und hebelten schließlich einen Tresorwürfel aus der Wand. [X.] verbrachten sie in die Kellerräume eines in einer anderen Stadt gelegenen Restaurants, in welchem der Angeklagte [X.].     zum Tatzeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis hatte. Sodann baten [X.]       und [X.]       den Angeklagten [X.].      telefonisch, in das Restaurant zu kommen und [X.] zu öffnen. Entsprechend seiner zuvor gegebenen Zusage begab sich der Angeklagte [X.].      in die Räumlichkeiten und flexte [X.] auf. [X.]       und [X.]      entnahmen den Inhalt (u.a. ca. 280 € Bargeld und "eine EC-Karte" nebst dazugehöriger [X.]), um ihn für sich zu behalten bzw. wirtschaftlich zu verwerten. Der Angeklagte [X.].       erhielt für seine Tätigkeit einen Anteil an der Beute in Höhe von 100 €.

8

c) Nach den Feststellungen zu [X.] 4. verschafften sich der Angeklagte [X.]und [X.]     gemeinsam mit Hilfe der im [X.] 3. in der Grundschule "erbeutenden EC-Karten" Bargeld, indem sie unter Verwendung "der EC-Karten und der ebenfalls erbeuteten [X.]" von dem Konto der [X.]ule am 1. Februar 2010 um 18:24 Uhr 500 € an einem Geldautomaten in einem Café in [X.] und um 18:33 Uhr 200 € sowie um 18:43 Uhr weitere 100 € jeweils an demselben Geldautomaten eines Spielcenters in [X.] abhoben. Dabei war dem Angeklagten S.       und dem gesondert Verfolgten [X.]      bewusst, dass die "eingesetzten EC-Karten" aus dem Einbruch in die Grundschule stammten. Sie gingen mit wechselnden Rollen dergestalt arbeitsteilig vor, dass einer von ihnen "die Karte" in den Automaten einführte und der andere ihm die [X.] sagte oder diese in den Automaten eingab.

9

2. Die Feststellungen im Fall [X.] tragen den [X.]uldspruch der Angeklagten [X.] und [X.].       wegen versuchten schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 1. Alt., §§ 22, 23 Abs. 1 StGB nicht. Allein der Umstand, dass sich beide Angeklagten schon vor dieser gemeinsam begangenen Tat mit den gesondert Verfolgten [X.]      und [X.]          zu einer Bande mit dem Zweck der Begehung von [X.] zusammengeschlossen hatten, führt nicht ohne weiteres dazu, dass alle nachfolgenden Einbruchstaten eines Bandenmitglieds als bandenmäßig begangen einzustufen sind; dies gilt auch dann, wenn an der jeweiligen Tat ein weiteres Bandenmitglied beteiligt war. Zwar kann nach vorheriger [X.] eine von nur zwei Mitgliedern verübte [X.] als [X.] zu qualifizieren sein; denn das für das Vorliegen einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbegehung eingebunden sein ([X.], Beschluss vom 17. Januar 2006 - 4 StR 595/05, [X.], 342). Voraussetzung für die Annahme einer [X.] nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1 StGB ist neben der Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds aber, dass die [X.] der [X.] ist und nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der unmittelbar an dem Diebstahl beteiligten Bandenmitglieder ausgeführt wird ([X.] aaO). Ein solcher konkreter Bezug der Tat im Fall [X.] zu der vorangegangenen [X.] lässt sich - entgegen der Auffassung des [X.] - den Feststellungen nicht entnehmen. Insbesondere bleibt offen, ob [X.]       oder [X.]      das Tatobjekt festgelegt hatten.

3. Die im [X.] 3. getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Verurteilung des Angeklagten [X.].      wegen schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 1. Alt. StGB nicht.

a) Die allgemeine, im Rahmen der [X.] erteilte Zusage des Angeklagten [X.].      , bei [X.] erbeutete Tresore zu öffnen, begründet nicht ohne weiteres seine Beteiligung an der ausgeführten [X.]. Denn die [X.] lässt die allgemeinen Regeln über die Tatbeteiligung unberührt, mithin sind Bandenmitgliedschaft und Beteiligung an [X.]en unabhängig voneinander zu beurteilen ([X.], Beschluss vom 13. Mai 2003 - 3 [X.], [X.], 265, 267).

Denkbar ist aufgrund der im Vorfeld getätigten allgemeinen Unterstützungszusage zunächst eine Strafbarkeit wegen (psychischer) Beihilfe, sofern das Versprechen des Angeklagten [X.].      , Tresore zu öffnen, die tatausführenden gesondert Verfolgten [X.]      und [X.]        psychisch in ihrem [X.] bestärkte, die Tathandlung oder den Erfolgseintritt mindestens erleichterte oder förderte und die subjektiven Voraussetzungen der Beihilfe bei dem Angeklagten [X.].      vorlagen. Im Einzelfall können rein psychische Unterstützungshandlungen allerdings auch einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag begründen ([X.], Urteil vom 10. März 1961 - 4 StR 30/61, [X.]St 16, 12).

