Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.11.2007, Az. II ZR 161/06

II. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 654

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[X.] ZR 161/06 vom 26. November 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 611, 812 Abs. 1; GmbHG § 43 Abs. 2; EStG § 38 a) Der Anspruch der GmbH gegen ihren Geschäftsführer auf Rückzahlung einer nicht geschuldeten Vergütung umfasst auch die abgeführte Lohnsteuer. b) Der Geschäftsführer haftet nach § 43 Abs. 2 GmbHG, wenn er darauf hinwirkt, sich eine ihm nach dem Anstellungsvertrag nicht zustehende Vergütung von der [X.] anweisen zu lassen. [X.], Beschluss vom 26. November 2007 - [X.]/06 - [X.]
LG [X.] - 2 - [X.] [X.] hat am 26. November 2007 durch [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: [X.] Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des [X.] in [X.] des [X.] vom 23. Juni 2006 im Kostenpunkt und in-soweit aufgehoben, als die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil der [X.] für Handelssachen des Land-gerichts [X.] vom 12. April 2005 - 18 O 216/04 - [X.] worden ist. I[X.] Der Kläger trägt die Gerichtskosten des [X.]. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten im [X.] hat der Kläger 7/20 zu tragen. II[X.] Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhand-lung und Entscheidung, auch über die weitergehenden, nicht durch die vorstehende Kostenentscheidung (II) erfassten Kos-ten des [X.]s an das [X.] zurückverwiesen. [X.] Gegenstandswert: 79.762,21 • (Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten 52.567,30 •, verworfene Nichtzulassungsbe-schwerde des [X.] •). - 3 - Gründe: 1 Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist, zur [X.] an das Berufungsgericht. 2 1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es [X.] ihres Vortrags zu einer für den Rechtsstreit zentralen Frage übergangen hat. Es hat angenommen, der Beklagten stehe gegen den Kläger, ihren ehema-ligen Geschäftsführer, kein Anspruch auf Ersatz der an das Finanzamt auf die überzahlte Dienstvergütung abgeführten Lohnsteuer zu, weil zugunsten des [X.] unklar geblieben sei, warum die Beklagte im Jahre 2002 dem Kläger über den vereinbarten Höchstbetrag hinaus Zahlungen angewiesen hat. Der Grund für die Zahlung ist allenfalls deswegen unklar geblieben, weil das [X.] den Vortrag der Parteien dazu übergangen und den angebotenen Beweis nicht erhoben hat. Die unberechtigte Auszahlung wurde vom Kläger angewiesen und von seinem Mitgeschäftsführer abgezeichnet, wie das [X.] selbst feststellt. Der Kläger hat unter Beweisantritt weiter vorgetra-gen, der Mitgeschäftsführer habe dies - wie gesetzlich geboten - mit der Gesell-schafterin und dem Aufsichtsrat abgestimmt, die Beklagte hat diesen Vortrag ausdrücklich bestritten. Der übergangene Vortrag ist entscheidungserheblich. Der [X.] der Beklagten Schadensersatz, wenn die [X.]erin bzw. der [X.] der Auszahlung nicht zugestimmt haben. Geschäftsführer, die ihre Pflichten verletzen, haften der [X.] für den entstandenen Schaden nach § 43 Abs. 2 GmbHG, nicht, wie das Berufungsgericht fehlerhaft meint, wegen 3 - 4 - einer Verletzung der Pflichten ihres [X.] nach § 280 Abs. 1 BGB ([X.].Urt. v. 9. Dezember 1996 - [X.], [X.], 199). Der [X.] darf seine Stellung nicht zu seinen eigenen Gunsten und gegen die [X.] der [X.] ausnutzen. Diese Pflicht verletzt er nicht nur bei einem unmittelbaren "Griff in die Kasse", sondern auch dann, wenn er darauf hinwirkt, sich eine ihm nach dem Anstellungsvertrag nicht zustehende Vergütung von der [X.] anweisen zu lassen. