Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2011, Az. V ZB 292/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7221

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[X.]BESCHLUSS [X.] 292/10 vom 28. April 2011 in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: jaFamFG § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2; § 426 Abs. 2 Satz 1 Die Rechtsbeschwerde ist auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen einen Beschluss des [X.] richtet, mit welchem die Beschwerde ge-gen die Zurückweisung eines [X.] zurückgewiesen worden ist. FamFG §§ 45, 62 Abs. 1; § 426 Abs. 2 Satz 1 Die formelle Rechtskraft der Entscheidung über die Haftanordnung kann nicht durch ein Haftaufhebungsverfahren durchbrochen werden; hat sich die Haftanordnung er-ledigt, kann deshalb das Rechtsmittelgericht die Rechtsverletzung erst ab dem Ein-gang des [X.] bei dem Gericht des ersten Rechtszugs feststellen. [X.], Beschluss vom 28. April 2011 - [X.] 292/10 - [X.] - 2 - Der [X.] hat am 28. April 2011 durch [X.] [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub beschlossen: Auf die Rechtsmittel des Betroffenen werden - unter deren Zurückwei-sung im Übrigen - der Beschluss der 11. Zivilkammer des [X.] vom 11. November 2010 und der Beschluss des [X.] vom 22. Juli 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufge-hoben, als auch für den Zeitraum ab dem 6. November 2009 zum Nachteil des Betroffenen entschieden worden ist. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 22. Juli 2010 den Betroffenen seit dem 6. November 2009 in sei-nen Rechten verletzt hat. Die zweckentsprechenden außergerichtlichen Auslagen des [X.] werden zu 1/6 der [X.] auferlegt. Im Übri-gen findet eine Auslagenerstattung nicht statt. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 •. - 3 - Gründe: [X.] 1 Der Betroffene reiste am 22. September 2009 von den [X.] kommend unerlaubt in die [X.] ein. Er hatte am 8. Oktober 2008 in [X.] einen Asylantrag gestellt. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht am 22. September 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung des [X.] nach [X.] für die Dauer von längstens zwei Monaten an. 2 Am 6. November 2009 hat der Betroffene bei dem Amtsgericht beantragt, den Beschluss vom 22. September 2009 aufzuheben und festzustellen, dass "die Inhaftierung in Abschiebungshaft" rechtswidrig gewesen ist. Nachdem der Betroffene am 17. November 2009 nach [X.] zurückgeschoben [X.] war, hat er am 23. November 2009 die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22. Juli 2010 "abgelehnt". Das [X.] hat die Beschwerde mit [X.] vom 11. November 2010 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene im Ergebnis die Feststellung erreichen, dass die Haftanord-nung ihn in seinen Rechten verletzt hat. 3 I[X.] Nach Ansicht des [X.] war die Haftanordnung rechtmä-ßig. Es hätten die in § 62 Abs. 2 Nr. 1 und 5 [X.] genannten Vorausset-zungen vorgelegen. Gegen das Beschleunigungsgebot sei nicht verstoßen [X.]. 4 - 4 - II[X.] 5 Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht vollständig stand. 6 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. a) Statthaft ist auch eine Rechtsbeschwerde mit dem Ziel, die Rechtsver-letzung des Betroffenen durch die Zurückweisung eines Antrags auf Haftaufhe-bung nach § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG festzustellen. 7 Für diesen Feststellungsantrag kann nichts anderes gelten als für ent-sprechende Anträge nach Erledigung gegen die Haftanordnung eingelegter Be-schwerden, in denen Feststellungsanträge analog § 62 Abs. 1 FamFG auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gestellt werden können, ohne dass es einer Zu-lassung des Rechtsmittels bedarf (std. Rspr.: vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - [X.] 172/09, [X.] 2010, 150, 151 Rn. 9, 10; Beschluss vom 4. März 2010 - [X.] 184/09, [X.] 2010, 152, 153 Rn. 4). Die besonde-ren Rechtsschutzmöglichkeiten beruhen auf dem Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen nach einem Eingriff in sein Freiheitsgrundrecht und hängen nicht von dem konkreten Ablauf des Verfahrens ab (vgl. [X.] 104, 220, 235). 8 b) Die Rechtsbeschwerde ist auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn - wie hier - das Beschwerdegericht über einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG entschieden hat und in dem Rechtsbeschwerdeverfahren die Überprüfung dieser Entscheidung verlangt wird (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.] 29/10, [X.] 2011, 27 Rn. 4). 9 2. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde teilweise Erfolg. Die Zurück-weisung des Aufhebungsantrags hat ab dessen Eingang bei dem Amtsgericht 10 - 5 - am 6. November 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil schon kein zulässiger Haftantrag vorlag. 