Ob die allgemeine Zusage des Tresoröffnens vorliegend die Voraussetzungen der Beihilfe oder sogar der Mittäterschaft erfüllt, kann der [X.] mangels entsprechender Feststellungen in subjektiver Hinsicht nicht prüfen. Weder die Darlegung des [X.]s, die Bandenmitglieder seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Angeklagte [X.].      als einziger von ihnen in der Lage sei, Tresore mit Hilfe eines Trennschleifers zu öffnen, noch die Wiedergabe der Vermutung des Angeklagten [X.].      , warum nur er Tresore öffnen sollte, lässt einen [X.]luss auf die innere Vorstellung der Beteiligten zu. Nach den Urteilsgründen ist es auch möglich, dass sich der Angeklagte [X.].      im [X.] 3. durch seine allgemeine Zusage nicht einmal der Beihilfe schuldig gemacht hat.

b) Das [X.] hat bei der Prüfung der Strafbarkeit des Angeklagten [X.].      im Wesentlichen auf seine vor Ort erbrachte Leistung abgestellt und den tatsächlichen Beitrag in Form des Tresoröffnens als Anknüpfungspunkt für die mittäterschaftliche Begehungsweise zugrunde gelegt, ohne dies näher auszuführen. Dabei hat es nicht berücksichtigt, dass der Diebstahl des Tresors schon zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte [X.].      von den gesondert Verfolgten [X.]        und [X.]          angerufen wurde, mithin bevor er überhaupt eine Tätigkeit entfaltete, beendet war, so dass er sich allein durch das Öffnen des Tresors an der Tat weder in Form der Beihilfe noch der sukzessiven Mittäterschaft beteiligen konnte (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Oktober 2007 - 3 StR 384/07, [X.], 152; Beschluss vom 13. August 2002 - 4 [X.], [X.], 32; Urteil vom 24. Juni 1998 - 3 StR 128/98, [X.], 208).

Ein Diebstahl ist beendet, wenn der Dieb den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen nach den Umständen des Einzelfalls gefestigt und gesichert hat ([X.], Beschluss vom 26. Mai 2000 - 4 StR 131/00, [X.], 88, 89). Dies war hier schon vor dem Anruf bei dem Angeklagten [X.].      der Fall. Aufgrund des [X.] des Tresors aus der [X.]ule in die Kellerräume des Restaurants befand sich das Diebesgut nicht mehr im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Berechtigten, vielmehr hatten die gesondert Verfolgten  [X.]        und [X.]       ihm diesen bereits entzogen. Die neue Sachherrschaft war bereits gefestigt. Der Umstand, dass es ihnen auf den Inhalt des Tresors ankam und sie hierfür die Hilfe des Angeklagten [X.].      in Anspruch nahmen, ändert nichts daran, dass sie das noch vom Behältnis umschlossene Diebesgut bereits aus dem Einwirkungsbereich des Berechtigten entfernt hatten.

Auf Basis der bisherigen Feststellungen wäre daher eine Strafbarkeit wegen Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB in Betracht zu ziehen. Da § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB den an der Vortat Beteiligten indes von einer Strafbarkeit wegen Begünstigung ausnimmt, ist jedoch vorrangig eine mögliche Beteiligung des Angeklagten [X.].      an der Vortat aufgrund seiner zugesagten Unterstützungshandlung [X.], StGB, 58. Aufl., § 257 Rn. 12; [X.], 12. Aufl., § 257 Rn. 101 f. mwN) - wie oben unter a) erörtert - zu prüfen.

4. Hinsichtlich des Angeklagten [X.] belegen die Urteilsgründe nicht, dass dieser sich im [X.] 4. des [X.] (§ 263a Abs. 1 StGB) in drei Fällen schuldig gemacht hat.

Die Feststellungen des [X.]s zu der Anzahl der zuvor im [X.] 3. erbeuteten und sodann anschließend im [X.] 4. eingesetzten EC-Karte(n) sind widersprüchlich. Der [X.] vermag angesichts der wiederholten, zum einen auf eine Karte, zum anderen auf mehrere Karten hindeutenden Formulierungen entgegen dem [X.] auch keinen eindeutigen [X.]reibfehler dahin erkennen, dass - entsprechend den Feststellungen im [X.] 3. - tatsächlich nur eine EC-Karte erbeutet und allein diese sodann auch an den Geldautomaten eingesetzt wurde.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der drei Abhebungen als nicht tragfähig. Denn falls der Angeklagte [X.] zusammen mit dem gesondert Verfolgten [X.]            mit nur einer EC-Karte innerhalb kurzer Zeit Geld einmal am Automaten in dem Café und zweimal am Automaten im Spielcenter abgehoben haben sollte, stellen sich die einzelnen Zugriffe an ein und demselben Geldautomaten im Spielcenter nicht als selbständige Taten, sondern als Teile einer einheitlichen Tat nach § 263a Abs. 1 StGB im materiell-rechtlichen Sinne dar (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - 2 [X.]; vom 21. November 2002 - 4 [X.]; vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, insoweit in [X.], 595 nicht abgedruckt). Mithin läge Computerbetrug lediglich in zwei Fällen vor.

5. Nach alledem ist das angefochtene Urteil in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang mit den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

[X.]                    Hubert

          [X.]äfer                         [X.]

Meta

3 StR 432/10

01.02.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lüneburg, 14. Juli 2010, Az: 20 KLs 1303 Js 2743/10 ( 32/10), Urteil

§ 25 StGB, § 27 StGB, § 244 Abs 1 Nr 2 StGB, § 244a Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.02.2011, Az. 3 StR 432/10 (REWIS RS 2011, 9921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9921

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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