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass dem Kläger die angewiesene Vergütung aufgrund des schriftlich [X.] nicht zustand. Einen Anspruch auf eine Ver-gütung über die Festlegungen im schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag hin-aus hatte der Kläger nur, wenn dieser Vertrag abgeändert wurde. Das zur [X.] des Geschäftsführeranstellungsvertrags befugte Organ der Beklagten ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]ats die [X.]erversamm-lung ([X.].Urt. v. 25. März 1991 - [X.], [X.], 580) - sog. "Annex-kompetenz" zu § 46 Nr. 5 GmbHG, sofern die Satzung der Beklagten diese [X.] nicht einem Aufsichtsrat übertragen hat. Dass der Mitgeschäftsführer des [X.] die Anweisung zur Auszahlung der Vergütung abgezeichnet hat, entlas-tet den Kläger nicht. Ein Geschäftsführer kann sich nicht auf das Mitverschul-den eines weiteren Geschäftsführers berufen. Im Verhältnis zur [X.] bilden die Mitgeschäftsführer eine Haftungsgemeinschaft und haften gesamt-schuldnerisch ([X.].Urt. v. 14. März 1983 - [X.], [X.] 1983, 824). Der Beklagten ist schließlich ein Schaden entstanden. Sie musste auf eine überhöh-te Vergütung des [X.] Lohnsteuer abführen, die ihr vom Staat nicht erstattet wird. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus die Darlegungs- und Beweis-last verkannt, weil es die Abweisung der Widerklage darauf gestützt hat, dass die vermeintliche [X.], warum die Beklagte dem Kläger über den vereinbarten Höchstbetrag hinaus Zahlungen angewiesen habe, zugunsten des 4 - 5 - [X.] wirke. Die GmbH trifft die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichten-kreis ein Schaden erwachsen ist, während der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachge-kommen ist, dass ihn kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre ([X.] 152, 280, 284). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der [X.]at kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil noch weitere Feststellungen zu treffen sind. Der Kläger hat unter Beweisantritt behauptet, sein Mitgeschäftsfüh-rer habe sowohl die [X.]erversammlung als auch den Aufsichtsrat in-formiert und die Auszahlung "absegnen" lassen, und hat die Berechnung der Beklagten über die Höhe der auf die Überzahlung angefallenen, zu Unrecht [X.] Lohnsteuer bestritten. 5 2. Für das weitere Verfahren weist der [X.]at auf Folgendes hin: 6 a) Als sachliche Klagevoraussetzung für die Widerklage gegen den ehe-maligen Geschäftsführer ist nach § 46 Nr. 8 GmbHG ein [X.]erbe-schluss erforderlich (vgl. [X.] 28, 355, 359; 97, 382, 389). Die Beklagte hat bisher nicht vorgetragen, dass er gefasst ist. Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass er nachgeholt werden kann (vgl. [X.].Urt. v. 3. Mai 1999 - [X.], [X.] 1999, 1001). 7 b) Sofern die Beklagte einen Aufsichtsrat hat, wird sie im Prozess mit ih-rem ehemaligen Geschäftsführer gemäß §§ 52 Abs. 1 GmbHG, 112 [X.] durch den Aufsichtsrat und nicht durch die Geschäftsführer vertreten. Das ist - sofern der Aufsichtsrat nicht nach dem Mitbestimmungsgesetz gebildet werden musste ([X.] 89, 48, 50) - nur dann anders, wenn etwas anderes in der Satzung ge-regelt oder von der [X.]erversammlung beschlossen worden ist 8 - 6 - ([X.].Beschl. v. 23. April 2007 - [X.], [X.], 1358). Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte einen Aufsichtsrat besitzt, weil die letz-ten mit dem Kläger abgeschlossenen Geschäftsführerdienstverträge von einem Aufsichtsrat unterschrieben sind. 9 c) Das Berufungsgericht hat außerdem verkannt, dass die Beklagte vom Kläger nach § 812 Abs. 1 BGB Zahlung der auf die überzahlte Vergütung ge-leisteten Lohnsteuer verlangen kann. Der Anspruch auf die Rückzahlung einer nicht geschuldeten Dienstvergütung umfasst auch die abgeführte Lohnsteuer (ebenso BVerwGE 25, 97, 99 für Beamtenbezüge; [X.] Nr. 24 zu §§ 22, 23 [X.] für tarifvertragliche Rückzahlungsansprüche; [X.] 1996, 161; MünchKommBGB/Müller-Glöge 4. Aufl. § 611 Rdn. 866; Preis in [X.] Kommentar 8. Aufl. § 611 BGB Rdn. 416; [X.] in [X.] 2. Aufl. § 76 Rdn. 5; [X.]