11 a) Das Fehlen des nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] auch für die Zu-rückschiebung erforderlichen Einvernehmens der zuständigen St[X.]tsanwalt-schaft führt nicht nur zur Unzulässigkeit der Haft, sondern zur Unzulässigkeit des [X.], wenn sich aus ihm oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass gegen den Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungsver-fahren anhängig ist und der Antrag zu dem Vorliegen des Einvernehmens keine Angaben enthält (Senat, Beschluss vom 24. Februar 2011 - [X.] 202/10, juris Rn. 7, 10 ff.). So ist es hier. In dem von der Beteiligten zu 2 am 22. September 2009 gestellten Haftantrag heißt es unter "II[X.] Sachverhalt" u.a.: "Seitens der hiesigen Dienststelle wurde ein Strafverfahren wegen der unerlaubten Einreise und Auf-enthalt im [X.] gegen den o.a. afghanischen St[X.]tsangehörigen ein-geleitet." Angaben dazu, ob das Einvernehmen der St[X.]tsanwaltschaft mit der Zurückschiebung vorliegt, enthält der Antrag nicht. 12 b) Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist in jeder Lage des Ver-fahrens von Amts wegen zu prüfen (Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - [X.] 136/10, juris Rn. 6 mwN). Es ist deshalb unerheblich, dass der [X.] das Fehlen dieser Verfahrensvoraussetzung weder in den Vorinstanzen noch in der Rechtsbeschwerdebegründung gerügt hat. 13 c) Gleichwohl ist die Rechtsbeschwerde unbegründet, soweit es um die Feststellung der Rechtsverletzung durch die Haftanordnung von Anfang geht. Dieser Feststellung steht die formelle Rechtskraft des Beschlusses des Amtsge-richts vom 22. September 2009 (Haftanordnung) entgegen. 14 - 6 - 15 [X.]) Zwar ist vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben, die an einen wirkungsvollen Rechtsschutz bei prozessualer Überholung zu [X.] sind, ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme regelmäßig gegeben (siehe nur [X.] 104, 220, 234; Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.] 116/10, juris Rn. 8 mwN). Dieses rechtliche Interesse erlaubt jedoch nicht die Stellung eines Feststellungsantrags losgelöst von dem jeweils bestehenden Rechts-schutzsystem, sofern es dem Betroffenen zumutbar und möglich war, eine von der Verfahrensordnung bereitgestellte Rechtsschutzmöglichkeit zu ergreifen; besteht eine solche Möglichkeit, kann von dem Betroffenen erwartet werden, dass er diese wahrnimmt (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.] 116/10, juris [X.]O). [X.]) Diese Voraussetzung liegt hier vor. Gegen den Beschluss, mit dem das Amtsgericht die Haft angeordnet hat, hat der Betroffene kein Rechtsmittel eingelegt. 16 d) Die formelle Rechtskraft der Entscheidung über die Haftanordnung kann auch nicht durch das Verfahren auf Aufhebung der Haft nach § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG durchbrochen werden. Zwar sind Entscheidungen über die [X.] nicht der materiellen Rechtskraft fähig, so dass ein Betroffener den Haftaufhebungsantrag nicht nur auf neue Umstände, sondern auch auf Einwände gegen die erstmalige Anordnung der Haft stützen kann (Senat, [X.] vom 18. September 2008 - [X.] 129/08, [X.], 299, 300 zu § 10 Abs. 2 FEVG). Diese Berücksichtigung von Einwänden gegen die Haftanord-nung bei der Prüfung der Haftaufhebung führt aber nicht dazu, dass die formelle Rechtskraft unterlaufen werden darf ([X.], [X.] 2005, 276, 277; [X.], FamFG 16. Aufl., § 62 Rn. 5; offengelassen von [X.], NVwZ-RR 2009, 222, 223). 17 - 7 - 18 e) Begründet ist die Rechtsbeschwerde jedoch insoweit, als das Be-schwerdegericht den Feststellungsantrag auch für den Zeitraum ab dem Ein-gang des [X.] bei dem Amtsgericht am 6. November 2009 zurückgewiesen hat. Insoweit sind seine Entscheidung und auf die Beschwerde des Betroffenen auch die Entscheidung des Amtsgerichts vom 22. Juli 2010 aufzuheben. IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81 Abs. 1, 83 Abs. 2, 430 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 [X.] entspricht es billigem Ermessen, die [X.] Deutsch-land, der die beteiligte Behörde angehört, zur Erstattung eines Teils der not-wendigen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten. Die Kostenquote entspricht dem Verhältnis des gesamten Haftzeitraums zu dem Zeitraum, für den die Rechtsmittel Erfolg haben. 19 - 8 -
20 Der Gegenstandswert bestimmt sich nach §§ 30 Abs. 2, 128c Abs. 2 KostO. VRi[X.] Prof. [X.]

[X.] ist infolge Urlaub an der Unter- schrift gehindert. [X.], den 2. Mai 2011 Der stellv. Vorsitzende [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 11 XIV 4221 B - [X.], Entscheidung vom 11.11.2010 - 11 T 583/10 (15) -

Meta

V ZB 292/10

28.04.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2011, Az. V ZB 292/10 (REWIS RS 2011, 7221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7221

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