/[X.], [X.]. § 611 Rdn. 68; offen gelassen bei [X.] in [X.], [X.]. § 611 Rdn. 418; a.A. [X.], [X.] 1987, 5, 10, 18; [X.] in [X.]. [X.]. 2.1 Rdn. 611). Im Falle einer Überzahlung der Vergütung hat die Beklagte einen [X.] gegen den Kläger, weil dieser von seiner Lohnsteuerschuld befreit wurde. Bei der Bezahlung einer fremden Schuld vollzieht sich der Bereiche-rungsausgleich im Verhältnis zwischen [X.] und Schuldner, wenn die Schuld tatsächlich besteht und im Verhältnis zwischen [X.] und Schuld-ner ein Rechtsgrund für die Leistung fehlt. Der Schuldner hat dann [X.] die Befreiung von seiner Schuld erlangt. Die Beklagte zahlte die Lohnsteuer für eine bestehende Steuerschuld des [X.]. Der Kläger war als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG alleiniger Steuerschuldner. Der Arbeitgeber ist öffent-lich-rechtlich nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG lediglich verpflichtet, die Lohnsteuer auf Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und abzuführen. Dadurch wird 10 - 7 - er nicht Steuerschuldner. Mit der Abführung der Lohnsteuer erbringt der [X.] eine Leistung an den Arbeitnehmer. Er erfüllt damit seine gegenüber dem Arbeitnehmer bestehende Pflicht zur Bruttogehaltszahlung. Soweit der [X.] keine Vergütungsforderung hat, fehlt im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Rechtsgrund für die Zahlung des Bruttogehalts und damit auch des auf die Lohnsteuer entfallenden Anteils. Die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers besteht dagegen auch, wenn die Vergütungszahlung nach dem Dienstvertrag nicht begründet ist. Die Annahme, es fehle in diesem Fall eine Schuld des Arbeitnehmers gegenüber dem Finanzamt und eine wirksame An-weisung zur Zahlung durch den Steuerschuldner ([X.], [X.] 1987, 5, 10), widerspricht dem auch im Lohnsteuerrecht herrschenden Zuflussprinzip. Die Lohnsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem [X.] zufließt, § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Arbeitgeber kann außerdem, selbst wenn die Steuer [X.] bezahlt worden wäre, keine Erstattung vom Finanzamt erlangen. Nach § 37 Abs. 2 AO steht bei einer [X.] gezahlten Steuer der Erstattungsanspruch nur demjenigen zu, auf dessen Rechnung gezahlt wurde. Das ist der Arbeitnehmer, weil die Lohnsteuer auf seine Rechnung einbehalten und abgeführt wird, § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. Der Arbeitnehmer wird dadurch nicht unbillig belastet. Wenn er die über-zahlte Vergütung einschließlich der abgeführten Lohnsteuer zurückzahlen muss, mindert dies sein Einkommen und dadurch die Lohn- oder Einkommen-steuer. Wenn kein ausreichender Ausgleich mit einer Steuerschuld möglich ist, etwa nach Aufgabe der Tätigkeit oder bei einer Verminderung des [X.], kann der Arbeitnehmer verbleibende Steuernachteile unter den Voraus-setzungen des § 818 Abs. 3 BGB vom Rückzahlungsanspruch des [X.] abziehen (vgl. BVerwGE 25, 97, 103; [X.], Urt. v. 12. Januar 1994 - 5 [X.], [X.] 1994, 726), sofern ihm der [X.] nicht 11 - 8 - nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB abgeschnitten ist, weil er die Überzahlung kannte. [X.][X.][X.]

[X.] Drescher Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 12.04.2005 - 18 O 216/04 - [X.] in [X.], Entscheidung vom [X.]

Meta

II ZR 161/06

26.11.2007

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.11.2007, Az. II ZR 161/06 (REWIS RS 2007, 654)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 654

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